Pneumologie 2000; 54(6): 263-268
DOI: 10.1055/s-2000-3827
KONGRESSBERICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

COPD - eine Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Kongressbericht zum Pneumologen-Experten-Workshop der Firma Boehringer Ingelheim Pharma KG vom 20. - 23. Januar 2000 in Seefeld, TirolH. Morr
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Priv.-Doz. Dr. med G Steinkamp



Schellingstr. 5a 30625 Hannover

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Inhaltsübersicht

    Wie in den vergangenen Jahren trafen sich Pneumologen aus Klinik und Praxis in Seefeld zu einem Workshop zur COPD. Der Jahrhundertwechsel wurde zum Anlass für eine Bestandsaufnahme genommen. Dabei ging es nicht nur um den Rückblick auf die Errungenschaften der Vergangenheit, sondern auch um die Frage nach zukünftigen Therapiestrategien.

    In einem Beitrag zur Differenzialdiagnose machte Prof. Petro deutlich: „COPD ist nicht Asthma”. Die COPD sei eine vermeidbare Krankheit, und Ärzte hätten die Pflicht, sich aktiv um Raucherprävention zu kümmern. Patienten mit COPD würden meist durch den Hausarzt behandelt, nur selten vom Pneumologen. Daher sei es wichtig, diesen Kollegen einfache und klare Konzepte zu vermitteln, wie die COPD zu diagnostizieren und zu behandeln sei. Hier würde zur Zeit gemeinsam mit den Allgemeinärzten ein diagnostisches Schema als Leitfaden erarbeitet. Für seine differenzialdiagnostischen Ausführungen unterschied Petro zwischen Asthma bronchiale einerseits und chronischer Bronchitis und Emphysem andererseits. Von der Symptomatik her seien nächtlicher Husten und Zeichen der Hyperreagibilität typisch für Asthma, während Emphysematiker fast immer rauchen, an wiederholten Infekten leiden und insgesamt eine eingeschränkte Lebensqualität haben. Bei der klinischen Untersuchung dominiert beim Emphysem die Abschwächung des Atemgeräusches, das tiefstehende Zwerchfell bei starrem Thorax und der hypersonore Klopfschall, während die Befunde der beiden anderen Krankheitsgruppen weniger charakteristisch seien. Bei Lungenfunktionstests weisen alle Patientengruppen pathologische Befunde auf. Asthmatiker haben einen positiven Bronchospasmolysetest und reagieren bei bronchialen Provokationstests obstruktiv, während Emphysematiker in der Fluss-Volumen-Kurve einen typischen „Emphysemknick” aufweisen, nach Bronchospasmolyse kaum eine Verbesserung erfahren und bodyplethysmographisch eine Überblähung aufweisen. Zur genaueren Abgrenzung sei manchmal weiterführende Diagnostik beim Pneumologen erforderlich, wie Blutgasanalyse, Ergospirometrie, Diffusionskapazität, Compliance oder 6-Minuten-Gehtest. Histologische Untersuchungen können ebenfalls vom Facharzt veranlasst werden. Fachkliniken oder Forschungslabors vorbehalten sind Methoden wie Heliumverdünnung oder Closing-Volume-Bestimmung, ebenso wie die Bestimmung der Bronchialdurchmesser mittels „aerosol-derived airway morphometry” zur Differenzierung des Emphysems. Im peripheren Blut sind bei Asthmatikern häufig erhöhte Eosinophilenzahlen zu finden. In der Bronchiallavage dominieren zytologisch Mastzellen und Eosinophile, während bei chronischer Bronchitis eher Neutrophile vermehrt sind. Bei den bildgebenden Verfahren hat sich zusätzlich zur normalen Röntgen-Thoraxaufnahme das HR-CT zur Diagnostik emphysematöser Bereiche bewährt. Petro betonte, dass die Diagnostik eines Lungenemphysems wichtig, aber im klinischen Alltag nicht immer einfach sei.

