Pneumologie 2018; 72(03): 179-180
DOI: 10.1055/s-0044-102234
Pneumo-Fokus
CAPNETZ
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Häufige HAQ-STING-Variante schwächt antibakterielle Immunantwort

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Publication Date:
07 March 2018 (online)

 

    Streptococcus pneumoniae und Legionella pneumophila sind wichtige Verursacher der ambulant erworbenen Pneumonie (community-acquired pneumonia, CAP). Bekannte Risikofaktoren für Pneumokokken- und Legionellen-Pneumonien sind u. a. Diabetes mellitus, chronische Lungenerkrankung, höheres Lebensalter und Immunsuppression [1– 3]. Darüber hinaus können auch genetische Faktoren, wie z. B. angeborene Immunglobulin- und Komplementdefekte die Anfälligkeit gegenüber Pneumokokkenpneumonie beeinflussen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass genetische Varianten von Rezeptoren des angeborenen Immunsystems zur Erkennung von eindringenden Pathogenen die Anfälligkeit gegenüber Lungeninfektionen beeinflussen können [4].


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    Die Erkennung von Infektionserregern erfolgt durch sogenannte Mustererkennungsrezeptoren (engl. pattern recognition receptors) des angeborenen Immunsystems [5]. Diese Pathogenerkennung ist von zentraler Bedeutung für den Verlauf der Pathogen-Wirtsinteraktion und die nachfolgende antimikrobielle Immunantwort, welche maßgeblich darüber entscheiden, ob eine Infektion entsteht, ob sie sich ausbreitet und wie schwer sie verläuft. Die Mustererkennungsrezeptoren lassen sich in verschiedene Proteinfamilien unterteilen und werden von unterschiedlichen Körperzellen entweder auf der Oberfläche oder im Intrazellularraum exprimiert. Sie detektieren hoch konservierte mikrobielle Moleküle, welche von einer Vielzahl von unterschiedlichen Mikroorganismen exprimiert werden. Nach erfolgter Pathogenerkennung initiieren die Mustererkennungsrezeptoren beispielsweise die Produktion von inflammatorischen Botenstoffen (z. B. Chemokinen, Interleukinen, Interferonen), welche die antimikrobielle Immunreaktion durch Rekrutierung und/oder Aktivierung von Immunzellen steuern [5].

    Der zuerst identifizierte und vermutlich am besten bekannte Mustererkennungsrezeptor ist Toll-like-Rezeptor (TLR)-4, welcher Lipopolysaccharid (Endotoxin) von gramnegativen Bakterien detektiert [6]. Weitere Mitglieder der TLR-Familie erkennen z. B. bakterielle Zellwandlipopeptide, bakterielles Flagellin oder virale RNA. Darüber hinaus bindet der intrazelluläre Rezeptor cGAS (cyclic GMP-AMP synthase) bakterielle, virale und protozonale DNA im Wirtszellzytosol [7, 8]. Nach Aktivierung von cGAS durch DNA erfolgt die intrazelluläre Signalweiterleitung über das Adaptermolekül STING [9]. Neben seiner Funktion als Adaptermolekül fungiert STING jedoch auch selbst als Mustererkennungsrezeptor für die bakteriellen Signalmoleküle c-di-AMP und c-di-GMP [10].

    Kürzlich publizierte Studien konnten zeigen, dass das STING-kodierende Gen TMEM173/STING große Heterogenität aufweist [11, 12]. Neben Wildtyp-STING ist die zweithäufigste Variante HAQ-STING, welche sich in drei Aminosäuren (R71H-G230A-R293Q) vom Wildtyp unterscheidet. Es wird angenommen, dass bis zu 2 – 3 % der Europäer, 8 % der Lateinamerikaner und 16 % der Ostasiaten homozygote Träger von HAQ TMEM173/STING sind [13]. Die dritthäufigste Variante ist R232H STING, bei der eine Aminosäure an Position 232 ausgetauscht ist. Schätzungen gehen davon aus, dass je nach Ethnie zwischen 1 – 3 % der Menschen homozygote Träger von R232H TMEM173/STING sind [13]. Vorherige Studien konnten zeigen, dass HAQ STING eine stark verminderte Aktivität aufweist, Zytokinproduktion nach Stimulation von Zellen mit DNA, c-di-AMP und c-di-GMP zu induzieren [11–13]. Im Gegensatz dazu zeigte R232H STING nur nach Stimulation mit c-di-AMP und c-di-GMP, jedoch nicht bakterieller DNA, eine verminderte Aktivität [12, 14]. Bisher war nicht bekannt, wie sich die Expression dieser STING-Varianten auf die Erkennung von Infektionserregern auswirkt und ob (und ggf. wie) das Tragen der entsprechenden Allele die Anfälligkeit für Infektionen beeinflusst.

