Pneumologie 1999; 53(9): 423-425
DOI: 10.1055/s-1999-9030
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Obturierendes endobronchiales Lipom - bronchoskopische Therapie

Obturating Endobronchial Lipoma - Bronchoscopic Therapy:J. Schreiber1 , B. Hummel1 , R. Osterland2 , H. J. Schumann3 , W. Rosahl1
  • 1Städtisches Klinikum Dessau, Klinik für Innere Medizin (Chefarzt: MR Dr. med. W. Rosahl)
  • 2Internistisch-Allergologisch-Pneumologische Praxis, Dessau
  • 3Institut für Pathologie, Städtisches Klinikum Dessau (Chefarzt: PD Dr. H. J. Schumann)
Further Information

Dr. J. Schreiber

Städtisches Klinikum Dessau Klinik für Innere Medizin Abteilung für Pneumologie

06822 Dessau

Publication History

Publication Date:
31 December 1999 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung:

Es wird der Fall eines 77jährigen Patienten, bei dem ein endobronchiales Lipom eine Dystelektase der Lingula verursacht hat, beschrieben. Das Lipom wurde endoskopisch mit einer Diathermieschlinge vollständig reseziert. Es wird ein Überblick über Häufigkeit, klinische Charakteristika und Therapie endobronchialer Lipome gegeben.

We report on the case of a 77-year old man in whom a lipoma caused occlusion of the lingular bronchus with consecutive dystelectasis. The lipoma was resected via the bronchoscope with a hot snare. The incidence, clinical characteristics and treatment of endobronchial lipomas are described.

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Einleitung

Die Mehrzahl der bronchopulmonalen Neoplasien und somit auch der tumorbedingten Stenosen des zentralen Bronchialsystems sind maligner Genese. Benigne Tumoren sind selten und werden meist nur als röntgenologische Zufallsbefunde oder wenn Stenosierungen des zentralen Bronchialsystems zu Symptomen führen, entdeckt. Benigne Tumoren können sowohl epithelialer (Papillome, Adenome) als auch mesenchymaler (Osteome, Chondrome, Leiomyofibrome, Hämangiome, Lipome) Genese sein. Weiterhin treten neurogene Tumoren, Hamartome, das Plasmazellgranulom und das sogen. Pseudolymphom auf. Endobronchiale Lipome gehören zu den extremen Seltenheiten. Es werden das klinische Bild und die endoskopische Therapie eines obturierenden endobronchialen Lipoms dargestellt.

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Fallbeschreibung

77jähriger Patient ohne bronchopulmonale Vorerkrankungen mit seit ¿ Jahr bestehender produktiver Hustensymptomatik, keine Dyspnoe oder Fieber. Zusätzlich bestehen eine essentielle arterielle Hypertonie und ein Diabetes mellitus Typ 2.

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Klinischer Untersuchungsbefund

Größe 182 cm, Gewicht 95 kg, guter Allgemeinzustand, regelrechter Auskultations- und Perkussionsbefund über Herz und Lungen, übriger Status altersentsprechend unauffällig.

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Laborwerte

BKS 6/16 mm n. W., Hb 14,3 g/dl, Leukozyten 7,3 Gpt/l, Thrombozyten 183 Gpt/l, Differentialblutbild, CrP und Blutgerinnung im Normbereich.

Blutgasanalyse: PaO2 72,4 mmHg, PaCO2 39,5 mmHg, pH 7,44, BE 2,3 mmol/l, StBi 26,4 mmol/l.

EKG: unauffällig.

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Bodyplethysmographie

Inspiratorische Vitalkapazität 3,58 l (83 %Soll), FEV1 2,93 l (94 %Soll), MEF 75 4,52 l/s (62 %Soll), MEF 50 3,74 l/s (89 %Soll), MEF 25 0,72 l/s (50 %Soll), Resistance 0,18 kPa/l/s (61 %Soll), TLC 5,73 l (77 %Soll).

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Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane

Nachweis einer gering ausgeprägten streifigen Zeichnungsvermehrung links parakardial, die sich auf der links frontalen Aufnahme auf die Lingulasegmente projiziert. Volumenreduktion dieser Segmente. Die übrige Lunge, Herz, Zwerchfellkuppeln und knöcherner Thorax sind altersentsprechend unauffällig.

Spiral-CT des Thorax (Abb. [1]): Nachweis einer 1 cm großen, weichteildichten und glatt begrenzten Raumforderung im Lingulabronchus mit Dystelektase der Lingula. Das übrige Lungenparenchym und die Mediastinalstrukturen sind unauffällig.

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Abb. 1Spiral-CT des Thorax. Nachweis eines glatt begrenzten, kugeligen Tumors im Lingulabronchus mit konsekutiver Belüftungsstörung der Lingula.

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Bronchoskopie

Der Lingualbronchus ist durch einen gelb-weißlichen, glatt begrenzten, kugeligen Tumor verschlossen (Abb. [2]).

