Hamostaseologie 2024; 44(01): 010
DOI: 10.1055/s-0044-1782594
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Thrombozytopenie: Sind Thrombozytentransfusionen vor Legen eines ZVK verzichtbar?

van Baarle FLF. et al
Platelet Transfusion before CVC Placement in Patients with Thrombocytopenia.

N Engl J Med 2023;
388: 1956-65
 

    Die Transfusionsrichtlinien bezüglich der Schwellenwerte für die Thrombozytenzahl vor dem Legen eines zentralen Venenkatheters (ZVK) enthalten widersprüchliche Empfehlungen, da qualitativ hochwertige und aussagekräftige Belege fehlen. Der routinemäßige Einsatz von Ultraschall hat die Blutungskomplikationen verringert. F. L. F. van Baarle und Kollegen überprüften nun, wie der Verzicht auf entsprechende Transfusionen das Blutungsrisiko beeinflusst.


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    Die vorliegende niederländische Nicht-Unterlegenheitsstudie basiert auf Patienten mit schwerer Thrombozytopenie (Thrombozytenzahl 10.000 bis 50.000 pro Kubikmillimeter), die auf einer hämatologischen Station oder Intensivstation behandelt wurden und bei denen ein ZVK-Katheter unter Ultraschallkontrolle gelegt werden sollte. Die Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert. Je nach Gruppenzugehörigkeit erhielt der Patient vor dem Legen des ZVKs prophylaktisch eine Einheit einer Thrombozytentransfusion oder keine Thrombozytentransfusion.

    Als primärer Endpunkt wurden katheterbedingte Blutungen Grad 2 bis 4 definiert; ein wichtiger sekundärer Endpunkt waren Blutungen Grad 3 oder 4. Die Nicht-Unterlegenheitsgrenze wurde als ein absoluter Anstieg von 2,5 Prozentpunkten des Risikos für eine Blutung des Schweregrads 2 bis 4 in der Nicht-Transfusionsgruppe festgelegt, was einer oberen Grenze des 90 %-Konfidenzintervalls von 3,5 für das relative Risiko entsprach.

    In die primäre Per-Protokoll-Analyse wurden 373 Episoden von ZVK-Platzierungen bei 338 Patienten einbezogen. Katheterbedingte Blutungen des Grades 2 bis 4 traten bei 9 von 188 Patienten (4,8 %) in der Transfusionsgruppe und bei 22 von 185 Patienten (11,9 %) in der Gruppe ohne vorherige Thrombozytentransfusion auf (relatives Risiko, 2,45; 90 % Konfidenzintervall [CI], 1,27 bis 4,70). Katheterbedingte Blutungen des Grades 3 oder 4 traten bei 4 von 188 Patienten (2,1 %) in der Transfusionsgruppe und bei 9 von 185 Patienten (4,9 %) in der Gruppe ohne Transfusion auf (relatives Risiko, 2,43; 95 % CI, 0,75 bis 7,93).

    Insgesamt wurden 15 unerwünschte Ereignisse beobachtet; von diesen Ereignissen wurden 13 als schwerwiegend eingestuft. Hierbei handelte es sich ausschließlich um katheterbedingte Blutungen des Grades 3 (4 in der Transfusionsgruppe und 9 in der Gruppe ohne Transfusion).

    Die Gesamtkosten im Zusammenhang mit Transfusionen und Blutungsereignissen waren in der Transfusionsgruppe höher (Nettoeinsparung, $410 [95 % CI, 285 bis 545). Ein Unterschied, der vor allem auf die Vorabkosten von 682$ pro prophylaktischer Thrombozytentransfusion zurückzuführen war. Allerdings waren die Transfusionskosten in den 24 Stunden nach der Katheterplatzierung in der Gruppe ohne Transfusion höher, da hier häufiger Thrombozytentransfusionen und Transfusionen im Zusammenhang mit auftretenden Blutungen, insbesondere bei Patienten mit einer ursprünglich sehr geringen Thrombozytenzahl, durchgeführt wurden.

    Fazit

    Der Verzicht auf prophylaktische Thrombozytentransfusionen vor Platzierung eines ZVK bei Patienten mit einer Thrombozytenzahl von 10.000 bis 50.000 pro Kubikmillimeter erfüllte nicht die vordefi nierte Toleranzgrenze für Nicht-Unterlegenheit und führte zu mehr ZVK-bedingten Blutungsereignissen. Ob die prophylaktische Transfusion mehrerer Thrombozyteneinheiten bei Patienten mit sehr geringer Thrombozytenzahl sinnvoll sein könnte, sollte, nach Meinung der Autoren, Gegenstand weiterer Studien sein.

    Britta Brudermanns, Köln


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    No conflict of interest has been declared by the author(s).


    Publication History

    Article published online:
    28 February 2024

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