Suchttherapie 2000; 1(3): 117-125
DOI: 10.1055/s-2000-10418
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Behandlungsmaßnahmen in der stationären Rehabilitation Alkohol- und Medikamentenabhängiger und ihr Bezug zu den Dimensionen „Aktivitäten” und „Partizipation” der ICIDH-2-Beta-2[1]

Uwe Zemlin, Peter Missel, Peer Dornbusch, Klaus Ackermann
  • AHG - Allgemeine Hospitalgesellschaft, Aktiengesellschaft, Hilden
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Dr. phil. Uwe Zemlin

Fachklinik Wilhelmsheim

71570 Oppenweiler

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Studie gibt einen Überblick über die häufigsten Behandlungsmethoden in der Rehabilitation Alkohol- und Medikamentenabhängiger und deren Bezug zu ICIDH-2-Beta-2-Dimensionen (WHO, 1999) am Beispiel von 6 Fachkliniken. Die Studie greift auf das „Verzeichnis therapeutischer Leistungen” der Suchtkliniken der Allgemeinen Hospitalgesellschaft, Hilden, zurück, das ca. 300 verschiedene therapeutische Leistungen differenziert. Es werden die Leistungsdaten aller regulär entlassenen Patienten des Entlassjahrganges 1998 (n = 2923) ausgewertet und in Bezug zu den Dimensionen der ICIDH-2-Beta-2 gesetzt. 237 verschiedene therapeutische Leistungen wurden eingesetzt. 47 der auf der zweiten Gliederungsebene ausgeführten Teilbereiche der 8 Aktivitätskapitel und 30 Teilbereiche der 9 Partizipationskapitel der ICIDH-2-Beta-2 sind in den Therapiemaßnahmen berücksichtigt. Die Konzepte der Kliniken weisen einen hohen Grad der Differenzierung und ein breites Spektrum von Behandlungsmethoden auf, in dem Gruppentherapien überwiegen. Die Soziotherapie sollte aufgewertet werden.

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Which Treatment Methods are Used in the Inpatient Rehabilitation of Alcohol and Drug Addicts, and how are the Concepts of the ICIDH-2-Beta-2 taken into Consideration - An Evaluation of the Performance Spectrum of 5 Rehabilitation Clinics in Germany

Objective: Inpatient treatment in rehabilitation clinics is regarded as the most important treatment approach of addictive disorders within a differentiated care network in Germany. The inpatient treatment may take between 4 and 26 weeks, with so-called short-term therapies of 8 weeks duration and so-called long-term therapies of 16 weeks duration being the most common categories. Due to differing traditions in treatment and different orientations in therapy, the inpatient programs are comprised of various methods, which may differ from clinic to clinic regarding their application or main foci. The purpose of this study is to give an overview of the services most commonly taken up in 6 rehabilitation clinics with short-term and long-term treatments and to examine if the therapy services take into account the diagnostic foci of the ICIDH-2-Beta-2 dimensions ”activities“ and ”participation“ (WHO, 1999).

Method: In order to record both the common features and differences of the treatment programs as well as to ensure a obligatory description basis for the evaluation of treatment programs, a performance catalogue was developed by the clinics of the Allgemeine Hospitalgesellschaft, which distinguishes between 300 different individual services in all. The services are assigned to sectors of therapy and described by qualitative features as well as application criteria. The study records the complete services data of all regular discharged patients (N = 2923) in the 6 rehabilitation clinics for 1998. In addition, the exemplary services are assigned according to their main foci of treatment to the items of two of the ICIDH-2-Beta-2 dimensions: ”activities“ and ”participation“. Exemplary results are referred.

Results: All services except medical services were recorded. 237 different services were applied, 147 of which reached more than 2 % of the patients. 47 of 62 on the two level classification specified categories of the 8 ICIDH-activities-chapters and 30 of 40 categories of the 9 ICIDH-participation-chapters were covered by the services (residual categories not taken into account). All rehabilitation clinics provided a broad spectrum of therapy services but showed different performance profiles and therapy foci. Common group therapy, specific group therapies, sports and individual psychotherapy were the most widespread services, each of them reaching more than 95 % of the patients. Sociotherapy reached 91 % of the sample but only small quantities of sociotherapy services were applied in average, although measures were often related to ICIDH-2-Beta-2 dimensions.

Conclusions: The individualized concepts of all 6 clinics show a high degree of differentiation and a wide spread spectrum of treatment services. Group therapies are central in the spectrum of therapy methods. The clinic concepts take into account most of the diagnostic foci of ICIDH-2-Beta-2 by providing adequate therapy services. Sociotherapy should be upvalued.

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Einführung

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Untersuchungsinteresse

In Fachkliniken für Suchtkranke werden nicht erst seit dem Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherung Untersuchungen zur Effektivität der medizinischen Rehabilitation Suchtkranker unternommen. So existiert z. B. in der Allgemeinen Hospitalgesellschaft (AHG) seit vielen Jahren im Rahmen von internen Qualitätszirkeln ein systematischer Austausch zu Fragen der Ergebnisqualität, der auch Fragen der Struktur- und Prozessqualität einbezieht. Dazu wurden in den Kliniken eine Reihe von Instrumenten, wie z. B. eine gemeinsame Basisdokumentation [1], ein Entlassfragebogen [2] und ein gemeinsames Katamnese-Instrument, entwickelt und eingesetzt. Ergebnisse der Begleitforschung werden regelmäßig ausgewertet und zur klinikinternen Qualitätssicherung, aber auch zum fachlichen Austausch innerhalb der Gesellschaft genutzt. Bisherige gemeinsame Untersuchungen der Kliniken fokussierten aber überwiegend die summative Evaluation der Behandlung [3] [4]. Künftige Entwicklungen sollen stärker differenzielle Aspekte beleuchten. Um die Wirksamkeit einzelner Behandlungsmethoden nach international etablierten Standards [5] untersuchen zu können, bedarf es einer differenzierten Beschreibung der einzelnen therapeutischen Maßnahmen, die im Rahmen eines Therapieplanes zum Einsatz kommen. Deshalb wurde 1998 ein weiteres Instrument entwickelt, das das Behandlungsangebot der Kliniken nach gemeinsamen Kriterien beschreibt. Dieses Instrument [6], das Verzeichnis therapeutischer Leistungen (VTL), wurde für den Patientenentlassjahrgang 1998 erstmals eingesetzt. Weiterhin bedarf es präzise formulierter Zielkriterien, um die Effektivität eines Behandlungsprogramms zu untersuchen. Hier eignen sich besonders Kriterien, die einer übergreifenden Zielheuristik entstammen, die von einzelnen Therapietheorien unabhängig ist.

