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DOI: 10.1055/s-0043-121694
Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe – sind gesundheitsfördernde Maßnahmen (durch den ÖGD) notwendig?
Volunteers in Refugee Help: is Health Promotion (by Public Health Services) Necessary?Korrespondenzadresse
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
13. Dezember 2017 (online)
Zusammenfassung
Zielsetzung Es sollen gesundheitliche Ressourcen und Belastungen von ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätigen Helfern untersucht werden.
Methodik Qualitative Interviews mit 10 ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätigen Helferinnen und Helfern sowie mit 11 koordinativ tätigen Fachleuten wurden durchgeführt, transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse Die ehrenamtliche Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe wird als starke Ressource erlebt. Die Ehrenamtlichen erfahren viel Dankbarkeit und Bestätigung und erleben das Engagement als bereichernd und selbstwert-stärkend. Andererseits werden aber auch viele Belastungen und Probleme erlebt. Schwierigkeiten in der zeitlichen und emotionalen Abgrenzung werden als wichtige Ursache für die erlebten Belastungen benannt.
Schlussfolgerungen Angebote zur Unterstützung der ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätigen Personen sollten optimiert und ausgebaut werden, um die Helfer vor gesundheitlichen Belastungen besser zu schützen. Hierbei könnte der öffentliche Gesundheitsdienst wichtige Aufgaben übernehmen.
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Abstract
Objectives To investigate health-related strains and resources of volunteers in refugee help.
Methods Qualitative interviews with 10 volunteers in refugee help as well as 11 interviews with experts involved in coordinative tasks were conducted, transcribed and analysed using qualitative content analysis.
Results Volunteers’ work in refugee help is experienced as a strong resource. Volunteers receive a lot of thankfulness and appreciation and experience their work as enriching and enhancing self-worth. On the other hand, they also experience several stresses and problems. Difficulties in setting up appropriate boundaries regarding time and emotional involvement are mentioned as important reasons for the experienced stresses.
Conclusions Support for volunteers in refugee help should be optimised and expanded in order to protect the volunteers from health-related strains. Public Health Services could play an important role in such improvements.
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Schlüsselwörter
Ehrenamt - Flüchtlingshilfe - gesundheitliche Belastungen - gesundheitliche RessourcenEinleitung
In der zweiten Jahreshälfte 2016 waren weltweit rund 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht [1]. Auch die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen [2] [3] [4]. Insgesamt kamen im Jahr 2015 rund 890.000 Flüchtlinge nach Deutschland [3].
Die Zahl der Flüchtlinge stellt die Kommunen und Länder, insbesondere das Sozial-, Bildungs-, und Gesundheitssystem in Deutschland vor große Herausforderung, bietet aber auch große Chancen [5]. Für die humanitäre Hilfe einschließlich der Gesundheitsversorgung existieren internationale Mindeststandards [6], die auch in der gegenwärtigen Flüchtlingssituation in Deutschland anzuwenden sind, die aber offenbar nicht immer allen Akteuren bekannt sind [7]. Zu den Herausforderungen und Möglichkeiten der gesundheitlichen Versorgung ist im letzten Jahre eine breite wissenschaftliche Diskussion entstanden [8] [9] [10]
Im Zusammenhang mit dem enormen Zustrom von Flüchtlingen engagierten sich viele Menschen ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen der Flüchtlingshilfe [11]. Eine Analyse von Netzwerkstrukturen in der Flüchtlingsarbeit in der Stadt Erlangen kam zu dem Ergebnis, „dass das Engagement ehrenamtlicher Akteure das Rückgrat der Flüchtlingsarbeit … darstellt“ [12]. Ehrenamtliche wirken als Bindeglied zwischen Flüchtlingen und Aufnahmegesellschaft und tragen dazu bei, dass Flüchtlinge sowohl kurzfristig als auch auf lange Sicht gesehen erfolgreich integriert werden können [5] [8] [13]
Die Begriffe Ehrenamt, Freiwilligenarbeit, bürgerschaftliches Engagement und freiwilliges Engagement stehen in einem engen Zusammenhang und werden weitgehend synonym verwendet [14]. Umschrieben wird damit das (zumeist) freiwillige Engagement der Bürger in Vereinen, Initiativen, Gruppen, Organisationen sowie öffentlichen Institutionen und Einrichtungen [15], also in einem festen organisatorischen Rahmen. Die freiwillige bzw. ehrenamtliche Tätigkeit wird in der Regel nebenberuflich durchgeführt und dient nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts, auch wenn eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird [16]. In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Ehrenamt und Freiwillige im Folgenden synonym gebraucht.
