Suchttherapie 2000; 1(1): 36-37
DOI: 10.1055/s-2000-13135
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Fachklinik Eiterbach

Eiterbach, Hospital for Specialised TreatmentJürgen Rink
  • Fachklinik Eiterbach, Therapieeinrichtungen für Drogenabhängige, Heidelberg
Further Information

Dr. Jürgen Rink

Fachklinik Eiterbach, Therapieeinrichtungen
für Drogenabhängige

Hardtstraße 1

69124 Heidelberg

Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Table of Contents

Das Interesse am Thema Komorbidität entwickelte sich aus der klinischen Praxis. So werden in den Einrichtungen der Fachklinik Eiterbach seit nunmehr 18 Jahren komorbide Patienten in einem integrativen Behandlungssetting im Rahmen von Maßnahmen zur stationären und ambulanten Rehabilitation von Sucht behandelt. Im Sinne einer Präselektion werden bevorzugt Patienten mit Störungen der diagnostischen Kategorien F1 und F2 oder F1 und F3 nach ICD-10 aufgenommen.

Das integrative Behandlungsprogramm für diese komorbiden Patienten, wie auch für „nur Drogenabhängige”, umfasst Elemente des psychoedukativen Ansatzes und orientiert sich hierbei an den Programmen der klassischen stationären Drogentherapie mit gewissen Modifikationen, und es umfasst auch Elemente eines systemisch-konfliktorientierten psychotherapeutischen Ansatzes auf dem Hintergrund der psychotherapeutischen Grundorientierung (Angehörige werden in die Behandlung gezielt mit einbezogen) und schließlich bei Bedarf eine neuroleptische Behandlung der psychisch gehandikapten Patienten.

Das Zusammenleben in allen Einrichtungen ist organisiert nach den Prinzipien der therapeutischen Gemeinschaft mit festgelegten Rechten und Pflichten für alle Beteiligten durch eine verbindliche Hausordnung.

Das gegenwärtige differenzierte Gesamtbehandlungssystem ermöglicht eine optimale Flexibilität im Angebot der Behandlungselemente und auch der Aufenthaltsdauer und bildet die Basis für eine individuelle Therapieplanung.

Zoom Image

Abb. 1 Das Behandlungssystem.

Die individuelle Therapieplanung erfolgt im Rahmen so genannter Indikationskonferenzen auf der Grundlage ausführlicher medizinisch-psychiatrischer und psychologischer Diagnostik im monatlichen Turnus für jeden Klienten und ermöglicht so ein individuelles Behandlungsprogramm mit unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkten und flexibler Kombination einzelner Behandlungselemente. Der Behandlungsplan wird in weiteren Indikationskonferenzen überprüft und fortgeschrieben.

Übergeordnetes Behandlungsziel im Sinne der Leistungsträger ist die Wiederherstellung bzw. die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit auf der Grundlage einer Abstinenzfähigkeit. Zur Erreichung dieser Ziele wird die Fähigkeit zur Konflikt- und Krisenbewältigung wie auch die Entwicklung von Rückfallbewältigungskompetenzen gefördert mit dem Ziel, eine unabhängige und zufriedene Lebensführung zu entwickeln. Dazu werden neue Einstellungen und Verhaltensweisen zu einer selbst gesteuerten, strukturierten Alltagsbewältigung einerseits, wie auch andererseits eine Problematisierung häufig diagnostizierter Störungen der Beziehungs- und Kontaktaufnahme, insbesondere im familiären Kontext gefördert.

Die Einrichtungen der Fachklinik arbeiten mit einem die komorbiden Patienten integrierenden Gesamtbehandlungskonzept mit wesentlichen spezifischen, für die psychisch vulnerablen Patienten wichtigen Modifikationen gegenüber den traditionellen Drogenentwöhnungsprogrammen [1].

Die Frage nach der Ätiologie bzw. der gegenseitigen Bedingtheit der beiden Erkrankungen ist dabei klinisch nur schwer zu beantworten, da viele verwendete Drogen hohe psychopharmakologische Effekte aufweisen und so als psychoseverursachend oder zumindest mitauslösend zu betrachten sind. Andererseits wird die Hypothese der Entwicklung einer Suchtabhängigkeit infolge eines Selbstmedikationsversuchs zur Bewältigung psychotischen Erlebens diskutiert. Für die Arbeit der Fachklinik wird das Modell der interaktiven Komorbidität im Sinne von Gross [2] präferiert, wodurch ganz pragmatisch das Glatteis diagnostischer Kausalitätsabwägungen umgangen wird (zur theoretischen Fundierung und Begründung des Behandlungskonzeptes siehe [3]).

