Einleitung
Die COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) ist charakterisiert durch eine strukturelle und funktionell vorwiegend exspiratorisch wirksame Behinderung des Atemflusses, deren Ausmaß sich innerhalb einer Beobachtungszeit von einigen Monaten nicht spontan bessert. Die Atemwegsobstruktion ist in der Regel progredient, im Gegensatz zum Asthma bronchiale wenig variabel und nach inhalativer Gabe eines kurzwirksamen β2 -Agonisten kaum reversibel (FEV1 -Verbesserung < 10 %) [[1 ], [2 ]]. Folgende Symptome können bei diesem Krankheitsbild auftreten: chronischer Husten, Auswurf und Atemnot vor allem bei körperlicher Belastung und bei Infekten [[3 ]]. Weitere funktionelle Charakteristika dieser Erkrankung sind eine Überblähung der Lunge und eine Reduktion der Diffusionskapazität [[3 ]
[4 ]
[5 ]].
Pathophysiologie der COPD und Rationale einer Kortikosteroidtherapie
Der COPD liegt eine über Jahre hinweg progredient verlaufende, meist durch exogene Noxen ausgelöste Erkrankung zugrunde. Die exogene Schadstoffbelastung der Lunge (insbesondere langjähriges Zigarettenrauchen) führt bei disponierten Individuen zu einer Entzündung im bronchialen und peribronchialen Gewebe mit Infiltration von Entzündungszellen und Freisetzung proinflammatorisch wirkender Zytokine, einer glandulären Hypertrophie, einer peribronchialen Fibrose und in der Folge zu einer Atemwegsobstruktion. Außerdem kommt es zu einer Destruktion des elastischen Lungengerüstes und einer Erweiterung der terminalen Atemwege und Alveolen mit Ausbildung eines Emphysems. Der Ausprägungsgrad bronchitischer und emphysematöser Komponenten variiert individuell [[6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]].
Die meisten nationalen und internationalen Richtlinien empfehlen in Analogie zum Asthma bronchiale den Einsatz von Glukokortikosteroiden nicht nur zur Behandlung von Exazerbationen, sondern auch zur Therapie der stabilen COPD, obwohl sich der Entzündungsprozess und der klinische Verlauf einer COPD von dem des Asthma bronchiale grundlegend unterscheidet [[1 ], [3 ]
[4 ]
[5 ], [11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]]. Diesen Empfehlungen liegt die Annahme zugrunde, dass durch Glukokortikosteroide eine Hemmung des schleichend verlaufenden Entzündungsprozesses erzielbar ist, und somit die beschleunigte Lungenfunktionsverschlechterung verlangsamt werden könne.
Epidemiologische Daten bestätigen, dass häufig bei der Verordnung inhalierbarer Kortikosteroide nicht zwischen COPD und Asthma unterschieden wird. Nahezu 2 /3 aller Patienten mit einem Asthma bronchiale bzw. einer COPD werden damit therapiert [[15 ]
[16 ]
[17 ]]. Der therapeutische Nutzen einer Langzeittherapie mit inhalierbaren Kortikosteroiden ist allerdings nur beim Asthma bronchiale zweifelsfrei belegt. Die Datenlage bei COPD ist dagegen unklar. Von 1998 bis heute sind vier große Langzeitstudien (Laufzeit 6 Monate und 3 Jahre, Probandenzahl bei Studienende jeweils > 200) veröffentlicht worden (s. u.), in denen die Frage nach der Effizienz einer inhalativen Dauerbehandlung mit Glukokortikosteroiden bei Patienten mit einer stabilen COPD untersucht wurde. Die Ergebnisse haben zu erneuten Kontroversen über den Sinn des Einsatzes von topischen Glukokortikosteroiden bei der COPD geführt [[18 ]
[19 ]
[20 ]
[21 ]
[22 ]]. Ein Expertengremium hat deshalb versucht, diese Studien kritisch zu werten. Dabei ging es vor allem um die Frage, inwieweit die Ergebnisse dieser Studien eine Entscheidungsgrundlage für die Verordnung von inhalativen Kortikosteroiden in der Langzeittherapie der klinisch stabilen COPD bilden können. Dem Gremium ist bewusst, dass in Bezug auf die gewählten Substanzen, die Dosis, die Therapiedauer, die Reevaluationszeitpunkte und die Wahl der klinischen Erfolgsparameter nur wenige oder gar keine wissenschaftlich evaluierten Studien vorliegen und daher eine allgemeine Empfehlung auf dem Boden der evidence based medicine nicht erfolgen kann. Bei der in diesem Beitrag formulierten Vorgehensweise zur Langzeittherapie stabiler COPD-Patienten mit inhalativen Glukokortikosteroiden handelt es sich um einen sowohl auf den aktuellen Publikationen (s. u.) als auch auf persönlichen Erfahrungswerten basierenden Vorschlag. Unberücksichtigt bleibt die Beurteilung der Verwendung systemischer Steroide in der zeitlich limitierten Therapie der akuten Exazerbation, für die es eine gute und wissenschaftlich begründete Datenlage gibt [[43 ]].
