Schlüsselwörter
Rhinitis - Sinusitis - Rhinosinusitis - CRS - Biologica - Nasenpolypen - personalisierte
Medizin
1. Biologicals und neue Behandlungsoptionen einer stratifizierten Medizin
1. Biologicals und neue Behandlungsoptionen einer stratifizierten Medizin
Biologische Medikamente werden auf der Basis eines mechanistischen Verständnisses
von Krankheitsprozessen hergestellt und bestehen in der Regel aus großmolekularen
Stoffen, welche durch lebendige Organismen synthetisiert wurden und die selektiv über
Bindung von Zytokinen oder Rezeptoren wirken [1]. Einleitend sollen daher zunächst die Entwicklung, eine kurze Systematik, biochemische
Spezifika, immunologische Effekte und charakteristische Nebenwirkungen sowie aktuelle
Trends dargestellt werden.
1.1 Biologische medizinische Substanzen: eine Definition
Die europäischen Zulassungsbehörden definieren Biologika (engl.: biologics oder biological
medicinal products) als biopharmazeutische Arzneimittel, die als biologische medizinische
Substanz in vivo und in der Regel therapeutisch eingesetzt werden. Hierzu gehören im weiteren Sinne
biotechnologisch hergestellte aktive Substanzen, z. B. therapeutische Antikörper und
rekombinante Proteine, aber auch Vaccinen und Allergene, Blut- und Plasmaprodukte
sowie rekombinant hergestellten Alternativen [2]. Im lebenswissenschaftlichen und medizinischen Fachjargon hat sich der Begriff Biologics
vornehmlich auf therapeutische Antikörper und seltener auch für rekombinante therapeutische
Proteine etabliert.
1.2 Entwicklung und historische Meilensteine
Auf Basis mechanistischer Studien, molekularbiologischer und genetischer Grundlagenforschung
wurden in den 1990er Jahren therapeutische Zielstrukturen definiert und sowohl in
Tiermodellen als auch in humanen translationalen Modellen validiert, bevor sie klinisch
erprobt wurden. Basierend auf einem von Milstein und Köhler (Nobelpreis für Medizin
1984) entwickelten Verfahren [3] können mittels immortalisierter, hybrider B-Zellen aus Myelomzellkulturen für eine
fast beliebige Zielstruktur therapeutische Antikörper hergestellt werden. Durch weitere
biotechnologische Verfahren wurden erstmalig neue Biopharmaka synthetisiert, geprüft
und zugelassen, z. B. rekombinante Insuline (erste Zulassung durch FDA 1982) [4]. Regelrecht befeuert wurde diese Entwicklung durch die Transfusionsskandale der
1980er Jahre, akzidentelle Transmission von HIV oder HCV an Hämophiliepatienten und
der Kontamination durch Creutzfeld-Jakob bei Hypophysenextrakten zur Wachstumshormonsubstitution.
Auch rekombinante Gerinnungsfaktoren [5]
[6] und Wachstumshormon (Zulassung durch FDA 1985) [7]
[8] wurden nun biotechnologisch hergestellt.
1.3 Erste Biologicals, hybride Moleküle und konzeptbedingte Vor- und Nachteile
Vor allem für onkologische und autoimmune Fragestellungen wurden vielversprechende
monoklonale, neutralisierende Antikörper konstruiert, ferner Fusionsproteine mit Bindungskapazität
(Etanercept), mit oder ohne intrinsische Aktivität (IL-4-Mutein), Rezeptorantagonisten,
bi- und trispezifische Antikörper, die unterschiedliche Zielstrukturen binden können
und gleichzeitig z. B. T-Zellen aktivieren. Rekombinante Zytokine sollten im damals
dualen immunologischen Weltbild von Th1/Th2 Entzündungen [9]
[10] die inflammatorische Balance wiederherstellen, z. B. durch Gabe von rekombinantem
IL-12 Gabe bei Asthma [11], oder z. B. IL-10 [12] und IL-11 [13] bei Psoriasis. Anders als z. B. bei der Interferontherapie zur Behandlung multipler
Sklerose oder viraler Hepatitiden erreichten diese Studien ihre Zielpunkte nicht konsistent
und zeigten teilweise relevante Nebenwirkungen. Daher wurden diese therapeutischen
Ansätze nicht weiter verfolgt.
Neben der möglichen Vielfalt an biologisch potenziell einsetzbaren therapeutischen
Proteinen wurde zugleich eine Vielzahl von biotechnologischen Expressionssystemen
entwickelt [14]. Nach ersten prokaryotischen wurden sukkzessive eukaryotische Expressionssysteme
entwickelt, die auch größere und glykosylierte Proteine mit komplexer Tertiär und
Quartärstruktur in hoher und therapeutischer Qualität reproduzierbar zur Verfügung
stellen konnten. Auch hinsichtlich der Optimierung der therapeutischen Antikörper
auf Zielepitope und die Entwicklung der Extraktionsprozesse wurde viel Pionierarbeit
geleistet [15]
[16]
[17]
[18]
[19].
Während ein biologisch aktives Humaninsulin ein Molekulargewicht von ca. 5000 Daltons
aufweist, hat das Wachstumshormon Somatotropin ein Molekulargewicht von ca. 22000
Daltons [20]. Ein monoklonarer Antikörper liegt bei ca. 150000 Daltons, zum Vergleich: das Molekulargewicht
von Acetylsalicylsäure liegt bei 180 Daltons. Die ersten therapeutischen Antikörper
wurden als chimäre Proteine mit relativ hohen murinen oder anderen xenobiologischen
Anteilen entwickelt und zunehmend humanisiert. Hieraus resultiert eine deutlich bessere
Verträglichkeit, Wirksamkeit und Sicherheit für die Patienten. Diese Entwicklung ist
auch in der Nomenklatur der Biologics abgebildet: so war der 1996 zugelassene in-vivo
diagnostische anti-CEA-Antikörper Arcitumomab ein rein muriner Antikörper, der 1999
zugelassene therapeutische TNF-α Antikörper Infliximab ein chimärer Antikörper, der
Herceptinantikörper Trastuzumab und der anti-IgE Antikörper Omalizumab humanisierte
Antikörper, der TNF-α Antikörper Adalimumab ein vollständig humaner Antikörper (siehe
auch [Abb. 1]) und [21].
Abb. 1 Darstellung der internationalen, nichtproprietären Namen (INN) für die Entwicklung
humanisierter und humaner Antikörper (Creative Common Lizenz, zitiert aus [21], Paul W.H.I. Parren et al. 2017, mABS).
1.4 Immunogenität
Neben einer intendierten immunologischen Wirkung besteht eine üblicherweise nicht
gewollte immunologische Reaktion auf die biologisch aktiven und zumeist körperfremden
Substanzen im Empfängerorganismus, welche als Immunogenität bezeichnet wird. Die murinen
bzw. xenobiologischen Anteile einerseits und die Glykosylierungsmuster andererseits
determinieren zu einem erheblichen Teil die Immunogenität der aktiven biologischen
Substanz. Hieraus resultieren z. B. ADAs (engl.: anti-drug antibodies), die im besten Fall neutralisierend sind und zu einem Wirksamkeitsverlust führen,
aber eben auch zu immunologischen Phänomenen wie Autoimmunhämolysen, Zytokinfreisetzungssyndromen,
Mastzellaktivierung, Immunkomplex- und Serumerkrankungen führen können. Beispiele
hierfür sind die verhältnismäßig hohen Raten an Reaktionen gegen Infliximab oder Rituximab,
welche einen deutlichen murinen Anteil enthalten [22]
[23]. Letztlich handelt es sich bei biologischen aktiven Substanzen um komplexe, große,
biotechnologisch hergestellte Medikamente. Sowohl die Art der Herstellung, aber auch
Kühlung, Licht, pH-Wert, Transport und Applikation können zu kleinen molekularen Veränderungen
und hiermit zu Wirkungsverlust, Molekülaggregaten und gesteigerter Immunogenität führen.
Ferner können kreuzreagierende Epitope zu fatalen Anaphylaxien führen, v. a. wenn
die Antigene auch IgE-Epitope sind, z. B. bei Cetuximab.
1.5 Anaphylaxien gegen Biologics: das Beispiel Cetuximab
Der EGF-Rezeptor Antikörper Cetuximab wurde 2003 in den USA (FDA) und 2004 in Europa
(damals: EMEA) zunächst zur Behandlung des fortgeschrittenen Kolonkarzinoms zugelassen
und wird seit Vorliegen pivotaler Studien zur Kombinationstherapie auch bei fortgeschrittenen
Kopf-Hals-Karzinomen eingesetzt [24]
[25]
[26]. Bereits während der Zulassungsstudien in den frühen 2000er Jahren fielen in den
USA regionale Unterschiede in der Inzidenz anaphylaktischer Reaktionen auf. So konnte
zunächst 2007 O’Neil zeigen, dass bei Erstgabe die Wahrscheinlichkeit für eine anaphylaktische
Reaktion global unter 3% lag. Im mittleren Südosten der USA jedoch, z. B. in Virginia,
lag diese Rate bei bis zu 20% [27]
[28]. Diese Reaktion ist aber völlig anderer Natur als die vergleichsweise häufigen kutanen
Reaktionen [29]. Platts-Mills und Kollegen konnten 2013 den Mechanismus der Sensibilisierung und
die Assoziation zu Zeckenbissen und der Allergie gegen rotes Fleisch aufklären [30]
[31]. Die regionale Verbreitung einer Zeckenart, des sog. Lone-Star-Ticks führt nach
Zeckenbiss zur Entwicklung galactose-alpha-1,3-galactose (alpha-GAL) spezifischer
IgE Antikörper. Alpha-GAL ist ein bei allen nicht-primaten Säugetieren, Prosimianen
und Neuweltaffen ein quasi ubiquitär exprimiertes Oligosaccharid der Glykoproteine
der Zelloberfläche. Bei Primaten (Altweltaffen und Menschen) entsprechen ca. 1% des
zirkulierenden IgG-Pools alpha-GAL Antikörpern, und alpha-GAL ist ein wesentliches
biologisches Hindernis einer einfachen Xenotransplantation [32]. Seit 2014 existieren kommerzielle Testsysteme, mittels denen spezifisches IgE gegen
Alpha-GAL nachgewiesen werden kann. Der Ausschluss einer Sensibilisierung zur Vermeidung
anaphylaktischer Reaktionen vor Gabe humanisierter Antikörper kann je nach Risikoprofil
für die Patienten lebensrettend sein. Risikopatienten sind Menschen mit vielen Zeckenbissen,
aus Forstberufen, Katzenallergie und dem Pork-Cat-Syndrom
[33]. Die Bestimmung von alpha-GAL in diesem Risikokollektiv ist eine idealtypische Anwendung
personalisierter Medizin gem. der WHO-Definition: Vermeidung von Nebenwirkungen durch
spezifische Charakterisierung von Patienten.
1.6 Intendierte Immunologische Effekte und passagere Immunphänomene
Die den meisten therapeutischen Antikörpern inhärente Wirkungsweise ist die Wirkung
auf immunologische Prozesse, z. B. durch Antagonisierung bzw. Elimination von Botenstoffen
der Entzündungskaskade (z. B. anti TNFα, anti IL-1, anti-IL-5) ([Abb. 2]).
Der Übergang von unerwünschten zu intendierten immunologischen Wirkungen ist fließend.
Bi- oder sogar trispezifische Antikörper wie z. B. Catumaxomab, die bei fortgeschrittenen
onkologischen Erkrankungen wie malignem Aszites eingesetzt werden und hierbei am Fc-Rezeptor
einerseits, am aktivierenden T-Zellrezeptor CD3 und am epithelialen Zelladhäsionsmolekül
EpCAM binden, aktivieren das Immunsystem gezielt und generieren durch die Zytokinfreisetzung
neben der antineoplastischen Hauptwirkung eine inflammatorische Koaktivierung mit
allerdings nicht unerheblichen Nebenwirkungen.
Ein weiterer intendierter Effekt ist die Inhibition regulatorischer immunologischer
Prozesse auf T-Zellebene in vivo durch Check-Point-Kinase Inhibitoren wie z. B. Inhibition von CTLA-4 durch Ipilimumab
sowie Inhibition von PD-1 durch Nivolumab oder Pembrolizumab (Übersicht in: [34]).
In manchen Fällen werden durch Biologika hervorgerufene Autoimmunphänome bzw. Nebenwirkungen,
wie z. B. bei Rituximab, durch die weitere kontinuierliche Gabe des gleichen Medikamentes
de facto auf B-Zellebene kausal mittherapiert [35].