    Zur Pathophysiologie der COPD gab es zwei Beiträge. Der aktuelle Stand des Wissens zu inflammatorischen Prozessen bei COPD wurde von PD Dr. Claus Vogelmeier, Universität München, skizziert. Experimentelle Daten sprechen dafür, dass Entzündungsprozesse auch bei COPD eine Rolle spielen. So wurden im induzierten Sputum vermehrt neutrophile Granulozyten gefunden, und Konzentrationen an TNF-alpha, IL-8 und Myeloperoxidase waren erhöht. Nach einer gängigen Hypothese wird die COPD als ein erworbenes Antiproteasen-Mangel-Syndrom angesehen. Allerdings ist der Nachweis erhöhter Konzentrationen freier Elastase in der stabilen Krankheitsphase bisher nicht gelungen. Ebenfalls diskutiert wird, dass sich die Neutrophilen bei COPD in einem anderen Funktionszustand befinden und dadurch vermehrt Elastase sezernieren. Auch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass nicht nur neutrophile Elastase, sondern auch andere Proteasen wie Metalloproteasen in die Emphysementwicklung kausal involviert sein könnten. Nach Ansicht von Vogelmeier müssen auch andere mögliche Pathomechanismen genauer untersucht werden. So sei bisher über die Reparatur zerstörten Epithels zu wenig bekannt. Es besteht die Möglichkeit, dass diese Funktion bei COPD nicht normal ist, wobei TGF-β in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen könnte. Auch die Frage nach der Apoptose von Neutrophilen könnte relevant sein. Die Freisetzung proteolytischer Enzyme und die Reaktion des Organismus darauf ist nämlich bei „normaler” entzündungsbedingter Nekrose und bei Apoptose unterschiedlich. So reagieren Makrophagen nach Apoptose von Neutrophilen nicht mit der Freisetzung pro-inflammatorischer Mediatoren. Schließlich sollte auch die Gefäßseite besser untersucht werden. Der vaskuläre Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor) wird normalerweise bei einer Gefäßverletzung freigesetzt und bewirkt, dass Zellen aktiviert werden und einwandern, die wiederum Mediatoren freisetzen. Für die Emphysementstehung könnten auch diese Pathomechanismen von Bedeutung sein. Insgesamt handelt es sich bei den Entzündungsprozessen der COPD um ein sehr komplexes und noch längst nicht vollständig bekanntes System, in dessen Mittelpunkt die Noxe Zigarettenrauch steht.

    Zur „Rolle von Viren bei COPD” berichtete Prof. Schultze-Werninghaus von aktuellen Ergebnissen einer eigenen Studie. Beim Asthma bronchiale sei ein Zusammenhang zwischen viralen Infekten und akuten Exazerbationen unstrittig, während es für die COPD hierzu bisher keine klaren Daten gebe. Daher werde in Bochum eine auf mehrere Jahre angelegte prospektive Studie durchgeführt, bei der COPD-Patienten mit akuter Exazerbation und einer FEV1 < 80 % des Solls eine zusätzliche Virus-Diagnostik mit Hilfe der PCR aus induziertem Sputum bzw. Nasenlavage erhielten. Von den seit Mitte 1998 untersuchten 180 Patienten liegen Auswertungen zu 118 Personen vor. Bei 60 Exazerbationen wurden durch PCR Viren nachgewiesen, in 23 Fällen war die PCR negativ. Dabei handelte es sich überwiegend um Influenza-A- und -B-Viren, aber auch um andere Erreger wie RSV. Bei einer Kontrollgruppe von COPD-Patienten, die wegen anderer Probleme stationär aufgenommen wurden, ließ sich nur in 8 von 35 Fällen Virus nachweisen. Vergleicht man die Ergebnisse aus Nasenlavage und induziertem Sputum, so ergab letzteres häufiger einen positiven Befund. Ein saisonaler Trend mit Spitzen von Dezember bis März war mit PCR eindeutig nachweisbar. Demgegenüber ergaben Antikörperuntersuchungen im Sputum nur selten positive Befunde, und sie wiesen auch keine jahreszeitlichen Schwankungen auf. Nach diesen ersten Daten scheint die PCR für COPD-Patienten mit Exazerbation eine geeignete Methode zur Diagnostik von Virusinfektionen zu sein.

