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DOI: 10.1055/s-0044-100874
Lokalanästhesie am Kopf beim Heimtier
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Publication Date:
09 April 2018 (online)
Während bei Hund und Katze die Leitungsanästhesie weit verbreitet ist, wird sie bei Heimtieren oft vergessen. Dabei ist die Lokalanästhesie im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie wegen der fehlenden Analgesie von Isofluran und nach Antagonisierung der Triple-Narkose wichtig für die Rekonvaleszenz. Denn insbesondere herbivore Zahnpatienten müssen postoperativ schnellstmöglich wieder fressen.
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Einleitung
Die Vorgehensweise ist bei Heimtieren grundsätzlich analog zu der bei Hund und Katze. Durch Infiltration oder Leitungsblock wird die Schmerzübermittlung an höhere Zentren unterbrochen, wodurch die zentrale Schmerzrezeption und das Schmerzgedächtnis verhindert werden. Einschränkungen erfährt die Verwendung der Lokalanästhesie bei kleinen Heimtieren durch technische Probleme bei der Applikation und durch die bei geringen Körpergewichten relativ geringe therapeutische Dosis.
Zur Vermeidung von Nebenwirkungen muss die intravasale Injektion sicher ausgeschlossen werden und die toxische Dosis (2 mg/kg KGW bei Bupivacain und 5 mg/kg KGW bei Lidocain) darf nicht erreicht werden.
Fehlende Treffergenauigkeit bei der Applikation kann bei kleinen Heimtieren leider nicht wie beim Großtier durch Verwendung großer Injektionsvolumina ausgeglichen werden. Das Risiko der intravasalen Injektion besteht bei jeder Leitungsanästhesie, weil periphere Nerven, zumal in Knochenkanälen des Schädels, stets von Gefäßen begleitet werden.
Die Anforderung an die Injektionstechnik ist also die Verwendung einer möglichst dünnen (atraumatischen) Nadel, Begrenzung des Injektionsvolumens und möglichst Aspiration nach Platzierung der Nadel.
Arzneimittelrechtlich ist kein Lokalanästhetikum für kleine Heimtiere (minor species) zugelassen. Es muss deshalb stets eine Umwidmung von Veterinärpräparaten (3. Stufe der Kaskade) oder Humanpräparaten (4. Stufe) vorgenommen werden. Von der Verwendung von Präparaten mit Sperrkörper (Adrenalin) wird abgeraten. Diese haben zwar den Vorteil einer verlängerten Wirkdauer und reduzierter Gewebsblutung, bei irrtümlicher intravasaler Verschleppung sind jedoch kardiale Nebenwirkungen (Arrhythmien) zu befürchten. Das am häufigsten verwendete Lokalanästhetikum ist Lidocain (Wirkungsdauer 60 – 120 Min.). Es eignet sich zur Infiltration und Nervenblockade. Gleichfalls geeignet ist Bupivacain aus der Humanmedizin (Wirkungsdauer 180 – 360 Min.).
Kalkulation der maximal anwendbaren Dosis zur Vermeidung toxischer Effekte:
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maximal empfohlene Dosis: 5 mg/kg
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bei 2%iger Lösung sind das: 0,25 ml/kg KGW
Zum Vergleich:
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LD50 Kaninchen i. v.: 26 – 40 mg/kg
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LD50 Kaninchen s. c.: 200 – 460 mg/kg
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LD100 Kaninchen i. v.: 59,3 mg/kg (aus diverser Literatur)
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Injektionstechnik
Die Verwendung klassischer Injektionskanülen und Einmalspritzen erweist sich wegen des großen Totraums und des unkontrollierbaren Injektionsdrucks bei kleinen Heimtieren als problematisch. Die Applikation erfolgt entweder sehr vorsichtig mit einer Tuberkulinspritze und dünner Kanüle ([Abb. 1]), z. B. 23 G 0,6 × 16 mm, in der man nicht mehr als die maximal geplante Injektionsmenge aufzieht. Besonders wichtig sind der feste Sitz der Kanüle auf dem Konus und das vorherige Ausdrücken von Luftbläschen.
Vor der mit nur leichtem Druck auszuführenden Injektion prüfe man immer durch Aspiration, ob die Kanüle nicht irrtümlich intravasal liegt.
