Grundlagen
Bedeutung
Natrium ist das wichtigste osmotisch wirksame Kation im Extrazellulärraum und für den Wasserhaushalt des Organismus von entscheidender Bedeutung. Störungen im Natriumhaushalt sind deshalb meist eng mit Störungen im Wasserhaushalt vergesellschaftet; die Aufrechterhaltung der korrekten Plasmaosmolarität gehört zu den am besten physiologisch regulierten Vorgängen im Organismus [1]. Die wichtigsten an der Regulation des Natriumhaushalts beteiligten Organe sind die Nieren und das Gehirn [1]. Einen Überblick über die Auswirkungen der Osmolarität (A) und die Regulation des Wasserhaushalts (B) gibt [Abb. 1].
Abb. 1 Regulation des Wasserhaushalts.(Aus: Silbernagl S. Regulation des Salz- und Wasserhaushalts. In: Silbernagl S, Hrsg. Taschenatlas Physiologie. 8. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012: 180)
Physiologie
Der Normalwert für die Natriumkonzentration im Plasma beträgt 135 – 147 mmol/l; intrazellulär liegt die Natriumkonzentration bei 5 – 20 mmol/l. Das Konzentrationsgefälle ist die Ausgangsbasis für das Aktionspotenzial erregbarer Zellen und wird unter Energieverbrauch von der Na-K-ATPase aufrechterhalten.
Merke
Der Gesamtbestand an Natrium im Körper eines 70 kg schweren Mannes beträgt etwa 4400 – 5600 mmol; davon sind ca. 40% in den Knochen mineralisch fixiert [2].
Die Aufnahme von Natrium erfolgt im Wesentlichen als Kochsalz (NaCl), der Bedarf eines Erwachsenen liegt bei etwa 1 – 3 mmol/kg Körpergewicht; dies entspricht etwa 5 g Kochsalz pro Tag (10 g NaCl entsprechen 170 mmol). In den westlichen Industrienationen wird dieser Wert mit einer durchschnittlichen täglichen Kochsalzaufnahme von 12 – 15 g in der Regel weit überschritten [3]. Die Aufnahme von Natrium aus dem Gastrointestinaltrakt erfolgt im Wesentlichen im Jejunum und im proximalen Ileum.
Die Ausscheidung erfolgt zu etwa 90% renal, lediglich ca. 10% werden über Schweiß und die Fäzes ausgeschieden. Die renale Natriumausscheidung wird kontrolliert über die glomeruläre Filtrationsrate, das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) sowie über das antidiuretische Hormon (ADH). Der größte Teil des primär filtrierten Natriums wird im proximalen und distalen Tubulus sowie in der Henle-Schleife rückresorbiert. Die Menge des rückresorbierten Natriums und damit letztendlich der Natriumbestand wird hierbei über ADH sowie über Aldosteron reguliert.
Bei Volumenmangel und damit sich entwickelnder Hyperosmolarität im Plasma wird die Freisetzung von ADH aus der Neurohypophyse erhöht, was im Bereich der Sammelrohre der Niere zum vermehrten Einbau von Aquaporinen in die Zellmembran führt, diese damit durchlässig für Wasser macht und somit die Reabsorption von Wasser und Natrium aus dem Primärharn erhöht ([Abb. 1 b]). Unter ADH-Einfluss steigt die Osmolarität des Urins bis zu einem Maximum von etwa 1200 mosm/kg; dieser Wert kann bei kritisch kranken Patienten deutlich vermindert sein (bei Intensivpatienten liegt er bei etwa 700 – 800 mosmol/kg), bei völligem Fehlen von ADH bei etwa 50 mosmol/kg [1].
Aldosteron wirkt im Bereich der Verbindungstubuli und der Sammelrohre der Niere. Hier werden unter dem Einfluss von Aldosteron vermehrt Natriumkanäle und Natrium-Kalium-Kotransporter in die Membran eingebaut; hierdurch wird die Natrium- und Wasserrückresorption erhöht. Die Ausschüttung von Aldosteron wird hierbei über das RAAS-System reguliert.