Die Aufgaben, die von ehrenamtlichen Helfern in der Flüchtlingshilfe übernommen werden, sind sehr vielseitig und hängen individuell stark von den Ressourcen der Engagierten und dem Bedarf an Unterstützung ab. Ehrenamtliche Helfer können diese wichtigen Funktionen allerdings nur dann ausfüllen, wenn ihre Gesundheit erhalten bleibt [17] [18].
Ehrenamt und Gesundheit
Der Zusammenhang von Ehrenamt und Gesundheit wurde in verschiedenen Studien untersucht. Diese zeigten übereinstimmend, dass ein Ehrenamt einen positiven Effekt auf die Gesundheit von Ehrenamtlichen ausübt [19] [20] [21] [22].
Die Ausführung eines Ehrenamtes kann jedoch auch negative Effekte haben. Die Wahrscheinlichkeit, ein Burnout-Syndrom zu erleiden, ist bei Ehrenamtlichen höher als bei professionell Tätigen; dies gilt insbesondere für Menschen, die eine hohe emotionale Last tragen, deren Erwartungen nicht erfüllt werden oder die sich nicht gut auf ihre Tätigkeit vorbereitet fühlen [19].
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Fragestellung und Zielsetzung
Die ehrenamtliche Arbeit in der Flüchtlingshilfe ist nur eingeschränkt vergleichbar mit ehrenamtlichen Tätigkeiten in anderen Bereichen (z. B. in einem Sportverein). Der Großteil der Tätigkeiten in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe findet in engem Kontakt mit Flüchtlingen statt, welche teilweise traumatisierende Erlebnisse durchlebt haben. Die Konfrontation und Auseinandersetzung mit solchen Erlebnissen stellt für die Helfer eine zusätzliche Belastung dar. Allerdings gibt es bislang keine Studien, die die gesundheitlichen Belastungen, aber auch nutzbare Ressourcen von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe erfassen. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Arbeit die Frage, welche gesundheitlichen Auswirkungen die ehrenamtliche Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe hat und wie die Ehrenamtlichen gegebenenfalls besser unterstützt werden können. Ziel war es, einen Überblick über die bestehenden Ressourcen zu schaffen, Belastungsfaktoren zu identifizieren und sowie Handlungsempfehlungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Flüchtlingshilfe zu entwickeln.
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Methodik
Es wurden qualitative Befragungen mit 10 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, sowie 11 koordinativ in der Flüchtlingshilfe tätigen Fachkräften durchgeführt. Die Befragungen fanden im Rahmen zweier Bachelorarbeiten von Ende April bis Ende Mai 2016 statt [17] [18].
Ehrenamtliche Interviewpartner/innen wurde mit Hilfe des Bezirksamt Hamburg-Bergedorf und in der Flüchtlingshilfe tätigen Vereinen über Rundschreiben, Emails, sowie soziale Medien wie Facebook, angeworben. Eine genaue Zahl der angesprochenen bzw. angeschriebenen lässt sich daher nicht angeben. Die Befragten waren in Flüchtlingsunterkünften in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs tätig. Interviewt wurden Personen, die sich aufgrund der Ansprache freiwillig meldeten.
In der Gruppe der Expertinnen und Experten wurden Menschen befragt, die mit Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe zusammen arbeiten und deren Arbeit koordinieren. Im Einzelnen waren das Mitarbeitende der Bezirksämter (Koordination der sozialräumlichen Integration von Flüchtlingsunterkünften), Mitarbeitende des Sozialmanagements der Wohnunterkünfte für Flüchtlinge, darüber hinaus hauptamtliche Vertreter der Kirchengemeinden, die das ehrenamtliche Engagement der Gemeindemitglieder koordinieren, sowie die Koordinatorinnen und Koordinatoren von Ehrenamtsaufgaben in Organisationen der Flüchtlingshilfe. Erste Personen wurden auf Vorschlag von in der Ehrenamtskoordination tätigen Mitarbeitern des Bezirksamtes Hamburg-Bergedorf kontaktiert. Weitere Personenvorschläge kamen durch die ersten geführten Interviews zustande. Insgesamt wurden 13 potentielle Interviewpartner kontaktiert und es konnten elf Interviews durchgeführt werden.
