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DOI: 10.1055/s-0043-120365
Aufwand bei der Betreuung von COPD-Patienten unter Alltagsbedingungen in pneumologischen Praxen differenziert nach bekannten und neuen Patienten und nach Schweregraden der Erkrankung
Expenditure on the Care of COPD Patients Under Everyday Conditions in Pneumological Practices Differentiated According to Patients in Chronic Care and New Patients and Severity of the IllnessKorrespondenzadresse
Publication History
eingereicht 13 September 2017
akzeptiert nach Revision 27 September 2017
Publication Date:
06 December 2017 (online)
Zusammenfassung
Der Aufwand einer pneumologischen Praxis ist für Ärzte bei der Kontaktfrequenz und zeitlichen Inanspruchnahme und für das Team durch Schulung und vermehrte diagnostische Leistungen bei Neupatienten höher als bei Altpatienten. Ein ähnlicher Zusammenhang besteht bei den verschiedenen Schwergraden der COPD nicht.
Insgesamt ist der Aufwand von Neupatienten annähernd doppelt so groß wie bei den Altpatienten. Das heißt, eine pneumologische Praxis kann in der Zeit, die sie für die Versorgung von ca. 50 Neupatienten aufwendet, ca. 100 Altpatienten mit COPD betreuen.
Da der Mehraufwand nicht in der Gebührenordnung abgebildet ist, verstärkt das die Tendenz zu Kontrolluntersuchungen und zur Risikoselektion. Anreize für die Behandlung von Neupatienten könnten dagegen eine wirksame Maßnahme zur Entspannung der Terminnot bei Fachärzten darstellen. Dies sollte durch eine entsprechende Umgestaltung der Gebührenordnung erreicht werden.
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Abstract
New patients in the secondary respiratory care require more time for the first consultation and place a higher diagnostic and therapeutic demand if compared to patients already in chronic care. More diagnostic procedures and patient’s education by the team are required. No such burden is observed regarding differential degrees of severity of respiratory diseases, e. g. COPD.
The overall demands add up to twice the demands of patients already in care. Thus the time required for the treatment of 50 new patients allows consultations for 100 patients already known in the office.
As additional time and effort for new patients is not adequately represented in the German medical tax (EBM) a trend to risk selection and a preference for control patients is observed. In contrast incentives to foster treatment of new patients could be an effective measure to dramatically reduce waiting time for visits with pulmonologists. This should be achieved by changes in the German medical tax (EBM).
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Einleitung
In Deutschland wird die Prävalenz der COPD-Erkrankung auf etwa 6 Millionen Erkrankte geschätzt [1]. Etwa 12 % sind im Disease-Management-Programm COPD (DMP COPD) eingeschrieben [2] und werden von Pneumologen bzw. Schwerpunkt-Hausärzten in besonderer Weise strukturiert versorgt. Die überwiegende Zahl der Patienten in der ambulanten Versorgung in den Praxen hat nach GOLD 2017 Schweregrad 2 der Obstruktion, Gruppe B (manifest symptomatisch, seltene Exazerbationen) [4], annähernd entsprechend dem Schweregrad einer mittelschweren Störung nach ICD 10 (J44.82 bzw. J44.92) [5] [6].
Die vorliegende Untersuchung geht einerseits der Frage nach, inwieweit der Betreuungsaufwand in der ambulanten Praxis abhängig ist vom Schweregrad der Erkrankung und andererseits, inwieweit ein höherer Betreuungsaufwand im Zusammenhang mit der Neudiagnose und ersten Therapieeinstellung von COPD-Patienten nachweisbar ist. Um einem adäquaten Versorgungsbedarf gerecht werden zu können, sollten Anreize für ein Ausgrenzen schwergradig Erkrankter bzw. ein Vermeiden von „Neupatienten“ zur Aufwandsminimierung vermieden werden.
