Schlüsselwörter
limbische Enzephalitis - Olfaktorisch Evozierte Potenziale - Riechtestung - Riechstörung
Key words
limbic encephalitis - olfactory evoked potentials - olfactory testing - olfactory dysfunction
Einleitung
Die limbische Enzephalitis (LE) ist eine Autoimmunerkrankung, die mit einer Entzündungsreaktion des limbischen Systems durch pathogene Autoantikörper gegen neuronale Oberflächenstrukturen oder onkoneuronale Antikörper einhergeht [1]. Im tertiären olfaktorischen Kortex, der Teil des limbischen Systems ist, findet u. a. die Weiterverarbeitung der Riech- und Geschmackseindrücke statt [2]
[3]. Bei anderen Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose und der Antikörper-vermittelten Neuromyelitis Optica Spektrum Erkrankung konnten Riechstörungen nachgewiesen werden [4]
[5]
[6]. Die Diagnostik von Riechstörungen auf diesem Gebiet gewinnt zunehmend an Bedeutung [7]. Eine Riechminderung ist ein Kardinalsymptom bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wie bspw. der Parkinson-Krankheit, und kündigt diese häufig als Frühsymptom an [8]. Die Ableitung von olfaktorisch evozierten Potenzialen (OERP) ist eine objektive Methode zur Untersuchung des Geruchssinns [9]. Dabei wird die kortikale elektrische Aktivität auf die Stimulation mit einem Duftstoff gemessen [10].
Im Rahmen dieser Studie sollte untersucht werden, ob bei LE Patienten durch eine strukturelle Schädigung von Hirnarealen inklusive des limbischen Systems vermehrt Riechstörungen verursacht werden. Nach unserem Kenntnisstand gibt es bisher keine Studie, die das Riechvermögen bei LE Patienten mittels OERPs untersucht hat.
Material und Methoden
Patienten
Die Rekrutierung der Patienten erfolgte von der neurologischen Normalstation sowie aus der Sprechstunde für Enzephalitis & Paraneoplasien der Hochschulambulanz der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Berlin. Der Studieneinschluss erfolgte nach neurologischer und HNO-ärztlicher Untersuchung. Einschlusskriterien waren die Diagnose einer limbischen Enzephalitis [11] sowie ein Alter von mind. 18 und unter 65 Jahren. Patienten mit mittelgradigen bis schweren kognitiven Defiziten wurden mittels des Mini-Mental-Status Testes ausgeschlossen, da kognitive Einbußen Einfluss auf die Durchführung der subjektiven Riechtestung haben können. Patienten mit einer Depression wurden mittels des Becks-Depressions-Inventars ausgeschlossen, da Depressionen das Riechvermögen beeinflussen können. Mittels der Modifizierten Ranking Skala wurde das Ausmaß der körperlichen Beeinträchtigung erfasst um Patienten auszuschließen, die aufgrund körperlicher Behinderung nicht an der objektiven Olfaktometrie teilnehmen können. In der otolaryngealen Untersuchung wurde die Anatomie der Nasenhaupthöhlen und insbesondere der Riechspalten endoskopisch untersucht. Patienten, deren Geruchssinn durch anatomische Auffälligkeiten beeinträchtigt war, wurden von der Studie ausgeschlossen. Folgende weitere Ausschlusskriterien wurden mittels zweier spezieller Fragebögen erfasst: Schwangerschaft, Erkrankungen, die das Riechvermögen beeinträchtigen (posttraumatische Anosmie, sinunasale Erkrankungen, Existenz oder Therapie eines Tumors im Bereich des ersten Hirnnervens, erfolgte Strahlentherapie oder Chemotherapie im Bereich des ersten Hirnnervens, Parkinson Erkrankung, Alzheimer-Krankheit, Depression). Für jeden Patienten wurde ein in Geschlecht und Alter (±1 Jahr) übereinstimmender gesunder Kontrollproband rekrutiert.