1.7 Biosimilars
Die Komplexität und Größe der Moleküle, die unterschiedlichen Expressionssysteme und
Produktionsprozesse lassen echte Generika biologischer Medikamente selbst nach Ablauf
des Patentschutzes nicht zu. Deswegen wurde das Konzept der Biosimilars geschaffen
[36]. Ledford [37] bezeichnet Biosimilars als eine inexakte Kopie einer Referenzsubstanz. Die entscheidende
Frage aus immunologischer Sicht lautet: wie ähnlich muss ein Biosimilar der Originalsubstanz
sein? Die instrumentelle Definition der EMA bezeichnet ein Biosimilar hochgradig ähnlich
einer Originatorsubstanz in allen wesentlichen Punkten, also Wirkungsmechanismus,
Sicherheit, Herstellungsprozess. In der EU wird von den Herstellern von Biosimilars
mind. eine klinische Studie gefordert, um die biologische Äquivalenz zu dokumentieren,
welche auch eine weitgehende Austauschbarkeit des Biosimilars, die sog. switchability, mit der Originalsubstanz impliziert. Ferner müssen umfangreiche Immunogenitätsdaten
und Herstellungsprozessdaten vorliegen. Hierbei ist wichtig, dass die Hersteller sich
zu einer dauerhaften Pharmakovigilanz und umfangreichen Qualitätssicherung verpflichten.
Wird die biologische Äquivalenz attestiert, darf das Biosimilar unter dem INN-Namen
auf den Markt gebracht werden. Basierend auf der nun attestierten Äquivalenz können
die Zulassungsbehörden eine Extrapolation zulassen, d. h. es wird aufgrund der vorliegenden
Daten angenommen, dass das Biosimilar auch in allen anderen zugelassenen Indikationen
äquivalent mit der Originatorsubstanz funktioniert [38]
[39]. Die switchability und die Extrapolation sind die Punkte, die in der immunologischen Fachwelt besonders
kontrovers diskutiert werden, da ein Großteil der Patienten mit Autoimmunerkrankungen
diese Medikamente zusätzlich zu anderen immunmodulierenden Medikamenten erhält. Somit
ist die Bewertung der Induktion von ADAs und der Austauschbarkeit besonders komplex.
Auf Basis der aktuell den Zulassungsbehörden vorliegenden Daten ist allerdings von
der Möglichkeit des Austausches resp. der switchability auszugehen [38]. Medikamente, die einer Originatorsubstanz stark ähneln, aber die diesen regulatorischen
Prozess (z. B. in EU strukturiert durch die EMA, in USA durch die FDA) nicht durchlaufen,
werden als intendierte Kopien bezeichnet. Diese Medikamente sind z. B. in Schwellenländern
erhältlich und in der EU nicht zugelassen.
Biobetters sind Substanzen, die durch selektive kleine Änderungen veränderte physikochemische
Eigenschaften, veränderte Bindungskapazitäten oder modifizierten Abbau resp. Clearance
therapeutisch günstigere Eigenschaften erhalten. Ein Beispiel hierfür sind Insuline,
die länger wirksam werden, oder pegylierte Antikörper, die durch die Bindung mit Polyethylenglykol
(PEG) z. B. die Bioverfügbarkeit erhöhen [40].
Abb. 2 Links dargestellt ist eine mukosale Immunreaktion gegen Allergene unter Einfluss
weiterer Pathogene im Sinne einer Sensibilisierung. Hierbei sind Alarmine (IL-25,
IL-33 und TSLP), proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-4 IL-5, IL-13), antigenpräsentierende
Zellen (APC), innate lymphoide Zellen (ILC) sowie T-Helferzellen und B-Zellen abgebildet.
Rechts zeigt sich die Situation einer erneuten Exposition unter Involvierung von Mastzellen
sowie einer zellulären Spätphasereaktion mit dem Influx von eosinophilen Granulozyten
und T-Helferzellen unter Sekretion multipler Zytokine und der Nutzung interzellulärer
Signalwege (nach [1], Boyman et al. Allergy 2015). Die mechanistische Charakterisierung dieser verschiedenen
Entzündungswege ermöglicht eine zielgerichtete Therapie durch z. B. therapeutische
Antikörper, sowohl für die Prozesse im Epithel als auch im subepithelialen Stroma
(Lizenz durch RightsLink/John Wiley and Sons).
Abb. 3 Änderung des nasalen Polypenscores unter Therapie mit Omalizumab vs. Placebo (nach
[224], Gevaert P., JACI 2013, Lizenz durch RightsLink/Elsevier).
Abb. 4 Wirksamkeit von Mepolizumab vs. Placebo bei CRSwNP: konsistente Reduktion der OP-Erfordernis,
VAS-Scores und der endoskopischen Polypenscores (nach [230], Bachert C., JACI 2017, Lizenz durch RightsLink/Elsevier).
1.8 Small Molecules und DNAzyme
Diese Medikamente sind ebenfalls durch ein rationales Design basierend auf mechanistischen
Studien entstanden, aber entgegen gängiger Annahmen keine Biologics. Viele der small molecules agieren häufig als Tyrosinkinaseninhibitoren und setzen bestimmte genetische Subtypen
oder Expression von Markern für eine erfolgreiche Therapie voraus und sind damit für
eine präzise Medizin von außerordentlicher Bedeutung. Allerdings setzen sie aufgrund
ihrer physikochemischen Eigenschaften völlig anders an und sind typische chemische
Pharmaka, i.d.R. bis 800 Daltons Größe. Etabliert sind diese bei onkologischen Anwendungen.
Aktivierende EGFR-Mutationen finden sich bei 10–15% der Patienten mit Bronchialkarzinomen
(z. B. Nichtraucher, Adenokarzinome) und sind daher für eine Therapie mit Gefitinib
geeignet [41]. Inhibitoren der Januskinasen (sog. JAK-Inhibitoren), welche als zytoplasmatische
Tyrosinkinasen die Aktivität von Zytokinrezeptoren vermitteln, können wie z. B. das
small molecule Tofacitinib bei autoimmunen Erkrankungen [42] und auch möglicherweise als unterstützender Immunmodulator in der allergenspezifischen
Immuntherapie eingesetzt werden [43]. Die Substanzen Ivacaftor und Lumacaftor sind als selektive Chloridkanalverstärker
eine neue und vielversprechende Therapieoption bei Patienten mit zystischer Fibrose
und einer delta F508 Mutation des CFTR-Gens und führen zu einer Reduktion pulmonaler
Exazerbationen [44]
[45].
Ein topischer Effekt durch DNAzyme, die z. B. effektiv und spezifisch gegen den Th2-Transkriptionsfaktor
GATA3 gerichtet sind und damit alle nachgelagerten immunpathologischen Th2 Reaktionen
unterbinden [46], ist ebenfalls mechanistisch sehr elegant, aber definitionsgemäß kein biologic.
1.9 Kosten
Der globale Markt für Biologics im Jahre 2020 wird auf 350 Milliarden Euro geschätzt
[47]. Im Jahre 2016 wurden in Deutschland biologische Arzneimittel im Wert von ca. 6,4
Mrd. Euro innerhalb der GKV verordnet, entsprechend 19% des Gesamtumsatzes aller Arzneimittel
und 2,5% aller Verordnungen [48]. Mögliche Kostensenkungen durch Biosimilars werden bei ca. 20–30% verortet, da die
regulatorischen Hürden für die Zulassung und Pharmacovigilance sehr hoch liegen. Derzeit
sind 28 Biosimilars in der EU zugelassen. Hierbei fällt auf, dass Kostensenkungen
durch Wettberwerb v. a. dort möglich sind, wo mehrere Biosimilars zugelassen sind,
wobei die Marktanteile der Biosimilars nicht notwendigerweise mit den Preisen korrelieren
[49].
Nicht eingerechnet in diese Kalkulation ist allerdings die zunehmende Verordnungshäufigkeit,
da sowohl die Fülle an neuen Molekülen, als auch zunehmende Anzahl von Indikationen
und eine entsprechende Marktdurchdringung zu beobachten ist. Für die EU und die USA
rechnet IMS Health mit möglichen Einsparungen von 50 Mrd.- 100 Mrd. US$ im Zeitraum
von 2016–2020 durch den Einsatz von Biosimilars.
2. Rhinologie: Epidemiologie und Pathophysiologische Konzepte
2. Rhinologie: Epidemiologie und Pathophysiologische Konzepte
Die Rhinologie betrifft die Lehre der Erkrankungen der äußeren und inneren Nase, der
zugehörigen Nasennebenhöhlen sowie der Frontobasis und ihre chirurgische und konservative
Therapie. Die Nase ist hierbei als Außenposten und Pforte der Atemwege ein Organ,
welches ästhetische, funktionelle und immunologische Aufgaben übernimmt, als Sinnes-,
Filter- und Reaktionsorgan [50].
2.1 Physiologie der Nasenschleimhaut und des integrierten Schleimhautimmunsystems
Die Nasenschleimhaut ist eine „first-line of defense“. Die Bewahrung der körperlichen
Integrität durch die respiratorische Schleimhaut als aktive und passive Barriere,
welche zugleich Ort für innate und adaptive Immunantworten ist, die komplexe Funktion
der mukoziliären Clearance, die permanente Auseinandersetzung mit partikulären und
löslichen Stoffen sowie Antigenen, Allergenen und Pathogenen resultieren in der uns
HNO-Ärzten bekannten Nosologie und Pathologie [51]. Ein rationales Verständnis der inflammatorischen und protektiven Mechanismen hat
zur Definition neuer therapeutischer Zielstrukturen und Konzepte geführt (siehe Übersichtsarbeit,
HNO-Hauptreferat 2015 bei [52]).
Das in der Nase und den Nasennebenhöhlen in der regio respiratoria sowie partiell im Nasopharynx vorliegende respiratorische Epithel ist ein mehrreihiges
Flimmerepithel, dessen Zilienfunktion dazu beiträgt, Mucus, mögliche schädliche inhalierte
Substanzen und Partikel ostienwärts, respektive nach oral zu transportieren, wobei
Pathologien des Zilienapparates fundamental die Atemwegsphysiologie alterieren [53]. Die Zilien übernehmen multiple Funktionen, u. a. konnte gezeigt werden, dass sie
chemosensorisch sind. Zugleich ist das intakte respiratorische Epithel die Grundlage
für funktionell intakte Abwehrfunktionen [54]
[55]. An Stellen im Übergang zu verstärkter mechanischer Beanspruchung z. B. im Pharynx
geht das Epithel in ein mehrschichtiges Plattenepithel über. Im Epithel finden sich
Becherzellen, welche Mucine produzieren. Diese Mucine üben eine elementare Rolle in
der unspezifischen mukosalen Immunität aus, beteiligen sich an der Barrierefunktion,
interagieren antimikrobiell mit multiplen antimikrobiellen Peptiden und Defensinen
[56], bilden ein hochflexibles und komplexes Mucin-Interactom aus [57] und wirken synergistisch mit inflammatorischen Zytokinen, z. B. IL-1β [58]. Submuköse Drüsen sezernieren zum einen das Nasensekret, welches eine transsudative
(„vasomotorische“) und sekretorische Komponente aufweist. Hierbei zeigen sich im luminalen
Sekret Stoffe mit einer unspezifischen antimikrobiellen Aktivität wie z. B. Lysozym
und Lactoferrin, Defensine sowie adaptive mukosale Antikörper vom IgA-Typ (IgA1 und
IgA2) [59] und der Secretory-Component, welche die Biostabilität des sekretorischen IgA bedingt
[60]. Ferner finden sich auch IgM und IgG. Das IgA wird durch Interaktion mit Kommensalen
und äußeren Einflüssen induziert und kann zusätzlich sowohl Exotoxine als auch Pathogene
neutralisieren, und durch transepithelialen Transport von sIgA Kommensalen zurück
nach luminal transportieren. Mukosales IgA erfüllt u. a. durch unterschiedliche Affinitäten
multiple Funktionen der Immunexklusion [61], ist somit maßgeblich an der mukosalen Immunität der respiratorischen Schleimhaut
beteiligt und determiniert einen aktiven antigenspezifischen Schutz an dieser wichtigen
körperlichen Außengrenze der oberen Atemwege, welche bezogen auf die überzogene Fläche
die am meisten exponierte Außenfläche des menschlichen Körpers ist.
