Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2018; 13(03): 231-250
DOI: 10.1055/s-0043-120591
Schultergürtel und obere Extremität
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Orthesen- und Schienenversorgung nach handchirurgischen Eingriffen

Konstantin D. Bergmeister
,
Hannelore Wendt
,
Ulrich Kneser
,
Berthold Bickert
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. univ. Konstantin D. Bergmeister, Ph. D.
Klinik für Hand, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie
– Schwerbrandverletztenzentrum –
BG-Klinik Ludwigshafen
Klinik für Plastische Chirurgie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Ludwig-Guttmann-Str. 13
67071 Ludwigshafen

Publication History

Publication Date:
29 May 2018 (online)

 

Orthesen und Schienen sind als Lagerungs-, Korrektur-, Ersatz- und Übungsschienen ein wichtiger Eckpfeiler in der Handchirurgie. Durch dynamische Schienenkonzepte und minimal gelenkübergreifende Versorgungen konnten in den letzten Jahrzehnten immer bessere Versorgungen erzielt werden. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die häufigsten Schienenkonzepte in der postoperativen Nachsorge nach handchirurgischen Eingriffen.


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Abkürzungen

D: Digitus (Finger)
DIP: Articulatio interphalangealis distalis (Fingerendgelenk)
ECRL: M. extensor carpi radialis longus
IP: interphalangeal
MCP: Articulatio metacarpophalangealis (Fingergrundgelenk)
PIP: Articulatio interphalangealis proximalis (Fingermittelgelenk)
SAM: Short Arc Motion
 

Einleitung

In der Handchirurgie ist die ergotherapeutische Orthesen- und Schienenversorgung ein immanenter Teil des Behandlungserfolgs von operativen wie auch konservativen Therapien. Ziel dieser Versorgungen ist es, Heilungsprozesse durch stabilisierende Lagerung oder durch geführte Bewegungen zu unterstützen sowie Bewegungsdefizite dynamisch zu korrigieren bzw. zu ersetzen (s. Infobox „Prinzipien der Schienentherapie“) [1].

Historisch hat die Schienentherapie in der Chirurgie seit ihren Anfängen einen wichtigen Stellenwert in der konservativen und operativen Therapie. Erste Schienenversorgungen entwickelten sich aus Stützverbänden und wurden z. B. im Rahmen der Frakturversorgung eingesetzt, wo sie mit Stäben, Leisten aus Holz, Rinde, Binsengeflechten und Leder verstärkt wurden [2]. Im weiteren Verlauf wurden immer leichtere und stabilere Konstrukte unter Verwendung von Blech oder Drahtgeflechten entwickelt. Eine Revolution erfuhr die Schienentherapie durch die Erfindung der Gipsbinden (1851, Antonius Mathiijsen), welche es ermöglichten, stabile Verbände schnell, leicht und abnehmbar herzustellen [3]. Erst im 20. Jahrhundert wurde diese Art der Versorgung durch die Entwicklung von Kunststoffen weitgehend abgelöst.

Grundsätzlich lässt sich die Schienenbehandlung durch vier Aufgabengebiete definieren ([Tab. 1]) [1], [4], [5], [6]:

  • Lagerungsschienen zur Ruhigstellung,

  • frühfunktionelle Übungssysteme,

  • Korrekturschienen und

  • Ersatzschienen.

Tab. 1 Arten der Schienenbehandlung in der Handchirurgie.

Name

Funktion

Beispiel

Lagerungsschienen

Ruhigstellung

mittelhandumgreifende Schiene (Mittelhandbrace) zur postoperativen Ruhigstellung

frühfunktionelle Übungssysteme

frühfunktionelle Beübung

z. B.: zur Nachbehandlung von Beugesehnen (hier am Beispiel Washington-Regime)

Korrekturschienen

Korrektur und Behandlung arthrogener, tendogener oder dermatogener Kontrakturen

dynamische Beugeschiene

dorsale Streckschiene als statisch progressive Schiene (z. B. nach Aponeurektomie)

Ersatzschienen

Schiene übernimmt verloren gegangene Funktion

Überdehnung der gelähmten Muskel-Sehnen-Einheit wird vermieden und physiologischer Greifvorgang aufrechterhalten

Radialisersatzschiene (bei Läsionen des N. radialis)

Opponensschiene (bei Läsionen des. N. medianus)

Die Bezeichnung der verschiedenen Schienen ergibt sich durch die o. g. Art der Schienenversorgung in Kombination mit

  • Eigennamen (Beispiel: Kleinert-Schiene, Oppenheimer Radialisersatzschiene, Stackʼsche Schiene),

  • dem Ort der Anwendung (Beispiel: Mittelhandbrace) sowie

  • der Art der Konstruktion (statisch/statisch-progressiv/dynamisch).

Heutzutage stehen dem behandelnden Handchirurgen aufgrund der Standardisierung von Behandlungswegen viele vorkonfektionierte und preisgünstige Schienen (z. B. Streckschiene, Handgelenksorthesen etc.) kommerziell zur Verfügung. Diese bieten den Vorteil der einfachen Verfügbarkeit, wobei jedoch eventuelle Nachteile bestehen in Bezug auf Passgenauigkeit, fehlende individuelle Anpassung und damit letztlich möglicherweise ausbleibenden therapeutischen Erfolg.

Im Gegenzug können heutzutage dank moderner thermoplastischer Materialien (Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol) individuelle Schienenanpassungen an die medizinischen und anatomischen Bedürfnisse durch den speziell geschulten Ergotherapeuten erfolgen. Die angewendeten Materialien sind in der Regel dermatologisch gut verträglich, allergische Reaktionen sind äußerst selten [6].

Merke

In der Schienenherstellung sind fundierte Kenntnisse über die Biomechanik der Hand, Pathomechanismen der Grunderkrankung und Materialkunde notwendig.

Definition

Prinzipien der Schienentherapie

  • Schienen sind äußere Hülsen, die der Stabilisierung, Stützung, Korrektur, Lagerung und Funktionsverbesserung eines Extremitätenabschnittes und seiner Gelenke dienen, ggf. ermöglichen sie eine Frühmobilisation.

  • Nach Möglichkeit werden Schienen individuell angepasst, um auf die spezifischen Gegebenheiten Rücksicht nehmen zu können.

  • Handelsübliche, vorgefertigte Schienen können eingesetzt bzw. adaptiert werden, wenn eine optimale Passform gewährleistet wird.

  • Schienen werden in der Regel nur über einen bestimmten Zeitraum getragen. Dieser wird durch den behandelnden Arzt definiert.

Die passgenaue Herstellung von thermoplastischen Schienen erfolgt aus Niedrigtemperaturmaterial (Verformbarkeit ca. 60 – 80°) und kann direkt an den Körper angepasst werden, um eine rasche Bearbeitung zu ermöglichen. Die Herstellung von Schienen ist je nach Einsatz und Komplexität kurzfristig möglich. Nach der Herstellung der Schienen stehen diese dem Patienten sofort zur Verfügung und können daher außer bei akuten Traumata oder Operationen mit entsprechender Schwellneigung oftmals sofort eingesetzt werden.

Essenziell ist im Rahmen der Schienenherstellung eine fachgerechte Einweisung des Patienten durch den Therapeuten in die Handhabung der Schiene, die vorgesehene Tragezeit sowie eventuell möglich auftretende Probleme (Druckstellen). Vor allem der Aspekt der Alltagstauglichkeit (selbstständiges An- und Ausziehen) und Bedürfnisse des Patienten (Hygiene von Hand und Schiene) muss bei der Schienenversorgung berücksichtigt werden, um eine gute Compliance zu ermöglichen und damit guten Behandlungserfolg zu erzielen [1], [6]. Hierfür ist ein aktives Einbinden des Patienten in die Behandlung durch Edukation über Sinn und Art der Schienenbehandlung notwendig:

  • Tragedauer,

  • Zugstärke,

  • Vorsichtsmaßnahmen,

  • Handhabung der Schiene im Alltag.

Dies ist sowohl bei kurzzeitigen (Wochen bis Monate) Lagerungsschienen als auch bei langfristig (Monate bis Jahre) verwendeten Orthesen essenziell. Hier hat sich die Verwendung von schriftlichen Instruktionen mit allgemeinen Bedienungshinweisen (Säuberung der Schienen, Temperaturbeständigkeit) sowie Kontaktadressen für Fragen bewährt.

Des Weiteren erfolgt im Rahmen der Schienenbehandlung eine regelmäßige Verlaufskontrolle, um auf Veränderungen der geschienten Körperteile reagieren und die Schiene eventuell anpassen zu können (z. B. bei Druckstellen).

Die ärztliche Verordnung der individuellen Schienenanpassung erfolgt als „Heilmittel“ über die Heilmittelverordnung Nr. 18 und wird von allen gesetzlichen Krankenkassen (Stand 2017) vergütet [6].