Solche Anreize sind in der aktuellen kassenärztlichen Gebührenordnung (einheitlicher Bewertungsmaßstab EBM) [7] in der Tat nicht zu identifizieren: Unabhängig vom Schweregrad bzw. unabhängig vom vorbestehenden Diagnose-Status und unabhängig davon, ob der Patient zum ersten Mal die Praxis aufsucht oder dort bereits bekannt ist, kann nahezu uniform für den jeweiligen COPD-Krankheitsfall der bundesweit durchschnittliche gleiche Erlös von ca. 67 EUR/Quartal oder knapp 300 EUR/Jahr erzielt werden, der im Übrigen nur einen Bruchteil der vom betreuenden Arzt gegebenenfalls veranlassten Medikamentenkosten etc. darstellt.
Ein Mehr an Betreuungsaufwand bei Neudiagnosen ist zu erwarten aufgrund des höheren Einsatzes diagnostischer Mittel (Lungenfunktionsprüfung, Blutgasanalyse, Röntgen-Thoraxaufnahme, ggf. weitere Untersuchungen) sowie insbesondere im Zusammenhang mit der erforderlichen ausführlichen Erstinformation des Patienten über die Erkrankung und die Vermittlung der sich hieraus ergebenden notwendigen Maßnahmen. An vorderster Stelle stehen hier ggf. die Motivation zum Rauchstopp (wenn noch geraucht wird) und die Umsetzung der Tabakentwöhnung. Weiter gilt es, eine Motivation zum adaptierten Bewegungstraining (Lungensport) umzusetzen. Schließlich ist die medikamentöse Therapie (überwiegend inhalative Therapie) zu initiieren und deren Verständnis und die Umsetzung und Handhabung (Patientenschulung) zu realisieren.
Patienten mit höherem Schweregrad lassen einen höheren Betreuungsaufwand erwarten. Insbesondere sind solche Patienten mit häufigen Exazerbationen und ungeplanten Arzt-Inanspruchnahmen im Sinne dieses Mehraufwandes zu berücksichtigen. Gerade Patienten mit häufigen Exazerbationen sollten aber im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, da die Exazerbationsrate als Schrittmacher des Krankheitsfortschrittes gilt [8] [9] [10]. Auch kann durch frühzeitige konsequente Erkennung und Behandlung der Exazerbation die teure stationäre Therapie in einem beträchtlichen Umfang abgewendet werden [11] [12].
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Material und Methoden
Pneumologische Praxen, die in WINPNEU, dem wissenschaftlichen Institut der Pneumologen bereits tätig waren, wurden gebeten den Aufwand für die Betreuung von Patienten zu erfassen. 11 Praxen führten die Erhebung im 2. und 3. Quartal 2016 durch.
Mithilfe detaillierter Fragebögen wurde der Aufwand der Betreuung von Patienten mit COPD in pneumologischen Praxen unter Alltagsbedingungen erfasst. Die Fragebögen wurden während des Praxisbesuches der Patienten ausgefüllt.
Es wurde erhoben, ob der Patient für die Praxis „neu“ ist. Das sind definitionsgemäß die Patienten, für die mindestens in den letzten drei Vorquartalen keine Leistung von der Praxis erbracht wurde. Die Patienten, die in mindestens einem der drei Vorquartale die Praxis aufgesucht haben, wurden als „Altpatienten“ eingestuft.
Ferner wurde der Schweregrad der COPD-Erkrankung nach ICD 10 festgelegt:
J44.83:G , J44.93:G ≙ FEV1 › 70 % v. Sollwert,
J44.82:G , J44.92:G ≙ 50 % ‹ FEV1 ‹ 70 %
J44.81:G , J44.91:G ≙ 35 % ‹ FEV1 ‹ 50 %
J44.80:G , J44.90:G ≙ FEV1 ‹ 35 %
Nach diesen Gruppen wurden die Daten ausgewertet.
Der Fragebogen erfasste die Begleiterkrankungen, den erforderlichen Zeitaufwand für Gesprächsleistungen von Arzt und Praxisteam und die durchgeführten diagnostischen Leistungen.