    Zum Bereich Therapie gab es zu Beginn ein Referat von Prof. Sybrecht, Homburg, zum Thema „Behandlung von Husten und Atemnot am Anfang des 20. Jahrhunderts - was ist übriggeblieben?” Vor hundert Jahren standen Tuberkulose und andere Infektionskrankheiten ganz im Vordergrund der pneumologischen Medizin. Liegekuren in Lungenheilstätten gehörten zu den häufigsten Behandlungsarten. Mehr als hundert Jahre alte Therapien wie Aderlässe und Schröpfen wurden noch durchgeführt, und schon damals gab es Kopfdampfbäder und Musiktherapie. Inhalationen wurden mit Kochsalz, ätherischen Ölen und Narkotika über Zerstäuber und Inhalationsmasken durchgeführt. Zur Pharmakotherapie wurde in einem Symposium im Jahre 1904 Heroin empfohlen, das als Hustenmittel „wirksamer als alle anderen und völlig unschädlich” sei. Bei der Asthmabehandlung stand an erster Stelle die Disziplinierung der Atmung, die auch durch Röntgenbestrahlungen der Milz und des Herzens erreicht werden sollte. Zur medikamentösen Behandlung wurden Atropin, Koffein, Kalium jodatum oder Räucherungen mit Cannabis verwendet, wobei für jeden Patienten individuell das beste Mittel gefunden werden musste. Asthmaanfälle wurden mit der Stäublischen Lösung behandelt, einer Kombination aus Adrenalin, Kokain und Atropin. Theophyllin gab es zwar schon, es hatte jedoch noch keinen Einzug in die pneumologische Therapie gefunden, sondern wurde bei Nephritis und kardialen Hydropsien gegeben. Sauerstoff als „Lebensluft” kam aus 500- bis 1000-Liter-Tanks, später auch aus kleineren Zylindern, und es gab auch schon künstliche Respiratoren. Zahlreiche der heute praktizierten Therapieverfahren waren schon bekannt und wurden Grundlage der heutigen Therapie. Die Gesamtentwicklung mache deutlich, dass die forschenden Ärzte des vorigen Jahrhunderts beachtliche Leistungen erbracht haben, und dass man aus heutiger Sicht Grund zur Bescheidenheit habe, meinte Sybrecht.

    Herr Dr. Disse, Abteilungsleiter Atemwege im Bereich Medizin der Boehringer Ingelheim GmbH, leitete mit seinem Beitrag über Anticholinergika zur heutigen Therapie der COPD über. Ergebnisse verschiedener Studien zum klassischen Anticholinergikum Ipratropiumbromid zeigten, dass diese Substanz bei COPD besser oder genauso positiv auf die FEV1 wirkt wie Salbutamol. Im Vergleich zu Salmeterol verbesserte sich der Dyspnoe-Index anfangs in etwa gleichem Ausmaß, mit Vorteilen für Ipratropium nach 12 Wochen Therapie. Die Bronchodilatation hielt nach Gabe des langwirksamen β2-Sympathikomimetikums länger an. Auch körperliche Belastbarkeit, gemessen als zurückgelegte Gehstrecke, und nächtliche Sauerstoff-Desaturation besserten sich unter Ipratropiumbromid. Für die Substanz Oxitropium mit 5 - 10fach höherer Wirkung in der angewendeten Dosis konnte in einer japanischen Studie eine Reduktion des Sputumvolumens bei COPD-Patienten mit ausgeprägter Hypersekretion nachgewiesen werden. Für Ipratropium in üblicher Dosis liegen keine entsprechenden Nachweise aus Studien vor. Zum Tiotropium, dem ersten anticholinergen Bronchodilatator für die einmal tägliche Inhalation, liegen neuere Ergebnisse aus Phase-III-Studien vor. Bei 550 Patienten, die über 12 Monate einmal täglich mit Tiotropium behandelt wurden, ließ sich über 24 Stunden eine stabile Bronchodilatation nachweisen, mit geringem Abfall vom Spitzen-Effekt zum Wert vor der nächsten Inhalation. Darüber hinaus wurde eine klinisch relevante Besserung der Dyspnoe sowie eine Verbesserung der Lebensqualität nachgewiesen. Hinsichtlich der Frage, ob eine abendliche oder eine morgendliche Applikation von Tiotropium günstiger sei, zeigte sich bei Gabe um 9 Uhr morgens ein Erhalt der zirkadianen Rhythmik der Lungenfunktion und bessere FEV1-Werte über den Tag, während nach abendlicher Gabe die Lungenfunktionswerte über 24 Stunden stabil waren. Letztlich wird diese Entscheidung der behandelnde Arzt treffen, der je nach individueller Symptomatik des Patienten entscheiden kann.