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Lagerungsschienen

Lagerungsschienen dienen der Immobilisation oder Korrektur eines Extremitätenabschnittes. Hierbei soll die resultierende Ruhigstellung von Weichteilen und Knochen den körpereigenen Genesungsprozess unterstützen. In der Handchirurgie werden sie entsprechend oft in der prä- und postoperativen Therapie von Frakturen, bei kritischen Weichteilsituationen nach Operationen (Spalthautdeckung, Infektionen etc.) oder auch bei Reizzuständen wie der Tendovaginitis eingesetzt. Vor allem bei Frakturen oder akuten Entzündungsprozessen wird durch die Schienung oftmals eine suffiziente Linderung von Schmerzen und Abschwellung erreicht.

Die Schiene kann abgenommen werden für folgende Zwecke:

  • Handhygiene

  • Verbandwechsel

  • Röntgenkontrollen

  • ggf. Physiotherapie

Bei akuten Verletzungen oder operativen Versorgungen erfolgt in der Regel eine temporäre Schienung mit günstigen Weißgipsschienen ([Tab. 2]), bevor im weiteren Verlauf eine definitive Schienung erfolgen kann. Hierfür wird bei Verletzungen oder Operationen an Unterarm, Handgelenk und Mittelhand in der Regel eine dorsale Unterarmgipsschiene angewendet, die von den Fingergrundgelenken bis zum proximalen Unterarm reicht. Bei Verletzungen der Finger erfolgt die Ruhigstellung hingegen durch eine dorsale Unterarmgipsschiene mit Einschluss der Langfinger in Intrinsic-plus-Stellung (s. u., Infobox „Intrinsic-plus-Stellung“). Im Bereich des Daumens erfolgt analog hierzu die Anlage einer Daumenschiene, welche die Langfingerfunktion frei lässt.

Tab. 2 Gipsschienen in der postoperativen Therapie.

Name

Art der Schiene

Stellung

Besonderheiten

häufigste Fehler

Daumenschiene

10 cm breite Longuette, radial-dorsal vom Daumen zum Unterarm

Daumen in lockerer Streckstellung und 60° palmarer Abduktion

D1-Kuppe in lockerer Opposition zur D2-Kuppe

Finger und 1. Zwischenfingerfalte frei

Daumen nach dorsal gezogen statt in Opposition zur Zeigefingerkuppe

Skaphoid-Schiene

= Daumenschiene

Autostopp-Stellung: erzwungene Streckstellung des Daumens

Unterarmschiene

– ohne Fingereinschluss

12 cm breite Longuette von den Fingergrundgelenken bis proximaler Unterarm

15° Handgelenkextension, keine seitliche Deviation

D1–D5 frei beweglich

Schiene über dem Handrücken flach ziehen

Schiene am Handrücken nicht flach gezogen

Daumen und Finger nicht völlig frei

Unterarmschiene

– mit Einschluss D2–D5

12 cm breite Longuette von den Fingerspitzen bis proximaler Unterarm

Intrinsic-plus-Stellung:

  • 15° Handgelenkextension

  • 90° MCP-Flexion

  • 0° PIP

  • 0° DIP

= 90 – 0 – 0° als Zielvorgabe (entspricht 70 – 10 – 10° als Ergebnis)

„Funktionsstellung“: MCP-Gelenke zu wenig gebeugt

Beugesehnenstellung

  • 30° Handgelenkflexion

  • Finger 70 – 0 – 0°,

Handgelenk zu sehr in Flexion, MCP-Gelenke zu wenig flektiert

Strecksehnenstellung Finger

  • 45° Handgelenkextension

  • Finger 60 °Flexion

temporäre postoperative Schiene für Radialisersatzplastik

15 cm breite Longuette von den Fingerspitzen bis proximaler Unterarm, für den Daumen eingeschnitten

Strecksehnenstellung Finger und Daumen

Oberarmgipsschiene

15 cm breite Longuette von den Fingergrundgelenken bis zum Oberarm

  • 80° Flexion des Ellenbogens

  • 15° Supination des Unterarms

„Daumen Richtung Nase“

venöser Stau in der Ellenbeuge durch Übersupination

Gipsschienen bieten den Vorteil der kosteneffizienten und schnell durchführbaren Schienung sowie die Aufnahme von Wundsekret (Ödemprophylaxe) sowohl direkt postoperativ bei Elektiveingriffen als auch im Rahmen der Akutversorgung.

Praxistipp

Anlegen einer Gipsschiene

  • Beim Anlegen einer Gipsschiene sind Druckstellen sorgfältig zu vermeiden.

  • Das Anmodellieren erfolgt mit dem Handballen oder mit geschlossenen Fingern, niemals mit dem Daumen oder mit gespreizten Fingern, und die Gelenke des Patienten werden von vornherein in der definitiven Position gehalten.

  • Eine Stellungskorrektur bei schon liegender Gipsschiene birgt die Gefahr einer Furchenbildung und damit einer Druckstelle.

Anwendung findet diese Art der Schienung bei folgenden Indikationen:

  • Frakturen,

  • Kapsel-Band-Verletzungen und

  • kritischen Weichteilen unterschiedlichster Genese

    • Wundversorgung über Gelenken,

    • Infektionen,

    • Sehnenverletzungen etc.

Nach der Anlage einer Gipsschiene ist die Instruktion des Patienten über die Möglichkeit akuter Schwellung und daraus entstehender Parästhesien und Durchblutungsstörungen essenziell. Der Patient wird instruiert, in diesem Fall die Schiene umgehend abzunehmen und sich für eine neue Schienenversorgung wieder vorzustellen. Obwohl Komplikationen bei zirkulären Gipsversorgungen weit häufiger sind, können sie auch bei Gipsschienen auftreten.

Ein häufiger Nachteil der Gipsschienen ist die Notwendigkeit, auch nicht betroffene Gelenke zu immobilisieren, sodass ihre Anwendung auf wenige Tage beschränkt sein sollte.

Prinzip

Jede Immobilisation von Gelenken sollte immer kritisch hinterfragt und zeitlich oder von der Ausdehnung auf das notwendige Minimum beschränkt werden. Nach initialer Ruhigstellung erfolgt daher entweder die frühzeitige Mobilisation, auch aus einer Schiene heraus, oder die Immobilisation wird auf so wenige Gelenke wie möglich beschränkt.

Hierfür wurden viele Konzepte für ergotherapeutisch angepasste thermoplastische Schienen entwickelt, die diesem Aspekt Rechnung tragen.

Essenziell ist auch die korrekte Aufklärung des Patienten über die Gefahren einer prolongierten Ruhigstellung (s. Infobox). Denn gerade an der sehr gut innervierten Hand ist jede Bewegungseinschränkung auch mit Schmerzen verbunden, die allein aus einer prolongierten Ruhigstellung resultieren können.

Praxistipps

Prolongierte Ruhigstellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen

  • Eine Ruhigstellung von Gelenkabschnitten muss immer auf die minimal notwendige Dauer reduziert werden und minimal gelenkübergreifend sein, um eventuell bleibende Bewegungseinschränkungen zu vermeiden. Sie bedarf der klaren Indikation.

  • Der vorgesehene Zeitraum und die Anwendung einer Schiene sollten dem Patienten schriftlich mitgereicht werden.

Alle statischen Schienen werden in derjenigen Gelenkposition angelegt, in der die Bänder gespannt sind; dies ist bei den Fingern die sog. Intrinsic-plus-Stellung [5] (s. Infobox „Intrinsic-plus-Stellung“).

Merke

Jedoch gilt besonders für die Fingergelenke, dass eine frühzeitige Bewegungstherapie besser ist als jede noch so gut angelegte Immobilisation.

Praxistipps

Intrinsic-plus-Stellung

  • An den Fingern sind die Bänder der Grundgelenke in 70° Flexion, die der Mittel- und Endgelenke in 10° Flexion optimal gespannt, was die Gefahr von Gelenkkontrakturen infolge einer längerfristigen Ruhigstellung verringert [5].

  • Diese Stellung wird erreicht, indem bei der Schienenanlage die Fingergrundgelenke 90° gebeugt und die Mittel- und Endgelenke 0° gestreckt gehalten werden, Handgelenk ggf. in lockerer Geradstellung von 15° Extension.

  • Nach Aushärten der Schiene stellt sich die o. g. gewünschte Stellung ein.

  • Eine frühzeitige Bewegungstherapie ist für die Gelenke besser als jede noch so gut angelegte Immobilisation.

