Zusammenfassung
Ärztinnen und Ärzte haben in ihrem Berufsalltag
zunehmend mit Menschen zu tun, die langfristig mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen
leben müssen. Neben fundiertem medizinischen Wissen sind somit Kenntnisse über
psychosoziale Einflussfaktoren bei den jeweiligen Krankheitsbildern sowie eine positive Einstellung
zu Behinderten für eine optimale Betreuung unerlässlich. An der Universität Leipzig
wird deshalb innerhalb des sozialmedizinischen Kurses praxisorientiert ein Einblick in Leben mit
Handicaps vermittelt, indem die Studenten in Selbsthilfegruppen und Behinderteneinrichtungen
hospitieren. Bei einer Befragung von 250 Medizinstudenten des 5. Studienjahres vor und nach der
Hospitation wurden neben Motiven für die Studienfachwahl, Berufszielen, ausgewählten
Wertorientierungen und Meinungen zum Fach Sozialmedizin vor allem ihre Einstellungen zu Behinderten
erfasst. Als Vergleichsgruppe wurden 28 Studenten der Förderpädagogik in die Studie
einbezogen.
Es zeigte sich, dass zwar die Förderpädagogikstudenten eine positivere
Haltung gegenüber Behinderten aufweisen, sich jedoch die Einstellung der Medizinstudenten von
der der Gesamtbevölkerung kaum unterscheidet. Auch nach den direkten persönlichen
Kontakten mit Behinderten blieben die Einstellungen, wie eine Zweitbefragung ergab,
unverändert. Es erscheint deshalb notwendig, das praxisorientierte sozialmedizinische Angebot
auszubauen und das Medizinstudium fächerübergreifend stärker an den Belangen
behinderter Menschen zu orientieren.
Attitude of Medical Students Towards Handicapped Persons
In their daily
professional work physicians are increasingly faced with persons who live with chronic diseases or
handicaps. Beyond profound medical knowledge, an understanding of psychosocial factors and a
positive attitude are essential for providing optimal treatment. In order to teach the medical
students of Leipzig University how to balance these factors they are required to visit self-help
groups and institutions for disabled persons as part of the course „Social Medicine”.
250 medical students of the 9th semester filled out a questionnaire designed to assess their
attitudes toward handicapped persons as well as their motivation for choosing the medical
profession. The questionnaire was given twice, once before their visitations and once following. 28
students of special supportive education served as a control group.
While the attitudes of
the medical students were very similar to those of the standard population, the attitudes of the
supportive education students were significantly more positive. A comparison of the results of the
questionnaires before and after the visitations showed that the attitudes of the medical students
remained essentially the same without any obvious changes due to their experiences during the
visitations. This evidence suggests that there needs to be more emphasis in Social Medicine and
medical education in general placed on the problems specific to handicapped people.
Key words
Social
Medicine - Medical Students - Attitudes Towards Handicapped People
Literatur
-
1 Bundesministerium für Arbeit und Soziales .Die Lage der Behinderten und die Entwicklung der
Rehabilitation. Bonn; Eigenverlag 1998
-
2
Meier J, Michel M, Riedel S.
Sozialmedizin im ökologischen Kurs - Leipziger Erfahrungen mit einem
sozialmedizinischen Praktikum.
Gesundh
Wes.
1997;
59
51-55
-
3
Seidel K H, Bergmann Ch.
Entwicklung eines Fragebogens zur Messung der Einstellungen gegenüber
Körperbehinderten.
Heilpädagogische
Forschung.
1983;
10
290-320
-
4 Cloerkes G. Einstellung und Verhalten gegenüber Körperbehinderten. Eine
Bestandsaufnahme der Ergebnisse internationaler
Forschung. Berlin; Marhold 1979
-
5 Cloerkes G. Soziologie der Behinderten. Eine
Einführung Heidelberg; Winter 1997 121
-
6
Inglehart R, Klingemann H D.
Dimensionen des Wertewandels. Theoretische und methodische Reflexionen
anläßlich einer neuerlichen Kritik.
Politische
Jahresschrift.
1994;
37
319-340
-
7 Inglehart R. Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen
Welt. Frankfurt/New
York; Campus 1989
-
8
ten Cate Th J, De
Haes JC JM.
Summative assessment of medical students in the affective
domain.
Medical
Teacher.
2000;
22
40-43
Dr. Steffi Riedel
Universität Leipzig
Institut für Arbeitsmedizin und
Sozialmedizin
Selbständige Abteilung Sozialmedizin
Riemannstr. 32
04107 Leipzig
Email: rieds@medizin.uni-leipzig.de