    Über bekannte und neue Ergebnisse zur Wirkung langwirksamer Beta-Mimetika sprach Prof. Helgo Magnussen, Großhansdorf. Zum Vergleich der beiden Substanzen Formoterol und Salmeterol liegen mehrere Studien vor, die bei COPD den Verlauf der broncholytischen Wirkung über die Zeit gemessen haben. In der ersten Phase nach der Inhalation lag der Effekt von Formoterol zwischen dem von Salbutamol (als schnellwirksames β2-Sympathikomimetikum) und Salmeterol, während nach 5 Stunden die beiden neuen Substanzen keinen Unterschied hinsichtlich der FEV1-Verbesserung zeigten. Salmeterol war in der Dosierung 2 × 50 μg praktisch gleich gut wirksam wie in der doppelten Dosis von 2 × 100 μg pro Tag, allerdings hatten Patienten nach der niedrigeren Dosierung eine günstigere Lebensqualität als unter der höheren, gemessen mit dem St. George's Respiratory Questionnaire. Zusammenfassend zeigten die publizierten Daten zu langwirksamen β2-Sympathikomimetika deutlich und reproduzierbar den Anstieg der FEV1, die lange Wirkdauer und die Verbesserung von Dyspnoe und Lebensqualität unter diesen Substanzen.

    Magnussen berichtete anschließend über eine soeben ausgewertete Studie aus Großhansdorf, die sich mit der Frage beschäftigte, wie die beiden Substanzen Formoterol und Salmeterol bei Anstrengungsasthma im Sofort-Wirkungs-Profil zu beurteilen sind. Es konnte eine Dissoziation zwischen dem protektiven und dem dilatativen Effekt nachgewiesen werden. Diese Wirkungen sind demnach nicht miteinander gekoppelt; eine Protektion ist auch ohne Dilatation möglich.

    Zur Frage des Nutzens inhalativer und systemischer Steroide bei COPD referierte Prof. Roland Buhl von der Universität Mainz. Es sei unstrittig, dass orales Prednison bei akuter Exazerbation in Dosierungen zwischen 20 und 40 mg pro Tag über 10 - 14 Tage indiziert sei. Beschwerden und Lungenfunktion bessern sich, und das Auftreten der nächsten Exazerbation kann hinausgezögert werden. Anders ist die Situation hinsichtlich der inhalativen Steroide. Alle wichtigen aktuellen Studien zur Indikation COPD seien inzwischen verfügbar, und auch die ISOLDE-Studie werde in Kürze im British Medical Journal erscheinen. In der Copenhagen City Lung Study wurden Personen mit guter Lungenfunktion und einem nur geringen jährlichen Verlust an FEV1 untersucht. Zwischen Budesonid und Plazebo gab es keinen Unterschied; leichter Kranke profitierten demnach nicht von dem inhalativen Steroid. Für die Euroscop-Studie wurden Patienten aktiv über Zeitungsannoncen gesucht und nicht aus Praxen oder Kliniken rekrutiert. Hier zeigte sich unter Budesonid ein Akuteffekt innerhalb der ersten 6 Monate: Die FEV1 stieg unter dem Steroid durchschnittlich um 17 ml an, während in der Plazebogruppe ein Abfall von 81 ml zu verzeichnen war. Im weiteren Verlauf (2,5 Jahre) zeigte sich kein Unterschied zwischen Budesonid und Plazebo mehr. Die Studie von Paggiaro, in der Patienten mit einer durchschnittlichen FEV1 von 55 % des Solls behandelt wurden, ergab während der 6-monatigen Fluticason-Behandlung einen Anstieg der FEV1, während die Plazebogruppe einen Abfall von 40 ml aufwies. Bessere Ergebnisse zeigten sich auch hinsichtlich der Gehstrecke (+27 m unter Fluticason vs. +8 m unter Plazebo) und der Zahl der Exazerbationen. Die ISOLDE-Studie entspricht am ehesten dem üblichen COPD-Krankengut. Hier wurden hospitalisierte Patienten mit einer durchschnittlichen FEV1 von 50 % des Solls zunächst über 2 Wochen oral mit Prednison behandelt, bevor sie dann über 3 Jahre entweder Plazebo oder Fluticason in einer Dosis von 1 mg pro Tag inhalierten. Wiederum zeigte sich initial eine Zunahme der FEV1 unter Fluticason, jedoch war der Abfall der FEV1 zwischen 6 und 36 Monaten genauso groß wie in der Plazebogruppe. Unter Fluticason waren Studienabbrüche und Exazerbationen seltener, wenngleich Patienten mit mehr als zwei Exazerbationen pro Quartal ausgeschlossen wurden.

    Welche Schlussfolgerungen sind aus diesen Daten zu ziehen? Buhl argumentierte, die initialen Erfolge und Verbesserungen durch inhalative Steroide sollten den Patienten nicht vorenthalten werden. Insofern schlug er für Patienten mit einer FEV1 < 70 % des Solls und wiederholten Exazerbationen eine Behandlung mit inhalativen Steroiden vor. Der Therapieerfolg müsse nach 3 bis 6 Monaten überprüft werden, und wenn sich keine klare Besserung zeige, solle die Behandlung beendet werden.