Handgelenk (Handgelenkschiene)

Im Bereich des Handgelenks kann eine Schienung neben dem üblichen zirkulären Weißgips und Softcastanlagen auch per abnehmbarer thermoplastischer Schiene erfolgen ([Abb. 1]). Diese bietet den Vorteil einer maßangefertigten abnehmbaren Schiene, welche die tägliche Handhygiene ermöglicht, sofern eine kurzfristige Unterbrechung der Immobilisation statthaft ist. Diese Art der Schienenversorgung wird z. B. nach mediokarpaler Teilarthrodese mit Plattenosteosynthese durchgeführt. Außerdem kann sie vor einer Handgelenkarthrodese zur präoperativen Simulation der späteren Arthrodesenstellung eingesetzt werden, um dem Patienten eine Erprobung der zu erwartenden Handfunktion zu ermöglichen.

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Abb. 1 Handgelenklagerungsschiene. a Ohne Einschluss des Daumens. b Mit Einschluss des Daumens und der Langfinger.

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Mittelhand und Fingergrundglieder (Mittelhandbrace mit oder ohne Ausleger)

Der Mittelhandbrace ohne Ausleger ist eine abnehmbare, zirkulär die Mittelhand umgreifende, thermoplastische Lagerungsschiene (Fall 1 u. [Abb. 2]). Diese stellt isoliert die Karpometakarpalgelenke und Metakarpalknochen ruhig und lässt Fingergrundgelenke und Handgelenk frei. Seine Anwendung erfolgt

  • bei Frakturen der Mittelhandknochen nach operativer Versorgung,

  • gelegentlich auch bei proximalen konservativ therapierten Mittelhandfrakturen,

  • bei reponierten und transfixierten Luxationen der Karpometakarpalgelenke (zur postoperativen Ruhigstellung) sowie

  • nach Resektionen des 3. oder 4. Strahls im Rahmen einer Handverschmälerung.

Als Alternative zum thermoplastischen Brace kann auch ein Softcast als Brace mit Klettverschluss angepasst werden.

Fallbeispiel

Fall 1: Subkapitale Fraktur 5. Mittelhandknochen


Ein 18 Jahre alter Mann erlitt bei einer Auseinandersetzung eine geschlossene subkapitale Metakarpale-5-Fraktur rechts. Aufgrund der palmaren Verkippung um 40° bestand die Indikation zur Operation. Zur präoperativen Schmerzprophylaxe erfolgte die Schienung in einer dorsalen Gipsschiene.


Am 6. Tag nach Unfall erfolgte die operative Versorgung mit intramedullärer Draht-Osteosynthese und Anlage einer dorsalen Vierfinger-Gipsschiene. Am 2. postoperativen Tag wurde nach Abschwellen der Weichteile eine abnehmbare thermoplastische Lagerungsschiene für die Mittelhand (Mittelhandbrace ohne Finger) angepasst ([Abb. 2]). Diese ermöglicht die isolierte Ruhigstellung der Mittelhandknochen bei freier Fingerbeweglichkeit. Sie ist angenehm zu tragen, vermeidet Fehlbelastungen und kann anfangs zum Verbandwechsel und später zur Handreinigung problemlos abgenommen werden.


6 Wochen nach Operation erfolgte die Röntgenkontrolle und bei Nachweis einer sicheren Durchbauung die Abnahme der Schiene. Bei verzögerter Durchbauung kann die Schiene auch für 2 weitere Wochen belassen werden, ohne das Risiko für Immobilisationskontrakturen zu erhöhen.

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Abb. 2 Fall 1: Mittelhandbrace: Abnehmbarer thermoplastischer Mittelhandbrace ohne Ausleger als postoperative Lagerungsschiene bei subkapitaler Fraktur des 5. Mittelhandknochens. Die Funktion der Finger und des Handgelenks ist hierdurch beinahe frei, womit Immobilitätskontrakturen vermieden werden.

Bei Frakturen der Fingergrundglieder erfolgt die Anlage eines Mittelhandbraces mit Ausleger des betroffenen Fingers sowie zumindest eines angrenzenden Fingers zur Stabilisation (= Buddy-Prinzip; s. Fall 2 u. [Abb. 3]). Der Ausleger ist ein am Mittelhandbrace angebrachter palmarer Ausläufer der Schiene, an dem die Finger mit einem Gurtsystem fixiert werden. Ebenso zur Anwendung kommt diese Art der Versorgung bei Frakturen des Metakarpalkopfes mit oder ohne Gelenkbeteiligung. Essenziell ist wie bei jeder Schienung der Langfinger hierbei die Intrinsic-plus-Stellung der Fingergelenke (entsprechende Infobox „Intrinsic-plus-Stellung“ s. o.) [1], [5].

Fallbeispiel

Fall 2: Grundgliedfraktur D4


Durch Hundebiss erlitt eine 70-jährige Patientin eine drittgradige offene Grundgliedfraktur am rechten Ringfinger und kleinere offene Verletzungen dorsal an D2 und D3. Es erfolgte die Wundversorgung und Kirschner-Draht-Osteosynthese mit 2 retrograden Drähten 1,0 mm. Postoperativ wurde der Patientin nach Abschwellung der Weichteile ein Mittelhandbrace mit Ausleger für D4/5 angepasst ([Abb. 3]).


Damit kann eine adäquate Ruhigstellung des verletzten Fingers bei minimaler Immobilisation nicht betroffener Gelenke erreicht werden. Die Patientin wird zur täglichen Übungstherapie des verletzten Fingers aus der Schiene heraus, also nach Abnahme der Schiene, angeleitet. Eine alleinige Finger-Sandwich-Schiene hätte zur Hebelwirkung an der Grundgliedfraktur geführt und die Osteosynthese gefährdet.

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Abb. 3 Fall 2: Mittelhandbrace mit Ausleger D4/5 zur postoperativen Ruhigstellung einer Grundgliedfraktur D5. Damit kann eine adäquate Ruhigstellung des verletzten Fingers bei minimaler Immobilisation nicht betroffener Gelenke erreicht werden.

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Langfinger

Im Bereich der Langfinger erfolgt die Schienung per Einzelfingerlagerungsschiene, welche oft auch Sandwich-Schiene genannt wird ([Abb. 4]). Dies ist eine zirkuläre Konstruktion, an deren radialer und ulnarer Seite ein Keil herausgeschnitten wird und die resultierenden beiden Schalen mit Klettverschlüssen verbunden werden. Dies ermöglicht auch bei rückläufigem Ödem noch eine optimale Passform.

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Abb. 4 Einzelfingerlagerungsschiene oder Sandwich-Schiene. Links: Sandwich-Schiene mit abnehmbarer Fixierung des Mittelglieds. Rechts: Sandwich-Schiene mit Einschluss von End-, Mittel- und Grundgelenk.

Durch die Fixierung mittels seitlich angebrachten Klettgurten wird eine gute Stabilisierung des Fingers erzielt. Diese Art der Schienenversorgung wird bei Frakturen ab dem Mittelglied mit oder ohne Osteosynthese eingesetzt.

Bei Grundgliedfrakturen wird diese aufgrund der Hebelwirkung, welche an der Fraktur erzeugt würde, nicht eingesetzt. Hier muss eine Ruhigstellung im Mittelhandbrace mit Ausleger des betroffenen Fingers und in der Regel einem Nachbarfinger erfolgen.

Weitere Einsätze der Sandwich-Schienen sind Frakturen der Endglieder oder Arthrodesen des Mittel- oder Endgelenks.

Merke

Ruhigstellungen bei Frakturen an den Grundgliedern der Langfinger müssen immer mit Mittelhandbrace inklusive Ausleger erfolgen. Sandwich-Schienen würde zur Hebelwirkung an der Fraktur führen!

Bei Sehnenverletzungen kommt die Sandwich-Schiene zum Einsatz in der statischen Nachbehandlung von operativ versorgten Strecksehnenverletzungen der Zonen 2 – 4 (Zone 3 und 4 als Lagerungsschiene beim SAM-Konzept [SAM = short Arc Motion] oder Mittelzügelregime), knöchernen Strecksehnenausrissen mit Door-Stop-Osteosynthese (Hofmeister Extension Block [7]) sowie operativen Tenodesen der tiefen Beugesehne zum Einsatz ([Tab. 3]).

Tab. 3 Immobilisation am Langfinger – Therapiedauer.