Hyponatriämie
Von einer Hyponatriämie spricht man bei einem Serum-Natriumwert von < 135 mmol/l; bei Werten < 120 mmol/l von einer schweren Hyponatriämie. Es handelt sich hierbei um die häufigste Elektrolytstörung bei stationären Patienten. Im Krankenhaus sind bis zu 20% aller Patienten betroffen, auf Intensivstationen beträgt die Prävalenz bis zu 30% [3]. Postoperativ finden sich Hyponatriämien bei 4 – 5% der Patienten. Häufig entwickelt sich eine Hyponatriämie während des stationären Aufenthalts [4].
Ätiopathogenese
Eine Hyponatriämie kann Symptom einer ganzen Reihe von Erkrankungen sein, und die unsachgemäße Therapie, insbesondere chronischer Hyponatriämien, ist potenziell mit einer Reihe schwerer Komplikationen behaftet. Vor einer Therapie sollte zwingend die Ursache der Hyponatriämie identifiziert und nach Möglichkeit behandelt werden.
Ätiopathogenetisch liegt der Hyponatriämie meist eine Wasserretention und damit eine Verdünnungshypervolämie zugrunde, seltener ist ein Natriumverlust oder eine verminderte Natriumzufuhr ursächlich.
Grundsätzlich werden 3 verschiedene Formen der Hyponatriämie unterschieden. Die Einteilung erfolgt aufgrund von Veränderungen der Osmolarität des Serums. Eine normale/physiologische Serumosmolarität liegt bei 288 mosmol/kg:
-
Bei der isotonen Hyponatriämie finden sich Serumosmolaritäten um 288 mosmol/kg. Diese auch als Pseudohyponatriämie bezeichnete Form findet sich z. B. bei Hyperprotein- oder Hyperlipidämien.
-
Die hypertone Hyponatriämie ist gekennzeichnet durch eine Serumosmolarität > 288 mosmol/kg; diese seltenere Form der Hyponatriämie findet sich bei der Überladung mit osmotisch wirksamen Molekülen (z. B. Mannit intraoperativ oder Glukose beim derangierten Diabetes mellitus). Hier besteht eine Hyponatriämie mit gleichzeitiger Hyperosmolarität und intravasalem Volumenmangel.
-
Die häufigste Form der Hyponatriämie ist die hypotone Hyponatriämie mit einer Serumosmolarität < 288 mosmol/kg. Bei dieser Form der Hyponatriämie überwiegt die Aufnahme freien Wassers dessen Ausscheidung. Die hypotone Hyponatriämie lässt sich, abhängig vom intravasalen Volumenstatus des Patienten, in 3 Formen gliedern: isovolämisch, hypovolämisch und hypervolämisch. [Tab. 1] gibt einen Überblick über die verschiedenen Ätiologien.
Tab. 1 Ätiologie der hypotonen Hyponatriämie.
isovolämisch
|
hypovolämisch
|
hypervolämisch
|
|
-
Nebennierenrindeninsuffizienz
-
renale Ursachen (Polyurie bei akuter Tubulusnekrose, renal-tubuläre Azidose)
-
gastrointestinale Verluste (Diarrhö, Pankreatitis, Fisteln)
-
Verbrennungen
-
Peritonitis
-
Diabetes mellitus
|
|
Wasserintoxikation
Ein besonders tragischer Todesfall im Zusammenhang mit einer Hyponatriämie ereignete sich 2007, als eine junge Frau an einem Wassertrink-Wettbewerb einer Radiostation teilnahm, um eine Spielkonsole zu gewinnen. Die Teilnehmer mussten eine möglichst große Menge Wasser trinken, ohne zwischendurch zur Toilette zu dürfen. Eine Teilnehmerin trank in kurzer Zeit ca. 7,5 l Wasser und wurde wenige Stunden nach dem Wettbewerb tot aufgefunden. Der Tod trat aufgrund eines Hirnödems bei Hyponatriämie ein [5].