    An diesen Beitrag schloss sich eine lebhafte Diskussion an, die deutlich machte, dass hinsichtlich der Therapie mit inhalativen Steroiden ein Konsens zwischen den versammelten Experten nicht in jedem Aspekt möglich war. Einigkeit bestand darüber, dass die (kleine) Gruppe von Patienten mit nachgewiesener Reversibilität im Broncholysetest Steroide inhalieren sollte. Bei den übrigen Patienten plädierte die Mehrheit der Experten für einen Therapieversuch zwischen 4 Wochen und 6 Monaten mit anschließender Erfolgskontrolle. Als Instrumente zur Beurteilung des Behandlungserfolgs wurden Lungenfunktion, Belastungstests, Lebensqualität und Zahl der Exazerbationen vorgeschlagen. Einigkeit bestand darüber, dass die Behandlung bei Nichtansprechen des Patienten beendet werden sollte. Allerdings wurde auch geäußert, dass das Ansprechen auf Steroide sich mit der Zeit durchaus verändern könne, so dass z. B. nach einem Jahr ein erneuter Therapieversuch sinnvoll sein könnte. Einige Experten waren der Ansicht, Raucher sollten keinesfalls mit Steroiden behandelt werden, da der Effekt noch weniger schlüssig nachgewiesen sei als bei Nichtrauchern. Insgesamt sei die wissenschaftliche Evidenz zur Wirkung inhalativer Steroide bisher nicht überzeugend; sie bewege sich im selben Bereich wie die für Sekretolytika.

    Dr. Tobias Welte, Magdeburg, referierte über die Anwendung von Antibiotika bei Exazerbationen der COPD. Antibiotika machen nur 5 - 10 % der Behandlungskosten bei Exazerbation aus, so dass etwaige Einsparungen sich kostenmäßig kaum auswirken. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika bringt ein ganz anderes relevantes Problem mit sich: der Anteil resistenter Bakterien stieg in den letzten Jahren exponentiell an, und parallel dazu auch die damit verbundenen Behandlungskosten: Nach aktuellen Schätzungen wird in den USA demnächst mit 4 Mrd. US$ pro Jahr gerechnet. Wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen? Etwa 50 % aller Antibiotika werden in Tierfarmen verbraucht und trägt auf diese Weise zur Resistenzentwicklung bei. Bei praktischen Ärzten war über fünf Jahre ein Anstieg der Antibiotika-Verordnungen von 28 % festzustellen. Dementsprechend treten jetzt im ambulanten Bereich vermehrt Keime auf, die bisher typisch für Intensivstationen waren, wie MRSA, Ceftazidim-resistente Enterobakter, Vancomycin-resistente Enterokokken und Imipenem-resistente Pseudomonaden. Von den MRSA-Isolaten werden inzwischen 30 % außerhalb der Klinik gefunden. Hinsichtlich der Antibiotikagabe bei COPD fasste Welte die Ergebnisse relevanter Studien zusammen. Im Jahr 1987 hatte Anthonisen die Verbesserung definierter Symptome (vermehrtes Sputum, Dyspnoe und purulentes Sputum) als Erfolgskriterien in einer plazebokontrollierten Doppelblindstudie definiert. Nur bei Patienten, die alle drei Symptome aufwiesen, konnte ein positiver Effekt von Antibiotika nachgewiesen werden. Ob diese Daten auf den heutigen Keimpool übertragen werden können, müsse bezweifelt werden. In aktuelleren Studien konnte kein klarer Vorteil einer Antibiotikabehandlung gezeigt werden, und es waren auch keine Unterschiede zwischen einer 5- und einer 10-tägigen Therapie feststellbar. Überdies hätten nur 20 % der Patienten ein erhöhtes CRP als Hinweis für eine bakterielle Infektion. Zusammenfassend machte Welte deutlich, dass die Indikation einer Antibiotikabehandlung bei COPD-Exazerbation keineswegs klar sei und der Wert dieser Behandlung noch in großen, kontrollierten Studien belegt werden müsse.

