Einleitung: Die bisher verfolgten Strategien schöpfen das Potenzial zur Identifizierung von Hochrisikopatienten
nicht aus. Es wird eine modifizierte Strategie vorgeschlagen, gemäß den Leitlinien
des DVO: Risikoabschätzung auf Basis von (i) Hüftfrakturen (HF) und Wirbelkörperfrakturen
(WKF) anstelle sonstiger osteoporotischer Frakturen (sOF), (ii) mehr klinische Risikofaktoren
(kRFs), (iii) Knochenflächendichte (aBMD) und Trabecular Bone Score (TBS) der Lendenwirbelsäule
(LWS) zusätzlich zur aBMD der Gesamt-Hüfte (iv) und ein Vorhersagezeitraum von 3 bzw
1 anstelle von 10 Jahren. Ziel: Zu prüfen, ob diese Strategie zu einer Verbesserung
der Frakturvorhersage führt.
Methode: Die Analysen erfolgten im Manitoba BMD Register. Ein erweiterter Satz von Risikofaktoren
für das HF- oder WKF-Risiko wurde auf der Grundlage einer systematischen Literaturauswertung
(2267 Veröffentlichungen, Oxford-Evidenzkriterien) der Leitlinienkommission des DVO
ausgewählt, sofern im BMD-Register von Manitoba verfügbar. Cox-Modelle zur Vorhersage
von 3-Jahres HF, WKF und sOF wurden in 7 Schritten erstellt. Voraussetzung für Einschluss
der Faktoren des jeweiligen Schritts war eine signifikante Verbesserung und ein klinisch
relevanter Anstieg der AUC>0.005: (0)=Ausgangsniveau: 8 kRF aus FRAX (ohne sekundäre
Osteoporose) → (1) Aufschlüsselung der FRAX-Vorfrakturen in Frakturtypen Untergruppen
→ (2) kRFs aus sekundärer Osteoporose (aus FRAX und auch weitere) → (3) kRFs aus neurologischen
Erkrankungen → (4) Hinzufügen der aBMD der Gesamt-Hüfte → (5) Hinzufügen der aBMD
der LWS → (6) Hinzufügen des TBS; (7) Vergleich des hieraus resultierenden 3-Jahres-Frakturrisikomodells
mit demselben Modell für das 1- und 10-Jahres-Frakturrisiko.
Ergebnisse: Die Stichprobe umfasste 56.129 Frauen; über 3 Jahre wurden 292 HF, 260 klinische
WKF und 1556 sOF erfasst. Die Tab. 1 zeigt die Verbesserungen der AUC, sofern die
Verbesserungsvoraussetzungen erfüllt wurden. Insgesamt verbesserten sich die 3-Jahres-AUCs
um +0,054 (von 0,830 auf 0,884) für HF und um +0,068 (von 0,727 auf 0,795) für WKF.
Im Vergleich zu den 3-Jahres-Risikomodellen waren die AUCs nach 1 Jahr höher, und
zwar um +0,023 (auf 0,907) für HF und um +0,055 (auf 0,850) für WKF. Im Gegensatz
dazu war die 10-Jahres-AUC mit 0,825 (-0,059 im Vergleich zur 3-Jahres-AUC) für HF
und mit 0,771 (-0,024) für WKF wesentlich niedriger. Für sOFs waren die AUCs in allen
Stufen durchweg niedriger als für HF und WK.
Diskussion: Vier Strategieänderungen: (i) Beschränkung auf das HF- und WKF-Risiko; (ii) mehr
klinischer Risikofaktoren; (iii) Einbeziehung von aBMD und TBS der LWS (für WKF);
(iv) Bewertung des 3-Jahres Risikos (und des imminenten Risikos über 1 Jahr) anstelle
des 10-Jahres Risikos, verbesserten die Risikoprofilierung erheblich. Dies unterstützt
die Strategie zur Identifizierung von Hochrisikopersonen der aktuellen Leitlinie des
DVO.
Keywords: Frakturrisiko, Osteoporose, Risikorechner, Leitlinien
Korrespondenzadresse: Claus-Christian Glüer, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, UKSH, Klinik für
Radiologie und Neuroradiologie, Sektion Biomedizinische Bildgebung, Am Botanischen
Garten 14, 24118 Kiel, Deutschland, E-Mail: glueer@rad.uni-kiel.de
Tab. 1