Vergleich der vier Langzeitstudien
Alle vier bewerteten klinischen Prüfungen evaluierten die Effektivität inhalierbarer Kortikosteroide in der COPD-Langzeittherapie. Es handelt sich bei allen um randomisierte plazebokontrollierte und doppelverblindete Parallelgruppen-Studien. Die Studiendauer betrug bei EUROSCOP (European Respiratory Society Study on Chronic Obstructive Pulmonary Disease), ISOLDE (Inhaled Steroids in Chronic Obstructive Lung Disease in Europe) und der Copenhagen City Lung Study (CCL) jeweils drei Jahre und bei der von Paggiaro et al. veröffentlichten Untersuchung 6 Monate (Tab. [1a ] u. [1b ]).
Tab. 1 a COPD-Langzeitstudien zur Wirksamkeit inhalativer Glukokortikosteroide: Studienaufbau und Basisdaten der rekrutierten Patientenkollektive (Erklärung der Abkürzungen siehe Tab. 1b)
CCL Paggiaro EUROSCOP ISOLDE
Ausgangsparameter
Design monozentrisch, national, epidemiolo-gische Feldstudie Multizenter, international, Pat. aus 13 Krankenhäusern Multizenter, international, Pat.-Rekru-tierung: Medienkampagne Multizenter, national, Pat. aus 18 Kranken-häusern UK
Studiendauer 3 Jahre
1 /2 Jahr 3 Jahre 3 Jahre
FEV1 -Reversibilitätstest < 15 % (Terbutalin) < 15 % oder < 200 ml (Salbutamol) ≤ 10 % (Terbutalin) < 10 % (Salbutamol)
Studienmedikation BUD-TH (1 /2 Jahr): 800/400 μg morg./abd. BUD-TH (30 MO.) 400 μg 2×/Tag FP (1 /2 Jahr): 500 μg 2×/Tag (MDI + Spacer) Beginn mit 3-MO Raucherentwöhnungs-programm (10 % Erfolg), dann BUD-TH 400 μg 2×/Tag oral Prednisolon 0,6 mg/kg/Tag/2 WO FP 500 μg 2×/Tag/3 Jahre
Patientenzahl 622 run-in-Phase290 randomisiert203 Studierende 365 run-in-Phase281 randomisiert235 Studierende 2157 run-in-Phase1277 randomisiert912 Studierende 990 run-in-Phase751 randomisiert387 Studierende
Pat. Γ/E Plazebo:BUD: 90/5585/60 Plazebo:FP: 108/2199/43 Plazebo:BUD: 464/179466/168 Plazebo:FP: 278/97282/94
Alter (Jahre) Plazebo:BUD: 59,1 ± 9,759,0 ± 8,3 Plazebo:FP: 64 (50 - 75)62 (49 - 75) Plazebo:BUD: 52,4 ± 7,752,5 ± 7,5 Plazebo:FP: 63,863,7
Raucherstatus (%)aktivnie BUD 75,9; Plazebo 77,2BUD 3,4; Plazebo 4,8 FP 49; Plazebo 49? 100 % der Probanden FP 36; Plazebo 39FP 17; Plazebo 15
Ex-Raucher ? FP 51; Plazebo 50 FP 47; Plazebo 46
Pat. ausgeschieden Plazebo:BUD: 5136 Plazebo:FP: 1927 Plazebo:BUD: 189176 Plazebo:FP: 195160
Exazerbationen vor Studienbeginn 0,36/Patient/A ? < 0,2/Patient/A 1,33/Patient/A