    Das Thema von Dr. Roland Stechert von der Boehringer Ingelheim Pharma KG waren innovative Applikationssysteme für inhalative Substanzen. Um pharmazeutische Aerosole herzustellen, wird Energie benötigt, die beim Dosieraerosol aus dem Treibgas, bei Pulvern aus der Einatemenergie und bei Kompressionsverneblern aus Strom bereits gestellt wird. Die für das Jahr 2003 gesetzlich vorgesehene Abschaffung konventioneller FCKW-haltiger Treibgase bereitete erhebliche technische Probleme, weil die Umstellung auf Ersatzstoffe teilweise komplette Neuentwicklungen des gesamten Applikationssystems erfordert. Dies betrifft insbesondere Dichtungen und Ventile des Medikamentenkanisters. Hinzu kommt, dass jede pharmazeutische Substanz und jeder Zusatzstoff anders mit den verwendeten Materialien interagiert. Jetzt ist die Entwicklung jedoch überwiegend abgeschlossen, und die ersten Produkte sind im Markt erhältlich (u. a. Fenoterol HFA). Andererseits sind im Rahmen dieser Neuentwicklungen Verbesserungen gegenüber den herkömmlichen Produkten möglich. Dies zeigte Stechert eindrucksvoll an der Neuentwicklung des Respimaten. Hier entsteht der Sprühnebel dadurch, dass Flüssigkeit durch eine Düse gedrückt wird. Der Durchmesser dieser Düse beträgt nur 0,6 μm und ist damit so gering, dass eine neue Technologie zur Herstellung entwickelt werden musste: die Düsenstruktur wird wie in der Elektronikindustrie in einen Mikrochip eingeätzt, und der gesamte Düsenblock ist nur streichholzkopfgroß (Abb. [1]). Innerhalb des Kanisters befindet sich die Medikamentenflüssigkeit in einer Kunststoffhülle, und auch ein Dosiszähler ist vorhanden. Die Geschwindigkeit, mit der der Sprühnebel den Respimaten verlässt, beträgt nur 36 km/h im Vergleich zu 180 km/h beim normalen Dosieraerosol. Die Sprühwolke ist dadurch langsamer und weicher. Die Deposition in der Lunge ist hoch, bei Gesunden wurden Werte von 45 % gemessen. Dadurch wird eine Dosis Fenoterol aus dem Respimat nur halb so hoch sein müssen wie aus dem Dosieraerosol, und auch durch Messungen von Plasmaspiegeln wurde ein Verhältnis von 1 : 2 bestätigt. Die Entwicklung ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass zur Zeit eine Nullserie produziert wird.

    Ein weiterer wichtiger therapeutischer Bereich wurde von Prof. Konietzko aus Essen erörtert, und zwar chirurgische Verfahren bei Lungenemphysem. Sie beziehen sich auf schwerkranke Patienten, die mit einer FEV1 unter 30 % des Solls ohne den Eingriff fast alle innerhalb von 5 Jahren versterben würden. Bei schwerem Lungenemphysem sind neben konservativen Maßnahmen (Sauerstofflangzeittherapie und intensive pulmonale Rehabilitation) operative Eingriffe wie Lungenvolumenreduktion (LVR) oder Lungentransplantation wesentliche Therapieoptionen. Ausgangspunkt für die Lungenvolumenreduktion ist die Tatsache, dass emphysematische Veränderungen nicht homogen auf die gesamte Lunge verteilt sind, so dass besonders stark befallene Areale chirurgisch entfernt werden können. In der Regel werden etwa 30 % des Volumens reseziert. Als Resultat wird der Krümmungsradius des Zwerchfells wieder günstiger und damit die Zwerchfellmechanik besser. Geeignete Patienten haben ein schweres heterogenes Lungenemphysem, eine deutlich eingeschränkte Aktivität trotz optimaler medikamentöser Therapie, eine FEV1 zwischen 20 und 35 % des Solls, sind jünger als 70 Jahre und haben seit mindestens 3 Monaten das Rauchen aufgegeben. Wichtig ist eine intensive Rehabilitation bereits vor der Operation. 20 % der zugewiesenen Patienten erfahren bereits dadurch eine so deutliche Verbesserung, dass sie nicht operiert werden müssen. Der Standardzugang ist bilateral, wobei bei apikalen Prozessen sternotomiert und bei basalen Prozessen anterolateral thorakotomiert wird. Operative Mortalitätsraten liegen zwischen 0 und 18 %, im Mittel unter 5 %. Das dominierende postoperative Problem waren lange anhaltende Pleuraleckagen, die inzwischen durch Spezialnähte und das Verfahren des Pleurazeltes seltener geworden sind. Re-Intubation, Pneumonie und Pleuraempyem sind weitere Komplikationen, die maximal 17 % der Patienten betreffen. Postoperativ wurden Verbesserungen der FEV1 im Bereich von 13 % bis 83 % dokumentiert, im Mittel 30 %. Der Nutzen für die Patienten liegt vor allem in der besseren körperlichen Belastbarkeit: Die Gehstrecke steigt postoperativ deutlich und klinisch relevant an. Auch 24 Monate nach dem Eingriff profitierten die Patienten noch von der Maßnahme. Diesem Verfahren überlegene Ergebnisse werden nur durch eine Transplantation erreicht, die allerdings mit höherer postoperativer Mortalität (11 - 16 %) und geringerer 1-Jahres-Überlebensrate (70 % vs. 92 % nach Lungenvolumenreduktion) einhergeht. Uneinig sind sich die Chirurgen, ob sich nach LVR eine spätere Lungentransplantation verbietet, da starke Verwachsungen ein erhebliches Problem darstellen können. Zukünftige Entwicklungen liegen nach Ansicht von Konietzko möglicherweise im zweizeitigen einseitigen Vorgehen; es käme nach dem ersten Eingriff zu einem geringeren Abfall der FEV1, und es bliebe die Option des 2. Eingriffs.