Neben protektiven humoralen Mechanismen zeigt sich auch ein synergistisch agierendes
zelluläres Kompartiment in der Schleimhaut der oberen Atemwege. Unspezifisch agieren
neben Gewebemakrophagen v. a. je nach Stimuli und Pathologie eosinophile, neutrophile
Granulozyten, Basophile und Mastzellen. Spezifisch und adaptiv wirken intraepitheliale
Lymphozyten vom CD4 oder CD8 Typ, γδT-Zellen [62], innate lymphoide Zellen (ILC) [63] sowie NK-Zellen können zusammen mit submukösen lymphozytären Infiltraten der Lamina
propria und speziellen, funktionell angepassten NALT-Regionen mit adaptierten M-Zellen
und Domarealen sowohl tolerogene, allergische als auch zytotoxische Immunantworten
auslösen [64]
[65]. Weiterhin besteht als Bestandteil des integrierten mukosalen Schleimhautsystems
im Nasopharynx die Tonsilla pharyngea, welche in der Regel mit dem Schulkindalter
involutiert. Neben T-Zellinfiltraten bei z. B. allergischer Rhinitis und chronischer
Rhinosinusitis mit Nasenpolypen existieren auch Areale einer lokalen IgE-Produktion
durch B-Zellen [66], sowie dendritische Zellen [67]
[68]. Diese professionellen antigenpräsentierenden, teilweise immaturen CD1+CD11+ Zellen
bilden gemeinsam mit makrophagenähnlichen dendritischen CD11+CD14+CD68+ Zellen ein
dichtes Netz zur Regulation adaptiver Immunantworten [69] und exprimieren v. a. bei Atopikern den hochaffinen IgE-Rezeptor FcεRI sowie costimulatorische
Moleküle wie CD80, CD86 und CD40 [70]. Es ist davon auszugehen, dass, auch abseits lymphoepithelialer Bezirke, das respiratorische
Epithel sich funktionell an bestehende immunologische Verhältnisse adaptiert. Hierbei
wird es zum einen durch inflammatorische Stimuli wie z. B. IFNγ oder IL-4 in seinem
Transkriptom und konsekutiv funktionellen Eigenschaften verändert. Dieses führt z. B.
über eine Reduktion der Expression von Tight Junction Proteinen in der Folge zu einer defekten Barrierefunktion [71]. Allerdings ist das Epithel als ein Immunointerface auch an Initiierung und Aufrechterhaltung
z.B. allergischer Entzündungen mittels inflammatorischer Zytokine wie TSLP [72], IL-25 [73] oder IL-24 [74] aktiv involviert. Auch die Induktion von epithelialen Alarminen wie IL-33 trägt
zur Induktion mukosaler Inflammation bei [75]. Im Vollbild einer chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen westlicher Prägung
finden wir prädominierend eine Typ2-Entzündung mit eosinophilen Infiltraten, lokaler
Expression von IL-5, IL-13 und der Präsenz von IgE [76]
[77]
[78] (siehe auch unter 2.4: Endotypen und Übersicht bei [52]).
2.2 United Airways
Die funktionelle und physiologische Verbindung der oberen mit den unteren Atemwegen
wird uns HNO-Ärzten bei der Behandlung unserer Patienten täglich bewusst, die Assoziation
v. a. klinisch schwerer Verläufe z. B. einer chronischen Sinusitis mit chronischer
Bronchitis und Asthma oder allergischer Rhinitis und Asthma ist sowohl aus der Praxis
als auch der Epidemiologie zu ersehen.
In einer prospektiven longitudinalen Populationskohorte aus Dänemark wurde 2002 der
Zusammenhang erstmalig zwischen allergischer Rhinitis und allergischem Asthma bei
Pollenallergikern überzeugend dokumentiert [79]. Vorherige Studien, auch aus gut strukturierten nationalen Kohorten [80] konnten zwar Assoziationen zeigen, nutzten aber nicht-adjustierte Datensätze.
2008 konnten Shaaban und Kollegen [81] aus einer europäischen longitudinalen Kohortenstudie in 14 europäischen Ländern
bei über 6460 Patienten zeigen, dass im Beobachtungszeitraum von knapp 9 Jahren bei
Patienten mit allergischer Rhinitis ein ca. 4-fach erhöhtes Risiko besteht, an Asthma
bronchiale zu erkranken. Das adjustierte relative Risiko lag bei 3,53 (95% CI 2,11–5.91)
für allergische Rhinitis und, auch das ist ein relevantes Ergebnis, bei 2,71 (95%
CI 1,64–4.46) für nicht-allergische Rhinitis.
Auch bei chronischer Rhinosinusitis ist die Assoziation zu Asthma epidemiologisch
[82] und mechanistisch abseits der typischen Vidal- oder Samter-Trias, untersucht worden.
Je nach Stichprobe liegt der Anteil asthmatischer Patienten im Krankheitskollektiv
mit CRS zwischen 25–70% [83]
[84]. Eine britische Arbeitsgruppe untersuchte eine klinische Kohorte mit 57 Patienten
mit CRSwNP in Bezug auf Lungenfunktion, bronchiale Hyperreaktivität und exhaliertes
Stickstoffmonoxid (FeNO). Hierbei konnte u. a. gezeigt werden, dass 3 klinische Gruppen
mit unterschiedlichen Phänotypen charakterisiert werden konnten, die sich allerdings
nicht in den Schweregraden ihrer sinunasalen Beschwerden unterschieden [85]. Nicht nur bei allergischem Asthma, sondern auch bei nicht-allergischem Asthma und
bei COPD ließen sich assoziierte sinunasale Pathologien zeigen: Patienten mit nicht-allergischem
Asthma und COPD zeigen eine höhere Symptomlast im validierten SNOT-20 Fragebogen,
sowie erhöhte Konzentrationen inflammatorischer Zytokine im Nasensekret, z. B. IFNγ
und G-CSF, aber auch Eotaxin und MCP-1 [86].
Das didaktisch und funktionell interessante Konzept des „atopic march“ [87] passt in ein solches letztlich am ehesten T-Zellvermitteltes Konzept, welches die
Migration antigenspezifischer, inflammatorischer T-Zellen postuliert.
Braunstahl führte in den frühen 2000er Jahren segmental-bronchiale und nasale Allergenprovokationen
durch, und konnte zeigen, dass eine segmentale, bronchiale Allergenprovokation zu
einer Infiltration IL-5 produzierender Zellen und von Eosinophilen in die Nasenschleimhaut
führte [88]. Eine nasale Allergenprovokation führte wiederum zu einer gesteigerten Expression
von epithelialen (ICAM-1) und vaskulären (VCAM-1) Adhäsionsmolekülen in der Bronchialschleimhaut,
die mit der Anzahl lokal exprimierter Eosinophilen korrelierte [89]. Auch Infiltrate mit Basophilen und Mastzellen konnten gezeigt werden [90]. Bei aller Eleganz des Studiendesigns ist die Hauptschwäche dieser Studien, dass
die zelluläre Quelle des pro-eosinophil wirkenden IL-5 weder immunhistologisch noch
funktionell determiniert wurde.
Die Interaktionen zwischen oberen und unteren Atemwegen sind bei weitem nicht nur
immunologischer Natur: so konnte die Arbeitsgruppe um Baroody und Naclerio zeigen,
dass die Nasenschleimhaut von Patienten mit allergischem Asthma die Atemluft schlechter
konditionieren, d. h. erwärmen und befeuchten kann [91]
[92].
2.3 Entitäten und Epidemiologie sinunasaler Erkrankungen
2.3.1 Infektionen
Die häufigste Ursache sinunasaler Erkrankungen sind akute virale Infekte mit respiratorischen
Viren, primär bakterielle Rhinosinusitiden sind vergleichsweise selten. Die Ätiologie
chronischer Rhinitiden und der chronischen Rhinosinusitis ist komplex und ob im Sinne
einer „first hit hypothese“ am Anfang der entzündlichen Kaskade virale, fungale oder
bakterielle Infektionen stehen, ist weitestgehend unklar. Auch die Rolle von Allergien,
seien sie lokaler oder systemischer Natur ist nicht final geklärt.
Der „banale“ virale Schnupfen, Coryza, ist de facto die häufigste Infektionserkrankung
überhaupt, wird wegen der schweren Abgrenzbarkeit von Eccles mehr als kulturelles
Konzept denn als definierte klinische Entität bewertet [93]. Die 99 Serotypen der humanen Rhinoviren wurden inzwischen phylogenetisch untersucht
[94] und vollständig sequenziert [95]. Die Variabilität dieser Viren ist sehr hoch und für das Immunsystem daher diffizil:
neben der Vielfalt an Antigenen und der spezifischen Virulenz der Erreger sind es
auch die Erreger-Wirt Interaktionen, welche Pathogenität und Penetranz determinieren.
Ein Beispiel ist die genetische Assoziation von bronchialen Rhinovirusinfektionen
und kindlichem Asthma [96].
Ein Th2-Mikromilieu führt in vitro unter Einfluss des Zytokins IL-13 über Heraufregulation des epithelialen Adhäsionsfaktors
ICAM-1 zu einer erhöhten Infektionsrate mit humanen Rhinoviren [97]. Dieser vermeintlich einfache Zusammenhang blieb in Kohorten bisher unbestätigt.
Allerdings konnte gezeigt werden, dass Kinder mit Asthma eine deutlich länger andauernde
postvirale Hyperreagibilität der Atemwege aufweisen [98]. Aus einer afebrilen Rhinovirusinfektion kann eine Exazerbation einer chronischen
Rhinosinusitis oder ein exazerbiertes Asthma entstehen [99]
[100]. Rhinoviren sind vermutlich für ca. 50% der respiratorischen Infekte verantwortlich,
neben Influenza, Adenoviren, Coronaviren und RSV (Respiratory Syncitial Virus). Vor
allem Influenzaviren sind für Vaccinierungsstrategien zugänglich [101].
Die frühe Infektion mit RSV wird auch als Risikofaktor für die Entwicklung eines allergischen
Asthma gesehen [102]
[103]. Entwicklungen von Vaccinierungsstrategien für Coronaviren und RSV sind v. a. für
Risikopopulationen im Sinne einer stratifizierten Prävention von Bedeutung. Zur Prophylaxe
von RSV-Pneumonien bei suszeptiblen Kindern (z. B. Frühgeborene) steht mit dem Biologic
Pavilizumab ein sekundärpräventiv einzusetzender, passiv immunisierender Antikörper
zur Verfügung (Guideline in Pediatrics: [104]).
Die Rolle viraler Infekte der oberen Atemwege auf Genese und Exazerbation ist bisher
nur unzureichend verstanden, in vitro Modelle zeigen v. a. eine Induktion costimulatorischer Signale [105] im Epithel und z. B. die synergistische Einwirkung im Th2-Mikromilieu auf Pendrine,
welche u. a. zur Dyskrinie und Sekretion bei chronischer Rhinosinusitis beitragen
[106].
Akut bakterielle Superinfektionen einer viralen Sinusitis treten in ca. 2% der unkomplizierten
Fälle auf [107]
[108]
[109]. Die häufigsten Keime bei einfacher akuter bakterieller Rhinosinusitis ohne vorbestehende
chronische Rhinosinusitis sind Streptoccocus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Moraxella
catarrhalis und Staphylococcus aureus. Bei vorbestehender Infektion mit Rhinoviren
konnte eine erhöhte Adhäsion verschiedener Bakterien, u. a. für S. aureus gezeigt
werden [110].
Bei Atopikern liegt unter dem Einfluss von IL-4 eine alterierte Funktion der granulozytären
Abwehr [111] vor, im Modell sind daher bakterielle Superinfektionen mechanistisch gut erklärbar.
Dabei sind die mikrobiellen Interaktionen bei chronischer Rhinosinusitis komplexer
Natur. Zum einen spielen Biofilme eine relevante Rolle [112], ferner ist das Mikrobiom im untersuchten Krankheitskollektiv wahrscheinlich iatrogen
alteriert und in seiner Diversität stark zu Gunsten einzelner Spezies eingeschränkt.
So zeigten Abreu und Kollegen einen Verlust von Milchsäurebakterien zu Gunsten von
Corynebacterium tuberculostearium [113]. Choi und Kollegen konnten eine Besiedlung mit S. aureus identifizieren [114]. Da v. a. schwere Fälle einer CRS mit Nasenpolypen mit der Präsenz von spezifischem
IgE gegen S. aureus Enterotoxin vergesellschaftet sind, und auch die Kolonialisation
der Mukosa mit S. aureus mit Nasenpolypen, einer Gewebeeosinophilie und einem Th2-Mikromilieu
assoziiert ist [115], stellt sich die Frage nach Ursache und Wirkung. Tatsächlich findet sich S. aureus
IgE auch im schweren Erwachsenenasthma [116] und die Involvierung von Superantigenen im atopischen Ekzem ist sowohl klinisch
als auch experimentell dokumentiert [117]. Die Rolle eines komplexen Mikrobioms ist in diesen heterogenen und häufig mit Antibiotika
vorbehandelten Kollektiven daher nur schwer abschätzbar. Daten zur Exazerbation durch
bakterielle Superinfektion bei CRS sind lückenhaft. Therapeutische Mikrobiominterventionen,
z. B. als Mikrobiotatransfer sind ein vielversprechendes Instrument der personalisierten
Medizin [118], allerdings in der Rhinologie bisher nicht publiziert.
2.3.2 Tabakrauch
Tabakrauch konnte konsistent als unabhängiger Risikofaktor für Sinusitis in epidemiologischen
Studien gezeigt werden (OR 1,7: 95% CI 1,6–1,9) [119], Übersicht im HNO-Referat von Beule [120].