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, eine umfassende Bestandsaufnahme des therapeutischen Leistungsspektrums der AHG-Suchtfachkliniken durchzuführen und damit zur Qualitätsdiskussion und zum Qualitätsmanagement in der Allgemeinen Hospitalgesellschaft als auch zur Diskussion von Behandlungsstandards in der Fachöffentlichkeit beizutragen und weitere differenzielle Untersuchungen anzustoßen. Als theoretische Bezugsgröße wurde die Beta-2-Version der „Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung” [7] gewählt. Sie bietet Bewertungsmöglichkeiten für eine umfassende Leistungsdarstellung, weil sie präzise beschriebene Befundkategorien von Störungen der Funktionsfähigkeit liefert.

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ICIDH-2-Beta-2 und mögliche Implikationen für die Rehabilitation Suchtkranker

Als besonderer Vorteil der ICIDH-2-Beta-2 könnte sich erweisen, dass dort mit den Dimensionen „Aktivitäten” und „Partizipation” eine implizite Zielheuristik für einen angemessen menschenwürdigen Lebensvollzug angelegt ist, die unabhängig von Störungs- und Ätiologiemodellen ist, daher auch auf unterschiedliche therapeutische Ansätze bezogen werden kann und deren Beschreibungskriterien den Therapeuten eine Operationalisierung von individuellen Therapiezielen ermöglichen könnte.

Wie werden die zentralen Dimensionen „Körperfunktionen und -strukturen”, „Aktivitäten” und „Partizipationen” definiert?

Körperfunktionen sind physiologische oder psychische Funktionen von Körpersystemen.

Körperstrukturen sind anatomische Teile des Körpers wie Organe, Gliedmaßen und ihre Bestandteile.” [7, S. 18] Körperfunktionen und Körperstrukturen sind in zwei verschiedenen, aber parallel entworfenen Klassifikationen dargestellt.

Eine Schädigung ist eine „Beeinträchtigung einer Körperfunktion oder -struktur im Sinn einer wesentlichen Abweichung oder eines Verlustes”. [7, S. 18] Sie betreffen den physischen und psychischen Funktionszustand, gemessen an von Fachleuten anerkannten Maßstäben.

Die Auswirkung einer Schädigung für das Leben des Individuums wird über die Kategorien der „Aktivitäten” und der „Partizipation” beschrieben.

„Eine Aktivität bezeichnet die Durchführung einer Aufgabe oder einer Tätigkeit (Aktion) durch eine Person.

Eine Beeinträchtigung der Aktivität ist eine Schwierigkeit oder die Unmöglichkeit für eine Person, die Aktivität durchzuführen.” [7, S. 19]

Die Aktivitäten werden in der ICIDH-2-Beta-2 in 8 Kapiteln ausgeführt (in Klammern die Codes auf der zweiten Gliederungsstufe):

  • Das Kapitel 1 „Aktivitäten des Lernens und der Wissensanwendung” betrifft elementare und komplexe Aktivitäten, „die zum Lernen, zur Anwendung des gelernten Wissens, zum Nachdenken, zum Lösen von Problemen und zum Treffen von Entscheidungen erforderlich sind”. (a110-a199)

  • Kapitel 2 „Aktivitäten der Kommunikation” bezieht sich auf Aktivitäten des Verstehens und der Produktion von gesprochenen, schriftlichen oder nonverbalen Mitteilungen und Aktivitäten zur Konversation. (a210-a299)

  • Kapitel 3 „Elementare Bewegungsaktivitäten” sowie Handhabung von Gegenständen erfasst Körperbewegungen, Veränderung der Körperposition, Verlagerung sowie Halten, Bewegen und Handhaben von Gegenständen. (a310-a399)

  • Kapitel 4 „Aktivitäten der Fortbewegung” bezieht sich auf Fortbewegungsaktivitäten, drinnen und draußen. (a410-a499)

  • In Kapitel 5 „Aktivitäten der Selbstversorgung” werden elementare Aktivitäten wie Körperhygiene und -pflege, Ankleiden, sich ernähren und auf die Gesundheit achten beschrieben. (a510-a599)

  • Kapitel 6 „Häusliche Aktivitäten” umfasst z. B. das Beschaffen von Wohnraum, Lebensmitteln etc., Haushaltsaktivitäten, Reinigung und Instandsetzung usw. (a610-a699)

  • In Kapitel 7 „Interpersonelle Aktivitäten” werden elementare oder komplexe Aktivitäten des Interagierens mit Menschen in einer kontextuell und sozial geeigneten Weise operationalisiert. (a710-a799)

  • In Kapitel 8 „Aufgabenbewältigung und bedeutende Lebensaktivitäten” werden die Anforderungen jeder Art von Aufgaben und Aktivitäten beschrieben, die in wichtigen Lebensbereichen wie Arbeit, Bildung und Ausbildung sowie Freizeitgestaltung erforderlich sind. (a810-a899)

Partizipation ist die Teilnahme oder Teilhabe einer Person in einem Lebensbereich bzw. einer Lebenssituation vor dem Hintergrund ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung, ihrer Körperfunktionen und Strukturen, ihrer Aktivitäten und ihrer Kontextfaktoren (personbezogene Faktoren und Umweltfaktoren).