Ausdauersport-assoziierte Hyponatriämie
Wie gefährlich die Aufnahme großer Mengen hypotoner Flüssigkeit etwa bei Ausdauersportarten wie Marathon oder Triathlon ist, wurde mehrfach nachgewiesen [6]. Viele Ausdauer- und Extremsportler sind der irrigen Meinung, durch großzügige Flüssigkeitsaufnahme einem vermuteten, meist überschätzten Flüssigkeitsverlust vorbeugen zu müssen. Da das dann getrunkene Leitungs- oder Mineralwasser aber im Vergleich zum Plasma deutlich weniger Natrium enthält (Mineralwasser enthält meist zwischen 50 und 500 mg Natrium pro Liter, erforderlich wäre etwa das 10-Fache!) entwickelt sich eine hypotone Hyperhydratation. Auch das Trinken vermeintlich „isotonischer Sportgetränke“ schafft hier keine Abhilfe, da auch diese mit 10 – 38 mmol/l deutlich hyponatriäm sind; die Isotonie wird meist durch den Zusatz von Zuckern erreicht.
Merke
Die Exercise-associated Hyponatremia (EAH) oder „Ausdauersport-assoziierte Hyponatriämie“ ist eine potenziell lebensgefährliche Elektrolytstörung.
Nach Untersuchungen von Hew-Butler und Koautoren litten nach einem Ultramarathon oder einem Ironman-Triathlon etwa die Hälfte der Teilnehmer an einer Hyponatriämie, etwa ein Drittel hatten Symptome in Form von Übelkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit bis hin zu Krampfanfällen als Folge eines Hirnödems. Es sind auch mehrere hierauf zurückzuführende Todesfälle bekannt [6].
Mit der in den letzten Jahren rasant zunehmenden Popularisierung von Marathonläufen und anderen Ausdauersport-Veranstaltungen wie Triathlon ist auch von einer zunehmenden Zahl von Läufern mit Hyponatriämien auszugehen, zumal auch die Zahl unzureichend vorbereiteter Teilnehmer weiter zunehmen dürfte. Es sollte also jeder akut- und notfallmedizinisch tätige Arzt über dieses Krankheitsbild und dessen Therapie Bescheid wissen.
Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH)
Eine spezielle Form der Hyponatriämie findet sich beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (ADH = antidiuretisches Hormon), abgekürzt SIADH oder auch als Schwartz-Bartter-Syndrom bezeichnet. Hierbei kommt es über eine erhöhte Ausschüttung von ADH zur Wasserretention, es wird bei meist normaler Nierenfunktion wenig konzentrierter Urin (> 100 mosmol/kg) ausgeschieden. Hierdurch entstehen eine hypotone Hyperhydratation sowie eine Verdünnungshyponatriämie.
Die Therapie folgt, neben der ursächlichen Behandlung der Grunderkrankung, den allgemeinen, weiter unten skizzierten Prinzipien der Therapie der Hyponatriämie. In milden Fällen kann schon eine Trinkmengenbeschränkung ausreichend sein. Medikamentös stehen seit einigen Jahren orale ADH-Antagonisten (z. B. Tolvaptan) zur Verfügung.
Überblick
Mögliche Ursachen für ein SIADH
-
paraneoplastisch: Produktion von ADH oder ADH-Analoga durch Tumoren, vor allem bei Bronchialkarzinomen
-
Stimulation des Hypothalamus:
-
Schädel-Hirn-Trauma
-
Enzephalitis
-
Meningitis
-
Aneurysmata
-
intrakranielle Tumoren
-
Medikamente:
-
trizyklische Antidepressiva, z. B. Amitriptylin
-
Zytostatika
-
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), z. B. Escitalopram
-
Neuroleptika, z. B. Haloperidol, Risperidon, Chlorpromazin
-
Antidiabetika
-
Amiodaron
-
operative Eingriffe
-
Verbrennungen
-
Porphyrie
TUR-Syndrom
Eine vielen Anästhesisten regelmäßig begegnende Form der Hyponatriämie entsteht im Rahmen des TUR-Syndroms. Indikation für die transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) sind meist Miktionsbeschwerden aufgrund einer gutartigen Vergrößerung der Prostata (benigne Prostatahyperplasie, BPH); seltener wird sie auch palliativ bei Prostatakarzinom durchgeführt. Insgesamt ist die TUR-P mit über 72 000 Fällen pro Jahr einer der in Deutschland am häufigsten durchgeführten Eingriffe.