FEV1 (l und %soll ) vor Studienbeginn Plazebo:BUD: 2,39 ± 0,9 l86,9 ± 21,1 %soll 2,36 ± 0,98 l86,2 ± 20,6 %soll
Plazebo:FP: 1,52 ± 0,62 l55 ± 17 %soll 1,60 ± 0,58 l59 ± 18 %soll
Plazebo:BUD: 2,5 ± 0,64 l76,9 ± 13,2 %soll 2,5 ± 0,64 l76,8 ± 12,4 %soll
Plazebo:FP: 1,40 ± 0,48 l50,0 ± 14,9 %soll 1,42 ± 0,47 l50,3 ± 14,9 %soll
Tab. 1 b COPD-Langzeitstudien zur Wirksamkeit inhalativer Glukokortikosteroide: Ergebnisse. Der Health-Status wurde mit dem St. George's Respiratory Questionaire (SGRQ) erhoben ([[8 ]]). EUROSCOP = European Respiratory Society Study on Chronic Obstructive Pulmonary Disease, ISOLDE = Inhaled Steroids in Chronic Obstructive Lung Disease in Europe, CCL = The Copenhagen City Lung Study, Paggiaro = Studie von Paggiaro et al. (1998) [[23 ], [25 ], [42 ]]. PJ = Packungsjahre (pack-years), FP = Fluticason-Propionat, BUD = Budesonid, * = signifikant (mindestens p ≤ 0,05) gegenüber Plazebo, ? = Inkonsistenz der Angaben (z. B. Patientenzahlangaben stimmen nicht miteinander überein) oder keine Daten verfügbar oder unvollständig, TH = Turbohaler, MDI = Metered Dose Inhaler (Dosieraerosol), FEV1 = Ein-Sekundenwert, MO = Monat, WO = Wochen, A = Jahr, BBS = Borg (breathlessness) Score
CCL Paggiaro EUROSCOP ISOLDE
Ergebnisse
FEV1 -Abfall BUD:Plazebo: -45,1 ml/A-41,8 ml/A FP:Plazebo: +110 ml (Anstieg)*-40 ml (Abfall) BUD:Plazebo: -46,7 ml/A*-60,0 ml/A FP:Plazebo: -50 ml/A-59 ml/A
Differenzierung des Effektes auf FEV1 -Verbesserung kein Effekt Anstieg des FEV1 in der FP-Gruppe innerhalb des Studienzeitraums (6 MO) 0 - 6 Monate (BUD/Plazebo): FEV1 +17 (Anstieg)/-81 ml;Abhängigkeit zum Zigarettenkonsum im 3-Jahres-Zeitraum:≤ 36 PJ FEV1 -40/-63 ml/A;> 36 PJ FEV1 -50/-53 ml/A innerhalb der ersten 3 Monate FEV1 -Wert:
FP:Plazebo: 1,44 l*1,37 l
nach 3 Jahren:
FP: 1,3 l*
Plazebo: 1,2 l VC-Anstieg ? FP: 0,33 l* ? ?
MEF50-Anstieg ? FP: 0,14 l/s* ? ?
Exazerbationen (gesamt) BUD: 155 FP: 76 ? FP: 0,99/A/Pat*
Plazebo: 161 Plazebo: 111 ? Plazebo: 1,32/A/Pat
Plazebo: häufiger schwere Exazerbationen* hohe Signifikanz bei FEV1 ≤ 1,25 l
Borg Score (BS)Health Status (HS) ? FP: sign. Effekt im BS, Husten sign. geringer* ? HS-ΔScore:Plazebo: FP 2,05*3,24
6-min walking test ? FP: 409 → 442 m* ? ?
Plazebo: 395 → 412 m
Sonstiges BUD hat keinen zus. pos. Effekt bei nicht mehr rauchenden COPD-Patienten ?