Sowohl die befragten Ehrenamtlichen wie auch die befragten Expertinnen und Experten stellen ein Convenience-Sample dar, sind also weder systematisch, noch repräsentativ ausgewählt.
Die qualitativen Interviews mit den Ehrenamtlichen und den Expertinnen und Experten wurden anhand von Interviewleitfäden mit vergleichbaren Fragen geführt (siehe Anhang). Fragen wurden zu verschiedenen Themenblöcken in den Bereichen gesundheitliche Auswirkungen und Unterstützungsmöglichkeiten für Ehrenamtliche gestellt. Die Interviews wurden aufgenommen, transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring [23] kategorisiert und ausgewertet.
Durch die qualitative Inhaltsanalyse sollten bedeutsame Einzelfaktoren und Zusammenhänge erkannt werden, um somit Gemeinsamkeiten in den Interviewtexten herauszuarbeiten. Für die Auswertung wurden die Interviews paraphrasiert und deduktive, an den Leitfaden und die Forschungsfrage angepasste Hauptkategorien als auch induktive, aus dem Material abgeleitete, Unterkategorien gebildet. Das hieraus resultierende Kategoriensystem ist in den [Tab. 1] und [2] wiedergegeben. Zu den jeweiligen Ober- und Unterkategorien wurden Paraphrasen kodiert und Ankerbeispiele aus den Interviews herausgesucht. Nach diesem Durchlauf wurden im nächsten Schritt alle Interviews mit dieser Struktur kodiert. Für die Auswertung wurde mit dem Programm MAXQDA gearbeitet. Im nachfolgenden Ergebnisteil werden die nach Auffassung der Autoren zentralen Ergebnisse der Interviews zusammengefasst. Dabei sind Zitate von Interviewpartnern zu Erläuterung und Illustration in Kursivdruck eingefügt. Um kenntlich zu machen, von welcher Befragtengruppe die jeweiligen Aussagen stammen, sind die Ergebnisse mit „EA“ für Aussagen von Ehrenamtlichen und/oder mit „EXP“ für die von Expertinnen und Experten gekennzeichnet. Auf die Häufigkeitsangaben hinsichtlich verschiedener Nennungen wurde bewusst verzichtet, da dies dem Charakter und der Aussagekraft einer qualitativen Befragung widerspricht. Eine qualitative Befragung kann und will nur darüber Auskunft geben, ob bestimmte Inhalte genannt wurden. Wie häufig bestimmte Inhalte relevant sind, müsste in darauf aufbauenden, weiterführenden Studien untersucht werden [23].
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Ergebnisse
Die 10 befragten Ehrenamtlichen waren zwischen 54 und 69 Jahren alt. Von ihnen waren 7 weiblich und 3 männlich. Von den befragten Fachkräften waren vier weiblich und sieben männlich. Das Alter lag zwischen 26 und 65 Jahren.
Motivation zu ehrenamtlicher Flüchtlingsarbeit
Viele Ehrenamtliche sind aufgrund ihrer humanitären Grundeinstellung tätig (EA+EXP). Sie wollen etwas Gutes tun und Vorurteile abbauen. Einige von ihnen suchen auch eine Aufgabe in ihrem Leben, da sie schon älter und nicht mehr berufstätig sind (EA). Die aktuelle Lebenssituation bzw. deren Veränderung spielt dabei eine wichtige Rolle: Das Erwachsenwerden der Kinder oder der Einstieg in das Rentenalter, ist für die Aufnahme eines Ehrenamtes oft ausschlaggebend gewesen (EA).