Es konnten 19 LE Patienten und 19 Kontrollprobanden in die Studie eingeschlossen werden. Der Altersmittelwert der Patienten (9 weiblich, 10 männlich) betrug 46,8±2,0 Jahre. Es zeigte sich hinsichtlich des Alters bei Frauen (43,9±22,2 Jahre) und Männern (49,4±18,5 Jahre) kein signifikanter Unterschied (p=0,575). Die mittlere Krankheitsdauer betrug 2,0±1,1 Jahre. In der serologischen Antikörpertestung ließen sich bei 4 Patienten NMDA-Rezeptor-Ak, 3 Patienten GAD-Ak, 3 Patienten LGI1-Ak, 1 Patienten Caspr2-Ak, 1 Patienten Hu-Ak, 1 Patient DPPX-Ak, 1 Patient CV2-Ak, 1 Patient mGluR5-Ak und 2 Patienten mit VGCC-Ak nachweisen. 2 Patienten waren seronegativ getestet und erfüllten klinisch die Kriterien einer LE (11). Sechs Patienten hatten im Krankheitsverlauf epileptische Anfälle und 4 Patienten entwickelten eine Polyneuropathie. Bei 4 Patienten wurde ein paraneoplastischer Tumor diagnostiziert (2x Kleinzelliges Bronchialkarzinom, 1x Teratom, 1x Ovarialkarzinom). Als Immuntherapie erhielten 10 Patienten Rituximab sowie 5 Patienten Plasmapherese-Behandlungen, 2 Patienten intravenöse Immunglobuline (IVIG) und ein Patient eine Kortisonpulstherapie in regelmäßigen Abständen. Ein Patient erhielt keine medikamentöse Therapie.
Ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der Charité – Universitätsmedizin liegt vor. Die Patienten und gesunden Kontrollprobanden gaben ihr schriftliches Einverständnis, um an der Studie teilnehmen zu können.
Orthonasale Olfaktometrie
Das Riechvermögen wurde mithilfe des 3-teiligen, aus 112 Riechstiften bestehenden, standardisierten SDI-Testes (Schwellen-, Diskriminations- und Identifikationstestung, Burghart Messtechnik GmbH, Deutschland) evaluiert. Der Schwellentest dient zur Bestimmung der Geruchswahrnehmungsschwelle und umfasst eine 16-fache Verdünnungsreihe, der Diskriminationstest prüfte durch überschwellige Reizung mit 2 gleichen Düften die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gerüchen. Im Identifikationstest müssen verschiedene Alltagsgerüche (Kaffee, Fisch, Nelke usw.) identifiziert werden. Unter Addition der 3 Werte entsteht der SDI-Wert. Ein SDI-Wert von<16 bedeutet eine funktionelle Anosmie, ≥16 und ≤30,5 Punkte eine Hyposmie, und über 30,5 Punkten eine Normosmie [12].
Objektive Olfaktometrie
Zur objektiven Riechprüfung wurden OERPʼs abgeleitet. Die Olfaktoriusreizstoffe Phenylethylalkohol (PEA) und Schwefelwasserstoff (H2S) wurden mittels Olfaktometer (OM 2/S Olfaktometer, Burghart Messtechnik GmbH, Deutschland) angeboten ([Abb. 1]). Zur trigeminalen Reizung des Riechepithels wurde Kohlenstoffdioxid (CO2) verwendet. Es wurden jeweils 6 verschiedene Testungen nacheinander (jeder der 3 Bedingungen in jeweils seitengetrennter Messung) durchgeführt.
Abb. 1 verwendetes Olfaktometer (OM 2/S Olfaktometer, Burghart Messtechnik GmbH, Wedel, Deutschland).
Die Reizdarbietung durch einen in der Nasenöffnung des Patienten fixierten Riechschlauches bei einem konstanten Luftfluss von 7,5 Liter/Minute, einer Lufttemperatur von 37oC und einer relativen Luftfeuchte von 70% gewährleistete eine artefaktfreie Testung. Es wurden verschiedene Reizintensitäten eines jeden Duftstoffes jeweils der rechten und linken Nasenöffnung bei einem randomisierten Reizintervall von 30–45 s mit einer Reizdauer von 200ms angeboten ([Abb. 2]). Vigilanzstabilisierung des Patienten mittels eines einfachen Videospiels sowie eine akustische Abschirmung optimierten die Ableitung der evozierten Potenziale (EP) im Elektroenzephalogramm (EEG). Die Ableitung der EPs erfolgte von den Elektrodenpositionen Fz, Cz und Pz monopolar gegen A1.