Copenhagen City Lung Study
Die CCL-Studie untersuchte 203 Patienten (bei Studienende). Sie unterscheidet sich von den drei anderen bewerteten Studien in mehrfacher Hinsicht: a) strikter Ausschluss aller Patienten mit einer Reversibilität der Atemwegsobstruktion. b) In den ersten 6 Monaten wurde mit Budesonid (Turbohaler) 800 μg morgens und 400 μg abends therapiert, wonach sich eine Dosis mit 2 × 400 μg/Tag anschloss. c) Die FEV1 der COPD-Patienten betrug durchschnittlich 2,4 l (86,2 - 86,9 %soll ) und war damit gegenüber den drei anderen Studien am besten. d) Der Raucheranteil betrug ca. 70 %. In der CCL-Studie ergab sich weder in den ersten 3 - 6 Monaten noch bis zum Studienende ein Therapieeffekt durch die inhalative Budesonid-Therapie [[23 ]].
EUROSCOP
Die EUROSCOP-Studie war die umfangreichste Langzeitstudie. Von 1277 rekrutierten Patienten schlossen 912 die Untersuchung nach 3 Jahren ab. Behandelt wurden nur leichtgradig funktionell eingeschränkte, initial rauchende COPD-Patienten mit einem Ausgangs-FEV1 von im Mittel 77 %soll . Nach einer dreijährigen inhalativen Budesonid-Therapie (400 μg 2×/Tag mittels Turbohaler) sank die FEV1 in der Plazebogruppe um -60,0 ml/Jahr (ΔFEV1 = -5,3 %soll ), in der behandelten Gruppe um -46,7 ml/Jahr (ΔFEV1 = -4,3 %soll ; p = 0,05). Dieser Unterschied resultierte ausschließlich aus dem signifikanten (p < 0,001) Therapieeffekt während der ersten sechs Monate (Tab. [1b ]). Es profitierte vor allem die Gruppe der leichten Zigarettenraucher (≤ 36 Packungsjahre), nicht aber jene, die mehr rauchten (Tab. [1b ]). Die Budesonid-Therapie war ohne Wirkung in der kleinen Gruppe der Ex-Raucher (10 % während der Studie) [[24 ]].
Paggiaro-Studie
Die Paggiaro-Studie wurde über einen Behandlungszeitraum von 6 Monaten durchgeführt. 50 % der eingeschlossenen Patienten waren Raucher. Die untersuchten Patienten wiesen wie in der ISOLDE-Studie eine mittelschwer eingeschränkte Lungenfunktion auf (FEV1 zwischen 1,5 [55 %soll ] und 1,6 l [59 %soll ]) und waren auch bezüglich der Altersverteilung ähnlich (Tab. [1a ]). Während in der Verumgruppe (Fluticason 2 × 500/Tag mittels Dosieraerosol) die FEV1 in Übereinstimmung mit den anderen o. g. Langzeitstudien um ca. 0,1 l zunahm (p < 0,001), sank die FEV1 in der Placebogruppe von 1,52 l auf 1,48 l. 29 % der Patienten der Verum- zeigten gegenüber 18 % der Placebogruppe eine FEV1 -Zunahme um mindestens 10 %. Fluticason bewirkte eine signifikante Verbesserung des morgendlichen Peak-Flows (PEF; p < 0,001), der Vitalkapazität (p < 0,001) und der MEF50 (p = 0,01). Außerdem verbesserten sich die Symptome Husten (p = 0,004), Sputummenge (p = 0,016) sowie die 6-Minuten-Gehstrecke (p = 0,032). Diese Parameter wurden in den anderen Studien nicht gemessen [[25 ]].