2.3.3 Allergien
Weltweit sind zwischen 10–40% aller Menschen von einer allergischen Rhinitis betroffen
[121]
[122]. Zur Untersuchung der Epidemiologie der allergischen Rhinitis gibt es seit Jahren
konsistent strukturierte, internationale Krankheitskohorten, überwiegend im Standard
von ISAAC (International Study of Asthma and Allergy in Childhood [123]), die zudem von populationsbasierten, repräsentativen Kohortenstudien gestützt werden.
Uni sono ergibt sich seit den 1980er Jahren ein Bild der global ansteigenden, in letzter
Zeit zumindest in Europa leicht stagnierenden, Prävalenz respiratorischer Allergien.
Ca. 500 Millionen Menschen leiden wahrscheinlich weltweit an allergischer Rhinitis,
die sozioökonomischen Folgen sind erheblich (Übersicht in [122]). In Deutschland zeigen die Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener (DEGS1)
eine Lebenszeitprävalenz für allergische Erkrankungen von ca. 30% [124]. Im Rahmen einer bevölkerungsbezogenen Stichprobe mit mehr als 7000 Blutproben von
Erwachsenen wiesen mind. 48% der Patienten eine allergische Sensibilisierung auf,
hierbei waren insgesamt 33,6% der Teilnehmer gegen Aeroallergene sensibilisiert [125]. Diese Zahlen wurden durch das Robert Koch Institut (RKI) in der mit über 23000
zufällig ausgewählten Personen allgemeinen Studie „Gesundheit Erwachsener in Deutschland
2014“ (GEDA-Studie) bestätigt, das RKI spricht von einem „Allergie-Tsunami“: die 12-Monatsprävalenz
für allergische Erkrankungen lag bei rund 28% [126]. In den USA sind ebenfalls bis zu 30% der Bevölkerung an einer allergischen Rhinitis
erkrankt, ca. 60% können ihre Symptome durch Therapie mit Antihistaminika oder topischen
Steroiden nicht adäquat kontrollieren [127]. In Deutschland werden nur ca. 10% der Patienten leitliniengerecht behandelt [128]. Die einzige kausale therapeutische Option zur Behandlung der allergischen Rhinitis
ist die spezifische Immuntherapie [122]
[129], diese zeigt eine hervorragend dokumentierte klinische Wirksamkeit und Sicherheit,
sowohl als subkutane [130] als auch sublinguale Immuntherapie [131]
[132]
[133] und wirkt nachgelagert präventiv auf die Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale
[134]
[135]
[136] (siehe auch 2.5).
2.3.4 Chronische Rhinitis
Verhältnismäßig gute epidemiologische Daten zur chronischen Rhinitis bei Adoleszenten
finden sich durch die Isle of Wight Geburtskohorte, die auch die Assoziation verschiedener
Cluster zum Asthmarisiko darstellt [137]. Die chronische Rhinitis als Differentialdiagnose zur chronischen Rhinosinusitis
abzugrenzen ist klinisch und begrifflich nicht trivial, aktuelle Darstellungen definieren
den fachlichen Konsensus, robuste Daten sind im Vergleich zur allergischen Rhinitis
nicht verfügbar [138]
[139]. Bei der nicht-allergischen chronischen Rhinitis existieren mit der Nicht-Allergischen
Rhinitis mit Eosinophilie (NARES) [140], der hormonellen Rhinopathie, einer Rhinitis mit neurogener Inflammation [141] (die ggf. ein eigener Endotyp ist, s.u. 2.4) und der idiopathischen Rhinitis (im
angelsächsischen weiterhin häufig als vasomotorische Rhinitis bezeichnet) Subtypen,
die selektiv pharmakologisch mit topisch nasalen Steroiden, einer topischen Parasympathikolyse
mit z. B. Ipratropiumbromid (off-label in Deutschland) oder Capsaicin (sofern verfügbar) behandelbar sind.
2.3.5 Chronische Rhinosinusitis
Der Kategorialbegriff der chronischen Rhinosinusitis bezeichnet entzündliche Erkrankungen
der Nase und der Nasennebenhöhlen mit einer Krankheitsdauer von über 12 Wochen. Die
EPOS3-Leitlinie von 2012 [107] definiert chronische Rhinosinusitis als mind. 12 Wochen andauernde Erkrankung der
Nase und ihrer Nebenhöhlen, charakterisiert mit mehr als 2 der folgenden Symptome:
a. Nasenatmungsbehinderung b. Rhinorrhoe c. Druckgefühl oder Schmerzen im Gesicht
d. Hyp- oder Anosmie, wobei entweder mind. Nasenatmungsbehinderung oder Rhinorrhoe
als obligate Symptome vorliegen sollen. Klinisch sollen entweder endoskopische Zeichen
von Nasenpolypen, eine mukopurulente Rhinorrhoe aus dem mittleren Nasengang und/oder
CT-morphologische Zeichen von Schleimhautveränderungen in der ostiomeatalen Einheit
oder der Nasennebenhöhlen vorliegen. Diese Definition aus dem europäischen Positionspapier
wurde in den letzten Jahren zunehmend international akzeptiert. Ebenfalls wurde, unabhängig
der Ätiologie und Pathogenese der Erkrankung die chronische Rhinosinusitis in eine
mit (english: with) Nasenpolypen (CRSwNP) und eine chronische Rhinosinusitis ohne
(lat. sine) CRSsNP unterteilt [107]
[142].
Die Epidemiologie der chronischen Rhinosinusitis methodisch und regional konsistent
zu untersuchen ist schwierig. Zum einen bestehen bei identischen Erhebungsmethoden
deutliche regionale Unterschiede, zum anderen bestehen sehr unterschiedliche Ansätze
zur Erhebung, bspw. durch ärztliche Diagnose und, inzwischen allgemein in der epidemiologischen
Methodik etabliert, durch Fragebogensysteme und/oder der Erfassung der krankheitsbezogenen
Lebensqualität. Eine umfassende Übersicht findet sich bei [120]. Die konsistentesten Erhebungen mittels standardisierter Fragebögen im Rahmen des
„Global Allergy and Asthma Network of Excellence“ (GA2LEN) wurden singulär für chronische
Rhinosinusitis [119] und kombiniert für Asthma in Assoziation mit chronischer Rhinosinusitis durchgeführt
[82].
Hierbei konnte erstere Studie bei über 57000 Rückmeldungen aus 12 verschiedenen europäischen
Ländern mit Patienten im Alter zwischen 15–75 Jahren eine globale Prävalenz von 10,9%
(Intervall 6,9–27,1%) gemäß der Definition der europäischen Leitlinien feststellen.
Diese Daten wurden u. a. in einer amerikanischen Studie mit einer globalen Prävalenz
der CRS von 11,9% [143] bestätigt. Die zweite Studie [82] untersuchte in diesem Datensatz zusätzlich die Assoziation zu Asthma. Trotz der
Heterogenität in der Prävalenz der CRS zwischen den einzelnen Regionen in Europa war
die Assoziation zwischen CRS und Asthma über alle Zentren und Altersgruppen vergleichbar
(adjustierte OR: 3,47; 95% CI: 3,20–3,76). Patienten, die zusätzlich zu den Symptomen
ihrer CRS eine allergische Rhinitis angaben, hatten ein nochmals deutlich erhöhtes
Risiko, von einem Asthma betroffen zu sein (adjustierte OR: 11,85; 95% CI: 10,57–13,17).
Bei Nichtallergikern hingegen zeigte sich eine Assoziation zu einem sog. late-onset Asthma. CRS geht einher mit einer deutlich reduzierten Lebensqualität und hat eine
hohe sozioökonomische Bedeutung [144].
Die Analgetikaintoleranz, welche im angelsächsischen Schrifttum als AERD, aspirin exacerbated respiratory disease bezeichnet wird, ist eher mit schweren Verläufen assoziiert [107]. Eine aktuelle Metaanalyse [145] berichtete eine 7–15% Prävalenz der AERD bei Asthmatikern und eine erhöhte Prävalenz
bei schweren Fällen. Patienten mit einer CRS zeigten in rund 8,7% der Fälle, Patienten
mit einer gesicherten CRSwNP in rund 9,7% die Symptome einer AERD. Gem. [107] EPOS3 zeigten ca. 15% der Patienten mit einer CRS eine AERD. Zhang und Kollegen
konnten zeigen, dass spezifisches IgE gegen S. aureus Enterotoxin bei diesen Patienten
überproportional häufig exprimiert ist [146].
Wichtige, jedoch auch deutlich seltenere Differentialdiagnosen stellen autoimmune
Systemerkrankungen mit sinunasaler Beteiligung dar. Hier sind v. a. Vaskulitiden zu
nennen, deren klinische Bilder stadienabhängig z. T. erheblich einer chronischen Rhinosinusitis
ähneln können [147]
[148]. Hier wurden zuletzt an der Nomenklatur des American College of Rheumatolology (ACR)
Änderungen vorgenommen, v. a. sind an dieser Stelle GPA (vormalig Wegener’sche Granulomatose
[149]) und die eosinophile Granulomatose mit Polyangitis (vormalig Churg-Strauss Vaskulitis)
zu nennen. Die Kriterien zur Diagnosestellung der GPA der Europäischen Liga Rheumatologie
(EULAR) und dem ACR sind aufgrund der aktuellen „Diagnostic and Classification Criteria
in Vasculitis Study“ (DCVAS)-Studie derzeit in Revision [150]. Für eine Therapie der GPA mit Rituximab wird inzwischen der Empfehlungsgrad A ausgesprochen
[151]. Mechanistisch ist außerdem die eosinophile GPA ein interessantes Target für Antikörper,
die sich gegen IL-5 oder seinen Rezeptor richten und auch schon in klinischen Studien
untersucht wurden ([152], 4.2 s.u.).
Die zystische Fibrose (auch Mukoviszidose) ist die häufigste autosomal-rezessiv vererbte
genetische Erkrankung (1: 2000 Lebendgeburten) und geht mit einer Fehlfunktion von
membranalen Chloridkanälen, dem CFTR (Cystic Fibrosis Transmembrane Regulator) einher,
die in den Atemwegen sowie im Gastrointestinaltrakt in einer veränderten Mucuszusammensetzung
resultiert. In den Atemwegen führt der zähe, nur erschwert mobilisierbare Schleim
zu rekurrenten, opportunistischen und häufig lebensbedrohlichen bronchopulmonalen
und sinunasalen Infektionen. Die alterierte Funktion im Gastrointestinaltrakt bedingt
bei fehlender Enzymsubstitution aufgrund einer exokrinen Pankreasinsuffizienz malnutritive
Syndrome. Beinahe 2000 Mutationen des CFTR-Gens sind bekannt, daher variieren die
Phänotypen teils deutlich (Übersicht bei [44]
[45]). Bei mind. 25–40% aller Patienten findet sich eine sinunasale Polyposis [107]
[153]. Phänotypisch existieren je nach Stichprobe histologische Subtypen mit eher neutrophilen
oder eosinophilen Entzündungsmustern ([154]
[155]. Bei der Therapie der CF haben sich neue selektive Therapien mit small molecules
etabliert (s. o. 1.8).
Das sehr viel seltenere Kartagenersyndrom [156] ist der Prototyp einer Ziliendyskinesie [53] und geht obligat mit einer sinunasalen Polyposis, zudem Bronchiektasen und einem
Situs inversus einher. Die Polypen können ebenfalls eosinophile Infiltrate aufweisen,
interessanterweise wurde zudem eine deutlich reduzierte Expression der NO-Synthethase
im Gewebe demonstriert [157]. Dieser Befund passt a priori zu niedrigen exhalierten NO-Werten in der Diagnostik
[158]. Die Nutzung einer eNose kann in Exhalaten zwischen gesunden Patienten, Kartagenersyndrom
und zystischer Fibrose mit respektive ohne chronische Infektion mit Pseudomonas aeroginosa
unterscheiden [159] und ist hierdurch ein interessantes neues Werkzeug zur möglichen Endotypisierung.