Eine Beeinträchtigung der Partizipation ist ein nach Art und Ausmaß bestehendes Problem einer Person bezüglich ihrer Teilhabe in einem Lebensbereich bzw. einer Lebenssituation.” [7, S. 21]

Analog der Systematisierung der Aktivitäten werden die Partizipationen in 9 Kapiteln ausgeführt:

  • Kap. 1 „Partizipation an der persönlichen Selbstversorgung” (p110-p199),

  • Kap. 2 „Partizipation an Mobilität” (p210-p299),

  • Kap. 3 „Partizipation am Informationsaustausch” (p310- p399),

  • Kap. 4 „Partizipation an sozialen Beziehungen” (p410- p499),

  • Kap. 5 „Partizipation am häuslichen Leben und an der Hilfe für andere” (p510-p599),

  • Kap. 6 „Partizipation an Bildung und Ausbildung” (p610- p699),

  • Kap. 7 „Partizipation an Erwerbsarbeit und Beschäftigung” (p710-p799),

  • Kap. 8 „Partizipation am Wirtschaftsleben” (p810-p899),

  • Kap. 9 „Partizipation an der Gemeinschaft, am sozialen und am staatsbürgerlichen Leben” (p910-p999).

Der ICIDH-2-Beta-2 liegt, das wird aus dieser Systematisierung deutlich, ein „biopsychosozialer Ansatz” zugrunde. Während also das „medizinische Modell” Behinderung und chronische Erkrankung vorwiegend als ein persönliches Problem sieht, das z. B. von einer Krankheit verursacht wird und das der Behandlung bedarf, und das „soziale Modell” Behinderung und chronische Erkrankungen und damit auch Suchterkrankungen als gesellschaftliches Problem mit gesellschaftlichen Ursachen sieht und damit vor allem gesellschaftliche Veränderungen erfordern würde, leistet das Konzept der ICIDH-2 eine Integration dieser beiden Modelle. Es versucht, „eine kohärente Sicht der verschiedenen Dimensionen der Gesundheit auf biologischer, individueller und sozialer Ebene” [7, S. 25/26] zu ermöglichen und ist daher auch für klinische und gesundheitspolitische Anwendungsbereiche geeignet.

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Fragestellungen

  1. Entspricht das Leistungsspektrum den diagnostischen Foci der ICIDH-2?

  2. Wie lässt sich das therapeutische Gesamtangebot moderner Fachkliniken in der Bundesrepublik am Beispiel von 5 Kliniken der Allgemeinen Hospitalgesellschaft, Hilden, beschreiben, welche Schwerpunkte, Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Programmprofil verschiedener Kliniken zeichnen sich ab?”

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Untersuchungsmethode

Die Klinikstichprobe: In die Auswertung gehen die Leistungsdaten des Entlassjahres 1998 von 6 Suchtkliniken der Allgemeinen Hospitalgesellschaft (AHG) ein, das sind die Fachklinik Bad Tönisstein, die Psychosomatische Fachklinik Münchwies, die Kliniken Daun, d. h. die Fachklinik Thommener Höhe und die Fachklinik am Rosenberg, weiterhin die Klinik Schweriner See sowie die Fachklinik Wilhelmsheim. Eine Klinik führt fast ausschließlich Kurzzeitbehandlungen durch, die anderen Kliniken bieten das gesamte Therapiezeitspektrum von 4 bis zu 26 Wochen an.

Die Patientenstichprobe umfasst die kompletten Entlassjahrgänge des Jahres 1998, das sind 3640 Personen. In die Untersuchung wurden alle regulär entlassenen Patienten, das sind 2923 (80,30 %) Personen aufgenommen, weil sich die Ergebnisse zu den durchschnittlich erbrachten Leistungsmengen besser interpretieren lassen.

Die Stichprobe der therapeutischen Leistungen: Zur Erfassung der therapeutischen Leistungen wurde ein Instrument der Allgemeinen Hospitalgesellschaft eingesetzt, das „Verzeichnis therapeutischer Leistungen” (VTL). Dieses Verzeichnis wurde in enger Anlehnung an die Systematik des offiziellen Klassifikationskataloges therapeutischer Leistungen der Rentenversicherung (KTL) entwickelt. Die therapeutischen Maßnahmen werden im VTL in 8 Bereiche gruppiert, die den traditionellen Leistungsbereichen der Sucht- und Psychosomatikkliniken entsprechen. Es sind dies die Bereiche „Medizin”, „Physiotherapie/Krankengymnastik”, „Ernährung”, „Sport- und Bewegungstherapie”, „Ergotherapie”, „Psychotherapie Einzel” - hier ist auch die psychologische Diagnostik enthalten -, „Psychotherapie Gruppe”, „Indikative Gruppen” und „Soziotherapie”. Das Instrument differenziert ca. 300 beschriebene Leistungen.

Um die Datenmenge noch überschaubar darstellen zu können sowie aus Gründen der Aussagekraft von Durchschnittswerten einzelner Daten wurden nur solche therapeutischen Leistungen ausgewertet, die mindestens bei 2 % der Gesamtstichprobe und bei mindestens 2 % der einzelnen Klinikstichproben appliziert wurden.

Folgende Abfolge der Analyseschritte wurde gewählt:

Für jede Einzelleistung wurde in einer Konsensusgruppe der Autoren der Bezug der Therapieinhalte zu den Kategorien der beiden Dimensionen „Aktivitäten” und „Partizipation” der ICIDH-2-Beta-2 eingeschätzt. Die Ergebnisse werden hier in einer Übersichtstabelle präsentiert.

Anschließend wurde überprüft, welche Kliniken die jeweiligen Einzelleistungen in welcher Häufigkeit anbieten, Mittelwerte für die Gesamtstichprobe berechnet und die niedrigsten und die höchsten Applikationsquoten aus den durchschnittlichen Klinikwerten berechnet. Diese Berechnung liefert Hinweise über die Schwerpunkte der Leistungsprofile der Kliniken und regt einen fachlichen Austausch darüber an, für wen einzelne Leistungen nach Indikationsgesichtspunkten sinnvoll erscheinen. Um die Datenmenge überschaubar zu gestalten, wurden einige therapeutische Leistungen innerhalb der 8 Leistungsbereiche zu Leistungsgruppen zusammengefasst.