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Positive Auswirkungen
Alle befragten Ehrenamtlichen sehen ihr Ehrenamt als insgesamt positiv an und haben das Gefühl, dass sich ihr Wohlbefinden durch die Tätigkeit verbessert. „Also ich kann nur sagen, also für mich ist es echt, also es ist mir so wichtig, es ist ein unglaublich großes Glück. Eine Bereicherung, eine Freude und ich bin so froh, dass ich das gemacht habe“ (EA). Das Gebraucht-Werden und die erlebte Dankbarkeit und Wertschätzung wurden als stärkste positive Auswirkung auf die Ehrenamtlichen wahrgenommen. „Man bekommt so viel, von so vielen Menschen, […] die einem dann auch was zurückgeben, wenn man etwas tut. […]vom Gefühl her ist es unglaublich“ (EA). Das Kennenlernen neuer kultureller Aspekte genauso wie das Miteinander mit den Flüchtlingen und die Zusammenarbeit mit anderen Ehrenamtlichen wird als Bereicherung erlebt und neue Bekanntschaften und Freundschaften entstehen (EA).
Auch die befragten Expertinnen und Experten sehen viele positive Auswirkungen bei den Ehrenamtlichen. Genannt werden u.a.eine erhöhte Offenheit gegenüber Fremden, der Abbau von Vorurteilen und die Steigerung des Selbstbewusstseins (Haltung), engeres Gemeinschaftsgefühl im Stadtteils oder der Gemeinde, neue Freundschaften und die Abnahme von Einsamkeit (Beziehungen).
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Belastungen für die Ehrenamtlichen
Neben den positiven Aspekten wurden aber auch Probleme und Belastungen beschrieben. Eine Befragte gab beispielsweise an: „Also ich denke Tag und Nacht daran und das ist mein erster Gedanke beim Aufwachen“ (EA). Eine andere Befragte berichtete: „Doch, es kommt ganz viel zurück. Ganz viel. Aber es ist auch super anstrengend. Und auch sehr belastend“ (EA). Manche Befragte erleben auch solche Belastungen, können sich aber gut abgrenzen: „Ja, das finde ich belastend, aber ich glaube jetzt nicht in der Form, dass es mich jetzt wirklich richtig tiefgehend belastet“ (EA).
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Wo treten Belastungssituationen auf?
Die Experten haben in den Interviews Probleme in verschiedenen Kategorien beschrieben ([Tab. 2]).
Persönliche Schwierigkeiten treten durch Mangel an Fachwissen und Fertigkeiten für bestimmte Aufgaben auf und durch eine zu hohe Selbsterwartung. Dass dann auftretende Schwierigkeiten und Probleme von Ehrenamtlichen nicht artikuliert werden, wird als sehr problematisch wahrgenommen. Diese Punkte wurden ausschließlich in den Interviews mit den Expertinnen und Experten genannt.
Die befragten Expertinnen und Experten und die Ehrenamtlichen selbst nehmen Koordinations- und Kommunikationsprobleme mit Behörden, den Wohnunterkünften, unter den Ehrenamtlichen selbst sowie in der Betreuung der geflüchteten Menschen als belastend wahr. So führen bürokratische Hürden, lange Wartezeiten und der unklare Status von Geflüchteten zu Unverständnis und Frustration: „Es gibt Frustrationen bei den Ehrenamtlichen, es gibt Frustrationen bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Weil die im ersten Moment mit so viel Enthusiasmus und Engagement hier gestartet sind, [...]. Und sie sind fast ausnahmslos alle nicht weiter gekommen, weil sie nicht weiter kommen können. [...] Die wollen über das Anerkennungsverfahren, aber die kriegen nicht mal eine Einladung dazu.“ (EA).
Weitere Belastungen sind in [Tab. 1] zusammenfassend dargestellt. In der Zusammenarbeit mit den Geflüchteten berichten die Ehrenamtlichen auch von Unsicherheit, die durch das fehlende Wissen über die andere Kultur entsteht und dass sie Schwierigkeiten damit haben, die verschiedene Aspekte der Lebensweise und Gepflogenheiten anderer Kulturen zu akzeptieren: „Also sowas wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit und ja, Verabredungen einhalten und überhaupt Initiative ergreifen oder was mitmachen. Das erlebe ich sehr häufig als sehr frustrierend, dass das so schwierig ist. Und dass die schwierige Aufgabe für mich dabei ist, das eben zu akzeptieren, dass andere Menschen anders leben“ (EA).