Der Operateur führt hierbei durch einen transurethral eingeführten Arbeitsschaft ein Resektoskop mit einer monopolaren elektrischen Schlinge in den prostatischen Teil der Harnröhre ein. Hier wird mittels Diathermie die Prostata bis zur Prostatakapsel in kleinen Stückchen, sog. Chips, reseziert. Diese Chips werden durch die Spülflüssigkeit in die Blase getragen und intermittierend herausgespült. Aufgrund der Diathermie darf diese Spülflüssigkeit nicht elektrisch leiten, übliche Elektrolytlösungen verbieten sich also. Verwendet werden heutzutage in der Regel zuckerhaltige Lösungen (z. B. Sorbit, Mannitol) wie Purisole (Zusammensetzung s. u.). Die meisten der verwendeten Spüllösungen sind deutlich hypoosmolar.
Zusatzinfo
Zusammensetzung von Purisole SM Spüllösung
1 l Purisole SM enthält 27,0 g Sorbit, 5,4 g Mannit, Wasser für Injektionszwecke
pH-Wert: 4,5 – 7,0
Titrationsazidität: < 1 mmol NaOH/l
theoretische Osmolarität: 178 mosm/l
Durch die Eröffnung von Prostatavenen und intraprostatisch gelegenen Sinusoiden gelangen, abhängig von der Resektionszeit, der Resektionsfläche und dem Druck der Spüllösung, teilweise erhebliche Mengen dieser hypoosmolaren, elektrolytfreien Spüllösung in den Kreislauf. Neben der Volumenbelastung, die z. B. bei herzinsuffizienten Patienten bereits zur Dekompensation führen kann, sinkt die Plasmaosmolarität und es entstehen ausgeprägte Elektrolytverschiebungen, insbesondere auch eine (Verdünnungs-)Hyponatriämie. Durch den osmotischen Gradienten aus dem jetzt hypoosmolaren Plasma folgenden Einstrom von Wasser nach intrazellulär und in das Interstitium kann sich u. a. ein Hirnödem entwickeln ([Abb. 1 a]).
[Tab. 2] zeigt exemplarisch die Entwicklung einer Hyponatriämie im Rahmen eines TUR-Syndroms, ebenso die Ausbildung einer azidotischen Stoffwechsellage und einen Hb-Abfall, der neben dem realen Blutverlust vor allem auch durch eine zunehmende Verdünnung des Plasmas durch die Spüllösung bedingt ist.
Tab. 2 BGA-Verlauf des Patienten im Fallbeispiel.
Uhrzeit
|
14:45
|
15:35
|
15:50
|
16:10
|
16:35
|
17:05
|
17:55
|
18:45
|
19:40
|
20:30
|
21:15
|
Hb [g/dl]
|
14,4
|
12,9
|
10,3
|
9,9
|
9,7
|
9,9
|
10,0
|
10,1
|
10,4
|
10,2
|
10,2
|
Natrium [mmol/l]
|
142
|
136
|
121
|
121
|
122
|
126
|
126
|
128
|
130
|
131
|
133
|
Chlorid [mmol/l]
|
114
|
112
|
104
|
103
|
98
|
104
|
105
|
104
|
107
|
107
|
109
|
Kalium [mmol/l]
|
4,2
|
3,9
|
3,4
|
3,3
|
3,2
|
3,4
|
3,6
|
3,6
|
3,7
|
3,9
|
3,8
|
Kalzium [mmol/l]
|
1,04
|
0,99
|
0,94
|
0,92
|
0,88
|
0,95
|
0,96
|
0,95
|
0,98
|
0,99
|
0,99
|
Laktat [mmol/l]
|
0,90
|
1,03
|
1,42
|
1,84
|
2,35
|
2,42
|
2,28
|
2,15
|
1,87
|
1,42
|
1,10
|
pH
|
7,40
|
7,38
|
7,28
|
7,26
|
7,27
|
7,33
|
7,36
|
7,35
|
7,32
|
7,33
|
7,35
|
pCO2 [mmHg]
|
40
|
44
|
47
|
46
|
44
|
43
|
41
|
40
|
44
|
40
|
42
|
Base Excess [mmol/l]
|
2,8
|
1,2
|
− 2,4
|
− 2,8
|
− 3,3
|
− 1,4
|
1,2
|
1,2
|
1,6
|
2,0
|
2,4
|
HCO3
− [mmol/l]
|
27,2
|
25,5
|
23,3
|
21,9
|
20,2
|
20,5
|
22,4
|
23,5
|
21,2
|
22,6
|
25,5
|
Fallbeispiel
Perioperative schwere Hyponatriämie bei TUR-Syndrom – Teil 1
Es ist Freitagnachmittag, als letzter Punkt des OP-Programms im urologisch-endoskopischen OP-Bereich steht noch eine transurethrale Resektion bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) aus. Der Assistenzarzt studiert den Prämedikationsbogen des Patienten S. Dieser ist 69 Jahre alt und bis auf einen mit einem ACE-Hemmer eingestellten arteriellen Hypertonus und eine benigne Prostatahyperplasie soweit gesund. Das Prostatavolumen wurde von den Urologen in den Voruntersuchungen sonografisch auf etwa 70 ml geschätzt.
