Hamostaseologie 2024; 44(01): 008
DOI: 10.1055/s-0044-1782593
Forum

Vakzin-induzierte Immunthrombozytopenie und Thrombose: Langfristiger Outcome

Schönborn L. et al
Long-term outcome in vaccine-induced immune thrombocytopenia and thrombosis.

J Thromb Haemot 2023;
21: 2519-2527
 

    Die rasche Diagnose und Behandlung hat den Outcome von Patienten mit vakzin-induzierter Immunthrombozytopenie und -thrombose (VITT) verbessert. Nach der akuten Episode sind jedoch viele Fragen hinsichtlich des langfristigen Managements einer VITT ungeklärt. Diesen widmeten sich nun L. Schönborn und Kollegen.


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    Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde bei Patienten mit VITT der langfristige Verlauf der Antikörper gegen den Plättchenfaktor 4 (PF4) analysiert. Außerdem wurden der klinische Outcome, einschließlich des Risikos einer erneuten Thrombose und/oder Thrombozytopenie, sowie die Auswirkungen neuer Impfungen untersucht.

    In die deutsche Längsschnittstudie wurden 71 Patienten mit serologisch bestätigter VITT aufgenommen und über einen mittleren Zeitraum von 79 Wochen zwischen März 2021 und Januar 2023 beobachtet. Der Verlauf der Anti-PF4-Antikörper wurde durch ein konsekutives Anti-PF4/Heparin-Immunglobulin-G-Elisa (Enzyme-Linked Immunsorbent Assay) und einem PF4-verstärktem Thrombozyten-Aktivierungs-Assay analysiert.

    Plättchenaktivierende Anti-PF4-Antikörper waren bei 62 von 71 Patienten im Verlauf des Beobachtungszeitraums nicht mehr nachweisbar (87,3 %; 95 % CI, 77,6 %-93,2 %). Der mittlere Zeitraum bis zu einem negativen Test betrug hierbei 17,5 Wochen (Range 5–79 Wochen). Bei 6 Patienten (8,5 %) blieben die plättchenaktivierenden Anti-PF4-Antikörper für mehr als 18 Monate erhalten (Beobachtungszeitraum nach akuter VITT: 76–90 Wochen).

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    Schönborn et al. untersuchen das langfristige Management von vakzininduzierten Immunthrombozytopenien und -thrombosen.Quelle: © Dr_Microbe/stock.adobe.com

    Der klinische Verlauf der VITT war bei den einzelnen Patienten sehr unterschiedlich und hing weitgehend von der Schwere der Komplikationen ab, die durch den prothrombotischen Zustand während der akuten VITT ausgelöst wurden. Bei der großen Mehrheit der Patienten (95.8 %) traten nach der akuten Phase der VITT keine weiteren thrombotischen Episoden auf. Bei 3 Patienten wurden trotz Antikoagulation rekurrente Episoden einer Thrombozytopenie beobachtet. Zwei Patienten (2,8 %) erlitten eine erneute Thrombose ohne Thrombozytopenie; zum Zeitpunkt der neuen Thrombose waren diese beiden Patienten jedoch nicht ausreichend antikoaguliert. Zusammenfassend kam es folglich bei fünf von 71 Patienten (7,0 %) zu rekurrenten Episoden von Thrombozytopenie und/oder Thrombose, für die bei 4 von ihnen (80,0 %) neben der VITT alternative Erklärungen vorlagen.

    Nach einer weiteren COVID-19-Impfung mit einem Boten-RNA-Impfstoff war weder eine Reaktivierung der Thrombozyten-aktivierenden Anti-PF4-Antikörper zu beobachten, noch trat eine neue Thrombose auf. Bei den Patienten, die sich anschließend gegen Influenza, Zeckenenzephalitis, Varizellen, Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Polio impfen ließen, kam es zu keinen unerwünschten Ereignissen. Bei den 24 Patienten (33,8 %), bei denen es nach Erholung von der akuten VITT zu einer symptomatischem SARS-CoV-2-Infektion kam, trat keine neue Thrombose auf.

    Fazit

    Laut den Ergebnissen der vorliegen Studie, scheinen Patienten, wenn die akute VITT-Episode überstanden ist, ein geringes Risiko für eine erneute Thrombose und/oder Thrombozytopenie aufzuweisen. Da aber weiterhin unklar ist, welche Vakzine an der Auslösung einer VITT maßgeblich beteiligt sind, sollten Patienten mit einer VITT-Historie, nach Meinung der Autoren, nach jeder neuen Impfung überwacht werden, um ein Absinken in der Thrombozytenzahl oder eine erneute Thrombose rechtzeitig zu erfassen.

    Britta Brudermanns, Köln


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    No conflict of interest has been declared by the author(s).


    Publication History

    Article published online:
    28 February 2024

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    Georg Thieme Verlag KG
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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    Schönborn et al. untersuchen das langfristige Management von vakzininduzierten Immunthrombozytopenien und -thrombosen.Quelle: © Dr_Microbe/stock.adobe.com