Ergebnisse empirischer Untersuchungen zeigen eine gute Compliance dieser Patienten mit dem Behandlungsprogramm, was sich unter anderem in einer geringen Abbruchquote manifestiert [4.]

#

Ergebnisse einer Vergleichsuntersuchung

Hinsichtlich diverser soziodemografischer Eingangs- und Verlaufsdaten liegen uns für einen über siebenjährigen Zeitraum Vergleichsdaten für die Patientengruppen mit und ohne zusätzliche Psychose vor:

Untersuchungszeitraum 5/90-12/98 n = 869
davon komorbide Patienten n = 366

Signifikante Unterschiede bei den Mittelwerten beider Gruppen ergaben sich bei folgenden Items:

Komorbide Patienten

  • sind häufiger ledig

  • haben häufiger weiterführende Schulen besucht

  • sind beruflich besser ausgebildet

  • wohnen häufiger noch bei den Eltern

  • haben weniger Schulden

  • haben weniger Verstöße gegen das BtmG

  • waren weniger oft inhaftiert

  • waren dafür häufiger in der Psychiatrie

  • gaben Cannabis und Alkohol häufiger als ihre Hauptdrogen an

  • waren weniger häufig rückfällig während der Therapie

  • werden weniger häufig disziplinarisch entlassen

  • waren durchschnittlich länger in der Klinik

  • wurden weniger häufig wieder aufgenommen

Neben eher plausiblen Unterschieden bei den Eingangsdaten erscheinen uns die Ergebnisse bei den Verlaufsdaten besonders erwähnenswert und interpretationswürdig: Mag die geringe Quote an disziplinarischen Entlassungen bei den komorbiden Patienten auch mit einer wohl toleranteren „sanfteren” Umgangsweise der Therapeuten mit dieser Personengruppe zu erklären sein, so lässt sich dennoch nicht übersehen, dass komorbide Patienten während der Behandlung wesentlich seltener rückfällig wurden und weniger häufig wieder aufgenommen wurden, was durchaus auch einen Rückschluss auf den weiteren Verlauf nach der Entlassung zulässt.

Anhand der vorliegenden Daten, auf dem Hintergrund einer inzwischen 15-jährigen Erfahrung mit diesem integrativen Konzept, dürfen wir behaupten, dass eine integrative Behandlung komorbider Patienten mit dem vorliegenden Konzept nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll und erfolgversprechend ist.

#

Literatur

  • 1 Rink J, Jörg R. (Re)integration ins Erwerbsleben für PatientInnen mit Komorbititätsdiagnose. In: Praxis der klinischen Verhaltensmedizin und Rehabilitation 1996 9 (Bd 33): 31-38
  • 2 Gross J. Bemerkungen zur Sucht-Psychose-Komorbidität. In: Schwoon D, Krausz M Psychose und Sucht Freiburg; Lambertus 1992
  • 3 Heidelberger Institut für Suchtforschung, Therapie und Beratung .4. überarbeitete und erweiterte Fassung des begutachteten wissenschaftlichen Therapiekonzeptes. Eigendruck 1999
  • 4 Rink J, Körkel J, Schindler C, Gantner R. Diagnose abstinenzbezogener Kompetenzüberzeugungen bei Abhängigen illegaler Drogen. In: Suchtbehandlungen: Enthüllungen und Notwendigkeiten Geesthacht; Neuland 1999

Dr. Jürgen Rink

Fachklinik Eiterbach, Therapieeinrichtungen
für Drogenabhängige

Hardtstraße 1

69124 Heidelberg

#

Literatur

  • 1 Rink J, Jörg R. (Re)integration ins Erwerbsleben für PatientInnen mit Komorbititätsdiagnose. In: Praxis der klinischen Verhaltensmedizin und Rehabilitation 1996 9 (Bd 33): 31-38
  • 2 Gross J. Bemerkungen zur Sucht-Psychose-Komorbidität. In: Schwoon D, Krausz M Psychose und Sucht Freiburg; Lambertus 1992
  • 3 Heidelberger Institut für Suchtforschung, Therapie und Beratung .4. überarbeitete und erweiterte Fassung des begutachteten wissenschaftlichen Therapiekonzeptes. Eigendruck 1999
  • 4 Rink J, Körkel J, Schindler C, Gantner R. Diagnose abstinenzbezogener Kompetenzüberzeugungen bei Abhängigen illegaler Drogen. In: Suchtbehandlungen: Enthüllungen und Notwendigkeiten Geesthacht; Neuland 1999

Dr. Jürgen Rink

Fachklinik Eiterbach, Therapieeinrichtungen
für Drogenabhängige

Hardtstraße 1

69124 Heidelberg

Zoom Image

Abb. 1 Das Behandlungssystem.