    Dr. Harald Mitfessel hielt ein engagiertes Referat zum Thema Raucherentwöhnung. Vor 180 Jahren wurde das Zigarettenrauchen in Deutschland durch Soldaten aus dem Krimkrieg eingeführt. Die erste deutsche Zigarettenmanufaktur wurde 1862 in Dresden erbaut, fünf Jahre später die erste Fabrik mit einer Produktion von 3600 Zigaretten pro Stunde. Seither wurde Zigarettenrauchen zu einem der bedeutendsten gesundheitlichen Risikofaktoren. In Deutschland werden 90 000 bis 140 000 Todesfälle pro Jahr auf Rauchen zurückgeführt. Passivrauchen führt zu weiteren 53 000 Todesfällen, davon 37 000 wegen koronarer Herzkrankheit und 12 000 wegen Karzinomen. Zur Zeit würden 28 % der gesamten Bevölkerung rauchen, bei den Männern 35 % und bei den Frauen 21 %. Besorgniserregend sei der hohe Anteil von Rauchern unter Jugendlichen: Von den 15-Jährigen gaben 19 % der Mädchen und 16 % der Jungen an, zu rauchen. Der Gruppendruck unter Gleichaltrigen sei hoch, und Arbeitslosigkeit bzw. niedriger Sozialstatus seien mit einem auf 60 % bis 70 % erhöhten Anteil von Zigarettenrauchern assoziiert. Hier liegt nach Mitfessel eine bedeutende Aufgabe der Primärprävention.

    Wie erfolgreich sind Methoden zur Raucherentwöhnung? Dies kann nur daran gemessen werden, wie viele Personen langfristig, z. B. nach 6 oder 12 Monaten, nicht mehr rauchen. Am wirksamsten sei noch immer das sofortige und konsequente Aufhören, die sog. „Schlusspunktmethode”. Demgegenüber sei die allmähliche Reduktion der Zahl gerauchter Zigaretten wenig erfolgreich, ebenso wenig wie kurze ärztliche Beratungsgespräche. Gemäß ICD-10-Schlüssel, der Rauchen als Sucht apostrophiert und unter F17.1-9 „Verhaltensstörung durch Tabak” einordnet, seien verhaltenstherapeutische Maßnahmen durchaus sinnvoll. Nikotinpflaster, -kaugummis oder -nasensprays würden bei rund 20 % der Betroffenen zu langfristiger Abstinenz führen. Etwas günstiger liegen die Erfolgsraten nach medikamentöser Therapie mit Bupropion (Abb. [2]). Eine drastischere Maßnahme, nämlich die Injektion des Anticholinergikums Detox, habe eine ungewöhnlich hohe Erfolgsrate von 85 %. Die Tageskosten von rund 1600 DM würden von den Kassen jedoch nicht übernommen.

    Inzwischen würden auch in Deutschland in einigen Betrieben klare Maßnahmen gegen das Rauchen ergriffen. Die statistisch 5,5 Tage pro Jahr, die Raucher länger krank sind als Nichtraucher bzw. bei der Arbeit ausfallen, zögen einige Unternehmen vom Jahresurlaub ab. Das Herzzentrum Berlin unterstütze einerseits seine Mitarbeiter bei der Raucherentwöhnung, reagiere jedoch andererseits bei Missachtung des Rauchverbots im Betrieb konsequent mit Abmahnungen bis hin zur Kündigung. Raucherentwöhnung sei ein mühsamer Weg, und Aufklärung über Folgen des Rauchens sei keine ausreichende Maßnahme. Dies zeige eindrucksvoll das Beispiel der Thoraxchirurgen, die von allen Arztgruppen den höchsten Zigarettenkonsum hätten.