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Ergebnisse
Die 11 Praxen dokumentierten 870 Patienten. Nahezu alle wurden hinsichtlich Neu- und Altpatienten gemäß der oben gegebenen Definition klassifiziert. 18 % der Patienten waren „neu“ und 81 % waren „alt“.
Die Patienten wurden fast alle nach dem Schweregrad der Erkrankung gemäß ICD 10 klassifiziert. 22 % hatten einen FEV1 größer als 70 % des Sollwertes. (Schweregrad 1). Mit 35 % war die Gruppe mit einem FEV1 zwischen 50 % und 70 % vom Sollwert am größten (Schweregrad 2). Es folgten diejenigen mit 35 % bis 50 % vom Sollwert mit 25 % (Schweregrad 3) und jene mit einem FEV1 unter 35 % mit 17 % (Schweregrad 4).
Die Altersverteilung insgesamt ist für eine Stichprobe von COPD-Patienten typisch. Der Mittelwert des Alters beträgt 68 Jahre. Die Aufschlüsselung der Altersverteilung nach Alt- und Neupatienten zeigt, dass die Neupatienten eher jünger sind. Der Anteil derjenigen unter 60 Jahren an den Neupatienten mit 38 % ist höher als bei den Altpatienten mit 23 %. Das zeigt sich auch beim Mittelwert des Alters, der bei Neupatienten bei 65 Jahren liegt, bei Altpatienten bei 69 Jahren.
Hinsichtlich des Schwergrades konnte keine ausgeprägte Altersabhängigkeit gezeigt werden. Lediglich die Gruppe mit einem FEV1 von über 70 % war mit einem mittleren Alter von 65 Jahren jünger als der Durchschnitt.
Typisch ist, dass der Anteil männlicher Patienten mit 55 % überwiegt. Bei den Neupatienten sind das sogar 63 % gegenüber 52 % bei den Altpatienten. Bei der leichten COPD sind nur 46 % der Patienten männlich. Der Anteil der männlichen Patienten steigt mit dem Schweregrad an. Bei der schweren COPD beträgt er 60 %.
Die Analyse der Schweregrade bei Alt- und Neupatienten ([Abb. 1]) zeigt, dass die größten Unterschiede bei Schweregrad 2 (ICD 10) und bei der schweren COPD bestehen. 48 % der Neupatienten versus 32 % der Altpatienten nämlich weisen den Schweregrad 2 (ICD 10) auf. Bei den Altpatienten ist die schwere COPD mit 18 % versus 10 % bei den Neupatienten fast doppelt so häufig. Der Schweregrad 2 (ICD-10) ist sowohl bei Neu- wie auch bei Altpatienten am häufigsten.
Die Betrachtung der Begleiterkrankungen nach Alt- und Neupatienten zeigt einen höheren Anteil von tabakabhängigen Patienten bei den Neupatienten. Die Altpatienten rauchen deutlich seltener. Etwas häufiger bei den Altpatienten sind Emphysem und respiratorische Insuffizienz. In der Summe unterscheiden sich die Begleiterkrankungen hinsichtlich Alt- und Neupatienten nur moderat ([Abb. 2]).
Die Detailanalyse des Raucherstatus zeigt, dass bei den Neupatienten der Raucheranteil bei 51 % liegt und damit deutlich höher ist als bei den Altpatienten mit 22 %. Der Anteil der Ex- und Nichtraucher ist mit insgesamt 73 % bei den Altpatienten höher als bei den Neupatienten mit insgesamt 47 % ([Abb. 3]).
Dokumentierte Exazerbationen, Emphysem, respiratorischer Insuffizienz und Sauerstofftherapie nehmen mit dem Schweregrad zu, die Tabakabhängigkeit dagegen kommt bei höherem Schweregrad seltener vor ([Abb. 4]).