ISOLDE
Die ISOLDE-Studie beendeten 387 COPD-Patienten. Sie unterscheidet sich von den anderen besprochenen Studien in mehrfacher Hinsicht: a) schlechtere Lungenfunktion bei Studienbeginn (mittlere FEV1 nach Bronchodilatation: 1,4 l; = 50 %soll ), b) in der Vorphase der Studie 2-wöchige systemische Glukokortikosteroidgabe, c) höhere Glukokortikoidsteroiddosis (1000 μg/Tag Fluticason), d) höheres mittleres Alter der Probanden (ca. 64 Jahre) und e) im Anteil der nicht mehr rauchenden Probanden (ca. 50 %; Tab. [1a ]). Nach drei Jahren ergab sich ein FEV1 -Abfall von -59ml/Jahr in der Placebo- und -50 ml/Jahr in der Fluticason-Gruppe (p < 0,001). Wie bei EUROSCOP resultierte dieser Unterschied überwiegend aus den ersten 3 - 6 Behandlungsmonaten, in denen in der Verumgruppe kein FEV1 -Verlust zu beobachten war. In den folgenden Monaten war der FEV1 -Verlust in beiden Gruppen jedoch nahezu identisch. Die mittlere Exazerbationshäufigkeit/Patient/Jahr der Fluticasongruppe war um ca. 25 % geringer, als die der Placebogruppe (p = 0,026; 1,32/Jahr vs. 0,99/Jahr). Die Signifikanz ergab sich u. a. durch den insgesamt besten Effekt bei den Patienten mit der schlechtesten Lungenfunktion (FEV1 ≤ 1,25 l) (S. Burge: Vortrag auf der Jahrestagung der European Respiratory Society in Genf 1998) und durch die hohe Anzahl der Patienten (25 % im Vergleich zur Verumgruppe), die wegen rezidivierender Exazerbationen aus der Placebogruppe ausgeschlossen werden mussten. Der Gesundheitszustand (Health status gemessen mittels St. George's Respiratory Questionaire [SGRQ]) verschlechterte sich in der Placebogruppe um 3,2 units/Jahr und um 2,1 units/Jahr in der Fluticason-Gruppe (p = 0,003). Die Vorbehandlung mit systemischen Glukokortikosteroiden ließ keine Rückschlüsse auf die Effekte inhalativer Steroide in der Langzeittherapie zu [[26 ]].
Bewertung
Drei der Langzeitstudien (ISOLDE, EUROSCOP, Paggiaro) zeigten einen zwar signifikanten, aber sehr geringen und daher klinisch fraglich relevanten Effekt inhalierbarer Glukokortikosteroide auf die Lungenfunktion mit Verlangsamung des FEV1 -Abfalls um ca. 10 - 12 ml/Jahr bzw. eine geringe Zunahme der FEV1 während des ersten halben Jahres. Die errechnete Signifikanz ergab sich ausschließlich aus dem Effekt der ersten 3 - 6 Monate nach Therapiebeginn. Nur eine Untersuchung (CCL), in der alle Patienten mit einer Reversibilität der Atemwegsobstruktion durch eine vorherige β2 -Mimetika- und Steroidtherapie konsequent ausgeschlossen wurden, war gänzlich negativ. Offenbar ist ein positiver Medikamenteneffekt abhängig von der Zahl der gerauchten Zigaretten: Je weniger Zigaretten geraucht wurden, umso besser spricht die Lungenfunktion auf inhalierbare Steroide an. Eine völlige Abstinenz erbrachte den größten Nutzen. Ein zusätzlich signifikanter Effekt durch inhalatives Budesonid war nicht erzielbar (EUROSCOP). Damit wurden frühere Ergebnisse, insbesondere die der Lung Health Study, bestätigt [[27 ]]. Schwerkranke Patienten (FEV1 ≤ 1,25 l) scheinen nach den Ergebnissen der ISOLDE-Studie ebenfalls besser als die weniger schwer betroffenen Patienten auf die inhalative Steroidtherapie anzusprechen (schweregradabhängiger Therapienutzen). Patienten mit einer FEV1 von > 2,3 l bzw. FEV1 ≥ 86 %soll haben dagegen keinen Nutzen. Neben den Effekten auf die Lungenfunktion zeigten zwei Studien (Paggiaro, ISOLDE) eine signifikante und die CCL tendentiell eine Reduktion der COPD-Exazerbationsraten in ihren jeweiligen Verumgruppen. Nur in einer Untersuchung (Paggiaro-Studie) wurden Untergruppen definiert: Responder mit einer FEV1 -Verbesserung von mindestens 10 % des Ausgangswertes und Non-Responder [[25 ]]. Ergebnisse anderer, an kleineren Patientenkollektiven durchgeführten Untersuchungen deuten auf eine Responderrate auf inhalierte Kortikosteroide von ca. 10 % hin [[28 ]
[29 ]
[30 ]]. Bourbeau et al. (1998) fanden bei Steroid-Non-Respondern auch in den Sekundärvariablen (Belastungsfähigkeit, Lebensqualität, Symptome) keine signifikante Beeinflussung nach einer 6-monatigen hochdosierten inhalativen Budesonid-Therapie (1,6 mg/Tag; n = 66 bei Studienende) [[31 ]].