Abb. 2 Versuchsaufbau Olfaktometer. Gesunde Probandin exemplarisch bei der Messung. Links im Bild das Olfaktometer. Die Duftstoffe werden über den Riechschlauch in die Nasenöffnung der Probandin appliziert.
Ein OERP ist mit den charakteristischen Peaks P1, N1 und P2 zu erkennen ([Abb. 3]). Dabei gelten die Bezeichnungen für P=positiver Ausschlag und N=negativer Ausschlag. Die OERPs wurden nach Mittelung von 10 Einzelaufnahmen hinsichtlich ihrer hauptsächlichen Negativität (N1) mit einer Latenz von 200–700 ms und der hauptsächlichen Positivität (P2) mit einer Latenz von 300–800 ms vermessen [13]. Die Aufzeichnung der Potenziale erfolgte nicht kontinuierlich, sondern begann 512 ms vor Beginn des Triggers bzw. Reizes und endet 1500 ms nach Beginn des Triggers. Die identifizierten Peaks N1 und P2 wurden in jeder Ableitung mit ihrer jeweiligen Latenzzeit und Amplitudenhöhe ausgemessen. Entscheidend für den positiven Nachweis eines OERPS ist das Vorhandensein der jeweiligen Peaks innerhalb der oben erwähnten Latenzzeiten. Die Auswertung erfolgte nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Olfaktologie und Gustologie der deutschen HNO-Gesellschaft [14].
Abb. 3 Abbildung einer OERP-Kurve. Abgebildet ist ein OERP, auf der x-Achse ist die Latenzzeit in ms aufgetragen, auf der y-Achse ist die OERP-Amplitude in µV angegeben. Die charakteristischen OERP-Amplituden-Peaks sind mit P1, N1 und P2 gekennzeichnet.
Mini-Mental-Status-Test (MMST)
Der Mini-Mental-Status-Test ist ein Screeningverfahren zur Feststellung von Demenzen. Die Scala reicht von 0–30 Punkten. Werte von unter 25 Punkten weisen auf eine kognitive Beeinträchtigung hin [15]. Für unsere Studie wurde eine Gesamtpunktzahl von mind. 25 Punkten als Einschlusskriterium festgelegt.
Becks-Depressions-Inventar (BDI)
Das Becks-Depressions-Inventar ist ein Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung der Schwere einer depressiven Symptomatik [16]
[17]. Bei dem Fragebogen, bestehend aus 21 Fragen, können maximal 63 Punkte erreicht werden. Werte zwischen 0 und 8 Punkten sprechen für keine, zwischen 9 und 13 für ein minimale Depression, zwischen 14 und 19 für eine milde, zwischen 20 und 28 für eine mittlere und zwischen 29 und 63 für eine starke Depression. Angepasst an das Patientengut unserer Studie wurde als Einschlusskriterium ein Punktwert von unter 15 Punkten festgelegt.
Modifizierte Ranking-Skala (MRS)
Die MRS ist ein standardisiertes Messinstrument, welche das Ausmaß der körperlichen Behinderung angibt. Sie ist ein etabliertes Maß für die Beschreibung der neurologischen Beeinträchtigung in klinischen Studien [18]. Die Skala reicht von „Keine Symptome“ (0 Punkte) bis zu „Tod“ (6 Punkte). Wir setzten als Einschlusskriterium eine Punktzahl von<4 voraus, um an der OERP-Untersuchung teilnehmen zu können.