2.4 Endotypen chronischer Atemwegentzündungen
Die phänotypische Definition der Erkrankung einer chronischen Sinusitis mit oder ohne
Nasenpolypen sagt zunächst nichts über ihren molekularen Entstehungsmechanismus aus,
kann den Therapieerfolg nicht voraussagen und hilft auch nicht bei der Allokation
der optimalen Therapie, also z. B. konservative Standardtherapie mit oder ohne Operation
[142]
[160]. Ein profundes mechanistisches Verständnis ist allerdings die Grundlage für eine
gezielte, idealerweise präzise und personalisierte Therapie. Die hypothesenbasierte
immunologische Entzündungsforschung der letzten 30 Jahre hat vornehmlich auf Basis
des auch didaktisch eleganten Th1/Th2 Modells [9]
[10] die Assoziation von allergischen Atemwegserkrankungen mit einer phänotypischen prädominanten
Eosinophilie zu den Th2 Erkrankungen identifiziert. Dieses wurde erstmalig durch Bachert
[76] für die chronische Sinusitis mit Nasenpolypen gezeigt, weitere intensivierte Untersuchungen
von Zytokinmustern [77] und auch der involvierten T-Zellklone [161] folgten. Allerdings entdeckte man z. B. in asiatischen Kohorten ein anderes Entzündungsmuster
mit überwiegend IL-17 assoziierten Entzündungsmustern [162]. Die mukosalen Entzündungsmuster scheinen dabei einem mechanistischen, und ursächlich
wahrscheinlich soziokulturellen Wandel [163], hin zu einem „westlicheren“ Zytokinprofil, zu unterliegen. Des weiteren wurden
in Zentralchina Patienten mit CRSwNP diagnostiziert, bei denen keines der klassischen
Zytokinmikromilieus, also weder eine Th1 noch Th2 noch Th17 Entzündung überwog [164]. Auch Sonderformen der CRS, z. B. bei zystischer Fibrose, finden sich andere Entzündungssignaturen
[161]
[165]. Das Vorhandensein unterschiedlicher Infiltrate korreliert auch mit dem Ansprechen
auf Therapie. So konnte Wen [166] zeigen, dass Nasenpolypen mit überwiegend neutrophilen Infiltraten klinisch nicht
auf orale Steroidbehandlung ansprechen. Mucin-1 Expression konnte hingegen als Marker
für ein Ansprechen auf Steroide identifiziert werden [167].
Die in den westlichen Industrieländern dominierende Th2-assoziierte Pathophysiologie
bei entzündlichen Atemwegserkrankungen hat zu entsprechenden biomedizinischen Therapiekonzepten
geführt, welche ganz überwiegend Zytokine aus dem Th2-Mikromilieu adressieren (siehe
4.2, klinische Studien). Abseits der Frage nach Bezahlbarkeit neuer Therapieverfahren
hat sich im Rahmen der personalisierten Medizin ein Konzept etabliert, welches Endotypen
beschreibt. Erstmalig von Anderson [168] beschrieben, sollte dieses Konzept zu einem selektiveren und mechanistisch rationalen
therapeutischen Vorgehen führen. Bei der Definition von Endotypen werden z. B. genetische,
mechanistische, histologische oder funktionelle Charakteristika gruppiert, um unterschiedliche
und mechanistisch kohärente Entitäten zu definieren [169]. Wenzel beschrieb vereinfacht einen „Molekularen Phänotyp“ [170]. Zwar befassten sich in den letzten Jahren mehrere Positionspapiere sehr namhafter
Autoren mit diesem Konzept: immerhin, und das ist ein großer Fortschritt, ist für
die chronische Rhinosinusitis eine europäische, multizentrische Analyse und rein datengetriebene
Studie verfügbar [171].
Für diese Kohorte im GA2LEN Netzwerk wurden initial 917 Patienten in 8 europäischen
Ländern resp. 10 europäischen Universtitätskliniken rekrutiert. Von 173 Patienten
mit CRS und 89 Kontrollen konnte letztlich in adäquater Qualität und Menge Gewebe
zur Analyse gewonnen werden. Hierbei wurden anhand einer vordefinierten Biomarkerauswahl
sämtliche Proben charakterisiert und durch eine hypothesenfreie Analyse zu 10 verschiedenen
Gruppen zugeordnet. Es wurden entzündliche Parameter (MPO, IL-1β, IL-6 und IL-8),
Typ2-Entzündungsmarker (IgE, ECP, IL-5 und Albumin), in der 3. Gruppe IL-17, TNF-α
und IL-22, und ferner in 2 weiteren Gruppen IFNγ, TGFβ1, S. aureus enterotoxin IgE im Rahmen einer hierarchischen Clusteranalyse untersucht.
Die resultierenden 10 Cluster wurden dann mit klinischen Phänotypen verglichen und
erschienen sowohl mechanistisch als auch klinisch plausible und kohärente Subtypen
abzubilden. So zeigten die IL-5 negativen Gruppen klinisch überwiegend eine chronische
Rhinosinusitis ohne Nasenpolypen und ohne Asthma, während die IL-5 positiven Gruppen,
welche auch hohe systemische und lokale IgE-Level aufwiesen, mit einem hohen Anteil
an Asthma erkrankten Patienten einhergingen. Die Patienten, die besonders hohe IgE-Werte
sowie spezifisches IgE gegen S. aureus Enterotoxin zeigten, litten durchweg an chronischer
Rhinosinusitis mit Nasenpolypen und fast alle an comorbidem Asthma bronchiale. Die
Studie hat leider einen relevanten Schwachpunkt: Sie hat, obwohl mit Sicherheit erhoben,
keine weiteren klinischen Daten mit abgebildet, also standardisierte Symptomscores
und/oder krankheitsbezogene Lebensqualität. Idealerweise hätten auch mehr der initial
über 900 Patienten in die Analyse eingeschlossen werden können und sollen, dennoch
möchte man vorsichtig 3 grundlegende, z. B. in Versorgungsdaten und weiteren klinischen
Studien zu überprüfende axiomatische Aussagen treffen:
-
Je kranker ein Patient mit chronischer Rhinosinusitis in Europa ist, desto mechanistisch
wahrscheinlicher ist eine eosinophile Entzündung, die je nach Schwere mit einer quantitativen
Involvierung von IL-5, IgE und IgE gegen S. aureus Enterotoxin einhergeht.
-
Es existiert ein Nebeneinander unterschiedlicher inflammatorischer Muster: zusätzlich
zu Th2-Zytokinen wie IL-5 findet sich in einzelnen Clustern eine generisch-inflammatorische
Aktivierung von IL-6 und IL-8, ferner IFNγ und hiervon unabhängig IL-17 mit IL-22,
oder IL-22 alleine.
-
Die funktionelle operative Therapie der chronischen Rhinosinusitis kann bei diesen
komplexen Entzündungsmustern, welche die oberen und unteren Atemwege involvieren,
nur ein Baustein unter mehreren sein und sollte idealerweise durch rationale antiinflammatorische
Maßnahmen begleitet werden.
Neben diesen Th2-assoziierten Endotypen existieren wahrscheinlich neurogene inflammatorische
Endotypen beim Phänotyp der nicht-allergischen Entzündung, der gut auf die Therapie
mit Capsaicin anspricht [141]. Die begriffliche Unschärfe wird z. B. sehr schön bei der hormonell induzierten
Schwangerschaftsrhinopathie ersichtlich: es gibt einen sehr distinkten hormonellen
Pathomechanismus, welcher hinreichend für eine Endotypendefinition ist, allerdings
lässt sich die Erkrankung auch rein phänotypisch am Patienten definieren.
Die Ausarbeitung der Endotypen der oberen Atemwege ist im Fluss und es besteht an
vielen Stellen noch kein adäquater begrifflicher Konsensus [172]
[173]. Noch deutlicher ist allerdings das Defizit an Daten, welches es nun zu beheben
gilt.
2.5 Stratifizierte, nachgelagerte Prävention
Die frühe Involvierung der Nase bei respiratorischen Erkrankungen macht die oberen
Atemwege auch zu einem interessanten tertiär-präventiven Hebel.
Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) als klassische personalisierte Therapie
ist das wichtigste Arbeitspferd in der Allergologie. Die AIT bewirkt, mutmaßlich anders
als die dauerhafte Gabe therapeutischer Antikörper, einen „disease modifying effect“ und ist vor diesem Hintergrund auch als Präventionsinstrument zu betrachten.
Für die allergische Rhinitis konnte mit der randomisierten, kontrollierten und offenen
Preventive Allergy Treatment Study (PAT-Studie) an 183 Kindern gezeigt werden, dass
zum Zeitpunkt 5 Jahre nach Therapiebeginn die Kinder, die eine 3 jährige spezifische
Immuntherapie (SIT) gegen Birken- und/oder Gräser erhalten hatten, signifikant weniger
an allergischem Asthma erkrankten [odds ratio 2,68 (1,3–5,7)] [135]. Zum Zeitpunkt 10 Jahre nach Therapiebeginn zeigten sich noch günstigere Resultate
mit einer odds-ratio von 4,6 95% CI (1,5–13,7) kein Asthma in der Immuntherapiegruppe
zu entwickeln [134].
Diese Daten konnten durch Analysen von retrospektiv analysierten Versorgungsdaten
aus Ostdeutschland mit einem Pool von insgesamt 118754 Patienten im Zeitraum 2006–2012
im Grunde bestätigt werden: es zeigte sich bei allergischen Patienten, die eine AIT
erhielten, eine geringere Anzahl an Asthmaneuerkrankungen im Vergleich zu Allergikern,
die keine AIT erhielten, das relative Risiko betrug nach Regressionsanalyse 60% (RR,
0,60; 95% CI, 0,42–0,84), jedoch differierte das nicht-adjustierte Risiko nicht [174].
Mit der Publikation der Grass-Asthma-Prevention (GAP)-Studie konnte erstmalig in einer
doppelblind-placebokontrollierten Studie ein nachgelagerter präventiver Effekt in
Bezug auf Asthmasymptome für die spezifische Allergenimmuntherapie gezeigt werden.
In dieser europäischen Studie wurden 812 Kinder mit einer hochdosierten Gräsertablette
bzw. Placebo randomisiert und 3 Jahre immuntherapiert. Die Studie erreichte ihren
primären Endpunkt, Zeitpunkt des Auftretens von Asthma durch prädefinierte reversible
Verschlechterung der Lungenfunktion, nicht. Allerdings konnten konsistent und signifikant
weniger Asthmasymptome und weniger Verbrauch von Asthmamedikation (odds ratio=0,66,
p<0,036) in der Verumgruppe gezeigt werden [136].
Anders als bei der spezifischen Immuntherapie der allergischen Rhinitis sind die Daten
zur chronischen Rhinosinusitis sehr viel heterogener zu bewerten und die Kohorten
bei Interventionen in der Regel auch deutlich kleiner. Interessant sind in diesem
Zusammenhang v. a. Versorgungsstudien. So zeigen retrospektive Daten des National
Health Service (NHS) im Vereinigten Königreich, dass die späte Operation von Patienten
mit chronischer Rhinosinusitis häufiger zu schweren und rekurrenten Fällen sowie zu
Asthma bronchiale führen kann, Marktforschungsdaten scheinen diese Daten zu stützen
[175]
[176]. Eine Studie mit prospektiven Daten eines nationalen britischen Audits berichtet,
dass v. a. die Patienten, die an Allergien und Asthma litten, besonders spät operiert
wurden. Dieses kann sowohl an einer schleichenden Symptomadaptation und als auch möglicherweise
konservativen Therapieattitüde liegen, wobei aus den Daten ersichtlich wird, dass
die früh operierten Patienten bei Nachbeobachtungsvisiten nach 12 und 60 Monaten eine
bessere Symptomkontrolle und krankheitsbezogene Lebensqualität aufwiesen [177]. Auch scheinen bei Patienten, die zu einem früheren Zeitpunkt operiert wurden, weniger
nachgelagerte Gesundheitskosten zu entstehen [178].
Ob die Schlussfolgerung richtig ist, und eine frühe Operation von Patienten mit chronischer
Rhinosinusitis vor rekurrenten Krankheitsverläufen und vor komorbidem Asthma wirklich
schützt, wird sich nur durch konsistente Daten aus randomisierten Interventionsstudien,
Kohorten und Versorgungsdaten demonstrieren lassen. Nur aus solchen Daten lassen sich
Handlungsempfehlungen für stratifizierte Präventionsansätze im Sinne einer personalisierten
Medizin gewinnen.
3. State of the art
Für die Therapie der Rhinosinusitis existiert im deutschen Sprachraum eine im Jahr
2017 aktualisierte S2k-Leitlinie [179] auf die an dieser Stelle verwiesen wird. Das in dritter Auflage zuletzt 2012 revidierte
europäische Positionspapier EPOS entspricht dem Grunde nach in Umfang und wissenschaftlichem
Anspruch einer europäischen Leitlinie und umfasst sowohl die akute als auch chronische
Rhinosinusitis. Zur Therapie der allergischen Rhinitis wird das umfangreiche Dokument
„Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma“ als Standardwerk im Bereich der europäischen
Allergiegesellschaft, der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI)
referenziert. Wegweisend zur kausalen Therapie der allergischen Rhinitis ist die deutsche
Leitlinie zur Spezifischen Immuntherapie aus dem Jahr 2014 [129].