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Gesundheitliche und psychische Belastungen
Einige der Ehrenamtlichen gaben auf die Frage nach negativen gesundheitlichen Auswirkungen an, keine gesundheitlichen Belastungen wahrzunehmen. Andere hingegen bezeichneten ihr Ehrenamt als kräftezehrend, belastend und anstrengend.
Abgrenzungsprobleme, zeitliche wie emotionale, werden von fast allen Experten als das Hauptproblem in der direkten Arbeit der Ehrenamtlichen mit den Geflüchteten gesehen
Manche Ehrenamtliche können sich schlecht zeitliche Grenzen setzen und engagieren sich sehr viele Stunden, so dass kaum mehr Zeit für andere Dinge in ihrer Freizeit bleibt oder das private Umfeld vernachlässigt wird: „Und ansonsten ist es unheimlich übergriffig in mein Privatleben. Weil, also dass ich tatsächlich meine privaten Freundschaften ganz doll vernachlässigt habe“ (EA).
Schwierigkeiten mit der emotionale Abgrenzung entstehen durch die ständige Präsenz der Probleme der Geflüchteten (traumatisierende Erlebnisse, Hilflosigkeit mit der neuen Lebenssituation in Deutschland) einerseits und die Verantwortung, die die Ehrenamtlichen zu tragen haben andererseits. Einige Ehrenamtliche können mit diesen Schicksalen umgehen, für andere ist es in den Augen der Experten psychisch sehr belastend. „[...] wenn so ein Flüchtling plötzlich so viel Vertrauen gefasst hat, dass er was erzählt. Es gibt Leute, die können damit umgehen, wir haben relativ viele pädagogisch auf die eine oder andere Weise geschulte Leute unter den Ehrenamtlichen, aber nicht alle können damit umgehen.“ (EXP). Auch der aus der Abschiebung von Flüchtlingen resultierende Verlust von Freundschaft oder Bekanntschaft wird als Belastung genannt: „Oder manchmal ist es auch so, dass Familien auch einfach über Nacht dann weg sind, ohne dass man vorher von der Abschiebung wusste, und das macht natürlich auch vielen zu schaffen, weil dann auf einmal so ein Loch in die Gemeinschaft gerissen wird. [...] Und je enger der Kontakt, desto belastender ist das natürlich“ (EXP).
Überforderung und Erschöpfung
Von vielen Experten werden Ehrenamtliche beobachtet, die sich durch ihre Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe überfordern. Die Helfer nehmen zu viele Aufgaben an und wollen mehr schaffen, als sie leisten können:. „Dass manch einer vielleicht dadurch, dass er die Not sieht, mehr versucht an Aufgaben zu übernehmen, als er selbst leisten kann“ (EXP). In der Folge dieser Überforderung kommt es auch zur Erschöpfung: „[...] aber es ist schon ein erheblicher Teil der Ehrenamtlichen, die sich bis zur absoluten Erschöpfung verausgaben. Und zwar weil sie ja mit Einzelschicksalen oder mit Einzelgeschichten Kontakt bekommen“ (EXP).
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Unterstützungsangebote
Im Ganzen fühlen sich die befragten Ehrenamtlichen gut über Unterstützungsangebote informiert und wissen, an wen sie sich im Bedarfsfall wenden können. Sie fühlen sich durch die Anbindung an Flüchtlingsorganisationen gut aufgehoben; die regelmäßige Möglichkeit, Fragen klären zur können, und mit Information versorgt zu werden, wird als entlastend wahrgenommen.
Dennoch gaben in den Interviews mehrere Ehrenamtliche an, dass sie zwar von Unterstützungsmöglichkeiten wissen, aber noch keine Veranstaltungen besucht haben, da es ihnen an der Zeit fehlt, diese zu besuchen und das Angebot aufgrund der hohen Nachfrage derzeit noch nicht ausreicht.