Während eines Sprechstundenbesuches kann ein einziger Arztkontakt ausreichend sein. Je nach Ablauf und Fragestellung können auch zwei oder mehr Kontakte erforderlich sein. Es zeigte sich, dass bei 64 % der Altpatienten ein einziger Arztkontakt ausreichend war. Lediglich 17 % benötigten 2 Arztkontakte. Bei 18 % wurden keine Angaben zur Anzahl der erforderlichen Arztkontakte gemacht. Bei den Neupatienten hatten nur 49 % einen Arztkontakt, aber weitere 49 % zwei Arztkontakte und nahmen damit den Arzt stärker in Anspruch ([Abb. 5]). Im Durchschnitt benötigten Neupatienten damit 1,5, Altpatienten dagegen nur 1,2 Arztkontakte je Sprechstundenbesuch.
Eine Abhängigkeit der erforderlichen Arztkontakte am Behandlungstag in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung zeigte sich aber nicht. Die Mittelwerte betrugen nach aufsteigendem Schweregrad 1,2; 1,3; 1,3 und 1,3 Arztkontakte je Sprechstundenbesuch.
Es wurde weiterhin untersucht, welche Leistungen bei welchen Patienten erbracht oder veranlasst wurden ([Abb. 6]). Dargestellt sind jene diagnostischen Maßnahmen, die bei mindestens 10 % der Neupatienten dokumentiert wurden.
Bei Neupatienten wurde regelmäßig, annähernd immer, die körperliche Untersuchung durchgeführt. Bei den Altpatienten war das in 64 % der Fälle erheblich weniger häufig erforderlich. Auch die bildgebenden Verfahren, Röntgen und Computertomografie, sind ebenso wie das Labor bei Neupatienten häufiger durchgeführt bzw. veranlasst worden.
Die im pneumologisch-diagnostischen Komplex enthaltenen Leistungen Blutgasanalyse, Sauerstoffsättigung und Diffusionsmessung sind bei den Altpatienten häufiger durchgeführt worden als bei Neupatienten. Bei beiden Gruppen wurde die Ganzkörperplethysmografie nahezu in allen Fällen erbracht.
Bei 99 % der rauchenden Neupatienten wurde eine Kurzberatung durch den Arzt vorgenommen. Bei immerhin 59 % der rauchenden Altpatienten wurde die Tabakentwöhnung ebenfalls vom Arzt thematisiert, ohne dass hier spezifiziert werden kann, inwieweit eine eigentliche Kurzberatung im Sinne der Leitlinie stattgefunden hat. Allerdings ist die alleinige Thematisierung des Rauchens für sich immer eine niedrigschwellig wirksame Intervention. In dieser Patientengruppe wurde die Kurzberatung zur Tabakentwöhnung auch in 19 % der Fälle vom Team realisiert.
Die Durchführung der strukturierten Tabakentwöhnung mittels evaluierter Programme spielt offensichtlich noch keine messbare Rolle.
Die Betrachtung der erbrachten/veranlassten diagnostischen Leistungen nach Schweregrad der Erkrankung zeigt ein wenig differenziertes Bild. Allenfalls zwischen der leichten Form der COPD mit einem FEV 1 größer 70 % vom Sollwert und den übrigen Schweregraden lässt sich ein Unterschied bei der Frequenz der körperlichen Untersuchung, der Sättigung, der Messung der Diffusionskapazität und der Röntgenuntersuchung erkennen ([Abb. 7]).
Aus verschiedenen Erhebungen ist bekannt, dass Pneumologen unterschiedlich viele Patienten pro Zeiteinheit versorgen und es daher arztbezogene Unterschiede im Zeitablauf gibt. Um diese Unterschiede auszuschalten, erfolgt die Auswertung des Zeitaufwandes indexbasiert. Dabei wird der Aufwand für den Altpatienten auf 100 % gesetzt und der Aufwand für den Neupatienten daran gemessen. Es zeigte sich, dass der Aufwand an Arztzeit beim Neupatienten bei beinahe allen Tätigkeitsbereichen höher ist als beim Altpatienten. Insgesamt beträgt der Zeitaufwand 175 % des Zeitaufwandes eines Altpatienten [13] ([Abb. 8]).