Der Stellenwert der funktionellen endoskopischen Nasennebenhöhlenchirurgie zur Therapie
der CRS ist als hoch zu bewerten. Hierfür sprechen zum einen Versorgungsdaten aus
Gesundheitssystemen mit eingeschränktem Zugang zu einer hochwertigen operativen Versorgung,
zum anderen schlichtweg rationale mechanistische Überlegungen der pathologischen Anatomie
der ostiomeatalen Einheit [180]
[181]. Hierbei sollte die operative Therapie in all den Fällen erfolgen, in denen mittels
konservativer Therapie eine nur unzureichende Kontrolle der Symptome der CRS möglich
ist und wenn ein durch Endoskopie und/oder Bildgebung gesichertes pathologisches Korrelat
als zu behebendes Operationsziel definiert werden kann. Die derzeit vorliegende Evidenz
ist trotz 2 rezenter Metaanalysen unbefriedigend [182]
[183], da die Metaanalysen nur qualitativ hochwertige und standardisierte Studien bewerten
können. Solche Studien fehlen derzeit.
Die europäische Leitlinie EPOS3 spricht auf Basis der vorliegenden Evidenzen (Level
1a) für 2 Grundpfeiler der konservativen Therapie in der chronischen Rhinosinusitis
ohne Nasenpolypen eine quasi uneingeschränkte Empfehlung (Grad A Empfehlung) aus:
die Therapie mit topisch-nasalen Steroiden und Nasenspülungen mit NaCl. Bei Patienten
mit chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen werden als konservative Handlungsoption
topisch-nasale und orale Steroide uneingeschränkt empfohlen, in EPOS3 sind eigene
Metaanalysen zur Unterstützung dieser Empfehlung hinterlegt [107].
Eine eindeutige Empfehlung zu Gunsten topischer Therapie findet sich in einer evidenzbasierten
Review von Rudmik [184]. Für topische Steroide liegen zudem 2 neue Metaanalysen der Cochrane Gesellschaft
vor, nachdem eine Metaanalyse wg. Vorliegen neuer Daten von Kalish [185] zurückgezogen wurde. Chong legte 2016 eine Metaanalyse vor, welche 18 randomisierte,
kontrollierte Studien mit einem Pool an 2738 Patienten inkludieren konnte. Die Autoren
der Metaanalyse kritisieren, dass bei den Studien für topisch nasale Steroide zwar
ein moderater Effekt auf Symptome wie nasale Obstruktion und gesamte Krankheitsschwere
gepoolt messbar ist, die Qualität der Evidenz, gemessen an der Anzahl der Studien
und Patienten, nur moderat oder schlecht ist und die Nachbeobachtungszeiträume zu
kurz sind. Ferner sei die krankheitsassoziierte Lebensqualität nicht ausreichend berücksichtigt
worden [186]. Die praktisch gleiche Autorengruppe verglich zudem in einer zweiten Metaanalyse
unterschiedliche intranasale topische Steroide. Auf Basis der vorliegenden Studien
konnte allerdings keine Aussage zu Gunsten einzelner Substanzen oder Applikationsformen
gegeben werden [187].
Eine Vielzahl von Therapien erreicht im europäischen Positionspapier eine Empfehlung
der Kategorie C oder A- (nicht empfohlen). Auf Basis der neuen Metaanalysen und auch
der konfirmatorischen Studien mit Biologika werden bei der nächsten Aktualisierung
mit großer Wahrscheinlichkeit neue Empfehlungen implementiert werden.
Die aktuelle leitliniengerechte Therapie versorgt ohne Zweifel viele Patienten adäquat,
gerade in einem sehr gut strukturierten und akzessiblen Gesundheitssystem wie in Deutschland.
Allerdings zeigen uns Daten aus Phänotypisierungsstudien, dass wir zum einen sehr
heterogenes Therapieansprechen sowohl bei chirurgischen als auch konservativen Therapieverfahren
haben und manche Patientengruppen praktisch gar nicht profitieren [160]. Soler und Kollegen versuchten daher aufgrund eines Algorithmus mit nichtsupervidiertem
maschinellen Lernen diese Gruppen prädiktiv zu identifizieren. Dieses gelang in dieser
Pilotstudie partiell, führte aber zu völlig unintuitiv erfassbaren klinischen Gruppen,
die zusätzlich bar eines – zumindest derzeit bekannten- pathophysiologischen Korrelats
sind. Dennoch müssen solche Kohorten aufgearbeitet und reproduziert werden, um eine
mögliche Nutzbarkeit, auch in Algorithmen prospektiv zu überprüfen. Ein Scoring-System
namens JESREC (Japanese Epidemiological Survey of Refractory Eosinophilic Chronic
Rhinosinusitis) lieferte in der Zusammenschau von endoskopischen und radiologischen
Befunden mit systemischer Eosinophilie in einer Kohorte mit über 1700 Patienten in
Japan einen cut-off Wert, mit welchem ein diagnostisches Kriterium für eine eosinophile
CRS wNP und ein erhöhtes Risiko von Rezidiven beschrieben werden kann [188]. Diese Ergebnisse sollten mit einem ggf. modifizierten Score international reproduziert
werden. Ein Schwachpunkt der Studie ist, dass nicht überprüft werden konnte, wie sich
Vorbehandlung mit Steroiden auf die Nutzbarkeit dieses Tests auswirkt, da mit Steroiden
vorbehandelte Patienten von der Studie ausgeschlossen wurden.
Ein sog. “unmet clinical need” der aktuellen leitliniengerechten Therapie ergibt sich aus verschiedenen Gründen.
Zum einen wird zunehmend deutlich, dass vermutlich über 20% der Patienten trotz leitliniengerechter,
adäquater, effektiver und sicherer Therapie ihre Symptome nur partiell oder gar nicht
kontrollieren können [189]. Zudem scheint der Anteil an Rezidiven jahrelang unterschätzt worden zu sein. Die
Rate an Revisionsoperationen liegt im Vereinigten Königreich bei 19,1% für CRS und
20,6% für CRSwNP in einem 5-Jahreszeitraum und hat sich trotz verbesserter chirurgischer
Techniken und der Verfügbarkeit optimierter topischer Steroide nicht gebessert [190]. In einzelnen Kohorten erkranken bis zu 80% der Patienten mit einer CRSwNP an Rezidiven
[84].
Mit großer Wahrscheinlichkeit müssen wir unsere Patienten zukünftig realistischer
aufklären, allerdings brauchen wir auch besser charakterisierte klinische Kohorten.
Zudem ist völlig unklar, welchen Anteil z. B. fehlende Kooperation und suboptimale
Compliance bei der Einnahme topischer Steroide [191] an schweren Krankheitsverläufen hat. Die fehlende Krankheitskontrolle in diesem
epidemiologisch und sozioökonomisch relevanten Kollektiv chronisch kranker Patienten
mit schwerer und persistierender allergischer Rhinitis oder chronischer Rhinosinusitis
ist ein derzeit nicht adäquat quantifizierter Faktor. Ein nicht unerheblicher Anteil
dieser Patienten wird möglicherweise als SCUAD (Severe chronic upper airway disease)
mit einem multifaktoriellen Geschehen zu bewerten sein [192].
Stratifizierte Medizin kann an dieser Stelle eine individuelle Therapie und nachgelagerte
Prävention ermöglichen. Ein Mittel hierfür sind pathophysiologisch rationale und gezielte
Interventionen mit Biologika.
4. Biologika in Studien mit rhinologischen Erkrankungen
4. Biologika in Studien mit rhinologischen Erkrankungen
4.1 Allergische Rhinitis
4.1.1 Studien mit Omalizumab
Die bis jetzt letzte und fünfte humane Immunglobulinklasse IgE wurde nach einem wissenschaftlichen
Wettlauf zwischen Johansson und Bennich mit Kimishige und Teruko Ishizaka 1967 entdeckt.
Ishizaka benannten es Immunglobilin E [193], konnten es aber nicht isolieren und charakterisieren. Das bis dahin nicht identifizierte
„Reagin“ der Prausnitz-Küster Reaktion wurde durch Bennich und Johansson charakterisiert
[194] und die Assoziation zu Asthma noch im gleichen Jahr gezeigt [195]. Die IgE-vermittelte Sensibilisierung gegen ein Allergen ist die pathomechanistische
Grundlage der modernen Allergologie und komplettierte das durch von Pirquet gefasste
Konzept der Allergie als spezifische Hypersensitivitätsreaktion [196].
Omalizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen IgE und wurde 2003
von der FDA und 2005 von der Europäischen Regulierungsbehörde (damals EMEA) zur Therapie
des schweren allergischen Asthma zugelassen. Mechanistische Studien zur kausalen Behandlung
allergischer Erkrankungen erfüllten die Erwartungen zunächst nicht, da trotz der effektiven
pharmakologischen Antagonisierung und Elimination von IgE aus dem Serum weiterhin
allergische Reaktionen auftreten.
Casale konnte in einer doppelblind und placebokontrollierten Studie bei einer Kohorte
mit 536 Patienten den dosisabhängigen Effekt von Omalizumab zur Monotherapie bei Patienten
mit allergischer Rhinitis gegen Ragweed zeigen [197]. Dieser Effekt konnte 2003 auch für ganzjährige Allergene bestätigt werden [198].
Mechanistisch interessant war die Kombination von Omalizumab mit allergenspezifischer
Immuntherapie. Hierbei konnte Omalizumab v. a. bei der beschleunigten Aufdosierung
des Allergens zur effektiven und tolerogenen Erhaltungsdosierung, der sog. Rush-Immuntherapie, die Häufigkeit und Schwere der Nebenwirkungen in der Phase der Aufdosierung
deutlich reduzieren. Kopp setzte Omalizumab in einer pädiatrischen Kohorte ein und
konnte in vitro eine reduzierte Freisetzung von Leukotrienen bei Kindern beobachten, die unter dem
Schutz von Omalizumab gegen Pollen immuntherapiert wurden [199].
Im Rahmen einer Studie des Immune Tolerance Networks des National Institutes of Health
(USA) wurde von Casale eine doppelblind-placebokontrollierte 4-Arm Studie mit einer
Rush-Immuntherapie gegen Ragweedpollen in der Kombination mit und ohne Omalizumab sowie
einer zweifachen Placebogruppe durchgeführt. Es wurden je Arm 39–40 Patienten randomisiert.
Von insgesamt 159 Patienten beendeten 123 Patienten die Studie, die präsaisonal begann,
die Pollensaison inkludierte und insgesamt 21 Wochen andauerte. Der primäre Endpunkt
der Studie war der Vergleich der saisonalen Symptomscores zwischen der Gruppe mit
kombinierter Gabe von Omalizumab und Allergenimmuntherapie gegen die Gruppe mit Immuntherapie
alleine. Der primäre Endpunkt konnte erreicht werden, auch wenn die Effektstärke verhältnismäßig
gering war (0,61 vs. 0,85, p=0,12). Zudem konnte in einer post-hoc Analyse gezeigt
werden, dass die Gabe von Omalizumab die Häufigkeit von systemischen allergischen
Reaktionen während der Rush-Immuntherapie um 80% und signifikant reduzierte, die Rate
lag allerdings mit 25,6% in der Gruppe mit Immuntherapie ohne Omalizumab sehr hoch
und basierte auf einer verblindeten Selbsteinschätzung der Patienten. Die erhöhte
Wirksamkeit der kombinierten Gabe von Omalizumab mit Immuntherapie war darauf zurückzuführen,
dass zum Zeitpunkt der Pollensaison Omalizumab noch weiter therapeutisch administriert
wurde. Ob die Wirkung der Immuntherapie über den Zeitpunkt der systemischen Elimination
von Omalizumab hinaus in der kombiniert behandelten Gruppe besser war, lässt sich
anhand der publizierten Daten nicht feststellen.
In-vitro Proben von insgesamt n=36 Individuen aus dem selben Patientenkollektiv wurden in
einer weiteren mechanistischen Studie durch Klunker et al. untersucht. Hierbei wurde
ein validierter facilitated antigen binding (FAB)-Assay zur Erfassung der inhibitorischen Aktivität gegen an B-Zellen bindendes
IgE gemessen. Die Bindung von IgE wurde in der Gruppe der kombiniert behandelten Patienten
und in der Gruppe mit Omalizumab um nahezu 100%, auch über die Pollensaison hinaus
inhibiert, die Gruppe mit Immuntherapie allein erreichte eine Inhibition von 50%.
Mechanistisch konnte hiermit gezeigt werden, dass allergenspezifisches IgE in beiden
Therapiearmen mit Omalizumab nicht mehr verfügbar war. Interessanterweise konnte der
seruminhibitorische Effekt bis zum Zeitpunkt 42 Wochen nach Behandlung den Effekt
aufrechterhalten und war in der kombinierten Behandlungsgruppe auch deutlich ausgeprägter
[200].
Kopp publizierte 2009 eine weitere pädiatrische Studie [201], welche die klinische Effektivität der kombinierten spezifischen Immuntherapie gegen
Gräserpollen mit Omalizumab demonstrieren konnte.