Anforderungen an eine effiziente inhalative antientzündliche Langzeittherapie
Folgende Anforderungen sind an ein wirksames Therapeutikum in der COPD-Behandlung zu stellen:
Senkung der Mortalität
Senkung der Morbitität
Reduktion der Zahl von Exazerbationen
Reduktion von Notfallbehandlungen
Steigerung der Belastungsfähigkeit im täglichen Leben
Besserung der Lungenfunktion (FEV1 ) bzw. Minderung der Progression im Sinne einer Reduktion des jährlichen FEV1 -Abfalls
Steigerung der Lebensqualität
Besserung sozioökonomischer Faktoren
Senkung der Arbeitsunfähigkeitstage
Senkung der Krankenhauseinweisungen und Krankenhaustage
Obwohl in den meisten Untersuchungen die FEV1 als primärer Endpunkt definiert wurde, erscheinen die anderen o. g. Variablen für die Praxis und die betroffenen Patienten nicht minder bedeutungsvoll. Eine Studie, die den Effekt inhalativer Glukokortikosteroide auf die Mortalität stabiler COPD-Patienten untersucht, ist bisher nicht publiziert worden.
Probleme bei der Interpretation der Studienergebnisse
Die Ergebnisse der bewerteten Untersuchungen legen nahe, die Indikation einer Glukokortikosteroidlangzeittherapie bei stabilen COPD-Patienten bezüglich des Nutzens kritisch abzuwägen. In Bezug auf eine Therapieempfehlung ergeben sich folgende Probleme:
Die zitierten Studien sind in ihrem Design und in der Charakteristik der Patientenkollektive sehr heterogen und daher nur bedingt vergleichbar [[20 ], [22 ]].
Selbst eine Studiendauer von 3 Jahren erlaubt, angesichts einer meist über Jahrzehnte verlaufenden Erkrankung, nur einen kurzen Einblick in die tatsächliche vorliegende Situation.
Es stellt sich die Frage nach der Auswahl der geeigneten primären Zielvariablen, da eine Beeinflussung der FEV1 durch eine antiinflammatorische Therapie bei einer Erkrankung, die definitionsgemäß pathophysiologisch durch ein hohes Maß irreversibler Veränderungen gekennzeichnet ist, wenig Sinn macht [[20 ], [22 ]].
Unbeantwortet bleiben ferner, wie zwischen Respondern und Non-Respondern differenziert werden kann, welche Kortikosteroid-Dosis wie lange appliziert werden soll, ob die positiven Therapieeffekte auf eine „asthmaähnliche” Komponente zurückzuführen sind. Alle 4 Studien beziehen sich auf streng selektierte COPD-Patienten. Im klinischen Alltag gibt es jedoch viele Patienten, bei denen Mischformen eines Asthma bronchiale und einer COPD vorliegen, die somit durchaus von einer inhalativen Kortikosteroidtherapie profitieren würden [[32 ], [33 ]].
Systemisch und auch inhalativ applizierte Glukokortikosteroide haben in der stabilen Phase der COPD nur einen untergeordneten Effekt auf die zelluläre Entzündungsreaktion (Zytokine, zelluläre Zusammensetzung in der bronchoalveolären Lavage und im Gewebe) [[34 ]
[35 ]
[36 ]].
Obwohl in den zitierten Studien nicht über wesentliche Nebenwirkungen der Kortikosteroidtherapie berichtet wurde, sind systemische Nebenwirkungen bei Erwachsenen ab einer täglichen inhalativen Dosis von ≥ 1 mg (bei Kindern ≥ 400 μg/Tag) Beclometason-Äquivalent beschrieben [[37 ], [38 ]]. In der ISOLDE-Studie fanden sich (Fluticason vs. Plazebo): Heiserkeit 9 % vs 4 %, Mundsoor 11 % vs 6 %.