Statistik
Die statistische Auswertung erfolgte mit SPSS 22 (SPSS Statistics for Windows, Version 22.0. New York, IBM). Grafen wurden mit GrafPad Prism 7 erstellt (GrafPad Software Inc., La Jola, USA). Um die Zielgrößen miteinander zu vergleichen und auf Unterschiede zwischen den Werten zu prüfen, wurden für normalverteilte Variablen der t-Test und für nicht normalverteilte Variablen der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Das Signifikanzniveau wurde auf p=0,05 festgelegt. Zusammenhänge zwischen den einzelnen Werten wurden mittels Spearman-Korrelation untersucht.
Ergebnisse
Die demografischen und klinischen Daten sind in [Tab. 1], die Ergebnisse der Riechtestung in [Tab. 2] dargestellt.
Tab. 1 Demografische und klinische Daten von LE Patienten und gesunden Kontrollen.
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LE (n=19)
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GK (n=19)
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Alter (in Jahren)
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Mittelwert±SA
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46,8±19,9
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47,8±18,7
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Geschlecht
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weiblich/männlich
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9/10
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9/10
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Krankheitsdauer
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Mittelwert±SA
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2,0±1,1
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-
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Modifizierte Ranking Skala
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Mittelwert±SA
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1,9±1,3
|
-
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Becks Depressions Inventar
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Mittelwert±SA
|
8,8±7,5
|
-
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Mini Mental Status Test
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Mittelwert±SA
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28,2±1,3
|
-
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Antiköpernachweis
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ja/nein
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17/2
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-
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Immuntherapie
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|
|
ja/nein
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18/1
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-
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GK=gesunde Kontrollen, LE=limbische Enzephalitis, SA=Standard-Abweichung
Tab. 2 Ergebnisse der subjektiven und objektiven Riechtestung.
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LE Patienten
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GK
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p-Wert (Unterschied LE vs GK)
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Subjektive Olfakometrie
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SDI
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27,3±6,7
|
34,7±2,2
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<0,0001
|
S
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6,2±3,7
|
7,8±1,3
|
0,182
|
D
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10,0±2,9
|
12,2±1,2
|
<0,001
|
I
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11,1±2,3
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14,7±0,7
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<0,0001
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Objektive Olfaktometrie
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Pathologische OERPs (ja/nein)
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12/7
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-
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-
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GK=gesunde Kontrollen, LE=limbische Enzephalitis, OERP=olfaktorisch evoziertes Potenzial, SDI=Schwellen-, Diskriminations- und Identifikationstest. Die SDI-Ergebnisse sind als Mittelwert±Standardabweichung dargestellt
Im SDI-Test hatten 10 der LE Patienten eine Hyposmie (53%), 2 Patienten eine Anosmie (11%) und 7 Patienten (36%) zeigten eine uneingeschränkte Riechfunktion. Der SDI Mittelwert (±Standardabweichung) der LE Patienten lag bei 27,3 (±6,7), bei den GK bei 34,7±2,2 Punkten. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied (p<0,0001) zwischen LE Patienten und GK (s. [Abb. 4]). In den Einzeltestungen zeigte sich im Diskriminationstest (p<0,001) und im Identifikationstest (p<0,0001) ein signifikanter Unterschied zwischen LE Patienten und GK, jedoch nicht beim Schwellentest (p=0,182, [Tab. 2]). Es gab bei den LE Patienten beim SDI-Testergebnis keinen signifikanten Unterschied zwischen Männern (28,8±5,1 Punkte) und Frauen (25,6±8,2 Punkte) (p=0,310). Die Identifikationstestung ist durch die einfache Durchführbarkeit und einen kurzen zeitlichen Aufwand (etwa 10 min) charakterisiert. Spezifität und positiver prädiktiver Wert erreichten bei einem Cut-off-Wert von 12 jeweils 100% um zwischen LE Patienten und GK zu unterscheiden. Die Sensitivität berechnet sich zu 74% und der negative prädiktive Wert zu 79%.
Abb. 4 Vergleich der SDI-Testung von LE Patienten und Kontrollen. Bei Patienten mit LE war signifikant häufiger eine Riechstörung nachweisbar. Die horizontalen Linien markieren den jeweiligen Mittelwert. LE=Limbische Enzephalitis, SDI-Test=Schwellen-, Diskriminations- und Identifikationstest.