Verletzung

Schienenbehandlung

knöcherner Strecksehnenausriss mit Door-Stop-Osteosynthese

Sandwich-Schiene:

  • 6 Wochen Tag und Nacht

  • dann 6 Wochen nachts

subkutane Strecksehnenverletzungen der Zone 1 mit konservativer Therapie

Stackʼsche Schiene für 8 Wochen

Strecksehnenverletzungen der Zone 1 und 2 mit operativer Versorgung

Sandwich-Schiene für 6 – 8 Wochen

Tenodesen

Sandwich-Schiene mit DIP-Einschluss für 6 Wochen

Arthrodesen

  • DIP (Articulatio interphalangealis distalis)

  • PIP (Articulatio interphalangealis proximalis)

Sandwich-Schiene für 6 – 8 Wochen:

  • DIP-Sandwich-Schiene

  • Sandwich-Schiene

Vor allem bei der Door-Stop-Osteosynthese, Tenodesen und distalen Frakturen kann die Sandwich-Schiene als sog. DIP-Sandwich-Schiene angepasst werden, um die Funktion des Mittelgelenks zum Üben freigeben zu können (s. Fallbeispiel 3 u. [Abb. 5]).

Fallbeispiel

Fall 3: Offene Strecksehnenverletzung Zone 2


Durch eine Kettensägenverletzung erlitt ein 65-Jähriger Rentner eine offene Durchtrennung der Strecksehne des Zeigefingers in Höhe des Mittelglieds (Zone 2). Es erfolgte die umgehende operative Versorgung mit U-Naht der Sehne und Wundversorgung.


Nach der Operation erhielt der Patient eine Ruhigstellung in dorsaler Gipsschiene. Am 2. postoperativen Tag wurde nach Abschwellen der Weichteile eine thermoplastische DIP-Sandwich-Schiene angepasst ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Fall 3: Sandwich-Schiene für das Fingerendgelenk (DIP): Zur statischen Nachbehandlung der Strecksehnenläsion in Zone 2 erfolgte die Anpassung einer kurzen DIP-Sandwichschiene. Hiermit wird das Fingerendgelenk geschient und das Mittelgelenk freigelassen.

Stackʼsche Schienen kommen höchstens bei geschlossenen subkutanen Strecksehnenüberdehnungen (Zone 1) zur konservativen Therapie zur Anwendung, und zwar für eine Dauer von mindestens 8 Wochen. Aufgrund der oftmals nicht suffizienten Passform der vorkonfektionierten Schienen ist jedoch auch bei dieser Indikation die kurze DIP-Sandwich-Schiene oft die bessere Versorgung, da sie eine genauere Passform bietet und das Mittelgelenk intermittierend freigibt (s. Fallbeispiel 3).


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Daumen

Am Daumen erfolgt bis zum Grundglied die Versorgung im Mittelhandbrace mit oder ohne Einschluss des Grundgelenks. Hierdurch können sowohl Frakturen des 1. Mittelhandknochens (operativ versorgt oder konservativ) oder Läsionen der Seitenbänder (ulnares oder radiales Seitenband des Daumengrundgelenks) versorgt werden ([Abb. 6]).

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Abb. 6 Mittelhandbrace mit Einschluss des Daumengrundgelenks.

Bei Rhizarthrosen kann zur konservativen Therapie ergänzend zur Physiotherapie ebenfalls eine temporäre Schienung im Mittelhandbrace mit Daumeneinschluss erfolgen. Auch die vielfältig erhältlichen kommerziellen Rhizarthroseschienen können das Daumensattelgelenk stabilisieren und schmerzhafte Bewegungen einschränken. Nach operativer Therapie der Rhizarthrose wie der Trapezektomie oder der Resektionssuspensionsarthroplastik erfolgt eine Schienung für 6 Wochen postoperativ.

Bei Frakturen oder Verletzungen distal des Daumengrundgelenks erfolgt die Schienung per Sandwich-Schiene.

Praxistipp

Schienenversorgungen bei Kirschner-Draht-Osteosynthesen

Zur Frakturversorgung, temporären Gelenktransfixation oder Arthrodesen an der Hand werden oft Kirschner-Drähte eingesetzt, die aus der Haut herausragen. Wichtig in der Nachsorge ist die Pflege der Drahteintrittsstellen, welche regelmäßig mit NaCl-Lösung gereinigt werden. Hierbei bieten abnehmbare Schienenversorgungen einerseits die Möglichkeit des regelmäßigen Verbandwechsels und der Hauthygiene, andererseits kann durch die individuelle Anpassung eine mechanische Irritation durch die Schiene vermieden werden. Bei der ärztlichen Kontrolle der Schienen sollten diese Aspekte besonders beachtet werden.

Eine Übersicht über die Lagerungsschienen fasst [Tab. 4] zusammen.

Tab. 4 Lagerungsschienen.

Name/Art der Schiene

Stellung

Besonderheiten

häufigste Fehler

Handgelenkschiene

von den Metakarpalköpfen bis zum proximalen Unterarm

in lockerer Geradstellung des Handgelenks (= 15° Extension)

z. B. nach mediokarpaler Teilarthrodese mit Plattenosteosynthese

seitliche Abweichung

zu viel Handgelenkextension

Mittelhandbrace

ohne Handgelenk

ohne Einschränkung der Beugefähigkeit D2–D5, insbesondere in den MCP-Gelenken

nach Mittelhandknochenfraktur

nach CMC-Luxation

nach Resektion 3./4. Strahl (Handverschmälerung)

Mittelhandbrace mit Ausleger

D2–D5: oder bei isolierter Verletzung von:

  • D2 → Ausleger D2–D3

  • D3 → Ausleger D3–D5

  • D4 → Ausleger D3–D5 oder D4–D5

  • D5 → Ausleger D4–D5

Intrinsic-plus-Stellung der Finger:

  • MCP 90°

  • PIP 0°

  • DIP 0° einstellen,

um 70 – 10 – 10° als Zielvorgabe zu erreichen

Funktionsstellung: MCP-Gelenke zu wenig gebeugt

Daumenbrace = Mittelhandbrace mit Ausleger Daumen

Einschluss D1-MCP-Gelenk

D1-IP-Gelenk frei oder (selten) mit eingeschlossen

Daumenstrahl in 60° palmarer Abduktion

Daumenkuppe in lockerer Opposition zur D2-Kuppe

Daumen nach dorsal gezogen, statt in Opposition zur Zeigefingerkuppe

dorsale Handlagerung

Mittelhandbrace mit Fingern in Streckstellung auch der MCP-Gelenke

postoperativ nach Entfernung von
Dupuytren-Kontrakturen oder Beugesehnentenolysen

Sandwich-Schiene

lange Sandwich-Schiene:

  • inkl. PIP

kurze (DIP)-Sandwich-Schiene:

  • über Grundglied nur dorsal

  • palmar von Klettverschluss gehalten

Sandwich-Schiene bei Grundgliedfraktur

Schiene hebelt an der Fraktur

Stackʼsche Schiene

ausschließlich für konservative Therapie der subkutanen Strecksehnenruptur

für 8 Wochen Tag und Nacht

Stackʼsche Schiene ist postoperativ nicht geeignet


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Dynamische und statische Korrekturschienen

Die dynamische Korrektur von arthrogenen, tendogenen oder dermatogenen Kontrakturen der Hand ist ein weiterer wichtiger Eckpfeiler der Schienentherapie.

Merke

Ziel ist es hierbei, die passive und aktive Bewegungsfreiheit präoperativ zu steigern und vor allem eine operativ gewonnene Bewegungsfreiheit zu erhalten [1], [6].

Der Wirkungsmechanismus von dynamischen Korrekturschienen ist die Applikation einer leichten prolongierten Dehnung, welche eine entsprechende Ausrichtung und Angleichung der betroffenen Strukturen zur Folge hat. Durch mäßigen, aber konstanten Dauerzug kann somit das Bindegewebe (Fibroblasten und vernetzte kollagene Faserbündel) in der Längsstruktur parallel zur angewendeten Kraft ausgerichtet und in der Folge gegeneinander verschoben werden. Entscheidend ist hierbei die Länge der Applikationsdauer und nicht die Intensität des Zuges, welche sich immer am Toleranzniveau des Patienten orientiert [4].

Arthrogene und tendogene Kontrakturen

Arthrogene und tendogene Kontrakturen werden nicht nur nach Sehnen- oder Gelenkverletzungen beobachtet, sondern oft auch nach Frakturen an den Phalangen, insbesondere nach Grundgliedschaftfrakturen und hier besonders nach Plattenosteosynthesen. Durch die initiale Verletzung der funktionellen Strukturen wie auch des umliegenden Weichteilmantels kann es selbst bei optimaler Akutversorgung zu narbigen Verklebungen und Kontrakturen der Sehnen, Bänder, der palmaren Platte und der Gelenkkapsel kommen.

In schwereren Fällen ist eine konservative Therapie nur mit gleichzeitiger Schienentherapie möglich, und oft ist nach Ausreizen der Handtherapie eine chirurgische Lösung der narbigen Verwachsungen indiziert (Tenolyse, meist in Kombination mit Arthrolyse als Strecksehnen- oder Beugesehnentenoarthrolyse).