In der klinischen Routine hat sich die kombinierte Gabe von Omalizumab plus Allergen
in Europa v. a. bei Patienten etabliert, die ein erhöhtes Sicherheitsprofil bei der
spezifischen Immuntherapie benötigen. Dieses betrifft z. B. das Vorliegen eines schweren
Asthma bronchiale, Urtikaria, schwere Nahrungsmittelallergien [202] oder vorbekannter Anaphylaxien. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle
diese Anwendungen in label sind. Eine gute Übersichtsarbeit findet sich unter [203].
4.1.2 Studien mit VAK694
Die Induktion von regulatorischen T-Zellen, die den Transkriptionsfaktor Foxp3 exprimieren
und anderen Subtypen, z. B. Tr1-Zellen, gilt als ein entscheidender Faktor im Wirkungsmechanismus
der spezifischen Immuntherapie [204]. Tatsächlich ist ein Monitoring dieser T-Zellkonversion zu regulatorischen Populationen
extrem schwierig und human bisher nur durch aufwändige ex-vivo Untersuchungen möglich
[205]
[206], ein antigenspezifisches Monitoring erfolgt nur über durchflusszytometrische Analysen
mit Tetrameren oder Elispots [207]
[208]. Mechanistische Studien zur spezifischen Immuntherapie konnten zeigen, dass die
Induktion von regulatorischen T-Zellen mit der Sekretion inhibitorischer Zytokine
wie TGF-β1 und IL-10 einhergeht, IL-4, IL-5 und IL-13 sezernierende T-Zellen werden reduziert
[209]
[210]
[211]
[212]. Während IL-5 als pro-eosinophiles Zytokin maßgeblich zur Eosinophilie allergischer
Entzündungen beiträgt, induzieren IL-4 und IL-13 zum einen die Produktion von IgE
in B-Zellen und haben direkte proinflammatorische Effekte auf das respiratorische
Epithel [74], die Schleimsekretion sowie die Becherzellhyperplasie allergischer Entzündungen
der Atemwege [213]. Mantel konnte 2007 zeigen, dass IL-4 die Induktion des Transkriptionsfaktors FoxP3
in T-Zellen und damit die Bildung von regulatorischen T-Zellen dosisabhängig in-vitro
inhibiert [214]. Auf dieser Basis entstand das Konzept einer kombinierten spezifischen Immuntherapie
mit einem humanen anti IL-4 Antikörper. Ziel war die Elimination des IL-4 Signals
in vivo, um eine wirksamere und nachhaltigere Induktion regulatorischer T-Zellen zu erreichen.
Der Antikörper VAK694 ist ein vollhumaner Antikörper gegen das Zytokin IL-4 und wurde
in einer experimentellen, doppelblind-placebokontrollierten, 3 armigen Studie in Kombination
mit spezifischer Immuntherapie gegen Gräser bei n=37 Patienten eingesetzt. Primärer
Endpunkt der Studie war die kutane allergenspezifische Spätphasereaktion als antigenspezifisches
Surrogat für T-Zellsuppression 12 Monate nach Therapie in vivo. Explorativer Surrogatendpunkt war die antigenspezifische Produktion von IL-4 in
Elispots in vitro. Zudem wurden die T-Zellpopulationen durchflusszytometrisch charakterisiert. Die
Studie war als proof-of-concept Studie angelegt und nicht zur Detektion von Symptomunterschieden zwischen den Therapiegruppen
in der Pollensaison gepowert. Der primäre Endpunkt, Toleranz in der kutanen Spätphase
im Vergleich zu Standardtherapie, also spezifische Immuntherapie alleine, wurde nicht
erreicht, da Standardtherapie alleine eine Suppression der allergeninduzierten kutanen
Spätphase von über 90% erzielte, obwohl eine subeffektive Dosierung des Allergens
gewählt worden war. Das proof of concept wurde in vitro erreicht: es zeigte sich eine nachhaltige Suppression allergenspezifischer IL-4 produzierender
Zellen, 12 Monate nach Ende der kombinierten Therapie und im Vergleich zu Immuntherapie
alleine sowie gegen Placebo. Dieser Effekt konnte allerdings nicht im klinischen Endpunkt,
der kutanen Spätphasereaktion gezeigt werden [215]. Ob die Kombination von anti-IL-4 mit spezifischer Immuntherapie weiterverfolgt
wird ist ungewiss, da die Entwicklung von VAK694 angehalten wurde.
4.2 Chronische Rhinosinusitis
4.2.1 Omalizumab
Die Rolle von IgE bei Asthma, allergischer Rhinitis und atopischer Dermatitis sowie
zur Parasitenabwehr wurde sehr früh beschrieben [216]. 1970 wurde erstmalig im Gewebehomogenisat IgE bei Nasenpolypen nachgewiesen [217] und von Whiteside 1975 [218] auf lokalen lymphozytären Zellen und in Korrelation zu systemischen IgE-Leveln und
Atopie untersucht. Eine bereits damals adressierte Frage der lokalen IgE-Produktion
in Nasenpolypen wurde ein relevanter Forschungsgegenstand in der Pathophysiologie
der CRS. 2001 konnte Bachert zeigen, dass der Anteil an IgE im Gewebe mit den lokalen
eosinophilen Infiltraten korrelierte [78]. Die in den frühen 2000er Jahren entdeckte Assoziation zu spezifischem IgE gegen
S. aureus Enterotoxin [146]
[219] bei v. a. schweren Fällen war ein weiteres Indiz für die pathophysiologische Involvierung
von IgE. 2005 konnte Gevaert die lokale IgE Synthese im Gewebe dokumentieren [66]. Von hieraus war es eine logische Konsequenz, einen therapeutischen Einsatz von
Omalizumab bei Patienten CRS mit Nasenpolypen in klinischen Studien zu untersuchen.
Erste Fallberichte und retrospektive Fallserien finden sich bei Penn [220], Guglielmo [221] und Vennera [222], überwiegend an Patienten, die wegen ihres schweren Asthma in label mit Omalizumab behandelt wurden. Pinto und Kollegen publizierten als erste Arbeitsgruppe
eine doppelblind-placebokontrollierten Studie. Die Studie konnte keine Überlegenheit
des Verumarmes im Vergleich zu Placebo zeigen. Dieses lag an den Einschlusskriterien,
da in diese Studie sowohl Patienten mit als auch ohne Nasenpolypen eingeschlossen
wurden [223]. Eine placebokontrollierte Folgestudie mit Omalizumab bei Patienten mit CRSwNP und
comorbidem Asthma über einen Therapiezeitraum von 16 Wochen von Gevaert 2013 publiziert
konnte konsistent eine Reduktion des nasalen Polypenscores (− 2,67, P=0,001) sowie
in den nasalen Symptomscores und der krankheitsbezogenen Lebensqualität im Vergleich
zu Placebo beobachten [224] ([Abb. 3]). Weitere Studien in dieser Indikation wurden nach Recherchen der Studienregister
bereits beendet (NCT01066104), die Ergebnisse waren zum Zeitpunkt der Manuskripteinreichung
nicht publiziert. Folgestudien zur CRS waren als aktiv rekrutierend zu diesem Zeitpunkt
u. a. in Clinicaltrials.gov registriert.
Paradoxerweise kommt es in der Initialphase der Behandlung mit Omalizumab zu einem
passageren Anstieg des Gesamt-IgE durch Bildung biologisch inaktiver aber messbarer
IgE-Antikörperkomplexe. Erst nach einem Zeitraum von ca. 16 Wochen kann der pharmakodynamisch
Response im Serum adäquat gemessen werden. Pharmakodynamische Untersuchungen unter
Therapie Omalizumab zeigen ferner, dass die de novo IgE-Synthese unter Therapie mit Omalizumab pro Jahr um ca. 50% fällt [225]. Zurückzuführen ist dieses über eine mögliche Änderung der IgE Homöostase aufgrund
negativer feed-back Mechanismen, die den niedrig-affinen IgE-Rezeptor involvieren. Aus diesem Grund ist
es berechtigt, von einer möglichen zeitlichen Limitierung der Therapie und Auslassversuchen
auszugehen. Hierfür müssen allerdings Langzeitdaten bewertet werden, um rationale
Therapiekorridore definieren zu können.
4.2.2 Reslizumab
Die pathophysiologische Rolle von IL-5 bei CRSwNP westlicher Prägung wurde früh beschrieben
[76]
[77]. Eine therapeutische Antagonisierung lag daher nah. Die erste Studie im Menschen
und eigentliche Meilensteinstudie bei CRSwNP wurde von Gevaert 2006 publiziert. In
dieser ersten doppelblind-placebokontrollierten Studie erhielten insgesamt 24 Patienten
mit bilateraler CRSwNP eine medikamentöse Einmalgabe des humanisierten anti-IL-5 Antikörpers
Reslizumab oder Placebo. Der Effekt auf systemische Eosinophile im Blut und ECP-Konzentrationen
im Serum war bis zu 8 Wochen pharmakodynamisch nachweisbar. Lediglich die Hälfte der
mit Verum behandelten Patienten zeigte einen therapeutischen Effekt auf die endoskopisch
erhobenen Polypenscores. In einer post-hoc Analyse konnten Gevaert und Kollegen jedoch
darlegen, dass es sich bei den Respondern um diejenigen Patienten handelte, welche
zum Ausgangspunkt hohe IL-5 Konzentrationen im Nasensekret hatten. Mittels einer Regressionsanalyse
konnte ein cut-off Wert für IL-5>40 pg/ml im Nasensekret definiert werden, der einen
positiven Therapieeffekt auf die Behandlung mit Reslizumab vorhersagen konnte (odds
ratio, 21,0; 95% CI, 1,5–293,3; P=0,009). Eine multizentrische Studie mit Reslizumab
in den USA untersuchte die Wirksamkeit bei schlecht kontrolliertem, eosinophilen Asthma
bronchiale. Interessanterweise war Reslizumab in der Subgruppe der Asthmatiker mit
vorbekannter CRSwNP wirksamer als bei Asthmatikern ohne Polypen [226]. Diese Subtypisierung entsprach quasi einer indirekten Endotypisierung. Eine weitere
Studie zur CRS mit Reslizumab ist zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung in Clinicaltrials.gov als rekrutierend registriert.
4.2.3 Mepolizumab
Nach ersten erfolgreichen Studien zur Behandlung des eosinophilen Asthma [227]
[228] wurde durch Gevaert eine 2:1 randomisierte Pilotstudie von 8 Wochen Dauer mit 2
therapeutischen Gaben (je 750 mg intravenös) des humanisierten anti-IL-5 Antikörpers
Mepolizumab durchgeführt. Die, gemessen an der in der EU aktuell für eosinophiles
Asthma zugelassenen Dosierung (100 mg s.c.), vergleichsweise hohe Dosis, wurde allerdings
gut toleriert und zeigte bei einem Großteil der behandelten Patienten eine Reduktion
der Polypengröße, welche konsistent auch radiologisch dokumentiert werden konnte.
Von Interesse war, dass bei dieser Studie, anders als bei der Untersuchung von Reslizumab,
die lokale IL-5 Konzentration im Nasensekret den Therapieerfolg nicht vorhersagen
konnte [229].
2017 wurde eine europäisch-multizentrische, konfirmatorische Phase II/III Studie für
Mepolizumab zur Therapie der CRSwNP von Bachert und Kollegen publiziert. Bei dieser
2009 initiierten Studie wurden europaweit 105 Patienten mit schwerer therapierefraktärer
CRSwNP mit Indikationsstellung zur operativen Therapie 1:1 entweder zu 750 mg Mepolizumab
oder Placebo randomisiert und erhielten 6 malig alle 4 Wochen ihre Therapie unter
Fortführung der Therapie mit topisch nasalen Steroiden. Der primäre Endpunkt wurde
definiert als Indikation bzw. Erfordernis zur operativen Therapie der CRSwNP zum Zeitpunkt
25 Wochen nach Beginn der Therapie. Zum Zeitpunkt 25 Wochen nach Randomisierung benötigten
30% der Patienten unter Mepolizumab keine chirurgische Therapie mehr (ITT, 16 [30%]
vs. 5 [10%]; P=0,006). Konsistent hiermit reduzierten sich in der verumbehandelten
Gruppe auch die VAS-Scores (− 1.8 in Woche 25 (ITT 95% CI, 22,9 zu 20,8; P=0,001),
der SNOT-22 Test und in der post-hoc Analyse auch die endoskopischen Polypenscores
(siehe auch [Abb. 4]). Auch in dieser Studie wurde Mepolizumab trotz der vergleichsweise hohen Dosierung
gut toleriert. Riechen wurde auf Basis der VAS in der Verumgruppe besser, leider wurden
in der Studie unterschiedliche Riechtests verwendet, weshalb dieser wichtige Zielparameter
nicht systematisch verwertbar ist [230].
Abb. 5 Änderung des nasalen Polypenscores unter Therapie mit Dupilumab vs. Placebo (nach
[232], Bachert C., JAMA 2016, Lizenz durch RightsLink/American Medical Association).