Von Seiten der Expertinnen und Experten wird ein zusätzlicher Unterstützungsbedarf für die Helfer im Hinblick auf den Umgang mit psychischen Belastungen und die Abgrenzungsproblematik gesehen. Gleichzeitig merken sie aber auch an, dass bereits vorhandene Angebote von den Ehrenamtlichen oft nicht angenommen werden. Sie berichten, dass es ihnen noch nicht gelungen ist, mehr Ehrenamtliche zu Fortbildungen, Einzelgesprächen und Supervisionen zu ermutigen. Sie ermuten, dass die Ehrenamtlichen psychische Unterstützung aufgrund von Vorurteilen ablehnen und die Motivation, „anderen etwas Gutes zu tun“, sie davon abhält, sich mit ihrer eigenen Gesundheit zu befassen.
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Individuelle Bewältigungsstrategien
Alle befragten Ehrenamtlichen haben bereits verschiedene individuelle Möglichkeiten gefunden, mit den Belastungen und Schwierigkeiten, mit denen sie sich konfrontiert sehen, umzugehen [Tab. 1].
Einigen der Interviewten gelingt es offenbar, die oben angesprochene Abgrenzungsproblematik für sich zumindest teilweise lösen zu können. Sie gaben an, sich bewusst Grenzen zu setzen und zu gewissen Zeiten von der Ehrenamtstätigkeit Abstand zu nehmen. Dieser Aspekt wird jedoch gleichzeitig als sehr herausfordernd empfunden. Manche der Ehrenamtlichen berichteten auch, dass sie es erst mit dem Ehrenamt gelernt haben, Nein zu sagen und Aufgaben abzulehnen; zudem gaben einige Befragte an, zwar in der Theorie zu wissen, dass sie sich stärker abgrenzen müssen, dies jedoch in der Praxis nur schwer umsetzen können. „Ich denke, was ich, was jede Freiwillige lernen muss, ist abgrenzen. Das finde ich, das ist das aller schwerste. Vor allen Dingen, wenn da diese persönlichen Bindungen entstanden sind“ (EA).
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Strukturelle Hilfen, Angebote
Neben Änderungswünschen in der Zusammenarbeit mit Behörden, zu den Abläufen in Wohnunterkünften und zu politischen Verbesserungen insgesamt wurden auch konkrete Anregungen zu Weiterbildungsangeboten durch die Ehrenamtlichen gemacht. Das betraf Weiterbildungsangebote zu Asylrecht und Behördenstrukturen, aber auch Wissen im Umgang mit Traumatisierung von Flüchtlingen und Verbesserung der interkulturellen Kompetenz.
Angebote zum Thema Selbstfürsorge für Ehrenamtliche wurden ebenfalls gewünscht. „Und vielleicht auch sogar, weiß ich nicht, so eine Art Seminarangebot ‚Umgang mit persönlichen Belastungen durch die Geschichten von Flüchtlingen‘ und so. Denn man nimmt schon auch Nachrichten, also ich lese die Zeitung anders, ich nehme die Nachrichten anders wahr, wenn man einen Jungen aus Aleppo kennt oder aus Kundus oder aus Eritrea, wenn man weiß, was da los ist“ (EA).
Eine andere Anregung war die Einrichtung einer Beratungsstelle, an die sich Ehrenamtliche wenden können, um über ihre Belastungen und Sorgen zu sprechen. Diese Stelle sollte laut den Befragten unabhängig von den Trägern der Flüchtlingsarbeit sein, damit auch Kritik unbefangen geäußert werden kann.
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Unterstützungsangebote zum Zeitraum der Interviews
Zum Zeitpunkt der Interviews bestanden in Hamburg Angebote von Fortbildungen und Workshops, die vom Thema Asylrecht über interkulturelle Kompetenzen bis hin zum Thema Erkennung von Traumata reichen. Dennoch scheint das Angebot, gemessen an der Vielzahl von Ehrenamtlichen, die allein in Hamburg tätig sind, nicht sehr groß zu sein. Hinzu kommt, dass die Fortbildungen in der Regel nur einmal stattfinden und der Veranstaltungsort teilweise am Rande der Stadt liegt. Zudem sind einige der Fortbildungen kostenpflichtig, worin eine weitere Teilnahmebarriere liegt. Auch wenn diese Kosten übernommen werden könnten, fehlt oft die Information darüber, wer welche Maßnahmen bezahlt oder bezuschusst. Ein systematisches und kontinuierliches Angebot, mit dem die Ehrenamtlichen im Umgang mit belastenden Situationen unterstützt werden, existiert nicht, auch wenn die Mitarbeiter von Unterkunftsbetreibern für Gespräche zur Verfügung stehen.