Eine praktische Alternative sind spezielle Zahnarztspritzen (zahnärztliche Zylinderampullen-Spritze) oder eine spezielle automatische Dosierspritze (z. B. Paroject® oder Nachbauten mit speziellen extrem dünnen Dentalnadeln). Diese geben als Repetierspritze ([Abb. 1]) bei jedem Klick des Hebelmechanismus eine definierte Menge Lokalanästhetikum unter hohem Druck, aber mit sehr kleinem Volumen (0,06 ml) ab. Die Nadeln sind so dünn (30 Gauge, 0,3 mm Durchmesser), dass sie in den Parodontalspalt eingeführt werden können (sog. intraligamentäre Injektion) oder auch den Knochen und die feste Gingiva penetrieren können zur lokalen Infiltration.
Zahnärztliche Repetierspritzen sind sehr handlich und zur parodontalen Infiltration wie zur Nervenblockade hervorragend geeignet. Der Autor benutzt sie in seiner Praxis ausschließlich auch zur Leitungsanästhesie am Kopf. Die unbeabsichtigte Applikation einer zu großen Dosis ist damit praktisch unmöglich. Angebrochene Zylinderampullen können weiter verwendet und die Einmalnadeln jederzeit ausgewechselt werden.
Lokalanästhesien am Kopf:
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Lokalanästhesie
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Oberflächenanästhesie, z. B. Kornea, Konjunktiva, Kehlkopf
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lokale Infiltration
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intraligamentäre Infiltration
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Leitungsanästhesie
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Leitungsblock – „unterer“ oder rostraler Block
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Leitungsblock – „oberer“ oder kaudaler Block
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Die sensiblen Nerven des Kopfes sind Äste des N. trigeminus, die im Oberkiefer als N. maxillaris/N. infraorbitalis und im Unterkiefer als N. mandibularis/N. mentalis in ihrem Verlauf hoch oder tief geblockt werden können ([Abb. 2]). Der Verlauf der Kopfnerven ist grundsätzlich tierartübergreifend ähnlich, allerdings bestehen durch die engen räumlichen Verhältnisse und die unterschiedliche Lage der Zahnwurzeln erhebliche speziesspezifische Besonderheiten, die dargestellt werden. Durch eine hohe Blockade, sog. kaudaler Block, können ganze Kieferquadranten ausgeschaltet werden. In der Praxis spielen jedoch lediglich die distalen Blockaden, nämlich der rostrale Mandibularblock und der Block des N. infraorbitalis eine Rolle. Der kaudale Mandibularblock durch Ausschalten des N. mandibularis vor seinem Eintritt in den Mandibularkanal medial am Foramen mandibulare ist grundsätzlich auch möglich. Er ist allerdings technisch schwierig zu setzen und hat den Nachteil, dass eine stundenlange Zungenlähmung eintreten kann, unter der sich die Patienten fatale Verletzungen der Zunge zuziehen oder sich verschlucken können.
Oberkiefer
Der N. infraorbitalis kann direkt an seinem Austritt am Foramen infraorbitale blockiert werden. Beim Kaninchen ([Abb. 3]) ist das Foramen gut palpierbar und liegt auf der Maxilla rostral des Arcus zygomaticus. Wenn man es horizontal über den seitlichen Nasenrücken ansticht, muss man darauf achten, tangential der Maxilla zu bleiben und nicht irrtümlich durch den trabekulären Knochen in die Nasenhöhle zu gelangen. Der N. infraorbitalis innerviert die Prämolaren, die Inzisiven, die Oberlippe und den vorderen Gaumen.
Bei den Caviomorphen (Meerschweinchen, [Abb. 4], Chinchilla) ist das große Foramen infraorbitale durch die infraorbitale Portion des mächtigen M. masseter bedeckt. Der Nervenverlauf in einer Rinne auf dem Boden der weiten Fossa infraorbitalis kann nur blind durch eine von rostral auf dem Periost tangential vorgeschobene Kanüle aufgesucht werden. Durch weiteres Vorschieben der Nadel können auch der Prämolar und der erste Molar anästhesiert werden.
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Unterkiefer
Der rostrale Mandibularblock durch Blockade des N. mentalis am Foramen mentale ist technisch einfach zu applizieren ([Abb. 5] und [6]). Er wird zur Schmerzausschaltung an den Unterlippen und den Inzisiven verwendet. Dazu wird das Foramen mentale aufgesucht und die austretenden Nn. mentales mit einem periostnahen Depot blockiert. Es kann mit einer dünnen Nadel auch direkt angestochen werden. Damit ist eine teilweise retrograde Injektion in den Mandibularkanal zur Anästhesie der Prämolaren und Inzisivenwurzeln möglich. Die Invisivenwurzel liegt bei Nagern allerdings so weit distal auf Höhe der Molaren, dass eine reine Leitungsanästhesie am Foramen mentale nicht den gesamten Inzisivus blocken kann. Hier ist die intraligamentäre Technik vermutlich effektiver ([Abb. 7]).
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