Sinnvoller Einsatz inhalativer Glukokortikosteroide bei Patienten mit einer stabilen COPD
Gestützt auf die kritische Durchsicht der oben erwähnten Studien schlagen wir folgendes Vorgehen vor:
Basis der COPD-Therapie muss die Elimination der inhalativen Noxe(n) sein, da nur mit dieser Maßnahme eine überzeugende Verlangsamung der Progredienz der Erkrankung demonstriert wurde [[6 ], [24 ], [27 ]].
Die Pharmakotherapie der COPD beginnt mit dem Einsatz inhalierbarer bronchialerweiternder Substanzen (β2 -Agonisten, Parasympatholytika; Stufe 1) und wird in der 2. Stufe durch ein orales Theophyllin ergänzt [[1 ], [4 ], [5 ], [11 ], [14 ]].
Glukokortikosteroide eignen sich nur in besonderen Fällen für die Therapie der COPD. Inhalative Glukokortikosteroide sind für die Mehrheit der Patienten mit einer stabilen COPD in der Langzeittherapie nicht indiziert. Gründe für diese Einschätzung basieren auf folgenden Erkenntnissen: a) Eine Besserung funktioneller und/oder symptomatischer Parameter ist nur bei ca. 10 % der COPD-Patienten (= Responder) zu erwarten [[28 ]
[29 ]
[30 ]]. b) Die pathophysiologisch zugrunde liegende zelluläre Entzündung ist nicht sicher durch eine inhalative Kortikosteroidtherapie beeinflussbar [[35 ]]. c) Es besteht ein ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis und ein fragliches Nutzen-Nebenwirkungsrisiko [[39 ]].
Eine inhalative Glukokortikosteroid-Langzeittherapie erscheint nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur bei Respondern oder bei Patienten mit einer nennenswerten Reversibilität der Atemwegsobstruktion (FEV1 > 10 % nach Inhalation eines kurzwirksamen β2 -Mimetikums) sinnvoll [[40 ]]. Der in Abb. [1 ] dargestellte Algorithmus ist ein Vorschlag, wie stabile COPD-Patienten mit inhalativen Glukokortikosteroiden therapiert und die Therapie überprüft werden könnte. Zentrale Aspekte sind dabei: a) Ausschluss eines Asthma bronchiale. b) Bis dato fehlt der Effektivitätsnachweis einer Langzeittherapie mit inhalativen Kortikosteroiden bei leichtkranken COPD-Patienten (FEV1 > 70 %soll ). c) Die in der ISOLDE-Studie beschriebene Fluticason-bedingte (1000 μg/Tag) Abnahme der Exazerbationsrate um 0,33 Exazerbationen/Jahr (s. o.) bei schwerkranken COPD-Patienten ist von fraglicher praktischer Relevanz und begründet nicht die generelle inhalative Glukokortikosteroidlangzeittherapie bei diesen Patienten. d) Die hier erwähnten Glukokortikosteroidpräparate und die Dosis beziehen sich auf die entsprechenden Studienangaben. Aus Gründen der Vollständigkeit wurden in Abb. [1 ] unter dem Begriff „Äquivalent” die anderen inhalativen Glukokortikosteroide wie Beclometason (BDP; HFA-134a/FCKW-betriebene Dosierareosole) und Flunisolid zusammengefasst, obwohl es diesbezüglich wenige (BDP) oder keine (Flunisolid) COPD-Langzeitstudien gibt [[41 ]]. e) Es werden 3-monatliche Kontrollen und als Erfolgskriterien nach den ersten 3 - 6 Behandlungsmonaten eine Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1 ) und/oder eine Symptomreduktion ggf. auch eine Verbesserung der individuellen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität vorgeschlagen. Ein Effekt einer über 6 Monate hinaus durchgeführten inhalativen Glukokortikosteroidtherapie ist nicht belegt, erscheint aber bei einer individuell unverändert guten Symptomkontrolle und einer niedrigen Exazerbationsrate erwägenswert. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Effizienz der genannten Kontrollintervalle nicht in Studien untersucht wurde, und dass es sich bei einer über 6 Monate hinausgehenden Glukokortikosteroidtherapie um einen Vorschlag der Autoren handelt (Abb. [1 ]).