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Diskussion
Die qualitativen Interviews von ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätigen Menschen sowie von Fachleuten mit koordinierenden Tätigkeiten in der Flüchtlingshilfe haben gezeigt, dass das Ehrenamt von vielen Freiwilligen als eine starke Ressource erlebt und genutzt werden kann. Viele Menschen erfahren durch die ehrenamtliche Tätigkeit eine Steigerung ihres Wohlbefindens und ihres Selbstwerts. Gleichzeitig erleben jedoch manche, aber nicht alle Ehrenamtlichen auch zeitliche und emotionale Belastungen, die zu gesundheitlichen und psychischen Belastungen führen. Als wichtigste Ressource für den Umgang mit diesen Belastungen wurde immer wieder die Fähigkeit zur Abgrenzung genannt. Während manche Ehrenamtliche diese Fähigkeit bereits mitbringen oder in ihrer Tätigkeit entwickeln, haben andere hier noch einen Entwicklungsbedarf.
Bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Befragungen muss berücksichtigt werden, dass es sich um qualitative Interviews mit explorativem Charakter handelt. Aus den hier berichteten Befragungsergebnissen kann somit immer nur geschlossen werden, dass die genannten Gesichtspunkte für einige Befragte relevant sind. Rückschlüsse darüber, ob diese Gesichtspunkte nur für wenige oder für viele Betroffene relevant sind, können mit einem solchen Forschungsansatz nicht gezogen werden. Hinzu kommt, dass sowohl die interviewten Freiwilligen als auch die interviewten Expertinnen und Experten ein kleines Convenience-Sample darstellen, das weder auf einer Zufallsauswahl noch auf einer systematischen Auswahl beruht und daher keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann. Da die interviewten Personen aber nach eigenen Angaben zur Zielgruppe der ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätigen Personen gehörten, bzw. zur Fachleuten mit koordinierenden Tätigkeiten in der Flüchtlingshilfe, kann davon ausgegangen werden, dass die berichteten Ergebnisse für die Zielgruppe relevant sind.
Vor diesem Hintergrund können aus den Ergebnissen die folgenden, vorläufigen Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen abgeleitet werden.
Handlungsmöglichkeiten und Konsequenzen
Bei einem ehrenamtlichen Engagement kommt es auf strukturelle Bedingungen an, die dafür sorgen, dass Ehrenamtliche in einem angemessenen zeitlichen Rahmen arbeiten, sich nicht überfordern, auf ihre Aufgaben vorbereitet werden und durch regelmäßige Supervisionen unterstützt werden [19].
Um geflüchtete Menschen zu unterstützen, ist es für die Ehrenamtlichen wichtig, sich über die eigenen Ressourcen aber auch über die Belastungen, die mit der ehrenamtlichen Tätigkeit einhergeht, bewusst zu sein.
Hier wäre zu prüfen, ob der Öffentliche Gesundheitsdienst ÖGD entsprechende Angebote entwickeln und umsetzen kann. In den meisten Sozialpsychiatrischen Diensten der Gesundheitsämter arbeitet ein multiprofessionelles Team mit Zusatzausbildungen in systemischer Beratung, Therapie und Supervision. Des Weiteren haben Mitarbeiter/innen in der (kommunalen) Gesundheitsförderung vielfältige Erfahrungen zu Unterstützungsangeboten, Programmen und Trainings, die im Wesentlichen darauf abzielen, Zielgruppen zu stärken.
Angebote zur Supervision, runde Tische für die Ehrenamtlichen mit den Themen Abgrenzungsprobleme oder Umgang mit Kommunikationsschwierigkeiten aber auch die Steigerung der Selbstwirksamkeit für einen konstruktiven Umgang mit Stress, sowie Selbstfürsorge und Achtsamkeit sind Maßnahmen, die zur Bewältigung der Belastungen und psychischen Problemen, denkbar sind.