    In einer kürzlich publizierten Arbeit konnten wir zeigen, dass das Immunsystem L. pneumophila-Infektionen (unter anderem) über den Mustererkennungsrezeptor cGAS erkennt und dass diese Erkennung in Abhängigkeit von STING die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen sowie Typ-I-Interferonen induziert. Im Mausmodell der Legionellenpneumonie (Legionärskrankheit) waren cGAS und STING zudem an der antibakteriellen Immunantwort beteiligt [15]. Makrophagen von gesunden Spendern mit homozygoter Expression von HAQ STING zeigten nach In-vitro-Infektion mit L. pneumophila oder Stimulation mit bakterieller DNA eine deutlich verminderte Produktion von proinflammatorischen Zytokinen und Interferonen im Vergleich zu Wildtyp-STING-exprimierenden Makrophagen. Außerdem konnten wir anhand von 59 durch CAPNetz in Deutschland gesammelten Proben zeigen, dass die Allel-Frequenz von HAQ TMEM173/STING in den Legionellen-Pneumonie-Patienten im Vergleich zu einer Kontrollkohorte erhöht war. Im Gegensatz dazu hatte die Expression von R232H STING keinen Einfluss auf die Zytokinproduktion in mit Legionellen infizierten Makrophagen, und die Häufigkeit der R232H TMEM173/STING-Genvariante war in Legionellen-Pneumonie-Patienten und Kontrollprobanden gleich. Die Assoziation zwischen HAQ TMEM173/STING und Legionellen-Infektion konnte zudem durch zusätzliche Analysen in einer niederländischen Fall-Kontroll-Kohorte bestätigt werden. Untersucht wurden hierbei Proben von 91 Legionellen-Pneumonie-Patienten, welche sich 1999 bei einer Blumenschau in den Niederlanden mit L. pneumophila angesteckt hatten, sowie von 88 ebenfalls exponierten, aber nicht erkrankten Probanden [16]. Es zeigte sich erneut, dass unter den Legionellen-Pneumonie-Patienten die HAQ-Variante des TMEM173/STING-Gens im Vergleich zu den Nicht-Erkrankten signifikant gehäuft vorkam [15]. Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass der cGAS/STING-Signalweg eine wichtige Rolle in der antibakteriellen Immunantwort gegen L. pneumophila spielt und dass das Tragen der häufigen HAQ TMEM173/STING-Genvariante für die Legionellenpneumonie zu prädisponieren scheint.

    In einer parallel durchgeführten Studie haben wir den Einfluss von HAQ STING auf die Pneumokokkenpneumonie untersucht. Es zeigte sich, dass cGAS und STING ebenfalls an der Erkennung von S. pneumoniae durch humane und murine Makrophagen beteiligt sind und dass Zellen von HAQ TMEM173/STING-Trägern (nicht jedoch R232H TMEM173/STING-Trägern) eine abgeschwächte angeborene Immunantwort gegen S. pneumoniae zeigen [17]. Anders als in der Legionellen-Infektion fanden wir jedoch keinen Hinweis darauf, dass STING die antibakterielle Immunantwort gegen S. pneumoniae im Maus-Pneumokokken-Pneumonie-Modell beeinflusst. Die Analyse von 87 durch CAPNetz gesammelten Proben von Pneumokokken-Pneumonie-Patienten ergab zudem keine Hinweise darauf, dass HAQ oder R232H TMEM173/STING die Anfälligkeit für Pneumokokkenpneumonie beeinflusst [17]. Außerdem fanden wir keine Assoziation von HAQ oder R232H TMEM173/STING mit dem Schwergrad (bestimmt anhand des CURB-65-Scores) der Pneumokokkenpneumonie. Allerdings bedarf es weiterer Studien mit größeren Fallzahlen, um abschließend über die Bedeutung der STING-Varianten für die Anfälligkeit oder den Schweregrad der Pneumokokkenpneumonie zu urteilen.

    Zusammengefasst zeigen unsere Studien erstmalig, dass die häufige hypomorphe HAQ STING-Variante die Immunantwort auf Infektionen negativ beeinflusst. Sie ergeben deutliche Hinweise darauf, dass Träger von HAQ TMEM173/STING (bei entsprechender Exposition) ein erhöhtes Risiko haben, an einer Legionellenpneumonie zu erkranken.

    Interessanterweise haben Untersuchungen in verschiedenen Mausmodellen gezeigt, dass STING auch die Immunantwort gegen viele weitere bakterielle (z. B. Mycobacterium tuberculosis) [18], virale (Herpesviren, HIV) [19,20] und protozonale (z. B. Plasmodien) [21] Krankheitserreger sowie gegen Tumoren [22] reguliert und dass der cGAS/STING-Signalweg wahrscheinlich eine Schlüsselrolle in der Pathogenese vieler Autoimmunkrankheiten (z. B. systemische Lupus erythematodes) [23] einnimmt. Zukünftige Studien sollten daher untersuchen, ob und wie die häufige HAQ TMEM173/STING-Genvariante die Anfälligkeit oder Resistenz gegenüber diesen Krankheiten beeinflusst.

    Juan S. Ruiz-Moreno, Prof. Norbert Suttorp, Prof. Bastian Opitz, Berlin

    Literatur

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