Mittels visueller Analogskala (VAS), die von 0 Punkten (kompletter Riechverlust) bis 10 Punkte (normales Riechvermögen) reicht, wurden die LE Patienten um eine Einschätzung ihres Riechvermögens gebeten. Die Patienten mit LE hatten ein VAS von 7,7±2,2 (Mittelwert±Standardabweichung). Es zeigte sich keine Korrelation zum im SDI-Test gemessenen Riechvermögen. Die Patienten wurden auch nach qualitativem Fehlriechen befragt: es zeigte sich lediglich ein Patient mit einer Phantosmie und ein Patient (jeweils 5,3%) mit einer Parosmie in der LE Gruppe bei ansonsten nicht eingeschränktem Riechvermögen (Normosmie) in der GK Gruppe.
Unter Nutzung eines Olfaktometers wurden die 19 LE Patienten getestet und deren OERPs abgeleitet. Alle Patienten mit einer Hyposmie oder Anosmie im SDI-Test zeigten auch in der objektiven Olfaktometrie pathologische OERPs und wurden demnach als Hyposmie klassifiziert. Alle Patienten die im SDI Test eine uneingeschränkte Riechfunktion hatten, zeigten auch in der objektiven Olfaktometrie eine Normosmie ([Tab. 2]).
Diskussion
Nach unserem Kenntnisstand wurde in dieser Studie erstmals das Riechvermögen bei LE Patienten mittels OERPs untersucht. Es wurde bei insgesamt 64% der LE Patienten ein vermindertes Riechvermögen in der subjektiven und objektiven Riechtestung festgestellt. Alle gesunden Kontrollprobanden zeigten ein normales Riechvermögen. Es zeigte sich bei den LE Patienten im Vergleich zur GK eine signifikant verminderte Fähigkeit zur Diskrimination und Identifikation von Gerüchen, jedoch kein signifikanter Unterschied bei der Riechschwellentestung. Es wird vermutet, dass mit der Riechschwellentestung die periphere olfaktorische Funktion erfasst wird, wohingegen die Diskriminierung und Identifikation von Gerüchen eher einer komplexeren Verarbeitung unterliegt und von kognitiven Funktionen geprägt ist [19]
[20]. Unsere Studienergebnisse deuten auf eine zentrale Schädigung der Riechbahn im sekundären und tertiären olfaktorischen Kortex hin. Dies könnte durch eine strukturelle Schädigung des tertiären olfaktorischen Kortex begünstigt werden, der Teil des limbischen Systems ist und an der Verarbeitung von olfaktorischen Informationen beteiligt ist.
Die Ableitung von OERPs kommt v. a. bei wissenschaftlichen und gutachterlichen Fragestellungen im Fachbereich der HNO, der Neurologie und der Psychiatrie in Betracht [21]. Sie dient zur Abgrenzung eines Restriechvermögens von einer schweren Hyposmie bzw. Anosmie, wobei sich geringgradige Hyposmien gewöhnlich schwer mittels objektiver Olfaktometrie quantifizieren lassen [22]. Dieser Zusammenhang zeigte sich auch in Studien, in denen OERPs bei Patienten mit neurologischen Krankheitsbildern wie Multipler Sklerose, Parkinson-Erkrankung oder Alzheimerdemenz abgeleitet wurden [7]. In unserer Studie ließen sich jedoch bei allen Patienten mit einer Hyposmie in der psychophysischen Riechtestung auch pathologische OERPs nachweisen. Dies könnte durch die wahrscheinlich zentrale Genese der Riechstörung erklärt werden und sich somit in den EEG Ableitungen deutlicher darstellen.
Es wäre in diesem Zusammenhang interessant, mithilfe von Magnetresonanztomografieuntersuchungen strukturelle Schädigungen der Riechbahn und des limbischen Systems mit bspw. der diffusionsgewichteten Bildgebung zu untersuchen, sowie eine Volumenbestimmung olfaktorischer Strukturen durchzuführen und mit dem Riechvermögen der Patienten zu vergleichen.