Nach Kontrolle der Gerinnungsparameter legt der Arzt, wie im Aufklärungsgespräch besprochen, eine problemlose Spinalanästhesie auf Höhe L3/L4 mit insgesamt 2,2 ml Bupivacain 0,5% und 5 µg Sufentanil an. Nach 5 Minuten ergibt die Testung der Thermanästhesie eine Höhe von Th7. Nachdem der Arzt noch einige beruhigende Worte mit dem doch recht aufgeregten Patienten gewechselt hat, gibt er dem Urologen das Zeichen zum OP-Beginn.
Noch während der OP-Vorbereitungen hatte der Assistenzarzt dem Patienten eine venöse Blutprobe entnommen, in der Blutgasanalyse zeigt sich zum OP-Beginn ein Natriumwert von 142 mmol/l. Die OP verläuft initial ohne Probleme, auch die Kontrolle der Blutgasanalyse 45 Minuten nach OP-Beginn zeigt stabile Verhältnisse; der Natriumwert ist leicht gefallen und liegt jetzt bei 136 mmol/l. Der Patient wirkt nach seiner anfänglichen Nervosität inzwischen sehr entspannt und döst ein wenig.
Als der Assistenzarzt den Patienten eine Stunde nach Resektionsbeginn erneut anspricht, fällt ihm eine etwas undeutliche Sprache auf, auch gähnt der Patient inzwischen auffällig häufig. Des Weiteren gibt er eine zunehmende Übelkeit an. In der daraufhin zügig durchgeführten Blutgasanalyse zeigen sich jetzt ein Natriumwert von 121 mmol/l und damit das Bild einer schweren Hyponatriämie im Rahmen eines TUR-Syndroms.
Anästhesieverfahren der Wahl für die TUR ist deshalb unter Beachtung der Kontraindikationen die Spinalanästhesie, die es erlaubt, frühzeitig klinische Symptome (z. B. Verwirrtheit, Müdigkeit, Gähnen, Übelkeit) des TUR-Syndroms zu erkennen [7]. Des Weiteren sind, abhängig von der geplanten Resektionszeit und dem Operationsverfahren, engmaschige Kontrollen der Blutelektrolyte erforderlich.
Die Therapie des TUR-Syndroms besteht in erster Linie in der Beendigung der Resektion. Des Weiteren kann durch die Gabe eines Schleifendiuretikums (z. B. 20 – 40 mg Furosemid) die Hypervolämie behandelt werden. Eine Natriumsubstitution (z. B. Infusion von 20% NaCl) ist selten notwendig und darf nur unter engmaschiger Kontrolle der Elektrolyte erfolgen.
Die präoperative Anlage eines suprapubischen Blasenkatheters, die Reduktion des Spüldrucks (Niederdruckresektion), die Verwendung eines Rückspülresektoskops und eine Beschränkung der Resektionszeit sind wichtige Maßnahmen, um der Entstehung eines TUR-Syndroms vorzubeugen.
Weiterentwickelte Operationsverfahren (z. B. lasergestützte Vaporisation oder lasergestützte Prostataenukleation; Spülflüssigkeit ist hier jeweils NaCl 0,9%) haben geholfen, die Inzidenz und Schwere des TUR-Syndroms in den letzten Jahren deutlich zu senken. Ein weiteres Alternativverfahren zur Prostataverkleinerung ist die bipolare transurethrale Resektion, hierbei wird die Prostata mit einer 2-poligen Schlinge sowie physiologischer Kochsalzlösung abgetragen. Durch die hier mögliche Verwendung von NaCl 0,9% als Spüllösung fallen die Elektrolytverschiebungen deutlich geringer aus; die Volumenbelastung für den Patienten ist aber ähnlich wie bei der monopolaren Resektion [8].