Schließlich wurden für die erfassten Leistungen mittlere Leistungsmengen berechnet und ebenfalls mit dem niedrigsten Klinikmittelwert und dem höchsten Mittelwert kontrastiert. Diese Berechnung bzw. dieser Vergleich erlaubt Rückschlüsse und Diskussionen über sinnvolle Leistungsmengen, also darüber, wie viel einer bestimmten therapeutischen Leistung in den einzelnen Kliniken als sinnvoll angesehen wird, und ist ebenfalls als ein Beitrag zur internen Qualitätsdiskussion gedacht.

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Ergebnisse

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Ergebnisse zur Stichprobenbeschreibung und zur Behandlungsdauer

Tab. [1] fasst ausgewählte Daten zur Charakterisierung der Stichprobe zusammen. Die Daten stimmen weitgehend mit den Beschreibungsmerkmalen der im Fachverbund Sucht e. V. [8] vertretenen Kliniken überein. Nennenswerte Abweichungen: Die AHG-Stichprobe enthält einen um 3 % größeren Frauenanteil, einen um 6 % größeren Anteil an verheirateten, zusammenlebenden Personen sowie 7 % weniger Arbeitslose als die Vergleichsstichprobe.

Tab. 1 Stichprobenbeschreibung
VariableKategorienN%
Diagnose und Behandlungsgeschichte
Primärdiagnose SuchtAlkoholabhängigkeit3 47995,6
Medikamenten-/Drogenabhängigkeit 872,4
Andere742,0
Abhängigkeitsdauerbis 5 Jahre72419,9
6-101 15031,6
11-1578021,4
16-2059216,3
über 203279,0
missing data471,3
Zweitdiagnose Sucht305 Alkohol-, Drogen- u. Medikam.missbrauch 1 09530,1
304 Medikamenten-/Drogenabhängigkeit2607,1
häufigste med. Komorbiditätsdiagnosen571 Chron. Leberkrankheit u. -zirrhose1 29535,6
272 Störungen des Lipidstoffwechsels1 12731,0
278 Adipositas56115,4
274 Gicht38210,5
577 Pankreatitis36510,0
401 Essenzielle Hypertonie36210,0
reg. beendete stat. Entwöhnungenkeine2 93780,7
153014,6
2 oder mehr1654,5
missing data8,2
Soziodemografische Daten
Geschlechtweiblich1 00627,6
männlich2 63472,4
Alterbis 20 Jahre3,1
21-301373,8
31-401 06629,3
41-501 49341,0
51-6074520,5
mehr als 601965,4
Familienstandledig92725,5
verheiratet, zusammenlebend1 43139,3
verheiratet, getrennt lebend3589,8
verwitwet1062,9
geschieden80222,0
unbekannt16,4
letzte besuchte SchuleSonderschule551,5
Hauptschule ohne Abschluss1604,4
Hauptschule mit Abschluss1 65445,4
Mittlere Reife98327,0
Fachschule1444,0
Abitur ohne Studium1263,5
Studium ohne Abschluss1052,9
Studium mit Abschluss3589,8
sonstige25,7
unbekannt30,8
BerufsstatusVollzeitbeschäftigung (auch ABM)1 82850,2
Teilzeitbeschäftigung (auch ABM)1173,2
arbeitslos1 18632,6
Rentner/Pensionär1885,2
in Ausbildung/Umschulung391,1
Hausfrau/Hausmann1945,3
sonstige641,8
unbekannt24,7
Zoom Image

Abb. 1 Verteilung der Untersuchungsstichprobe nach Behandlungsdauern.

Die durchschnittliche Behandlungsdauer für die 2923 regulär entlassenen Patienten beträgt 87,2 Tage (vgl. Abb. [1]) und weicht kaum vom Mittelwert der Stichprobe des Fachverbands Sucht ab (85,3 Tage) [8]. Verteilungsspitzen zeichnen sich bei 8 und 16/17 Wochen ab. Dies entspricht den üblichen Kostenzusagen der Rentenversicherung. Während eine Klinik überwiegend 8-wöchige Behandlungsdauern appliziert, weisen alle anderen Kliniken ein Verteilungsmuster auf, in dem alle gängigen Therapiedauern repräsentiert sind.

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Leistungsübersicht

Das VTL enthält ohne den Bereich Medizin, für den 1998 noch keine Daten ausgewiesen werden können, 249 beschriebene therapeutische Leistungen, davon werden 237 in den Kliniken appliziert. 147 Leistungen erreichen mehr als 2 % der Untersuchungsstichprobe, das bedeutet, dass 90 Leistungen jeweils nur bei sehr wenigen Personen angewendet werden (vgl. Tab. [2]). Dies kann als wichtiges Qualitätsmerkmal für eine individualisierte Behandlung gewertet werden: Suchtkliniken bieten auch eine Vielzahl von sehr spezifischen Leistungen für wenige Patienten an. Die Gesamtauswertung umfasst nach Anwendung des 2 %-Selektionskriteriums 147 Leistungen.

Tab. 2 Leistungskategorien pro Therapiebereich
Leistungskategorien pro TherapiebereichAnzahl der Leistungskategorien
Therapiebereichin VTLappliziert≥ 2 % Nutzung
Physiotherapie / Krankengymnastik424017
Ernährung333017
Sport- u. Bewegungstherapie222216
Ergotherapie18179
Psychotherapie Einzel464432
Psychotherapie Gruppe161611
indikative Gruppen474431
Soziotherapie252414

Die Tab. [3] sowie [5]-[8] sind nach demselben Prinzip gegliedert. In der ersten Spalte sind die Leistungsbereiche bzw. in den nachfolgenden Tabellen auch Leistungsgruppen und Einzelleistungen gelistet. In der zweiten Spalte wird die Anzahl der Fachkliniken, die die jeweiligen Leistungen anbieten, genannt. Spalte 3 und 4 nennen die Anzahl der Patienten, die durch diese Leistungen erreicht werden. Daran schließen sich zwei Spalten an, die jeweils die niedrigste und die größte Quote erreichter Patienten in den beteiligten Fachkliniken ausweisen, um Unterschiede in den Leistungsprofilen der Kliniken zu verdeutlichen.