Die Schienentherapie kann in der präoperativen Vorbereitung unterstützend wirken, um optimale Bedingungen in Bezug auf die passive Beweglichkeit herzustellen. Des Weiteren kann nach der operativen Lösung neben der obligaten physiotherapeutischen Beübung eine Schienentherapie unterstützend wirken, um das erneute Auftreten von Verklebungen zu verhindern. Hierzu werden dynamische Beugeschienen oder Streckschienen beim arthrotenogenen Streck- respektive Beugedefizit postoperativ eingesetzt und durch nächtliche Lagerungsschienen ergänzt. Diese korrektiven Schienen wurden früher als Quengel-Schienen bezeichnet und bereits im 16. Jahrhundert durch Hans von Gersdorff beschrieben [8].


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Dermatogene Kontrakturen und deren Prävention

Kontraktur von Verbrennungsnarben

Dermatogene Kontrakturen sind meist die Folge von Handverbrennungen, in deren Folge gelenküberschreitende Narbenvektoren die Beweglichkeit hemmen. Sie sind aber auch als Folge von mechanischen Verletzungen (z. B. beugeseitige Längsrisse der Finger) und leider auch nach inadäquaten operativen Zugängen zu beobachten, wenn z. B. die Spitzen der beugeseitigen Zickzack-Inzision nach Bruner nicht ausreichend weit nach lateral-dorsal (in die Drehachse der Gelenke) gelegt wurden.

Im Rahmen der operativen Therapie werden dermatogene Kontrakturstränge durch Lappenplastiken (Z-Plastiken oder YV-Plastiken) aufgelöst [1]. Die Vertiefung von Zwischenfingerfalten wird angewandt, um dort lokalisierte Verbrennungsnarben aufzulösen und die Fingerfunktion zu verbessern. Im Bedarfsfall werden hier neben der obligaten Kompressionstherapie dynamische Schienen zur Korrektur angewandt.


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Daumenamputation

Ebenso kommt diese Technik bei Daumenamputationen zur Anwendung, um durch die Vertiefung der 1. Zwischenfingerfalte die relative Länge des Daumens zu erhöhen und damit die Greiffunktion zu verbessern. Durch die Anwendung einer C-Spange kann dieser Prozess postoperativ unterstützt und die gewonnene Länge erhalten werden.


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Dupuytren-Kontraktur

In der Therapie der Dupuytren-Kontraktur kann nach operativer Fasziektomie, Nadelfasziotomie oder Kollagenaseinjektion postoperativ für wenige Wochen eine Schienung zum Erhalt der Bewegungsfreiheit erfolgen. Hierbei findet eine dorsale Mittelhand-Nachtlagerungsschiene mit Vierfingerextension Verwendung, welche die Finger in Streckstellung (inklusive MCP-Gelenke) hält. Ziel ist es, jeden Morgen die Übungstherapie aus der neu gewonnenen Fingerstreckung heraus zu beginnen und nicht über Nacht wieder den Rückgang zur alten Kontrakturstellung zu riskieren ([Abb. 7]).

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Abb. 7 Korrekturschienen. Links: dynamische Beugeschiene. Rechts: statisch-progressive Streckschiene.

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Frühaktive Schienenbehandlung

Sehnenverletzungen sind komplexe und schwere Verletzungen der Hand und benötigen eine spezifische Nachbehandlung, wenn funktionell gute Ergebnisse erzielt werden sollen.

Merke

Durch eine postoperative Schienentherapie wird in der Heilungsphase die Sehne geschützt und bei aktiven Nachbehandlungsregimes die Lückenbildung in der genähten Sehne verhindert, welche sowohl zu Adhäsionen als auch zu sekundären Rupturen der genähten Sehne führen kann.

Eine Reihe von Nachbehandlungsschemata wurden hierfür entwickelt, welche abhängig von der Verletzungszone, zusätzlichen Begleitverletzungen und der Patientencompliance eine dynamische oder statische Schienentherapie bieten.

Essenziell für die Durchführung eines aktiven Nachbehandlungsschemas ist die suffiziente Naht der Sehne. Wenn diese gegeben ist, können durch eine passive Mobilisation der Sehne von nur 3 – 5 mm narbige Verklebungen vermieden oder sogar gelöst werden, wie die wegweisenden Studien von Kleinert et al. in den 1970er-Jahren gezeigt haben [9].

Die statische Therapie bietet im Vergleich zur aktiven Therapie eine geringere Belastung der rekonstruierten Sehnen bei höherem Risiko für Adhäsionen. Ihr Einsatz ist bei Kindern unter 10 Jahren indiziert, bei denen Adhäsionen ein viel geringeres Problem darstellen als bei Erwachsenen [10].

Eine statische Sehnennachbehandlung sollte auch bei Patienten mit unzureichender Compliance und bei Strecksehnen eher als bei Beugesehnen überlegt werden.

Beugesehnenverletzungen

Bei Beugesehnenverletzungen der tiefen, der oberflächlichen oder beider Sehnen erfolgt im Rahmen der Akutversorgung in der Regel eine primäre Sehnennaht und bei entsprechender Patientencompliance und Wundsituation die dynamische Nachbehandlung. Hierfür stehen drei Behandlungsprogramme für die Beugesehnennachbehandlung zur Verfügung:

Kleinert-Schema

„Controlled active Motion“ – Verwendung von dynamischem Zug am betroffenen Finger, um die Extension gegen Widerstand ausführen zu lassen, da es dadurch zu einer reflektorischen Entspannung in den Flexoren kommt.


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Duran und Houser

Controlled passive Motion“ – Verwendung von dynamischem Zug, um die betroffenen Finger in Flexion und damit Entlastungsstellung zu halten.


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Washington-Regime

Kombination aus Kleinert- und Duran-Houser-Schema. Das Washington-Regime [11] kann bei Beugesehnenverletzung des Daumens und der Finger in jeglicher Zone eingesetzt werden. Nach initialer Ruhigstellung im Beugesehnengips (Handgelenk und Fingergrundgelenke jeweils 40° Flexion) erfolgt die Anlage von thermoplastischen Übungs- und Lagerungsschienen für ein 12-wöchiges Nachbehandlungsprogramm (s. [Tab. 5], Fallbeispiel 4 u. [Abb. 8]).

Tab. 5 Postoperatives Washington-Regime D1–D5.

Zeitpunkt (postoperativ)

Stellung

Übungen

1 – 2. Tag

D2–D5: Gipsruhigstelllung: Handgelenk 30° und MCPs in 60 °Flexion, ggf. Ankernaht des/der betroffenen Finger(s)

D1: Daumen in Opposition zu D2, MCP und IP in Flexion; Handgelenk in 40 °Flexion,

keine

2. Tag

Thermoplastschiene:

D1: dorsale Schiene: Handgelenk in 30° Flexion, MP und IP zu 0° streckbar, Gummibandsystem mit Hakenfixierung und Umleitung über die Ulnakante

D2–5: Zone 1 – 4: Handgelenk in 30–40° Flexion, MCP in 40° Flexion, PIP und DIP zu 0° streckbar

Zone 5: Handgelenk in 20° Flexion, MCP möglichst 60°, PIP und DIP wie Zone 1 – 4

betroffener Finger: Fixierung mit geklebtem Haken, Angelschnur und Gummizugsystem, D2: nur Fixierung des verletzten Fingers; D3–D5: Fixierung aller drei ulnaren Finger

Nachtlagerungsschiene:

D1: MCP und IP in Streckung; D2–D5: PIP und DIP in Streckung

Patientenübungen:

aktive Extensionsübung gegen den Gummizug – Beugung des Fingers erfolgt passiv durch Gummizugsystem:

  • Durchführung 10 × jede wache Stunde

  • D1: nur IP-Gelenk wird bewegt, MCP/Sattelgelenk per Schiene fixiert

Therapeutenübungen:

Kontrolle der Eigenübung des Patienten und Durchbewegen von betroffenem Finger

Handgelenk unter Berücksichtigung des Sehnenzugs (bei Nervenverletzung in Zone 7/8 kein Durchbewegen des Handgelenks)

2./3. Woche

wie 1. Woche, 3 – 4 × Physiotherapie

4. Woche

Beginn der aktiven Flexionsübungen

5. Woche

bei guter aktiver Flexion (annähernder Faustschluss) → Entfernung des Gummizugsystems

bei Flexionsdefizit: Belassen des Gummizugsystems bis Ende 5. Woche

6. Woche

Anfertigung einer Korrekturschiene:

– Handgelenk in Neutralstellung

– MCPs in 20° Flexion

– DIPs und PIPs zu 0° streckbar

Entfernung der Nachtlagerungsschiene

Übungsprogramm wie in 5. Woche

ggf. Narbenmassage, Ultraschall und Silikonauflagen

7. Woche

Abnahme der dorsalen Schiene

Freigabe der Hand für leichte Aktivitäten, Beginn mit Ergotherapie (Koordinationsübungen)

Cave: rupturgefährdete Woche

8. Woche

vorsichtiger Belastungsbeginn in Physio- und Ergotherapie

9. – 12. Woche

falls nötig: Anordnung einer dynamischen Korrekturschiene

weitere Belastungssteigerung, ab 9. Woche Dehnen, ab 10. Woche resistives Üben

nach 12. Woche

volle Belastbarkeit, Abschluss der Behandlung

Fallbeispiel

Fall 4: Beugesehnenläsion – dynamische Nachbeübung


Im Rahmen eines Arbeitsunfalls als Logistikerin erlitt die 40-jährige Unfallversicherte eine Schnittverletzung der Hohlhand (Zone 3). Intraoperativ zeigte sich eine vollständige Durchtrennung der tiefen und oberflächlichen Beugesehnen des Kleinfingers.