Eine kurzfristige (z. B. 2-wöchige) systemische Kortikosteroidstoßtherapie (z. B. 40 mg Prednisolon-Äquivalent/Tag) hat wahrscheinlich keinen positiven prädiktiven Wert auf die Wirkung einer späteren inhalativen Kortikosteroidtherapie [[26 ]]. Allerdings kann ein solcher Ansatz für die diagnostische Abgrenzung zum Asthma bronchiale unterstützend sein. Dies gilt auch für die in der täglichen Praxis nicht seltenen Mischbilder zwischen Asthma bronchiale und COPD.
Ein fehlender Therapieerfolg oder das Auftreten von Nebenwirkungen sollten ein konsequentes Absetzen der Kortikosteroid-Langzeittherapie nach sich ziehen. Ein Auslassversuch könnte nach Meinung der Autoren überdies den Nutzen einer inhalativen Kortikosteroid-Langzeittherapie zusätzlich belegen.
Kriterien wie Lebensqualität (Quality of life), Gesundheitszustand (Health Status), weitere Lungenfunktionsparameter (inspiratorische Vitalkapazität, MEF50), das subjektive Empfinden der Patienten (krankheitsbezogene Lebensqualität), und die 6-minütige Gehstrecke sind, obwohl für die tägliche Praxis bedeutungsvoll, nur vereinzelt in kontrollierten Studien evaluiert worden. Tab. [2 ] gibt eine Übersicht über die nach gegenwärtiger Studienlage als gesichert, fraglich und nicht-gesichert angesehenen (oder nicht evaluierten) Erfolgsparameter.
Tab. 2 Übersicht über die in den bewerteten Studien nachgewiesenen, fraglichen oder fehlenden klinischen Effekte inhalativer Kortikosteroide bei COPD-Patienten. * Diese Parameter wurden nur in der Paggiaro-Studie, die Lebensqualität (#) nur in der ISOLDE-Studie evaluiert, weswegen trotz signifikantem Ergebnis die Bewertung nur als fraglich eingestuft wurde
Parameter Effekt erwiesen Effekt fraglich kein Effekt
Senkung der Exazerbationsrate X
Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1 ) innerhalb 0 - 6 Monaten X
Reduktion des jährlichen Lungenfunktionsabfalls (FEV1 ) innerhalb >6 - 36 Monaten X
Verbesserung der Lebensqualität#
X
weitere Parameter*- 6-min-Walking-Test
- Vitalkapazität (VC) X
- MEF50
Abb. 1 Algorithmus zum Einsatz inhalativer Kortikosteroide bei Patienten mit einer stabilen COPD.
* Eingang in diesen Algorithmus finden nur Patienten in einer stabilen Erkrankungsphase, bei denen ein Asthma bronchiale ausgeschlossen wurde (z. B. mittels Kortikosteroidstoßtherapie unter einer antiobstruktiven Therapie entsprechend den Empfehlungen [[1 ], [4 ], [11 ], [14 ]]).
# Die Einteilung nach Schweregraden erfolgt a) entsprechend der American Thoracic Society und b) nach den dieser Empfehlung zugrunde liegenden Studien [[1 ], [23 ]
[24 ]
[25 ]
[26 ]].
$ Die vorgeschlagenen Substanzen und deren Dosierungen wurden aus den zugrunde gelegten Studien übernommen. Unter „äquivalent” werden andere bisher nicht in COPD-Langzeitstudien evaluierte inhalative Glukokortikosteroide zusammengefasst: Beclometason (HFA-134a/FCKW-betriebene Dosieraerosole), Flunisolid.
§ Die Kontrollintervalle und die genannten Erfolgskriterien sind ein Vorschlag der Autoren und sollen als Entscheidungshilfe für das Fortsetzen oder Absetzen der Therapie mit inhalativen Glukokortikosteroiden dienen. Ein Therapieerfolg bei einer Behandlungsdauer von über 6 Monaten ist nicht belegt.
FP = Fluticason, BUD = Budesonid, NW = unerwünschte Nebenwirkungen.