Tab. 3 Leistungsübersicht
Leistungsübersicht appliziert von/bei
LeistungsbereichN FKN Pat.% Pat.Min FK-Qu.Max FK-Qu.
Physiotherapie / Krankengymnastik61 52852,39,373,1
Ernährung61 98467,920,394,6
Sport- und Bewegungstherapie62 84997,591,899,5
Ergotherapie52 18474,794,698,6
Psychotherapie Einzel62 87098,290,4100
Psychotherapie Gruppe62 89399,095,1100
Indikative Gruppen62 79295,579,199,7
Soziotherapie62 66291,164,4100

Alle Kliniken bieten Leistungen aus 7 der 8 Bereiche an. Ergotherapie wird nur in 5 Kliniken angeboten (vgl. Tab. [3]). „Psychotherapie Gruppe” und „Psychotherapie Einzel”, „Sport- und Bewegungstherapie”, „Indikative Gruppen” und „Soziotherapie” erreichen jeweils mehr als 90 % der Untersuchungsstichprobe. Die „Ergotherapie” erreicht in 5 Kliniken ebenfalls über 90 % der Klienten.

Deutliche Unterschiede zeichnen sich in der Nutzung von Physiotherapie und spezifischen Ernährungsangeboten ab. Im Durchschnitt wird auch hier jeweils mehr als die Hälfte der Patienten erreicht, mit erheblichen Unterschieden zwischen den Kliniken.

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Bezüge der Leistungen zu den impliziten Zielen der ICIDH-2-Beta-2-Kapitel

Die 8 Aktivitätskapitel der ICIDH-2-Beta-2 enthalten insgesamt 65 definierte Teilbereiche. Restkategorien wurden nicht berücksichtigt. Bei 47 Teilbereichen können Therapiemaßnahmen der Kliniken zugeordnet werden. 30 von 40 Teilbereichen der 9 Kapitel zur Partizipation sind durch entsprechende Therapiemaßnahmen belegt. Alle therapeutischen Leistungsbereiche weisen sinnvolle und charakteristische Bezüge zur ICIDH-2 auf (vgl. Tab. [4]). Psychotherapeutische Angebote im Einzel- und im Gruppensetting, die Indikativgruppen und die Soziotherapie weisen deutlich die meisten Bezüge auf.

Tab. 4 Leistungsbereiche und Bezüge zu den diagnostischen Foci der ICIDH-2-Beta-2
Bereiche N Pat. LEBezüge zur ICIDH-2-Beta-2 a(Aktivität) p(Partizipation)
Physiotherapie/Krankengymnastik1 528 52,3 %17,0a:135;310;320;330;340;350;360;370;410;420;430;580; p:140;210;220;230;
Ernährung1 984 67,9 %4,05a:135;580;620;630; p:120;140;
Sport- und Bewegungstherapie2 849 97,5 %34,6a:135;310;320;330;340;350;360;370;410;420;430;580;710;720;830; p:140;220;230;430;920;
Ergo-Therapie2 184 74,7 %24,4a:135;140;145;150;225;245;250;255;360;370;650;710;810;820; 825;840;855; p:320;340;350;710;720;730;740;910;920;
Psychotherapie Einzel2 870 98,2 %13,5a:110;115;135;140;145;150;210;220;230;240;250;580;610;620; 710;720;730;740;750;760;810;815;820;825; 830;850;860; p:310;340;410;420;430;510;640;730;830;910;920;930;
Psychotherapie Gruppe2 893 99,0 %100a:110;115;135;140;145;150;210;220;230; 240;250;580;660;710;720;730;740;750;810;815;820;825;830; p:140;310;340;410;430;550;730;740;910;920;
indikative Gruppen2 792 95,5 %16,1a:110;115;135;140;145;150;210;220;230; 245;250;520;580;620;660;710;720;730;740;750;760;810;815;820; 825;830;840;850;855; p:120;140;310;320;340;410;420;430;510;640;710;730;740;830;910;
Soziotherapie2 662 91,1 %4,50a:135;140;145;150;225;230;245;250;255;610;620;630;640;660;730;740;750; 810;815;820;825;830;840;850; p:130;310;320;440;510;520;610;640;710;720;730;740;810;820;830;910;950;
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Ergebnisse zu den einzelnen Leistungsbereichen

Aus dem Bereich Psychotherapie Einzel soll exemplarisch der Bereich der Psychologischen Diagnostik herausgegriffen werden (vgl. Tab. [5]). 2 Kliniken nahmen nicht an der Datenerhebung teil, die Bezugsgröße ändert sich auf 2133 Personen. Nach inhaltlichen Gesichtspunkten ergeben sich 3 Untergruppen. Die zugeordneten diagnostischen Maßnahmen erreichen jeweils übereinstimmend einen sehr hohen Prozentsatz der Klientel, mit hohen Übereinstimmungen zwischen den Kliniken.

Tab. 5 Psychologische Diagnostik
Psychologische Diagnostik appliziert bei(n = 2 133) Anzahl LE Leistungseinheiten
LEISTUNGSGRUPPEN GESAMTN FKN PAT% PATMin FK-QU.Max FK-QU.Min  in FKMax  in FK
Basisdiagnostik, Suchtdiagnostik, Verhaltensanalyse
gesamt (6 DL)4/42 09898,493,999,74,31,25,3
spezielle Diagnostik
gesamt (7 DL)4/42 05696,493,499,61,71,22,6
Behandlungsplanung u. Therapieprozessdiagnostik
gesamt (3 DL)4/41 96792,265,599,12,11,03,8

Einzeltherapie und Einzelgespräche i. e. S. (keine Tabelle) erreichen 78,9 % der Patienten, wobei die verhaltenstherapeutischen Gespräche im Vordergrund stehen. Für jeden Patienten, der Einzelgespräche bekommt, werden durchschnittlich 7 Sitzungen aufgewandt.

Von den sonstigen patientenbezogenen Einzelleistungen sind psychotherapeutische Paargespräche mit 9,4 %, systemische Familiengespräche mit 4,2 %, verhaltenstherapeutische Familiengespräche mit 3,4 % und Beratung von Patienten und Angehörigen mit 3,5 % zu erwähnen.