Es erfolgten die Naht beider Sehnen in Four-Strand-Technik und postoperativ die Anlage einer dorsalen Gipsschiene. Am 2. postoperativen Tag wurden die thermoplastische Übungsschiene und Nachtlagerungsschiene angepasst und das dynamische Nachbehandlungsschema (Washington-Regime; [Abb. 8]) begonnen.

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Abb. 8 Fall 4: Frühaktive Schienenbehandlung nach dem Washington-Regime: Zur postoperativen Behandlung bei Durchtrennung der oberflächlichen und tiefen D5-Beugesehnen wurde eine dynamische Übungsschiene angepasst, die eine dynamische Mobilisation ohne Belastung der Beugesehnennähte ermöglicht. Die Patientin wird hierbei instruiert, die Finger aktiv zu strecken und plötzlich loszulassen, sodass bei reflektorisch entspannten Beugemuskeln die Sehnen passiv bewegt werden. Hierfür muss bei Läsionen einer ulnaren Beugesehne jeweils die Zügelung an den drei ulnaren Fingern (D3–D5) angelegt werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

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Frühaktive Komponente

Das Washington-Regime kann ab dem 1. Tag durch eine aktive Flexion ergänzt werden, bei der die Sehnenspannung durch Flexion des Handgelenks auf 45° vermindert und der betroffene Finger kontrolliert mehrmals hintereinander vorsichtig aktiv gebeugt wird. Dies ist bei ausreichend stabilen Sehnennähten möglich, kann bei bestimmten Anästhesieverfahren („wide awake“) intraoperativ geprüft und vom Operateur festgelegt werden.


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Strecksehnenverletzungen

Vergleichbar zur Beugesehnenverletzung kommen auch in der postoperativen Therapie der Strecksehnenverletzungen dynamische und statische Nachbehandlungsschemata zum Einsatz. Für die dynamischen Nachbehandlungsschemata stehen Adaptionen des Kleinert- und Washington-Regimes zur Verfügung.

Strecksehnenverletzungen der Zonen 1 und 2 (DIP und Mittelglied) sind eine Domäne der statischen Nachbehandlung in der DIP-Sandwich-Schiene (s. o. Abschn. Langfinger und Daumen). In den Zonen 3 und 4 (PIP und Grundglied) kommt das frühaktive Short-Arc-Motion-Konzept (SAM) oder Mittelzügelregime zur Anwendung. Bei Strecksehnenverletzungen der Zonen 5 – 7 kommt das Reversed-Kleinert- oder das Reversed-Washington-Regime zur Anwendung, die Adaptation des jeweiligen Schemas für die Streckseite.

Reversed-Kleinert-Schema

„Controlled Active Motion“ – Verwendung von dynamischem Zug am betroffenen Finger, um die Flexion gegen Widerstand ausführen zu lassen, da es dadurch zu einer reflektorischen Entspannung in den Extensoren kommt.


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Reversed-Washington-Regime

Kombination aus Kleinert- und Duran-Houser-Schema [11]. Nach initialer Ruhigstellung im Gips (Handgelenk in 30° Dorsalextension, MCP in 30° Flexion) erfolgt die Anlage von thermoplastischen Übungs- und Lagerungsschienen für ein 12-wöchiges Nachbehandlungsprogramm ([Tab. 6]).

Tab. 6 Postoperatives Reversed-Washington-Regime D2–D5.

Zeitpunkt (postoperativ)

Stellung

Übungen

1 – 2. Tag

Gipsruhigstelllung:

  • Handgelenk in 30° Dorsalextension

  • MCP in 30° Flexion

keine

2. Tag

Thermoplastschiene:

Handgelenk in 30° Extension

MCP in 10° Hyperextension

PIP und DIP frei, Finger sind durch dorsales Gummizugsystem in Hyperextension gehalten

Patientenübungen:

aktive Flexion im MCP

Extension erfolgt passiv durch das Gummizugsystem

  • 30° (15°) MCP-Flexion

  • Durchführung 10 × jede wache Stunde

Therapeutenübungen:

Kontrolle der Eigenübung des Patienten und Durchbewegen der Mittelgelenke und Endgelenke, MCP werden dabei in Hyperextension fixiert

Durchbewegen des Handgelenks bei manueller Fixierung der Finger in Extension

2 – 3 × pro Woche Physiotherapie

2. Woche

45° (30°) MCP-Flexion

2 – 3 × pro Woche Physiotherapie

3. Woche

60° (45°) MCP-Flexion

2 – 3 × pro Woche Physiotherapie

4. Woche

90° (60°) MCP-Flexion

aktive Extension erlaubt

2 – 3 × pro Woche Physiotherapie

5. Woche

bei guter Extension: Entfernung des Gummizugsystems

wie Woche 4, Flexion in allen Fällen bis 90°,

6. Woche

Entfernung der Schiene

Cave: rupturgefährdete Woche

3 × pro Woche Physiotherapie

7. Woche

Finger für leichte Aktivitäten freigegeben

Beginn Ergotherapie

3 × pro Woche Physiotherapie

8. Woche

vorsichtige Belastungssteigerung

9. Woche

vorsichtiges Dehnen in Faustschluss

10. – 12. Woche

weitere Belastungssteigerung

resistives Üben

nach 12. Woche

volle Belastbarkeit, Abschluss der Behandlung


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Funktionsersatzschienen

Entsprechend ihrer Bezeichnung dienen Funktionsersatzschienen dem temporären Ersatz von ausgefallenen Muskelfunktionen. Sie werden daher bei Erkrankungen oder Verletzungen motorischer Nerven oder Muskeln und Sehnen temporär, selten auch dauerhaft eingesetzt [12].

Die kausale Therapie kann je nach zugrunde liegendem Schaden die Nervenrekonstruktion, der Nerventransfer oder der Sehnentransfer als motorische Ersatzplastik sein [9], [13], [14]. Nervenrekonstruktion und Nerventransfer sind zeitkritisch: Die Heilung sollte spätestens 12 Monate nach Denervierung abgeschlossen sein, bei einer Geschwindigkeit der Nervenheilung ab Nahtstelle von nur 1 mm pro Tag oder 3 cm pro Monat! Motorische Ersatzoperationen lassen sich dagegen so lange durchführen, wie eine freie passive Gelenkbeweglichkeit und eine kraftvolle Aktion der umzulagernden Muskeln erhalten werden können [1].

Bis zur Funktionswiederherstellung kann durch den Einsatz von Funktionsersatzschienen die geschädigte motorische Funktion verbessert und manchmal auch ersetzt werden [15]. Dadurch kann die physiologische Balance zwischen Agonist und Antagonist erhalten bleiben, und Kontrakturen an Muskeln, Sehnen, Kapsel-Band- und Begleitgewebe kann weitgehend vorgebeugt werden. Beispielsweise kann es bei Läsionen des N. radialis zu einem Ungleichgewicht zugunsten der intakten Beugemuskulatur kommen mit konsekutiver Überdehnung der Streckmuskulatur. Diese würde dann auch nach Muskelreinnervation ein Streckdefizit aufweisen [9].

Des Weiteren bieten Funktionsersatzschienen dem Patienten rasch eine Möglichkeit, die verlorene Funktion zu kompensieren und somit in vielen Alltagsfunktionen zurechtzukommen. Außerdem werden physiologische Bewegungsmuster erhalten bzw. kompensatorische Bewegungen vermieden, welche nach Funktionswiederherstellung oftmals schwer abtrainierbar sind.

Merke

Wichtig ist, dass Funktionsersatzschienen nach Nervenverletzungen im Verlauf der langen Heilungsphasen mehrfach angepasst werden müssen, da die Atrophie der denervierten Zielmuskulatur mit einer Abnahme des Unterarm- oder Handumfangs einhergeht.