Fallbeispiel
Perioperative schwere Hyponatriämie bei TUR-Syndrom – Teil 2
Bei dem Patienten mit schwerer perioperativer Hyponatriämie wird der anästhesiologische Oberarzt hinzugezogen, der mit dem Operateur ein zügiges Ende der Resektion bespricht. Zeitgleich werden dem Patienten 6 l Sauerstoff über eine Nasenbrille und 20 mg Furosemid als i. v. Bolus verabreicht. Weitere 20 mg Furosemid werden der laufenden Infusion zugesetzt und der Patient wird zügig in den anästhesiologisch geführten Aufwachraum verlegt.
Unter weiterer diuretischer Therapie kommt es in den nächsten Stunden zu einer deutlichen Verbesserung der neurologischen Symptomatik; den Verlauf der Blutgasanalysen zeigt [Tab. 2], sodass der Patient nach insgesamt 5 Stunden im Aufwachraum neurologisch völlig unauffällig, mit einem Natriumwert von 133 mmol/l und klarer Blasenspülung, auf die Station verlegt werden kann, wo sich auch der weitere Verlauf komplikationslos gestaltet.
Klinik
Die klinischen Symptome einer Hyponatriämie sind sehr variabel und hängen in erster Linie von der Schwere der Hyponatriämie und der Dynamik ihrer Entwicklung ab. In den meisten Fällen handelt es sich um Symptome einer hypotonen Hyperhydratation. Bei einer akuten Hyponatriämie stehen aufgrund der Empfindlichkeit der Zellen des zentralen Nervensystems für eine Dehydratation zerebrale Symptome/Hirndruckzeichen im Vordergrund, weiterhin kommen gastrointestinale, neurologische sowie kardiovaskuläre Symptome hinzu.
Überblick
Symptome der Hyponatriämie
zerebrale Symptome
-
Kopfschmerzen
-
Apathie, Lethargie, Müdigkeit
-
Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit
-
Ataxie
-
Koma
gastrointestinale Symptome
neurologische Symptome
kardiovaskuläre Symptome
-
Blutdruckabfall
-
Tachykardie
-
Ödeme
-
Lungenödem
Bei akuter Entwicklung einer Hyponatriämie können bereits Natriumwerte zwischen 125 und 130 mmol/l zu schweren Symptomen führen, während bei chronischen Hyponatriämien auch schwere Verläufe (Serum-Natrium < 120 mmol/l) aufgrund der vorhandenen zellulären Kompensationsmechanismen weitgehend symptomlos bleiben können. In der Literatur finden sich Fallberichte von Patienten mit Natriumwerten unter 100 mmol/l, die weitgehend asymptomatisch blieben [9].
Therapie
Wie auch die Symptomatik orientiert sich die Therapie der Hyponatriämie an Schwere und Dynamik der Entwicklung der Hyponatriämie. Vor Beginn einer symptomatischen Therapie sollte, soweit möglich, die auslösende Grunderkrankung therapiert werden. Es gilt folgender Grundsatz:
Merke
Akut entstandene Hyponatriämien sollen zügig, chronische müssen langsam ausgeglichen werden.
Akute Hyponatriämie
Eine akute Hyponatriämie (meist iatrogen innerhalb von Stunden entstanden) erfordert aufgrund der Gefahr einer zerebralen Schwellung mit konsekutiver Herniation von Hirnanteilen einen zügigen Ausgleich. Bekannte Risikofaktoren für diese schwerwiegende Komplikation einer akuten Hyponatriämie sind weibliches Geschlecht, junges Lebensalter sowie eine Hypoxie.
Die Therapie erfolgt mittels Gabe von Schleifendiuretika (z. B. 20 – 40 mg Furosemid). Eine Substitution mit hypertoner Kochsalzlösung (z. B. 3% oder 20% NaCl) erfordert eine sehr engmaschige klinische und laborchemische Überwachung und ist seltenen, schweren Fällen vorbehalten.
