Gesundheitswesen 2023; 85(S 01): S70-S71
DOI: 10.1055/s-0043-1762797
Abstracts | BVÖGD/BZÖG
28.04.2023
GBE – Instrumente und Methoden
15:15 – 16:45 ‖ Fachtagungsraum 0.214

Verbessert die vollumfängliche Nutzung der Kodiersoftware IRIS/Muse die Qualität der Todesursachenstatistik? Eine Bundesland-bezogene Auswertung 2010-2019

S. Stolpe
 
 

Hintergrund Die Qualität der Todesursachen-Statistik in Deutschland ist nach Einschätzung der WHO durch einen vergleichsweise hohen Anteil von etwa 13% nicht-informativer Todesursachen (TU) beeinträchtigt [1]. Bei kardiovaskulären TU liegt dieser Anteil je nach Altersgruppe und Geschlecht bei bis zu 25% [2]. Seit 2011 wird auch in Deutschland die Software IRIS/Muse zur automatisierten Kodierung der TU eingeführt. Mit Nutzung dieser Software wird eine Verbesserung der Kodierqualität verbunden [3]. Inwieweit IRIS/Muse zu einer Verbesserung der Qualität der Todesursachenstatistik beiträgt, wurde noch nicht untersucht.

Methode Anhand der Todesursachenstatistik des statistischen Bundesamtes (gbe-bund.de) wurden für die Jahre 2010 bis 2019 die altersstandardisierten Mortalitätsraten der häufigsten nicht-informativen TU (essentielle Hypertonie (ICD-10 I10), Herzstillstand (I46), Herzinsuffizienz (I50), Atherosklerose (I70) und ‚unbekannte TU und Symptome‘ (R00-R99)) für die Bundesländer (BL) ausgewählt. Die mittlere relative Änderung des Anteils nicht-informativer TU an allen TU im Jahr der Einführung von IRIS/Muse und den ersten beiden Folgejahren im Vergleich zum Jahr vor der Einführung wurde berechnet.

Ergebnis Der Anteil der ausgewählten nicht-informativer TU an allen TU im Jahr 2010 war in den BL verschieden. Er war am niedrigsten in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg mit 7-8%, am höchsten mit 21% in Schleswig-Holstein. Iris/Muse wurde zur vollumfänglichen Nutzung zwischen 2011 und 2013 in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen, 2016 in Sachsen-Anhalt und 2017 in NRW und Berlin/Brandenburg eingeführt. Im Jahr vor der jeweiligen IRIS/Muse Einführung (Index-Jahr) betrug der Anteil nicht-informativer TU an allen TU in den Bundesländern zwischen 7,0 (Sachsen-Anhalt) bis 13,1% (NRW). Im Jahr nach der Einführung veränderte sich dieser Anteil um zwischen -27% (Rheinland-Pfalz) und +4% (Sachsen-Anhalt). In den BL mit früher IRIS/Muse-Einführung sank der Anteil nicht-informativer TU im Jahr der Einführung um 15%, im Folgejahr um 19% im Vergleich zum Indexjahr. In den BL mit Einführung 2016/17 sank der Anteil nicht-informativer TU im Vergleich zum Indexjahr im Mittel um 7% im Jahr der Einführung und um 4% Folgejahr. Der Anteil von R00-R99 (unbekannte TU und Symptome) sank im Jahr der Einführung und den Folgejahren um 18%, 16% und 14%, in den BL mit später Einführung stieg der Anteil um 6% im Einführungsjahr, und um 18% und 33% in den beiden Folgejahren. Der Anteil von I50 sank in allen BL deutlich und kontinuierlich, im 2. Jahr nach Einführung um etwa 20%. In den Ländern ohne IRIS/MUSE veränderte sich der Anteil der nicht-informativen TU von 2010 nach 2019 im Mittel nur wenig: von 10,5% auf 9,9%.

Schlussfolgerung Die vollumfängliche Nutzung von IRIS/Muse war nur in den Bundesländern mit einer Verringerung des Anteils nicht-informativer TU assoziiert, in denen IRIS/Muse bereits vor 2014 eingeführt wurde. Die Qualität der Todesursachenstatistik scheint weniger abhängig von der Qualität der Kodierung, als von der Qualität der Todesursachenfeststellung. Diese könnte durch die Einführung einer elektronischen Todesbescheinigung verbessert werden [4], [5].


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  • Literatur

  • 1 Department of Information, Evidence and Research (2017) WHO methods and data sources for country-level causes of death 2000–2015. Global Health Estimates Technical PaperWHO/HIS/IER/GHE/2016.3.WHO, Genf
  • 2 Stolpe S, Stang A. Nichtinformative Codierungen bei kardiovaskulären Todesursachen: Auswirkungen auf die Mortalitätsrate für ischämische Herzerkrankungen. Bundesgesundheitsbl 2019; 62: 1458-67
  • 3 Eckert O, Vogel U. Todesursachenstatistik und ICD, quo vadis?. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2018; DOI: 10.1007/s00103-018-2756-5.
  • 4 Eckert O, Kühl L, Vogel U, Weber S. Entwicklung einer elektronischen Todesbescheinigung für Deutschland. Bundesgesundheitsblatt 2019; 62: 1493-1499
  • 5 Winkelmann U. Ist Herzinsuffizienz eine Todesursache? Zur Qualität der Todesursachenstatistik und den Chancen einer elektronischen Todesbescheinigung. Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 9/2020

Publication History

Article published online:
08 March 2023

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Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Department of Information, Evidence and Research (2017) WHO methods and data sources for country-level causes of death 2000–2015. Global Health Estimates Technical PaperWHO/HIS/IER/GHE/2016.3.WHO, Genf
  • 2 Stolpe S, Stang A. Nichtinformative Codierungen bei kardiovaskulären Todesursachen: Auswirkungen auf die Mortalitätsrate für ischämische Herzerkrankungen. Bundesgesundheitsbl 2019; 62: 1458-67
  • 3 Eckert O, Vogel U. Todesursachenstatistik und ICD, quo vadis?. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2018; DOI: 10.1007/s00103-018-2756-5.
  • 4 Eckert O, Kühl L, Vogel U, Weber S. Entwicklung einer elektronischen Todesbescheinigung für Deutschland. Bundesgesundheitsblatt 2019; 62: 1493-1499
  • 5 Winkelmann U. Ist Herzinsuffizienz eine Todesursache? Zur Qualität der Todesursachenstatistik und den Chancen einer elektronischen Todesbescheinigung. Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 9/2020