Auch der Zeitbedarf des Praxisteams ist bei Neupatienten größer. Allerdings fällt der Wert mit 109 % deutlich moderater aus. Ein wesentlicher und plausibler Unterschied zeichnet sich beim erforderlichen Leistungsprofil des Teams bei Neupatienten ab. Hier stehen Kommunikation und Schulung im Vordergrund ([Abb. 9]).
Die erforderliche Arztzeit hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab, allerdings bei Weitem nicht in dem Umfang wie bei Alt- und Neupatienten. Analog zur Auswertung von Alt- und Neupatienten wird hier der Patient mit einer leichten COPD mit 100 % Zeitbedarf definiert. [Abb. 10] zeigt, dass dieser Bedarf kontinuierlich mit dem Schweregrad bis auf 119 % ansteigt. Mit Ausnahme der Medikamentenanamnese ist es jedoch nicht möglich, den Zeitaufwand nach Schweregrad eindeutig bestimmten Tätigkeiten zuzuordnen ([Abb. 10]).
Bei der erforderlichen Betreuungszeit des Teams ist keine Steigerung mit dem Schweregrad zu beobachten. Die Betreuungszeit geht sogar bis auf 87 % bei schwergradiger COPD zurück. Allerdings zeigt sich eine Verschiebung zu Schulungsleistungen bei allen Schweregraden im Vergleich zur leichtgradigen COPD.
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Diskussion
Der Anteil der Neupatienten unter den insgesamt untersuchten Patienten mit der Diagnose COPD ist im untersuchten Kollektiv mit 18 % entgegen den Erwartungen vergleichsweise niedrig. Aus den schon länger zurückliegenden Erhebungen zum QUELL-Konzept [14] des Bundesverbandes der Pneumologen aus dem Jahr 2008 ist bekannt, dass damals der Anteil der Neupatienten im Schnitt der untersuchten Praxen bei 33 % lag.
Diese Tendenz könnte bereits Ausdruck des unterschiedlichen Betreuungsaufwandes für Neu- und Altpatienten sein. Bei betriebswirtschaftlicher Optimierung einer Praxis würden Altpatienten bevorzugt werden müssen. Eine solche Tendenz verstärkt Probleme der Facharzttermine, da durch wiederkehrende Terminvergabe für Altpatienten Terminslots schon mit langem Vorlauf vergeben werden. Diese Entwicklung widerspricht einem wichtigen Element des Versorgungsauftrages der Pneumologen. Leider wird dies auch durch das DMP-System gefördert. Denn eine zügige Absicherung einer korrekten Diagnose, auch in leichten Fällen, ist für die zielführende Therapie entscheidend und sollte nicht am Terminmangel scheitern.
Die Verteilung im Hinblick auf die Schweregrade der COPD entspricht einer typischen erwarteten Verteilung, wenn auch leichte Fälle unterrepräsentiert sind. Insbesondere fachärztliche Hilfe wird von dieser Gruppe offenbar nicht im wesentlichen Umfang nachgefragt – oder möglicherweise wird auch die Notwendigkeit fachärztlicher Betreuung nicht erkannt. Die Tatsache, dass höhergradige Schweregrade vermehrt bei Altpatienten gegenüber Neupatienten (18 % gegenüber 10 % mit FEV1 < 35 % der Norm) zu verzeichnen sind, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass gerade die schwerergradig erkrankten Patienten im langfristigen Verlauf beim Pneumologen „akkumuliert“ werden und wegen ihrer Komplexität vom Hausarzt an diesen bevorzugt abgegeben werden.