Chronische Hyponatriämie
Die chronische Hyponatriämie wird aufgrund zellulärer Kompensationsmechanismen weitaus besser toleriert. Selbst Serum-Natriumwerte unter 120 mmol/l können, über einen längeren Zeitraum entstanden, weitgehend symptomlos bleiben [9]. Chronisch entstandene Hyponatriämien dürfen wegen der Gefahr der zentralen pontinen Myelinolyse nur sehr langsam und kontrolliert ausgeglichen werden.
Komplikation
Zentrale pontine Myelinolyse
Eine gefürchtete Komplikation des zu schnellen Ausgleichs einer chronischen Hyponatriämie ist die Ausbildung einer zentralen pontinen Myelinolyse (ZPM), einer osmotischen Demyelinisierung im Stammhirnbereich (Pons). Durch eine zu schnelle Anhebung des extrazellulären Natriumspiegels kommt es zu einer akuten zerebralen Dehydratation. Über Endothelzellschrumpfungen führt dies zur Störung der Blut-Hirn-Schranke, was konsekutiv zum vasogenen Ödem und zur Kompression von Faserbahnen und zu Myelinolysen führt [10]. Über die Freisetzung von myelinotoxischen Substanzen aus geschädigten Endothelzellen können weitere Zellschädigungen hervorgerufen werden [11].
[Abb. 2] zeigt die typischen MRT-Befunde bei einer zentralen pontinen Myelinolyse. Es sind deutlich die typischen Hyperintensitäten innerhalb des zentralen Pons mit Fledermausflügel-Muster („bat wing“) zu erkennen [12].
Mit einer Latenzzeit von etwa 24 – 48 Stunden wird die zentrale pontine Myelinolyse symptomatisch durch Bewusstseinsstörungen, Dysarthrie, Dysphagie bis zur Entwicklung einer spastischen Tetraplegie. Auch zerebrale Krampfanfälle, die Entwicklung einer Pseudobulbärparalyse und komatöse Verlaufsformen bis hin zum Locked-in-Syndrom wurden beobachtet.
Unter symptomatischer intensivmedizinischer Betreuung erholen sich die meisten Patienten weitgehend, allerdings sind die Verläufe meist langwierig (über mehrere Wochen bis zu einem Jahr) und komplikativ. Bei Ateminsuffizienz kann eine künstliche Beatmung, bei längeren Verläufen auch eine Tracheotomie notwendig werden. Eine intensive physiotherapeutische und logopädische Therapie ist unabdingbar, eine ursächliche Therapie der zentralen pontinen Myelinolyse ist bislang nicht bekannt.
Als empfohlene Ausgleichsgeschwindigkeit gelten 0,5 mmol/l/h, max. aber 12 mmol/l pro 24 Stunden bis zu einem Zielwert von 130 mmol/l. Als weiterer Richtwert für die Therapie kann gelten, den Natriumwert um max. 10% pro Tag ansteigen zu lassen.
Abb. 2 Zentrale pontine Myelinolyse (MRT, T2, FLAIR).(Quelle: Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Universitätsklinikum Tübingen)
Die zu substituierende Natriummenge lässt sich nach folgender Formel berechnen:
Na-Defizit = kg Körpergewicht × (Nasoll – Naist) × 0,2
Der Faktor von 0,2 in der Formel ergibt sich aus dem Anteil des Extrazellulärraums am Körpergewicht [3].
Bei gleichzeitigem Volumenmangel erfolgt die Substitution durch orale (salzhaltige Brühe und/oder „Schwedentabletten“) oder i. v. Gabe von balancierten Elektrolytlösungen. In seltenen Fällen kann unter engmaschiger Serum-Elektrolytkontrolle auch hypertone Kochsalzlösung (NaCl 3% oder NaCl 10%) verwendet werden.
Zusatzinfo
Schwedentabletten
Schwedentabletten sind kochsalzhaltige (250 ml NaCl pro Tablette) Tabletten, die initial beim Wasalauf, einem großen Volksskilanglauf in Schweden (daher der Name) zum Ausgleich des schweißbedingten Natriumverlusts verwendet wurden. Durch die spezielle Galenik der Tabletten ist eine orale Aufnahme geschmacksneutral und ohne Hervorrufen von Übelkeit möglich.