Alter und Geschlecht der LE Patienten hatten in unserer Studie keinen Einfluss auf die Riechfunktion. Verschiedenen Studien haben gezeigt, dass es bei der normalen Bevölkerung zu einer Abnahme der Riechleistung im Alter durch Ossifikationen in der Lamina cribrosa [23]
[24] und einem progredienten Verlust von olfaktorischen Rezeptorneuronen im Riechepithel [25] kommt. In verschiedenen Studien zeigte sich, dass es zu einer kontinuierlich zunehmenden Verlängerung der Latenzen und Abnahme der Amplituden der OERPs im höheren Alter kommt [26]
[27]
[28]
[29]. Neben dem Alter werden OERPs auch durch das Geschlecht beeinflusst. Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen im Durchschnitt eine höhere OERP-Amplitude aufweisen als Männer sowie eine kürzere P2-Latenzzeit [30]
[31]
[32]
[33]. Einige Untersuchungen über den Einfluss des Geschlechts auf die psychophysischen Riechtestungen stellten fest, dass Frauen im SDI Test gegenüber Männern häufiger bessere Ergebnisse erzielten [34]. Andere Untersuchungen konnten dagegen keinen Einfluss des Geschlechts auf SDI-Ergebnissen nachweisen [35]. In unserer Studie zeigte das Geschlecht und Alter keinen Einfluss auf die Riechfunktion. Unsere Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass bei LE Patienten andere Pathomechanismen für das Entstehen von Riechstörungen verantwortlich sind.
Die Selbsteinschätzung des Riechvermögens der LE Patienten war besser als die psychophysisch und objektiv erhobenen Riechtestergebnisse und es zeigte sich keine Korrelation zum SDI-Wert. Die limbische Enzephalitis ist ein heterogenes Krankheitsbild mit variablem anatomischen Schwerpunkt, das sich häufig subakut manifestiert und progredient voranschreitet. Möglicherweise kommt es zu einem Gewöhnungsprozess an eine langsam progrediente Riechminderung bei den Patienten. Dieses Phänomen konnte auch bei Patienten mit Multipler Sklerose beobachtet werden [4].
Der Geruchssinn ist wichtig bei der Wahrnehmung von bspw. Brandgeruch, beim Essen und Trinken und bei der interpersonellen Kommunikation. Riechstörungen können zu einer verminderten Lebensqualität führen [36] und sind mit einem erhöhten Risiko für Depressionen assoziiert [37]. Ihr frühzeitiges Erkennen im Krankheitsverlauf ist umso wichtiger, deshalb würden wir eine Riechtestung bei LE-Patienten im klinischen Alltag empfehlen. Darüber hinaus könnte ein Zusammenhang zwischen dem Riechvermögen und dem Aktivitätsgrad der Erkrankung bestehen. In Einzelfällen könnte der sensibilisierte Patient eine akute Verschlechterung selbst erkennen.
Zusammenfassend ließen sich bei der Mehrheit der LE Patienten Riechstörungen nachweisen und zuverlässig mittels OERPs quantifizieren. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen zu einem besseren Verständnis des Krankheitsbildes und zukünftig zu einem frühzeitigeren Erkennen von Riechstörungen bei LE Patienten beitragen. Wir würden den Identifikations-Test als Screening-Test bei V.a. LE empfehlen, da dieser eine hohe Spezifität und Sensitivität zur Differenzierung zwischen LE-Patienten und GK aufwies und einfach und schnell durchführbar ist. Weitere Studien mit einer größeren Anzahl an Patienten sind nötig, um unsere Studienergebnisse zu validieren und mögliche Zusammenhänge zwischen dem Riechvermögen und der Krankheitsaktivität zu untersuchen.
Riechstörungen kommen gehäuft bei LE Patienten vor. Die Ableitung von OERPs erwies sich als geeignetes objektives Untersuchungsverfahren zur Detektion von Riechstörungen bei LE Patienten.