Obwohl offenbar die Altpatienten schwerer krank sind als die Neupatienten, ist trotzdem der Aufwand geringer. Technische Leistungen wie die Messung der Diffusionskapazität oder der arteriellen Blutgase werden bei Altpatienten häufiger erbracht, was auf ein rationales Vorgehen aufgrund des höheren Schweregrades schließen lässt. Hier handelt es sich aber überwiegend um Leistungen des medizinischen Assistenzpersonals, bei der Arztzeit beansprucht der Neupatient trotzdem deutlich größeren Aufwand, der Schweregrad der COPD spielt nur eine untergeordnete Rolle. Somit ist klar, dass der Treiber des gesamten Betreuungsaufwandes nicht der Schweregrad der COPD-Erkrankung ist, sondern der Status Neu- oder Altpatient.
Das Schlüsselmerkmal Tabakabhängigkeit findet sich bei Neupatienten häufiger als bei Altpatienten. Das lässt darauf schließen, dass in der lungenfachärztlichen Praxis mit den bislang begrenzten verfügbaren Mitteln – die strukturierte Tabakentwöhnung wird nur partiell vergütet und ist mit beträchtlichen Barrieren versehen – im Verlauf der längeren Patientenbetreuung der Einfluss zum Tabakentzug durchaus spürbar wird. Dies mag aber auch mit dem zunehmenden Schweregrad der Altpatienten zusammenhängen, deren Symptome die ärztliche Empfehlung zum Tabakentzug zusätzlich aggravieren.
Neupatienten sollten kurzfristig „quartalsgleich“, d. h. im Behandlungsfall ihren Pneumologen überhäufig sehen (Stichwort „Cortisonlyse“, Besprechung der Befunde wie z. B. CT, Labor u. a.). Eindeutige Daten dazu existieren nicht, es kann aber plausibel angenommen werden, dass die Kontaktfrequenz pro Behandlungsfall eines Neupatienten höher ist als bei einem Altpatienten. Damit würde sich aber der Unterschied im Aufwand zwischen Neu- und Altpatient noch verstärken. Gerade an dieser Stelle tritt klar zutage, dass diese im Hinblick auf die Versorgungssituation sinnvolle und plausible Inanspruchnahme – hier finden kurzfristige Kontrollen bei Neueinstellung zur Therapie bzw. bei akuter Abwendung von Exazerbationen etc. statt – nicht adäquat vergütet wird. Ob der Arzt seinen Patienten im Quartal einmal, zweimal oder dreimal oder mehr sieht, bedeutet für ihn auf der Erlösseite keinen Unterschied, bei den Kosten für den Arzt und auf der Versorgungsseite für den Patienten allerdings entsteht aber ein entscheidender Unterschied.
Die Aufschlüsselung der diagnostischen Maßnahmen, differenziert nach Neupatienten und Altpatienten, zeigt in erwartbarer Weise einen, wenn auch geringen, Mehraufwand im Hinblick auf die körperliche Untersuchung und den apparativen Einsatz (Lungenfunktion und Röntgen etc.). Insbesondere aber bei der Beratungszeit zeigt sich, dass die Pneumologen im Hinblick auf die Tabakentwöhnung engagiert – und sichtlich auch wirksam (siehe oben) zu Gunsten eines Rauchstopps beraten. Ein weiterer substanzieller zeitlicher Mehraufwand ergibt sich beim Neupatienten beim Arzt im Hinblick auf die Medikamentenanamnese und die Vermittlung der Diagnose und der Therapieplanung.
Ein Teil dieses Mehraufwandes bei Neupatienten bildet sich auch bei der Inanspruchnahme der Team-Zeit ab. Insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der Therapie und die direkte Schulung zur Anwendung der Medikation übernimmt das Team wesentliche Teilaufgaben.
Dies führt zu der auf den ersten Blick paradoxen Situation, dass der ärztliche Aufwand bez. der Schulung bei Neupatienten geringer ist als bei Altpatienten. Für das Praxisteam ergibt sich aber ein umgekehrtes Verhältnis. Dies spricht dafür, dass beim Erstkontakt die notwendigen (aufwendigeren) Schulungsleistungen auf die Mitarbeiter delegiert werden.