Zusätzlich werden diese Schienen bei Bedarf durch nächtliche Lagerungsschienen ergänzt, um Kontrakturen vorzubeugen und die Funktionsersatzschienen zu schonen [15].

Übersicht

Aufgabe von Funktionsersatzschienen

  • Dynamischer motorischer Funktionsersatz zur Optimierung von Alltagsfunktionen

  • Vorbeugung von Kontrakturen an:

    • Sehnen

    • Muskeln

    • Kapselbandstrukturen

    • Weichteilen

  • Muskelbalance wiederherstellen

  • Vorbeugung von kompensatorischen Bewegungen

Im folgenden Abschnitt wird der Einsatz von Funktionsersatzschienen an den häufigsten Nervenläsionen der Hand und des Unterarms erläutert.

N. radialis (Radialisersatzschiene)

Läsionen des N. radialis sind häufige Verletzungen, die meist im Rahmen von Frakturen (Humerusschaft- und Radiuskopffraktur) oder deren Versorgung auftreten, seltener auch bei tiefen Schnittverletzungen [16]. Neben einer eventuell bestehenden sensiblen Läsion im Bereich des R. superficialis n. radialis ist das Streckdefizit von Handgelenk, Fingern und Daumen typisch (sog. Fallhand). Je nach Höhe der Läsion und Art der Versorgung (primäre Nervenrekonstruktion [13], Nerventransfer, sekundärer Sehnentransfer) kann die Funktionswiederherstellung viele Monate dauern.

Merke

In dieser Zeit ist eine optimale Schienenversorgung essenziell, um sowohl die Wiederherstellung der neuromuskulären Funktion nicht zu kompromittieren als auch Rettungsverfahren wie den Sehnentransfer nicht durch passive Bewegungsdefizite zu gefährden [14].

Präoperativ werden hierfür sogenannte Radialisersatzschienen eingesetzt, welche die fehlende Finger- und Daumenstreckung durch dynamische Widerstände mit Federn, Drähten oder anderen Materialien wiederherstellen. Durch diese Art der Versorgung werden die Finger immer in Streckung gebracht, eine Beugung jedoch durch die (meist) intakten Beuger ermöglicht ([Abb. 8]).

Postoperativ erfolgt die Schienenbehandlung je nach Operationstechnik. So wird bei Nervenrekonstruktionen und bei Nerventransfers entweder keine oder nur eine kurze Immobilisation von wenigen Tagen für eine passive Gelenkmobilisation genutzt, um Kontrakturen zu vermeiden, und dann wieder die Radialisersatzschiene bis zur Nervenheilung angelegt. Bei Funktionswiederherstellung durch Sehnentransfer erfolgt eine statische Nachbehandlung für 4 Wochen mit anschließender physiotherapeutischer Aufbelastung.

Merke

Das eigentliche „Umlernen“ geschieht subkortikal und damit für den Patienten „wie von selbst“.

Fallbeispiel

Fall 5: N.-radialis-Läsion


Im Rahmen einer Radiuskopffraktur erlitt ein 50-Jähriger Mann eine komplette motorische Parese des R. profundus n. radialis mit fehlender Streckung des Daumens und der Finger, aber erhaltener Streckung des Handgelenks mit Abweichung nach radial (erhaltene Funktion des ECRL-Muskels).


Nach auswärtiger Frakturversorgung mit regelrechter Konsolidierung wurde der Patient wegen ausbleibender Remission der Nervenverletzung leider erst 6 Monate später vorstellig. Es erfolgten eine primäre Rekonstruktion des verletzten Nervs sowie ein Nerventransfer von motorischen Ästen des N. medianus und ulnaris auf die Äste des N. radialis. Bis zur Reinnervation der Streckmuskulatur wurde eine Radialisschiene angelegt. Durch das dynamische Zügelsystem erlaubt diese Schiene bei intakter Beugefähigkeit der Langfinger ein dynamisches Öffnen und Schließen der Hand und damit weitgehende Unabhängigkeit im privaten und beruflichen Alltag ([Abb. 9]).

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Abb. 9 Radialisersatzschiene. a Radialisersatzschiene mit Handgelenkseinschluss. b Radialisersatzschiene ohne Handgelenkseinschluss.

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N. ulnaris (Ulnarisspange)

Motorische Läsionen des N. ulnaris sind typischerweise eine Folge von Traumata am medialen Ellbogen, dem distalen Unterarm im Übergang zum Handgelenk oder an der Handwurzel. Je nach Höhe der Verletzung resultieren verschiedene Ausfallsmuster, wobei der Ausfall der proximalen Muskulatur (Flexor carpi ulnaris und Flexor digitorum profundus 4/5) noch teilweise durch die N.-medianus-innervierte Muskulatur kompensiert werden kann. Vor allem die fehlende Funktion der Hypothenarmuskulatur (M. abduktor, M. flexor und M. opponens digiti minimi), der intrinsischen Grundgelenkbeuger (alle Mm. interossei und Mm. lumbricales 3 und 4) und wichtiger Daumenmuskeln (M. adductor pollicis und M. flexor pollicis brevis) führen zu wesentlichen Einschränkungen der gesamten Handfunktion.

Merke

Der Ausfall der intrinsischen Muskulatur hat die typische Krallenhand des 4. und 5. Fingers bei distalen N.-ulnaris-Verletzungen zur Folge.

Hierbei kommt es zu einer Überstreckung der Fingergrundgelenke bei gleichzeitiger Beugung der Mittel- und Endgelenke. Diese Krallenhand entsteht durch das Ungleichgewicht zwischen den intakten langen Beuge- und Streckmuskeln bei gleichzeitig fehlender Beugung der Fingergrundgelenke durch die Mm. interossei. Am Zeige- und Mittelfinger können die schwächeren, aber hier N.-medianus-innervierten Mm. lumbricales die Krallenstellung kompensieren.

Paradoxerweise ist die Krallenhand bei proximalen Läsionen meist geringer ausgeprägt, da die Mm. flexores digitorum profundi 4 und 5 ebenfalls denerviert sind und das Ungleichgewicht daher reduziert ist. Im Rahmen der Reinnervation kann die Krallenhand deshalb auch sekundär im Heilungsverlauf auftreten.

Für den Patienten mit intrinsischer Ulnarisparese ist vor allem die schlechte Greiffunktion aufgrund der Krallenhand belastend. Diese kann durch die Schienentherapie entscheidend verbessert werden. Gleichzeitig wird sowohl die Elongation der langen Flexoren verhindert als auch die Beweglichkeit der Grund- und Mittelgelenke erhalten. In dieser Situation wird vor allem die Ulnarisspange eingesetzt, die eine Überstreckung der Fingergrundgelenke D2–D5 verhindert. Außerdem werden nachts statische Lagerungsschienen in Intrinsic-plus-Stellung eingesetzt, um Gelenkkontrakturen zu verhindern.

Die Adduktionsschwäche des Daumens wird partiell durch die Beugefunktion der Mm. flexor pollicis brevis und longus kompensiert (Froment-Zeichen), kann aber durch Schienentherapie kaum verbessert werden; sie ist eine Domäne der operativen Therapie (s. Infobox). Auch in der operativen Therapie der N.-ulnaris-Läsion kommt die Schienentherapie zum Einsatz ([Abb. 10 a], [Abb. 10 b], [Abb. 10 c]).

Praxis

Operative Therapie der N.-ulnaris-Läsion

In der operativen Therapie der N.-ulnaris-Läsion besteht in der Nervenrekonstruktion oder Nerventransfer, z. B. motorischer Endast des N. interosseus anterior auf den bis zum Unterarm freipräparierten R. profundus n. ulnaris.

  • Schienentherapie:

    • Auch hier kommt die Schienentherapie mit dynamischen und statischen Schienen im Wechsel prä- und postoperativ zum Einsatz.

Bei fehlender Möglichkeit der Nervenrekonstruktion kann der Sehnentransfer nach Zancolli (dynamischer Zancolli, Lasso-OP) durchgeführt werden, um die intrinsische Muskelfunktion der Mm. interossei und lumbricales wiederherzustellen. Bei diesem Eingriff werden die Sehnen der Mm. flexor digitorum superficialis distal abgelöst und mit den Ringbändern A1 und 1/4 A2 der betroffenen Finger vernäht.

  • Schienentherapie:

    • In der Nachbehandlung kommen statische dorsale Lagerungsschienen für 6 Wochen zur Anwendung.

    • Im Anschluss erfolgt die Anlage eines Mittelhandbrace mit dorsaler Limitierung (MCP in 20° Flexion, PIP frei) für 3 Wochen.