Bei Isovolämie oder Hypervolämie sind eine Einschränkung der Volumenzufuhr und ggf. eine diuretische Therapie erforderlich, evtl. auch hier unterstützt durch die Gabe von hypertoner Kochsalzlösung.
Hypernatriämie
Bei einer Hypernatriämie beträgt der Natriumgehalt im Plasma > 152 mmol/l.
Ätiopathogenese
Ursächlich sind meist renale und extrarenale Flüssigkeitsverluste oder aber eine verminderte Aufnahme von Wasser, meist bei geriatrischen oder pädiatrischen Patienten. In den meisten Fällen ist der Gesamt-Natriumbestand im Körper also unverändert geblieben; die Konzentration von Natrium steigt aber durch Wassermangel an. In selteneren Fällen kann der Natriumbestand im Körper auch ansteigen, z. B. beim Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) oder bei Morbus Cushing. [Tab. 3] gibt einen Überblick über die Formen und Ätiologie der Hypernatriämie. Auch die Hypernatriämie lässt sich in isovolämisch, hypovolämisch und hypervolämisch untergliedern.
Tab. 3 Formen und Ätiologie der Hypernatriämie.
isovolämisch
|
hypovolämisch
|
hypervolämisch
|
|
-
renal, z. B. Diabetes insipidus, Glukosurie bei Diabetes mellitus, polyurisches Nierenversagen
-
gastrointestinale Verluste (Diarrhö)
-
mangelnde Wasserzufuhr bei Exsikkose
-
erhöhte Perspiratio insensibilis (z. B. bei Verbrennungen, Beatmung)
|
|
Klinik
Die klinische Symptomatik der Hypernatriämie ist sehr variabel und abhängig vom Volumenstatus des Patienten, vom Ausmaß der Hypernatriämie und von der Dynamik ihrer Entwicklung. Sie reicht von ausgeprägtem Durstgefühl, allgemeiner Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche über Übelkeit, Fieber und Hyperreflexie bis hin zu Krampfanfällen und Koma. Ursächlich ist eine durch die Hypernatriämie hervorgerufene intrazelluläre Dehydratation, die eine gestörte neuromuskuläre Erregbarkeit zur Folge hat. Diese ist umso ausgeprägter, je schneller die Dehydratation erfolgt. Werte > 170 mmol/l sind meist mit einem letalen Verlauf vergesellschaftet.
Therapie
Wie auch die Therapie der Hyponatriämie richtet sich die Therapie der Hypernatriämie neben dem Ausmaß in erster Linie nach der Dynamik der Entstehung der Elektrolytverschiebung. Auch hier gilt der Grundsatz:
Merke
Eine akute Hypernatriämie kann zügig, eine chronische muss sehr vorsichtig korrigiert werden.
Über 48 Stunden bestehende Hypernatriämie
Für eine über 48 Stunden bestehende Hypernatriämie gilt, dass wegen der Gefahr der Entwicklung eines Hirnödems der Ausgleich langsam und unter engmaschiger Kontrolle der Plasmaelektrolyte erfolgen muss. Die Absenkung des Natriumwerts darf nicht schneller als 1, max. 2 mmol/h erfolgen, insgesamt gilt eine Absenkung um 10% des Natriumwerts pro Tag als Maximum. Zielwert der Therapie ist ein Natriumwert von etwa 150 mmol/l.
Hypovolämische Hypernatriämie
Eine hypovolämische Hypernatriämie wird neben der Behandlung einer evtl. Grunderkrankung durch Flüssigkeitszufuhr, entweder oral oder durch die i. v. Gabe von balancierten Elektrolytlösungen, u. U. unter engmaschiger Kontrolle der Serumelektrolyte auch durch die Infusion von freiem Wasser, z. B. als Infusion von 5% Glukoselösung behandelt.
Hypervolämische Hypernatriämie
Die Behandlung einer hypervolämischen Hypernatriämie erfolgt unter Beachtung der oben genannten Grundsätze mit Schleifendiuretika, einer Beschränkung der Kochsalzzufuhr und u. U. auch mittels Dialyse.