Histologisch wurde ein Lipom nachgewiesen. Daraufhin erfolgte während einer kombinierten starren und flexiblen Bronchoskopie die endoskopische Tumorabtragung. Nach lokaler Injektion von 0,5 ml Suprarenin 1:10 000 mit einer flexiblen Nadel erfolgte die komplikationslose Durchtrennung des Lipomstiels mit einer Hochfrequenzdiathermieschlinge. Danach wurde das Lipom mit einer Fremdkörperzange entfernt (Abb. [3]). Die Absatzstelle war bei einer Kontrollbronchoskopie nach 48 Stunden reizlos.

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Abb. 2Fiberbronchoskopie: Nachweis eines weißlich-gelben Tumors mit glatter Oberfläche, der den Lingulabronchus vollständig verschließt.

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Abb. 3Makroskopisches Bild des vollständig resezierten Lipoms.

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Histologische Beurteilung des Tumors

Lipomatöser Tumor mit großen, reifen Adipozyten mit univakuolärem Zytoplasma, vereinzelt eingeschlossene serös-muzinöse Bronchusschleimhautdrüsen, keine Atypien, an der Absatzstelle kapillarreiches Granulationsgewebe mit Fibroblasten.

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Diskussion

Obwohl Lipome zu den häufigsten benignen Neoplasien des Bindegewebes gehören, ist ihre endobronchiale Lokalisation extrem selten. In der Mehrzahl liegen nur kasuistische Berichte vor. In einer Serie von insgesamt 185 benignen endobronchialen Tumoren waren nur 6 Lipome [[11]], in einer weiteren wurden im Zeitraum von 1976 - 95 nur 3 endobronchiale Lipome diagnostiziert [[10]]. Eine umfassende Übersicht der Fachliteratur bis zum Jahre 1989 beschreibt 109 publizierte Fälle endobronchialer Lipome [[4]].

Endobronchiale Lipome manifestieren sich, wie auch bei unserem Patienten, in der Regel im höheren Alter. Sie sind vorwiegend in den zentralen Abschnitten des Tracheobronchialsystems meist in den Lappen- oder Segmentbronchien lokalisiert und in der Regel kleiner als 3 cm [[10]]. Periphere Lipome wurden bisher erst 6mal beschrieben [[4]].

Die Symptomatik ist meist blande. Durch Okklusion größerer Bronchien kann es jedoch auch zu ausgedehnten parenchymatösen Veränderungen infolge rezidivierender Pneumonien [[8]] und zur Ausbildung von Bronchiektasen [[12]] kommen. Es wurde auch ein Lipom mit extrabronchialem Wachstum beschrieben [[9]]. Bei unserem Patienten lag bereits eine Okklusion des Lingualbronchus vor. Die Veränderungen des poststenotischen Lungenparenchyms waren jedoch gering.

Als Ursache von benignen mesenchymalen Tumoren werden chromosomale Aberrationen diskutiert [[5]]. Mit molekulargenetischen Untersuchungen wurde eine mögliche kausale Assoziation von Aberrationen des HMGIC-Gens auf der Chromosomenregion 12q15 mit der Entstehung benigner mesenchymaler Tumoren (z. B. Lipome) nachgewiesen [[6]]. Bemerkenswert ist, daß das Risiko einer malignen Entartung bei diesen Aberrationen gering ist [[3]]. In der gesamten recherchierten Literatur fand sich kein Bericht über eine sarkomatöse Entartung eines endobronchialen Lipoms. Es wurde jedoch über die Entwicklung eines Carcinoma in situ im bedeckenden Epithel berichtet [[7]]. Es ist nicht möglich, die Häufigkeit derartiger Veränderungen einzuschätzen, da die Mehrzahl der endobronchialen Lipome mit einem Laser abgetragen wird. In unserem Fall wurde das Lipom vollständig reseziert. Es fanden sich keine Hinweise auf eine maligne Transformation.

Es existieren kaum Daten über den spontanen Krankheitsverlauf endobronchialer Lipome. In einem Fall wurde ein Lipom im linken Oberlappenbronchus ohne Intervention über 4 Jahre beobachtet. Es waren keine makroskopischen Veränderungen nachweisbar, was darauf hindeutet, daß das Wachstum extrem langsam ist [[13]]. Trotzdem besteht Übereinstimmung darin, daß stenosierende endobronchiale Lipome abgetragen werden sollten. Dies erfolgt meist mittels Nd:YAG-Laser [[2], [11]]. Die vollständige und komplikationslose endoskopische Abtragung mit einer Hochfrequenz-Diathermieschlinge wurde bereits 1989 beschrieben [[7]] und war auch bei unserem Patienten problemlos durchführbar. Dieses Verfahren eignet sich besonders für gestielte Tumoren. Die vorherige Injektion einer verdünnten Suprareninlösung in den Tumorstiel hat sich bei Polypektomien in der Gastroenterologie bewährt und war bei unserem Patienten auch im Bronchialsystem mit einer flexiblen Nadel einfach durchführbar. Bei der anschließenden Durchtrennung des Lipomstiels trat keine Blutung auf. Im Gegensatz zur Laserresektion erlaubt die Abtragung mittels Elektroschlinge eine exakte histologische Aufarbeitung des Tumors [[7]]. Eine chirurgische Resektion ist nur bei sehr großen Tumoren, bei extrabronchialem Tumorwachstum, begleitenden destruierenden Lungenveränderungen oder unklarer Dignität des Tumors indiziert [[1], [9], [14]]. Bei unserem Patienten bestand keine Indikation für ein primär chirurgisches Vorgehen. Es wird geschlußfolgert, daß die endobronchiale Anwendung einer Hochfrequenz-Diathermieschlinge in geeigneten Situationen das Instrumentarium der interventionellen Bronchologie sinnvoll ergänzen kann und sicher durchführbar ist.