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass die Inanspruchnahme der Ärzte bei Kontaktfrequenz und zeitlicher Inanspruchnahme und ähnlich für das Team bei Neupatienten höher ist als bei Altpatienten. Ein ähnlicher Zusammenhang besteht bei den verschiedenen Schweregraden der COPD nicht. Ein vergleichbarer Zusammenhang besteht aber nicht in Bezug auf den Schweregrad der Erkrankung.
Insgesamt ist aber der Aufwand in der Betreuung von Neupatienten annähernd doppelt so groß wie bei der Betreuung von Altpatienten. Das heißt, ein Pneumologe kann in der Zeit, die er für die Versorgung von ca. 50 Neupatienten aufwenden muss, 100 Altpatienten betreuen.
Da der Mehraufwand nicht in der Gebührenordnung abgebildet ist, wird der Neupatient zum finanziellen Risiko. Dies verstärkt die Tendenz zu Kontrolluntersuchungen, Wiedereinbestellung und Selektion der Alt- und Neupatienten. Disease-Management-Programme verstärken diesen Anreiz durch die Notwendigkeit einer mindestens zweimaligen jährlichen Kontrolluntersuchung ohne klinische Notwendigkeit. Anreize für die Behandlung von Neupatienten könnten dagegen eine wirksame Maßnahme zur Entspannung der Terminnot bei Fachärzten darstellen. Dies sollte durch eine entsprechende Umgestaltung der Gebührenordnung erreicht werden.
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Interessenkonflikt
A. Hellmann ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP); Vorträge für Novartis und Allergopharma.
T. Hering ist stellv. Vorsitzender des BdP.
J. Andres ist Geschäftsführer der medWIss GmbH, Auftragnehmer des BdP.
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Literatur
- 1 Geldmacher H, Biller H, Herbst A. et al. [The prevalence of chronic obstructive pulmonary disease (COPD) in Germany: results of the BOLD study]. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 2609-2614
- 2 Bundesversicherungsamt. Tätigkeitsbericht 2015. http://www.bundesversicherungsamt.de 2015
- 3 GOLD. Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease. http://www.goldcopd.com Editor. 2009
- 4 GOLD. Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease – Report 2017. www.goldcopd.org Editor. 2017
- 5 Soriano JB, Lamprecht B, Ramirez AS. et al. Mortality prediction in chronic obstructive pulmonary disease comparing the GOLD 2007 and 2011 staging systems: a pooled analysis of individual patient data. Lancet Respir Med 2015; 3: 443-450
- 6 Hering T, Andres J. [COPD Classification GOLD I-IV vs. GOLD A-D in Real Life: Comparing Impact on Application, Advantages and Disadvantages]. Pneumologie 2015; 69: 645-653
- 7 KBV. Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM). http://www.kbv.de/html/online-ebm.php
- 8 Hurst JR, Vestbo J, Anzueto A. et al. Susceptibility to exacerbation in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 2010; 363: 1128-1138
- 9 Soler-Cataluna JJ, Martinez-Garcia MA, Roman Sanchez P. et al. Severe acute exacerbations and mortality in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 2005; 60: 925-931
- 10 Suissa S, Dell’Aniello S, Ernst P. Long-term natural history of chronic obstructive pulmonary disease: severe exacerbations and mortality. Thorax 2012; 67: 957-963
- 11 Dalal AA, Patel J, D’Souza A. et al. Impact of COPD Exacerbation Frequency on Costs for a Managed Care Population. J Manag Care Spec Pharm 2015; 21: 575-583
- 12 Nowak D. et al. [Cost-of-illness Study for the Treatment of COPD in Germany]. Pneumologie 2004; 58: 837-844
- 13 Weißbuch ambulante Pneumologie. 2017 e-book: http://www.pneumologenverband.de/wb2017/index.php
- 14 Hellmann A. QUELL 2008. Berufs- und Verbandspolitische Mitteilungen des Bundesverbandes der Pneumologen (BdP). 2008 (Sonderausgabe EBM/QUELL 2008)
Korrespondenzadresse
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Literatur
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