4.2.4 Benralizumab
Ähnlich wie Mepolizumab und Reslizumab inaktiviert Benralizumab funktionell die Vermittlung
biologischer, überwiegend pro-eosinophiler, Effekte von IL-5 durch Bindung des therapeutischen
humanisierten Antikörpers an die IL-5-alpha Untereinheit des IL-5 Rezeptors (Übersicht
bei [231]). Für CRS sind derzeit keine Studien publiziert. Zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung
war eine Studie zur CRS im Studienportal Clinicaltrials.gov als aktiv und nicht rekrutierend registriert.
4.2.5 Dupilumab
Der vollständig humane Antikörper bindet die gemeinsame alpha-Untereinheit des IL-4
und IL-13 Rezeptors und unterbricht hiermit pleiotrope Th2-Signale in multiplen immunologischen
Kompartimenten. Die gute Wirksamkeit bei eosinophilem Asthma [232] und insbesondere in der Therapie des atopischen Ekzems mit auch pivotalen Studien
wurde überzeugend dargelegt [233]
[234]. In der Indikation CRS untersuchte ein internationales Konsortium um Bachert und
Kollegen in einer Phase II/III Studie von 16 Wochen Dauer Dupilumab vs. Placebo als
add-on Therapie zu topisch-nasalen Steroiden bei 60 Patienten. Im endoskopischen Polypenscore
konnte eine Differenz von (− 1,6 [95%CI, − 2,4 zu − 0,7]; P<0,001) von Verum im Vergleich
zu Placebo gezeigt werden. Dieser Effekt war konsistent mit einer Reduktion der CT-morphologisch
bestimmten LundMacKay Scores und des SNOT-22 (siehe auch [Abb. 5]).
Dupilumab wurde 2017 durch die FDA zur Behandlung des atopischen Ekzems in den USA
zugelassen, die Zulassung in der EU wurde durch die EMA empfohlen.
Weitere Zielstrukturen für therapeutische Antikörper werden derzeit untersucht. Hier
sind z. B. anti-TSLP und anti-Siglec-8 zu nennen. Für weitere Möglichkeiten der Zytokinmodulation
wird zudem eine Prüfsubstanz PF-06817024 in dieser Indikation untersucht (Quelle:
Clinicaltrials.gov).
4.3 Beispiele für seltene Indikationen
Für Patienten mit einer eosinophilen GPA (Churg-Strauss Vaskulitis), welche häufig
mit einer Beteiligung der oberen Atemwege im Sinne einer CRSwNP einhergeht, wurde
in einer multizentrischen Studie von Wechsler der Einsatz von Mepolizumab evaluiert.
Bei dieser Studie wurden 136 Patienten randomisiert. Der Anteil der Patienten mit
Remission war in der mit Mepolizumab behandelten Gruppe deutlich höher (32% vs. 3%,
32% vs. 3%; odds ratio, 16,74; 95% CI, 3,61 to 77,56; P<0,001), in der Verumgruppe
konnte zudem die Nutzung systemischer Steroide bei über 40% der Patienten deutlich
gesenkt werden. 35% der mit Mepolizumab vs. 51% der mit Placebo behandelten Patienten
beklagten innerhalb eines Jahres das Wiederauftreten sinunasaler Symptome. Das Nebenwirkungsprofil
und die steroideinsparenden Effekte machen Mepolizumab daher zu einer interessanten
Therapiealternative [152].
Für zystische Fibrose wurden mit den Chloridkanalverstärkern neue und erfolgreich
klinisch geprüfte Substanzen zugelassen (siehe small molecules, 1.8.).
4.4 Biomarker
Eine echte Personalisierung dieser oben beschriebenen und sehr teuren Therapie durch
Biomarker würde dem Anspruch der Präzisionsmedizin eher gerecht werden können, so
gut als möglich jedem Patienten die richtige Therapie zum richtigen Zeitpunkt der
Erkrankung zur Verfügung zu stellen. Gerade die Etablierung dieser Marker stellt sich
nun sehr viel schwieriger dar. Dieses liegt aber auch an der fehlenden patentrechtlichen
Schützbarkeit und dem daraus resultierenden nur geringen kommerziellen Interesse.
Abseits eines umfassenden klinischen work-up bei Patienten mit CRS (siehe hierzu die aktualisierte deutsche Leitlinie [179]) sind einfache Marker eine gute Arbeitsgrundlage.
4.4.1 Eosinophile im Vollblut und Gesamt-IgE: einfache inflammatorische Marker
Gerade bei „westlich“ geprägten Entzündungsprofilen der CRSwNP sind die Eosinophilen
sowie das Gesamt-IgE im Serum gute globale und derivative Marker der Th2-Entzündung
[235], welche ubiquitär und ohne Sonderanforderung etabliert sind und partiell auch schon
prospektiv in Studien wie z. B. der JESREC Kohorte (s. o.) untersucht wurden [188]. Auch ECP ist ein vielversprechender Marker, aber nicht so einfach verfügbar [140]. Größere Untersuchungen zu Sensitivität und Spezifität wären hilfreich.
4.4.2 Explorative Biomarker
Dieses Feld eröffnet sehr große Möglichkeiten zur stratifizierten Therapie, allerdings
korrespondiert die Anzahl der identifizierten potenziellen Marker in keiner Weise
mit dem Stand der Validierung, wie zuletzt auch für die vergleichsweise gut standardisierte
AIT gezeigt wurde [236], allerdings sind die neuen Marker wissenschaftlich spannend und daher zu überprüfen.
Experimentell zeigen z. B. sich neue Möglichkeiten auf Basis der Expression von DPP10
(Dipeptidylpeptidase 10) als Marker für AERD [237], Transglutaminase-2(TGM2) Expression im Gewebe als möglicher Marker bei AERD-negativem
Endotyp [238] und auch dem WNT-Signalling [239]. Eine gute Übersicht möglicher lokaler und systemischer Biomarker in den Atemwegen
findet sich bei [240].
Ein denkwürdiges Beispiel für einen Th2-assoziierten Biomarker stellt Periostin dar.
Die Expression bei Patienten mit Asthma korrelierte mit dem erfolgreichen Ansprechen
auf die Therapie mit dem anti-IL-13 Antikörper Lebrikizumab [241]. Leider konnten diese sehr vielversprechenden Daten in den pivotalen LAVOLTA Studien
so nicht bestätigt werden [242]
[243]. Ob dieses an einer Selektionsbias der Stichprobe liegt oder am Biomarker selbst,
ist zu diskutieren. In einer post-hoc Biomarkerstudie wurden lokal und systemische
Expression von Periostin durch die Arbeitsgruppe um Bachert in verschiedenen Therapiemodalitäten
untersucht. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die Periostinexpression die lokale
und systemische Eosinophilenlast reflektiert und sowohl nach Gabe von systemischen
Steroiden, als auch nach Gabe von Mepolizumab und Omalizumab bei CRSwNP im Serum und
im Nasensekret reduziert war [244]. Allerdings sind nun prospektive Erhebungen gefordert.
Selbst dort, wo die Expression des lokalen pathophysiologischen Faktors naheliegend
wäre, sind die Ergebnisse heterogen. So konnte in der Studie zur Behandlung der CRSwNP
mit Reslizumab die lokale Expression von IL-5 den Therapieerfolg vorhersagen, bei
der Therapie mit Mepolizumab ist dieser Zusammenhang bisher nicht nachgewiesen worden
(s. o. 4.1) [229]
[245].
Aus Sicht des Autors ist nicht davon auszugehen, dass einzelne Marker das Bild bestimmen
werden. Es ist durchaus darüber zu spekulieren, dass wir HNO-Ärzte die komplexen Daten
der durch hypothesenfreie Analysen gewonnenen Erkenntnisse werden verinnerlichen müssen
und z. B. mit Unterstützung von Algorithmen unsere therapeutischen, auch chirurgischen
Entscheidungen treffen werden.
4.4.3 Molekulare Allergologie
Durch die Entdeckung und Charakterisierung molekularer Allergene hat sich mit der
komponentenbasierten Diagnostik auch die Präzision der Diagnosestellung deutlich verbessert.
So lassen sich allergische Sensibilisierungen sehr viel akkurater diagnostizieren
und erlauben auch eine gewisse Aussagefähigkeit in Bezug auf das therapeutische Outcome
einer AIT. Auch in der Diagnostik der Anaphylaxie oder zum Ausschluss einer Sensibilisierung
gegen alpha-GAL vor Gabe humanisierter Antikörper wie z. B. Cetuximab ist die komponentenbasierte
Diagnostik essentiell. Die EAACI hat einen Anwendungsleitfaden erstellt [246], eine kompaktere auf die HNO fokussierte Version ist auch für Aeroallergene kürzlich
publiziert worden [247].
5. Fazit und grundsätzliche Überlegungen zur personalisierten Medizin
5. Fazit und grundsätzliche Überlegungen zur personalisierten Medizin
„Personalized medicine“ ist, obwohl durch die WHO klar definiert, scheinbar ein Modewort
geworden. Es beschreibt allerdings ein „medizinisches Modell, welches molekulare Technologien
einsetzt, um die richtige therapeutische Strategie für die richtige Person zum richtigen
Zeitpunkt maßzuschneidern und das zugleich die Krankheitsdisposition in der Population
determiniert und zeitgemäße, stratifizierte Präventionsansätze liefert“. Sowohl die
individualisierte Therapie als auch die populationsbasierte Stratifizierung und Prävention
spielen bei der Personalisierung eine Rolle [248]. Das Risiko, durch molekulare Stratifizierung Patienten zu vernachlässigen, sollte
ernstgenommen werden. Wir determinieren in unseren Algorithmen Endotypen, ohne das
volle pathophysiologische Bild zu kennen. Nebenwirkungen zu vermeiden, und Patienten
nicht zu behandeln, die einen Biomarker nicht exprimieren, oder als potenzielle „non-responder“
charakterisiert werden, hat mit gefühlter Individualität und Partizipation im therapeutischen
Entscheidungsprozess sehr wenig gemein und dürfte nicht die Erwartung widerspiegeln,
welche unsere Patienten an eine personalisierte Medizin haben. Dabei ist dieses Vorgehen
für Patienten in der Onkologie inzwischen alltäglich. Ein molekularer Determinismus
gefährdet zudem möglicherweise auch ein aufgeklärtes Gesundheitsverhalten [249], dabei ist der Einsatz von Biomarkern (z. B. der Blutgruppe oder der Nachweis einer
allergischen Sensibilisierung) für eine stratifizierte Therapie (z. B. blutgruppenkompatible
Blutprodukte, allergenspezifische Immuntherapie) eigentlich zum Standardrepertoire
der modernen Medizin zugehörig [250].
Ob sich perspektivisch die Bezeichnung Personalisierte Medizin, Präzisionsmedizin
oder stratifizierte Medizin (persönlicher Favorit des Autors) etabliert, bleibt abzuwarten.
Die Schwierigkeiten der Validierung molekularer Marker verdeutlicht zudem bei der
Durchführung klinischer Studien weitere Probleme: kann ich bei einer hoch-selektiven
Patientenauswahl und vorhandenen mechanistischen Standards überhaupt noch ethisch
vertretbar, randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert testen [248]? Das Beispiel der LAVOLTA Studien zeigt uns, dass wir zwingend konfirmatorische
und pivotale Studien brauchen. Auf der anderen Seite gibt es Befürchtungen, dass Patienten
nicht an Biomarkerstudien teilnehmen möchten, um nicht Opfer möglicher genetischer
Diskriminierung zu werden [251].
Ein wichtiger Aspekt für uns operativ tätige HNO-Ärzte ist der Stellenwert der endoskopischen
Nasennebenhöhlenchirurgie im Rahmen der personalisierten Medizin. Es ist wichtig,
dass wir dieses wertvolle und sehr gut etablierte Instrument im Orchester der therapeutischen
Möglichkeiten optimal einsetzen und zugleich hierfür die Datenbasis durch kontrollierte
Studien verbessern.
Das Spannungsfeld der Begriffe zwischen personalisierter Medizin zur Präzisionsmedizin
weckt Hoffnungen und impliziert eine Kontrollillusion. Medizin ist nicht nur eine
Wissenschaft und kann nie völlig „präzise“ werden [252]. Konkurrierende Konnotationen, Interessen und Hoffnungen bei Patienten, Investoren
und Krankenkassen erfordern einen realistischen Umgang mit den Erwartungen aber auch
die aufgeklärte und proaktive Nutzung neuer therapeutischer Möglichkeiten durch eine
menschliche, partizipative und rationale Medizin, auch in der Rhinologie.
Hier gibt es für uns HNO-Ärzte in der Rhinologie 2 interessante und schon jetzt umsetzbare
Perspektiven: die an verhältnismäßig einfachen Biomarkern orientierte molekulare Therapie
der chronischen Rhinosinusitis durch neue Biologika sowie die durch komponentenbasierte
Allergiediagnostik präzisierte spezifische Immuntherapie.