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N. medianus (Opponensschiene)

Die Läsion des N. medianus ist eine häufige Begleitverletzung von offenen Verletzungen an der distalen Unterarmbeugeseite (bis hin zum sog. Spaghetti Wrist) [16] mit Teilverlust der Daumenfunktion (M. abductor pollicis und M. flexor pollicis brevis sowie M. opponens pollicis). Bei hohen Läsionen des N. medianus (proximal des Ellbogens) tritt zusätzlich ein Verlust der Fingerbeugung an D1–D3 auf (M. flexor pollicis longus, M. flexor digitorum superficialis 2 – 5 und M. flexor digitorum profundus 2 – 3). Hier kommt es über Kompensationsbewegungen rasch zu Kontrakturen im Bereich der Finger und des Daumens.

Merke

Primär problematisch und daher wichtigstes Ziel ist die Vorbeugung der Adduktionskontraktur des Daumens, welche auch bei erfolgreicher Rekonstruktion zu einer drastischen Reduktion der Handfunktion führt.

Hierfür werden dynamische und statische Opponensschienen eingesetzt, die den Daumen in palmarer Abduktion und Opposition einstellen und der Kontraktur vorbeugen bzw. bei dynamischen Schienen eine Greiffunktion ermöglichen.

Ähnlich der Läsionen des N. ulnaris und des N. radialis kommt die Schienentherapie sowohl in der präoperativen Therapie als auch der postoperativen Nachsorge nach Nervenrekonstruktionen zum Einsatz. Bei der Funktionsrekonstruktion mittels Sehnentransfer (Opponensplastik) erfolgt initial eine statische Nachbehandlung per dorsoradialer Lagerungsschiene für 3 Wochen und im Anschluss per konfektionierter Schiene mit freiem IP-Gelenk für weitere 3 Wochen ([Abb. 10 c], [Abb. 10 d]).

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Abb. 10 Funktionsersatzschienen bei Läsionen von N. ulnaris oder N. medianus. a Ulnarisspange zur Verhinderung der Überstreckung der Fingergrundgelenke D2–D5 bei Läsion des N. ulnaris. b Kombination aus Ulnarisspange und Opponensschiene bei Läsion von N. ulnaris und medianus. c Kleine Ulnarisspange, z. B. zur Unterstützung bei beginnender Reinnervation. d Opponensschlaufe mit Kompressionshandschuh individuell angepasst bei N.-medianus-Läsion.

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Kernaussagen
  • Die Schienentherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Handchirurgie, welcher sowohl in der Akutversorgung als auch bei elektiven Eingriffen eine wichtige Rolle spielt.

  • Durch den Einsatz verschiedenster Materialien sind einerseits konfektionierte, kosteneffiziente Schienen, andererseits individuell anpassbare Schienen verfügbar. Letztere werden durch geschulte Ergotherapeuten und Handtherapeuten eingesetzt.

  • In der Schienenversorgung werden heutzutage so wenige Gelenke so kurz wie möglich immobilisiert. Eine protrahierte Ruhigstellung führt zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen und soll vermieden werden.

  • Voraussetzung der Schienentherapie ist das Wissen um die gewünschte Funktion bzw. die Limitierungen der einzelnen Schienen.

  • Essenziell ist eine suffiziente Patientenschulung und -führung, durch die die Compliance für die Therapie und somit der Behandlungserfolg wesentlich verbessert werden.

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. univ. Konstantin D. Bergmeister, Ludwigshafen.


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Autorinnen/Autoren

Konstantin D. Bergmeister

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Dr. med. univ., Ph. D, Jahrgang 1988. 2007 – 2013 Studium der Humanmedizin, 2013 – 2016 Doktoratsstudium (Ph. D) an der Medizinischen Universität Wien im Fach Neurowissenschaften. Seit 2016 Assistenzarzt an der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der BG Klinik Ludwigshafen. Klinischer und experimenteller Forschungsfokus ist die periphere Nerven- und die Handchirurgie.

Hannelore Wendt

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Ergotherapeutin, Handtherapeutin, B. A. Medizinalfachberufe, Jahrgang 1967. Seit 1991 staatlich anerkannte Ergotherapeutin, 2012 Erwerb der Zusatzqualifikation Handtherapeutin DAHTH, 2015 B. A. Medizinalfachberufe. Gründungsmitglied der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie e.V. (1995, DAHTH e.V.). Seit 1992 Ergotherapeutin an der BG Klinik Ludwigshafen im Fachbereich Handchirurgie, Verbrennung, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie mit dem Schwerpunkt Handtherapie.

Berthold Bickert

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Dr. med. Leitender Arzt, Sektion Handchirurgie, Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, BG Klinik Ludwigshafen (Zertifiziertes Hand Trauma Center FESSH). Studium in Würzburg, Glasgow und Birmingham UK. Facharztweiterbildung in Oldenburg, Bochum und Ludwigshafen. Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Diplom European Board of Hand Surgery (FESSH). Wissenschaftlicher Beirat der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie.

Ulrich Kneser

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Prof. Dr. med. Direktor der Klinik für Hand-,Plastische und Rekonstruktive Chirurgie – Schwerbrandverletztenzentrum, BG-Unfallklinik Ludwigshafen. Professor für Plastische Chirurgie an der Universität Heidelberg in Forschung und Lehre. Klinische Interessensgebiete sind Handchirurgie, rekonstruktive Mikrochirurgie und Verbrennungsmedizin. Forschungsfokus sind Generierung von vaskularisierten bioartifiziellen Ersatzgeweben und Mikrozirkulation in Lappenplastiken.

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.


Korrespondenzadresse

Dr. med. univ. Konstantin D. Bergmeister, Ph. D.
Klinik für Hand, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie
– Schwerbrandverletztenzentrum –
BG-Klinik Ludwigshafen
Klinik für Plastische Chirurgie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Ludwig-Guttmann-Str. 13
67071 Ludwigshafen


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Abb. 1 Handgelenklagerungsschiene. a Ohne Einschluss des Daumens. b Mit Einschluss des Daumens und der Langfinger.
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Abb. 2 Fall 1: Mittelhandbrace: Abnehmbarer thermoplastischer Mittelhandbrace ohne Ausleger als postoperative Lagerungsschiene bei subkapitaler Fraktur des 5. Mittelhandknochens. Die Funktion der Finger und des Handgelenks ist hierdurch beinahe frei, womit Immobilitätskontrakturen vermieden werden.
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Abb. 3 Fall 2: Mittelhandbrace mit Ausleger D4/5 zur postoperativen Ruhigstellung einer Grundgliedfraktur D5. Damit kann eine adäquate Ruhigstellung des verletzten Fingers bei minimaler Immobilisation nicht betroffener Gelenke erreicht werden.
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Abb. 4 Einzelfingerlagerungsschiene oder Sandwich-Schiene. Links: Sandwich-Schiene mit abnehmbarer Fixierung des Mittelglieds. Rechts: Sandwich-Schiene mit Einschluss von End-, Mittel- und Grundgelenk.
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Abb. 5 Fall 3: Sandwich-Schiene für das Fingerendgelenk (DIP): Zur statischen Nachbehandlung der Strecksehnenläsion in Zone 2 erfolgte die Anpassung einer kurzen DIP-Sandwichschiene. Hiermit wird das Fingerendgelenk geschient und das Mittelgelenk freigelassen.
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Abb. 6 Mittelhandbrace mit Einschluss des Daumengrundgelenks.
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Abb. 7 Korrekturschienen. Links: dynamische Beugeschiene. Rechts: statisch-progressive Streckschiene.
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Abb. 8 Fall 4: Frühaktive Schienenbehandlung nach dem Washington-Regime: Zur postoperativen Behandlung bei Durchtrennung der oberflächlichen und tiefen D5-Beugesehnen wurde eine dynamische Übungsschiene angepasst, die eine dynamische Mobilisation ohne Belastung der Beugesehnennähte ermöglicht. Die Patientin wird hierbei instruiert, die Finger aktiv zu strecken und plötzlich loszulassen, sodass bei reflektorisch entspannten Beugemuskeln die Sehnen passiv bewegt werden. Hierfür muss bei Läsionen einer ulnaren Beugesehne jeweils die Zügelung an den drei ulnaren Fingern (D3–D5) angelegt werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
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Abb. 9 Radialisersatzschiene. a Radialisersatzschiene mit Handgelenkseinschluss. b Radialisersatzschiene ohne Handgelenkseinschluss.
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Abb. 10 Funktionsersatzschienen bei Läsionen von N. ulnaris oder N. medianus. a Ulnarisspange zur Verhinderung der Überstreckung der Fingergrundgelenke D2–D5 bei Läsion des N. ulnaris. b Kombination aus Ulnarisspange und Opponensschiene bei Läsion von N. ulnaris und medianus. c Kleine Ulnarisspange, z. B. zur Unterstützung bei beginnender Reinnervation. d Opponensschlaufe mit Kompressionshandschuh individuell angepasst bei N.-medianus-Läsion.