Tab. 6 Psychotherapie-Gruppe
Psychotherapie-Gruppe appliziert bein = 2 923 Anzahl LE Leistungseinheiten
LeistungsbezeichnungN FKN PAT% PATMin FK-QU.Max FK-QU.Min  in FKMax  in FK
Gruppenpsychotherapie in der Bezugsgruppe
gesamt (4 TL)6/62 87498,394,399,746,035,560,6
Sonstige gruppentherapeutische u. psychoedukative Maßnahmen
702 Anleitung zur gruppenzentrierten Arbeit6/62 64590,575,499,729,44,651,3
707 Vor- u. Nachbereitung SHG 6/61 88664,512,599,62,911,44,0
710 Vorträge Suchtinformation5/51 66056,83,192,614,51,040,6
712 Bereichs-/Vollversammlung4/41 61755,344,599,68,891,412,1
708 Aufnahmeprogramm4/31 39647,894,699,44,581,08,5
706 Gruppenausflug mit Therapeut6/51 29944,440,364,21,281,01,6
711 Vorträge therapierelevante Themen5/41 15439,539,086,018,81,036,2
709 Einführungsseminar4/382528,216,694,71,071,01,2
704 Partner-/Angehörigenseminar6/677326,413,740,71,071,01,2
715 Gruppenbehandlung, sonstige3/158219,9-81,18,05-7,8

Die Psychotherapie in der Gruppe (vgl. Tab. [6]) ist traditionell der bedeutendste Therapiebereich in den Suchtfachkliniken mit dem größten zeitlichen Anteil am Gesamtbehandlungsprogramm. Neben der Gruppentherapie in der Bezugsgruppe, die nahezu alle Patienten erreicht, sind weitere Leistungen für große Teile der Untersuchungsstichprobe zutreffend, wie z. B. Anleitung zur themenzentrierten Gruppenarbeit, Vor- und Nachbereitung von Selbsthilfegruppenbesuchen, Vorträge, Bereichs- und Vollversammlungen und einiges mehr.

Partner- und Angehörigenseminare finden zusätzlich zu den oben referierten Paargesprächen bei 26,4 % der Untersuchungsstichprobe statt.

Tab. 7 Indikative Gruppen
indikative Gruppen appliziert bei (n = 2 923) Anzahl LE Leistungseinheiten
LeistungsgruppenN FKN PAT % PATMin FK-QU.Max FK-QU.Min  in FKMax  in FK
Gruppen zur Substanzabhängigkeit
gesamt SA (6 IG) 5/51 54052,717,099,66,02,111,9
Entspannungstrainings
gesamt E (4 IG)6/61 44249,317,296,04,51,15,3
psychosoziale Kompetenztrainings
gesamt K (14 IG)6/61 62655,623,190,410,53,813,6
problemzentrierte Gruppen
gesamt P (6 IG)5/556119,26,450,17,56,49,9
Sonstige
Sonstige nicht beschrieb. IG6/488230,2entf.entf2,8entfentf

Die indikativen Gruppen (vgl. Tab. [7]) haben zentrale Bedeutung in den Klinikkonzepten. Die insgesamt 30 Indikativgruppen, die das 2 %-Kriterium erfüllen, wurden in 4 Kategorien eingeteilt. Die größte Bedeutung haben offensichtlich die psychosozialen Kompetenztrainings im weiteren Sinne, das sind insgesamt 14 verschiedene Indikativgruppen, die zusammen über 55 % der Klientel erreichen und von denen im Durchschnitt 10,5 Sitzungen von jedem erreichten Patienten genutzt werden. Gruppen, die sich mit der Substanzabhängigkeit i. e. S. befassen, das sind die Gruppen Medikamentenabhängigkeit/-missbrauch, Rückfallprävention, Motivation, Suchtinformation, Alkoholexposition und außerdem Raucherentwöhnung, erreichen ebenfalls über 50 % der Klientel und benötigen im Durchschnitt 6 Sitzungen. Entspannungstrainings erreichen ebenfalls ca. 50 %, werden von allen Kliniken angeboten und benötigen im Durchschnitt 4,5 Sitzungen. Problemzentrierte Gruppen, wie z. B. Stressbewältigung, Arbeitslosigkeit, Depressionsgruppe, Angstbewältigung usw., werden bei 19 % durchgeführt und schlagen insgesamt mit durchschnittlich 7,5 Sitzungen zu Buche. Die Dauern dieser Sitzungen sind im VTL in der Regel mit 100 Minuten festgelegt.

Bei weiteren 30 % der Klientel werden indikative Gruppen durchgeführt, die nicht in der VTL definiert sind, ein Zeichen dafür, dass im Bereich der Indikativgruppen viel konzeptionelle Bewegung ist.

Soziotherapie (ohne Tabelle) gliedert sich in Sozialberatungsleistungen i. e.S sowie spezifische Maßnahmen zur beruflichen Integration. Sozialberatungsleistungen i. e. S., diese umfassen allgemeine Sozialberatung, Planung weiterführender Maßnahmen, Beratung zur wirtschaftlichen Absicherung und Schuldnerberatung, Klärung von rechtlichen Fragen und von Wohnungsfragen, werden von 69,8 % der Untersuchungsstichprobe in Anspruch genommen. Spezifische Maßnahmen zur beruflichen Integration im Rahmen der Soziotherapie nehmen 25,5 % der Patienten in Anspruch. Dabei handelt es sich um spezifische Beratungen, Arbeitsvermittlungen und Belastungserprobungen. Es gibt erhebliche Unterschiede in der Nutzung dieser Angebote. In Kurzzeitbehandlungen spielt die Soziotherapie eine geringe Rolle, in den längeren Behandlungen wird sie deutlich mehr genutzt.