Hierbei können Teile/einzelne Abteilungen des ÖGD, Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Flüchtlingsorganisation vor Ort anregen und vermitteln und wenn möglich, selber durchzuführen. In Hamburg Bergedorf sind aufgrund der hier dargestellten Ergebnisse, erste Maßnahmen umgesetzt worden. Auf einem Workshop zur Ressourcenförderung sind zusammen mit Ehrenamtlichen, Ressourcen und Belastungen in der Arbeit mit Geflüchteten ermittelt worden. Als Ergebnis konnten umgehend konkrete Arbeitsaufgaben an die örtliche Flüchtlingsorganisation adressiert und Fortbildungsmaßnahmen zur Selbstfürsorge verabredet werden. Darüber hinaus nahmen Ehrenamtliche zusammen mit Mitarbeitern aus dem Gesundheitsamt an einer sogenannten Community Resiliency Model (CRM)- Lotsenschulung teil [24].
Weiterhin steht dem ÖGD das Instrument der Gesundheitskonferenzen zur Verfügung, auf denen Projekte und Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung von Geflüchteten und Ehrenamtlichen vorgestellt werden können [25].
Allerdings ist auch schon ein breites Angebot an Unterstützung für Ehrenamtliche vorhanden. Diese Unterstützungsangebote werden jedoch aus den verschiedensten Gründen nicht in der gewünschten Form von der Zielgruppe angenommen. Die Experten bemängeln in diesem Zusammenhang vor allem die Kommunikationsschwierigkeiten und undurchsichtige Strukturen, sodass davon auszugehen ist, dass viele Informationen über die Angebote oftmals nicht bei den ehrenamtlich Tätigen ankommen.
Um die Teilnahmequote an Supervisionen und psychischen Unterstützungsangeboten zu erhöhen, müssten die Gründe für das Fernbleiben von solchen Angeboten genauer untersucht werden. Damit Vorurteile und Ängste gegenüber psychischer Unterstützung zu verringert werden können, ist eine umfangreiche Aufklärung über die Angebote und deren Nutzen sinnvoll. Auch hierin könnte eine wichtige Aufgabe des ÖGD liegen.
In Extremfällen, z. B. für besonders belastete Gruppen von Ehrenamtlichen, die sich zeitlich sehr stark einbinden oder psychisch durch ihre Tätigkeiten ausgesprochen belastet werden, könnte eine verpflichtende Teilnahme an Fortbildungen und Supervisionen diskutiert werden. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie und durch wen solche besonderen Bedarfe erkannt werden können und wie dann sinnvolle Unterstützungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können.
Last, not least wäre zu überlegen, ob der ÖGD in der Zusammenarbeit der verschiedenen behördlichen Strukturen unterstützend tätig werden kann.
Insgesamt zeigt sich, dass das Thema des Ehrenamtes in der Flüchtlingshilfe nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht ist. Es ist also weitere Forschung, insbesondere hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen, dringend notwendig, um die Ehrenamtlichen vor Belastungen zu schützen, aber auch um die Ressourcen, die im Ehrenamt entwickelt werden, besser nutzen zu können. Unter anderem wäre hierbei zu untersuchen, welche Faktoren die psychische Widerstandsfähigkeit der Helfer stärken können (Resilienzfaktoren), ob eine verbesserte Selbstwirksamkeit bei der Bewältigung von Belastungen hilfreich ist, und wie letztlich solche hilfreichen Ressourcen systematisch aufgebaut und verstärkt werden können. Es ist geplant, aufbauend auf den hier berichteten qualitativen Ergebnissen einen Fragebogen zu entwickeln, mit dem gesundheitliche Ressourcen und Belastungsfaktoren in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe auch quantitativ abgeschätzt werden können.
Letztlich wurde in unserer Befragung auch das enorme Potenzial deutlich, das im Wissen und der Erfahrung der Ehrenamtlichen steckt. Die Freiwilligen sollten deutlich mehr in die verschiedenen Prozesse der Flüchtlingshilfe eingebunden werden, da sie sowohl im Kontakt mit den Flüchtlingen selbst als auch im Austausch mit den Unterkunftsleitungen stehen und somit Probleme aus mehreren Perspektiven wahrnehmen.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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- 3 Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. .Flüchtlingsproblematik. Flüchtlinge in Deutschland [Internet]. [zitiert 19. Oktober 2016]. Verfügbar unter: http://www.lpb-bw.de/fluechtlingsproblematik.html#c24499
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Korrespondenzadresse
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