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Literatur

  • 1 Destito C, Romagnoli A, Carlucci I, Mercuri M, Vulpio C, Wiel Marin A. Endobronchial lipoma: endoscopic resection or surgical excision? Report of a case and review of the literature.  G Chir (Italy). 1995;  16 445-447
  • 2 Dogan R, Unlu M, Gungen Y, Moldibi B. Endobronchial lipoma.  Thorac Cardiovasc Surg. 1988;  8 241-243
  • 3 Hess J L. Chromosomal translocation in benign tumors: the HMGI proteins.  Am J Clin Pathol. 1988;  109 251-261
  • 4 Hirata T, Reshad K, Itoi K, Muro K, Akiyama J. Lipomas of the peripheral lung - a case report and review of the literature.  Thorac Cardiovasc Surg. 1989;  37 385-387
  • 5 Kazmierczak B, Wanschura S, Rosigkeit J, Meyer-Bolte K, Uschinsky K, Haupt R, Schoenmakers E F, Bartnitzke S, Ven W J, Bullerdiek J. Molecular characterization of 12q14-15 rearrangements in three pulmonary chondroid hamartomas.  Cancer Res. 1995;  55 2497-2499
  • 6 Kazmierczak B, Dal Cin P, Wanschura S, Bartnitzke S, Berghe H, Bullerdiek J. Cloning and molecular characterization of part of a new gene to HMGIC in mesenchymal tumors.  Am J Pathol. 1998;  152 431-435
  • 7 Muller L C, Pointner R, Schmid K W, Salzer G M. Endoscopic removal of a pedunculated bronchial lipoma by means of the hot snare.  Endoscopy. 1989;  21 97-98
  • 8 Poirier N C, Perrault L P, Beauchamp G, Filion R. Endoscopic removal of a right lower lobe bronchial lipoma in a high-risk patient: a case report.  Can J Surg. 1994;  37 411-414
  • 9 Saito H, Nishibori T, Kourakata H, Sato K, Ebe T. Bronchial lipoma with extrabronchial growth.  Nihon Kokyuki Shikkan Gakkai Zasshi. 1998;  36 408-412
  • 10 Sekine I, Kodama T, Yokose T, Nishiwaki Y, Suzuki K, Goto K, Nagai K, Kuriyama T. Rare pulmonary tumors - a review of 32 cases.  Oncology. 1998;  55 431-434
  • 11 Shah H, Garbe L, Nussbaum E, Dumon J F, Chiodera P L, Cavaliere S. Benign tumors of the tracheobronchial tree. Endoscopic characteristics and role of the laser resection.  Chest. 1995;  107 1744-1751
  • 12 Simmers T A, Jie C, Sie B. Endobronchial lipoma posing as carcinoma.  Neth J Med. 1997;  51 143-145
  • 13 Suzuki N, Takizawa H, Yamaguchi M, Matsuzaki G, Kiyosawa H, Dohi M, Ishii A, Suko M, Oka T, Ito K. A case of asymptomatic endobronchial lipoma followed for 4 years.  Nippon Kyobu Shikkan Gakkai Zasshi. 1992;  30 1883-1897
  • 14 Yokozaki M, Kodama T, Yokose T, Nishimura M, Yoshida J, Mizokami H, Nagai K. Endobronchial lipoma: a report of three cases.  Jpn J Clin Oncol. 1996;  26 53-57

Dr. J. Schreiber

Städtisches Klinikum Dessau Klinik für Innere Medizin Abteilung für Pneumologie

06822 Dessau

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Literatur

  • 1 Destito C, Romagnoli A, Carlucci I, Mercuri M, Vulpio C, Wiel Marin A. Endobronchial lipoma: endoscopic resection or surgical excision? Report of a case and review of the literature.  G Chir (Italy). 1995;  16 445-447
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  • 14 Yokozaki M, Kodama T, Yokose T, Nishimura M, Yoshida J, Mizokami H, Nagai K. Endobronchial lipoma: a report of three cases.  Jpn J Clin Oncol. 1996;  26 53-57

Dr. J. Schreiber

Städtisches Klinikum Dessau Klinik für Innere Medizin Abteilung für Pneumologie

06822 Dessau

 
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Abb. 1Spiral-CT des Thorax. Nachweis eines glatt begrenzten, kugeligen Tumors im Lingulabronchus mit konsekutiver Belüftungsstörung der Lingula.

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Abb. 2Fiberbronchoskopie: Nachweis eines weißlich-gelben Tumors mit glatter Oberfläche, der den Lingulabronchus vollständig verschließt.

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Abb. 3Makroskopisches Bild des vollständig resezierten Lipoms.