Tab. 8 Ernährung
Ernährungappliziert bei Anzahl LE Leistungseinheiten
LeistungsbezeichnungN FKN Pat.%Pat.Min FK-Qu.Max FK-Qu.Min  in FKMax  in FK
Vorträge, Beratung, Schulungen
gesamt (8 TL)6/51 77260,615,793,85,71,57,2
Kostformen, Diäten
gesamt6/61 14239,15,476,11,311,3
454 Antiatherogene Kost4/270023,949,251,4111
455 Purinarme Kost5/22839,716,123,7111
452 Reduktionskost6/52508,62,718,2111
453 Diabeteskost6/51404,82,79,2111
458 Sonderkost (Pankreaskost u. a.)4/21083,72,211,6111

Die Leistungen zum Bereich Ernährung (vgl. Tab. [8]) lassen sich in zwei Gruppen einteilen. 60 % der Untersuchungsstichprobe erhalten Vorträge/Beratungen/Schulungen, das sind Vorträge zu Gesundheits- und Krankheitsinformation, spezifische Ernährungsberatungen einzeln oder in der Gruppe und Schulungen bei Stoffwechselerkrankungen und bei chronischer Pankreatitis. Bei den Kostformen steht die antiatherogene Kost, eine cholesterinarme Diät, an erster Stelle, was dem hohen Anteil an Fettstoffwechselstörungen entspricht. Aber auch purinarme Kost mit Bezug auf erhöhte Harnsäurewerte bzw. Gicht, Reduktionskost bei Übergewichtigen, Diabeteskost und Sonderkost, in der Regel eine spezielle strenge fettarme Pankreaskost, spielen eine Rolle. Die Kliniken weisen hier unterschiedliche Schwerpunkte auf.

In der Physiotherapie (ohne Tabelle) findet sich ein breites Spektrum applizierter Maßnahmen. Klassische Massage im Sinne von Teilkörpermassage, Fangopackungen, Inhalationsbehandlungen und krankengymnastische Einzelbehandlung werden von der überwiegenden Mehrheit der Kliniken angeboten.

Methoden der Sport- und Bewegungstherapie (ohne Tabelle) werden zwar in allen Kliniken bei der Mehrzahl der Patienten eingesetzt, es gibt aber starke Unterschiede in der Organisation und Nutzung bzw. Gewichtung der einzelnen Leistungen. Hintergrund sind eher prinzipielle Unterschiede in den Therapiekonzepten. Die Ergebnisse geben Anlass, sich in internen Qualitätszirkeln mit den beobachtbaren Unterschieden zwischen den Kliniken zu befassen.

Auch bei der Ergotherapie (ohne Tabelle) erscheint das Bild eher heterogen. Die häufigsten Angebote sind Ergotherapie in der Bezugsgruppe mit 48,5 % und Kunsttherapie in der Bezugsgruppe mit 33,4 %. Weitere Angebote sind Freies Werken (26,6 %), Musiktherapie 13,0 %), Arbeitstherapie (12,6 %), Projektgruppen (8,2 %), Meditatives Malen (8,2 %) und Freizeitkompetenztraining (8,2 %). Die Unterschiede zwischen den Kliniken sind hinsichtlich der Applikationsquote und der Leistungsmenge stark ausgeprägt und sollten ebenfalls in internen Qualitätszirkeln diskutiert werden.

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Schlussfolgerungen

  1. Das „Verzeichnis therapeutischer Leistungen” stellt eine wichtige Ergänzung der Basisassessments in der Rehabilitation Suchtkranker dar, die es in Kombination mit Basisdokumentation, Entlassfragebogen und Katamnese erlauben sollte, künftig differenziertere Programmevaluationen durchzuführen.

  2. Leistungsbeschreibungen stellen aber, auch wenn sie sehr differenziert beschrieben sind, immer nur Projektionsflächen dar, in denen die bestehenden Behandlungsangebote mehr oder weniger gut abgebildet werden können. Daher enthält eine solche Untersuchung notwendigerweise Unschärfen.

  3. Die Fachkliniken weisen in allen genannten Therapiebereichen einen hohen Grad von Differenziertheit und ein umfassendes Spektrum an therapeutischen Leistungen auf. Die beteiligten Kliniken weisen eigene Konzeptschwerpunkte auf und unterscheiden sich in Teilen des Angebotsprofils.

  4. Das Leistungsspektrum deckt weite Bereiche der in den ICIDH-2-Beta-2-Dimensionen „Aktivitäten und Partizipation” implizit enthaltenen Zielbereiche ab. Die diagnostischen Foci der ICIDH-2-Beta-2 scheinen daher grundsätzlich therapeutische Relevanz für die Rehabilitation Suchtkranker aufzuweisen. Es liegt daher nahe, die ICIDH-2 künftig bei der individuellen Formulierung von Therapiezielen, bei der Therapieplanung und bei der Programmevaluation zu nutzen.

  5. Psychotherapeutische Angebote im Einzel- und im Gruppensetting, die Indikativgruppen und die Soziotherapie weisen deutlich die meisten Bezüge zu impliziten Zielen der ICIDH-2-Beta-2 auf.

  6. Die Soziotherapie sollte gemessen an ihren zahlreichen ICIDH-2-Beta-2-Bezügen, die ihre Bedeutung für den Rehabilitationsverlauf beschreiben, ausgebaut werden.

  7. Die Leistungshäufigkeiten und Leistungsmengen geben Anhaltspunkte für die Diskussion, wen bestimmte Leistungen in welchem Umfang erreichen sollten, also für Fragen der Indikationsstellung und Behandlungsplanung.

  8. Die Auswertung der Leistungshäufigkeiten und der Leistungsmengen liefert umfassendes Material für interne Qualitätssicherungsdiskussionen.

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Danksagung

Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken, die an der Erhebung der Daten beteiligt waren.

