Suchttherapie 2024; 25(S 01): S38
DOI: 10.1055/s-0044-1790385
Abstracts
Symposien
S23 Diversitätsberücksichtigung in der Suchthilfe mit Fokussierung auf Migration, Kulturelle Unterschiede, Sexualitäten und geistige Beeinträchtigung

Zielgruppenspezifische Beratung und Unterstützung von MSM mit Chemsex-Konsummuster in der Aidshilfe Köln (AHK)

Paul Hirning
1   Beratung & Information, Aidshilfe Köln, Köln, Deutschland
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    Hintergrund und Fragestellung: 'Chemsex' bezeichnet Konsummuster – Formen sexualisierten Substanzkonsums, vorrangig unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) – und konstituierende Faktoren der Entstehung und Entwicklung des Phänomens sowie die subkulturellen Kontexte, in denen diese Konsumpraxis stattfindet. Beim Chemsex werden bevorzugt Methcathinone, GHB/ GBL, Methamphetamin, Kokain und Ketamin zur Kontaktgestaltung sowie zur sexuellen Lust- und Leistungssteigerung konsumiert. Soziale Medien für MSM und andere digitale Plattformen spielen eine zentrale Rolle. Chemsex ist mit Risiken für die Gesundheit sowie das Sozial- und Berufsleben assoziiert.

    Methoden/Erläuterung des Versorgungsprojektes: AHK entwickelt seit 2013 Beratungs- und Unterstützungsangebote für Zielgruppe, Hilfesystem und Szene. Beratungsinhalte sind: Safer Use, Kontrollierter Konsum, Konsumreflexion, Rückfallprophylaxe, Vermittlung in Reha. Seit Januar 2023 haben 50 neue Kontakte das Angebot für einmalige oder prozesshafte Beratungen genutzt. Seit 2016 bietet AHK ambulante Nachsorge für Zielgruppe an und hat in diesem Rahmen 40 MSM begleitet. Seit 2023 neues Gruppenangebot für MSM, die ihren Konsum verändern und mit Peers besprechen möchten. Diese Gruppe wird aktuell von bis zu 10 MSM besucht.

    Ergebnisse/Erfahrungen, Erwartungen: Erfahrungen aus Praxis der AHK: Zielgruppe ist heterogen und hat vielfältige Unterstützungsbedarfe. Hoher Anteil von psychischen Komorbiditäten. Neben psychoaktiven Substanzen werden häufig HIV-Medikamente (zur Therapie oder Prophylaxe), Präparate für erektile Dysfunktion, Benzodiazepine, Schlaftabletten und Steroide eingenommen. Konsummuster und Zielgruppen verändern sich, z.B. aktuell hohe Priorisierung von 3-MMC (Cathinon) und GBL. Kontrollierter Konsum von Cathinonen und Methamphetamin für Konsumiende herausfordernd. Intravenöser Konsum von Methamphetamin, Methcathinonen und Kokain, genannt „Slamming“, in Subszenen verbreitet. Sexualität ist zentrales Thema in Beratung. Gestaltung substanzfreier Sexualität und Partizipation in schwuler Szene sind Herausforderungen für abstinente Männer. Vernetzung (lokal, bundesweit, international) ist notwendig und fruchtbar.

    Diskussion und Schlussfolgerung: Angebote können vielfältige Bedarfe der Zielgruppe ansprechen und sollten lebensweltorientiert sein. Chemsex ist ein dynamisches Phänomen: Angebote müssen sich an aktuelle Trends und Bedarfslagen anpassen. Kooperation mit Selbsthilfe und Austausch mit Zielgruppe nützlich. Es fehlen therapeutische Angebote, die Sucht- und Sexualtherapie verbinden.

    Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen: Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, welche die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten. Erklärung zur Finanzierung: Ambulante Nachsorge wird durch Deutsche Rentenversicherung o. Krankenkassen finanziert. 01.01.2023–30.06.2024: Finanzierung der Angebote durch Projektförderung von Gilead Grant voraussichtlich ab 01.07.2024: Finanzierung der Chemsex-Angebote (außer Nachsorge) durch Eigenmittel.


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    Publication History

    Article published online:
    19 September 2024

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