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Literatur

  • 1 Klein M, Missel P, Ott E, Schneider R, Siemon W, Stehr M  Zemlin U. Basisdokumentation Sucht. Beltz Weinheim; 1990
  • 2 Dehmlow A, Zielke M, Limbacher K. Konzeptionelle Gestaltung und Ergebnisse eines Entlassfragebogens nach stationärer Verhaltenstherapie.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1999;  45 28-34
  • 3 Missel P, Braukmann W, Buschmann H, Dehmlow A, Herder F, Jahrreiss R, Ott E, Quinten C, Schneider B, Zemlin U. Effektivität und Kosten in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker - Ergebnisse einer klinikübergreifenden Katamnese.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1998;  43 55-67
  • 4 Zemlin U, Schneider B, Braukmann W, Buschmann H, Dehmlow A, Herder F, Jahrreiss R, Missel P, Ott E, Quinten C, Roeb W. Effektivität in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker: Ergebnisse einer klinikübergreifenden 1-Jahreskatamnese in 5 Fachkliniken.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1999;  47 60-74
  • 5 Miller W R, Brown J M, Simpson T L, Handmaker N S, Bien T H, Luckie L F, Montgomery H A, Hester R K, Tonigan J S. What Works? A Methodological Analysis of the Alcohol Treatment Outcome Literature. Hester RK, Miller WR Handbook of alcoholism treatment approaches: effective alternatives. Boston; Allyn & Bacon, 1995: 12-44
  • 6 Fachausschuss S ucht des AHG-Wissenschaftsrates. Verzeichnis therapeutischer Leistungen für die stationäre medizinische Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankungen . Hilden; 1998
  • 7 World H ealth Organization. International Classification of Functioning and Disability. Entwurf der revidierten Deutschen Fassung, Stand 10.4.2000. Geneva; Beta-2 draft, 1999
  • 8 Bachmeier R, Funke W, Herder F, Kluger H, Medenwald J, Missel P, Weissinger V, Wüst G. Ausgewählte Daten zur Entwöhnungsbehandlung im Fachverband Sucht e. V. Qualitätsförderung in der Entwöhnungsbehandlung 1999 7

1 Die diesem Beitrag zugrunde liegende Untersuchung wurde bzw. wird auf folgenden wissenschaftlichen Kongressen vorgestellt: Zemlin U & Missel P (2000) Therapeutische Leistungen in der stationären Rehabilitation Alkohol- und Medikamentenabhängiger. [Therapeutic services in the rehabilitation of alcohol- and drug addicts.] Lecture for the 13th congress of the Fachverband Sucht e.V. from the 10th to the 25th May, 2000, in Heidelberg. Scheduled for publication for: Fachverband Sucht e. V. (Ed) Rehabilitation Suchtkranker - mehr als Psychotherapie. Schriftenreihe des Fachverbandes Sucht e. V. - German Council on Alcohol and Addiction GCAA - 24.Zemlin U, Dornbusch P, Missel P, Ackermann K (2000) Which treatment methods are used in the inpatient rehabilitation of alcohol and drug addicts, and how are the concepts of the ICIDH-2-Beta-2 taken into consideration - An evaluation of the performance spectrum of 6 rehabilitation clinics in Germany. Poster presented at the Ninth International Conference on Treatment of Addictive Behaviors, Cape Town, South Africa, September 21-25, 2000.

Dr. phil. Uwe Zemlin

Fachklinik Wilhelmsheim

71570 Oppenweiler

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Literatur

  • 1 Klein M, Missel P, Ott E, Schneider R, Siemon W, Stehr M  Zemlin U. Basisdokumentation Sucht. Beltz Weinheim; 1990
  • 2 Dehmlow A, Zielke M, Limbacher K. Konzeptionelle Gestaltung und Ergebnisse eines Entlassfragebogens nach stationärer Verhaltenstherapie.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1999;  45 28-34
  • 3 Missel P, Braukmann W, Buschmann H, Dehmlow A, Herder F, Jahrreiss R, Ott E, Quinten C, Schneider B, Zemlin U. Effektivität und Kosten in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker - Ergebnisse einer klinikübergreifenden Katamnese.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1998;  43 55-67
  • 4 Zemlin U, Schneider B, Braukmann W, Buschmann H, Dehmlow A, Herder F, Jahrreiss R, Missel P, Ott E, Quinten C, Roeb W. Effektivität in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker: Ergebnisse einer klinikübergreifenden 1-Jahreskatamnese in 5 Fachkliniken.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1999;  47 60-74
  • 5 Miller W R, Brown J M, Simpson T L, Handmaker N S, Bien T H, Luckie L F, Montgomery H A, Hester R K, Tonigan J S. What Works? A Methodological Analysis of the Alcohol Treatment Outcome Literature. Hester RK, Miller WR Handbook of alcoholism treatment approaches: effective alternatives. Boston; Allyn & Bacon, 1995: 12-44
  • 6 Fachausschuss S ucht des AHG-Wissenschaftsrates. Verzeichnis therapeutischer Leistungen für die stationäre medizinische Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankungen . Hilden; 1998
  • 7 World H ealth Organization. International Classification of Functioning and Disability. Entwurf der revidierten Deutschen Fassung, Stand 10.4.2000. Geneva; Beta-2 draft, 1999
  • 8 Bachmeier R, Funke W, Herder F, Kluger H, Medenwald J, Missel P, Weissinger V, Wüst G. Ausgewählte Daten zur Entwöhnungsbehandlung im Fachverband Sucht e. V. Qualitätsförderung in der Entwöhnungsbehandlung 1999 7

1 Die diesem Beitrag zugrunde liegende Untersuchung wurde bzw. wird auf folgenden wissenschaftlichen Kongressen vorgestellt: Zemlin U & Missel P (2000) Therapeutische Leistungen in der stationären Rehabilitation Alkohol- und Medikamentenabhängiger. [Therapeutic services in the rehabilitation of alcohol- and drug addicts.] Lecture for the 13th congress of the Fachverband Sucht e.V. from the 10th to the 25th May, 2000, in Heidelberg. Scheduled for publication for: Fachverband Sucht e. V. (Ed) Rehabilitation Suchtkranker - mehr als Psychotherapie. Schriftenreihe des Fachverbandes Sucht e. V. - German Council on Alcohol and Addiction GCAA - 24.Zemlin U, Dornbusch P, Missel P, Ackermann K (2000) Which treatment methods are used in the inpatient rehabilitation of alcohol and drug addicts, and how are the concepts of the ICIDH-2-Beta-2 taken into consideration - An evaluation of the performance spectrum of 6 rehabilitation clinics in Germany. Poster presented at the Ninth International Conference on Treatment of Addictive Behaviors, Cape Town, South Africa, September 21-25, 2000.

Dr. phil. Uwe Zemlin

Fachklinik Wilhelmsheim

71570 Oppenweiler

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Abb. 1 Verteilung der Untersuchungsstichprobe nach Behandlungsdauern.