    Prof. Worth hielt ein Referat mit dem provozierenden Titel „Ist Sport Mord bei COPD?” Die vielfach zu beobachtende körperliche Inaktivität dieser Patienten ist auf die Erfahrung zurückzuführen, dass Atemnot gerade unter Belastung auftritt, und dass dieser unangenehmen Situation durch Schonung vorgebeugt wird. Gerade dies verschlimmert die Atemnot jedoch weiter. Ziel von körperlichem Training und Sporttherapie ist eine Ökonomisierung des Herz-Kreislauf-Systems und das Überwinden der psychosozialen Folgen der fortwährenden Schonung. Zahlreiche Studien haben zeigen können, dass dadurch Ausdauer, Gehstrecke, Symptome und Lebensqualität gesteigert wurden: So konnte die maximale Leistung um 36 % und die Dauerleistung sogar um 77 % verbessert werden, und um eine gleich große Leistung wie vor dem Training zu erreichen, reichte eine um 10 % geringere Ventilation aus. Andere vorteilhafte Effekte des Trainings sind die bessere Nutzung der Muskulatur und die Steigerung der Kondition. Ein Einfluss auf die Mortalität wurde bisher nicht nachgewiesen. Trainingsprogramme können bereits nach kurzer Zeit messbare Erfolge bringen: So erreichten Kirsten u. Mitarb. in Großhansdorf nach nur 11-tägigem Training bei ihren Patienten eine Steigerung der Gehstrecke von 237 auf 420 m, verbunden mit besseren Lungenfunktionsergebnissen. Von der Intensität des Trainings her sollte zu Beginn 3 - 5 ×/Woche nahe der anaeroben Schwelle trainiert werden, und zwar für jeweils 20 - 30 Minuten bei 60 - 75 % der maximalen Belastbarkeit. Zur Aufrechterhaltung eines einmal erreichten Trainingszustandes reichen längere Intervalle aus, eventuell sogar nur einmal wöchentliches Training. Gezieltes Beinmuskeltraining verbessert die Belastbarkeit, Atemmuskeltraining verringert zusätzlich den Grad der Dyspnoe. Bei COPD-Patienten sollten zusätzlich die Koordination gestärkt und spezielle Schulungen durchgeführt werden. Ausdauersportarten sind günstiger als Krafttraining. Wichtig ist die phasenweise Aufteilung des Trainings mit Vorbereitung, Aufwärmen, Belastung und Cooling Down. In ambulanten Lungensportgruppen können Patienten mit einer FEV1 über 60 % des Solls ohne Anwesenheitspflicht des Arztes üben. Bei schwerer Kranken muss ein Arzt dabei sein. Intervalltraining für jeweils zwei Minuten mit nachfolgender Pause ist für diese Patienten besonders geeignet. Auch Schwerkranke mit einer FEV1 unter 40 % profitieren vom Training. Hier sollte grundsätzlich stationär mit dem Training begonnen und die Gabe von Sauerstoff sichergestellt werden. Dies gilt gleichermaßen für Patienten mit pulmonaler Hypertonie. Hauptproblem aller sporttherapeutischen Interventionen ist die Notwendigkeit, dass der Patient selbst aktiv bleiben muss, um den Effekt aufrechtzuerhalten. Ambulantes Training wird im Rahmen des Reha-Sports nach § 43 SGB V über 2 Jahre lang von den Kassen finanziert.

    Welche Relevanz haben die einzelnen therapeutischen Maßnahmen für die Progredienz des Krankheitsbildes? Diese Frage beantwortete Prof. Worth in seinem zweiten Vortrag. Dabei wies er darauf hin, dass die Überlebensrate erwartungsgemäß stark vom Lebensalter abhängt: Unter 65 Jahren ist das Survival deutlich höher als bei älteren Patienten. Auch der Ernährungszustand, gemessen am Bodymass-Index, die 1-Sekunden-Kapazität und die 12-Minuten-Gehstrecke wurden als prognostische Indikatoren identifiziert. Von den präventiven Maßnahmen hat die Rauchabstinenz einen sehr großen Einfluss auf die Prognose. Die Grippe-Schutzimpfung bewirkt bei COPD eine Reduktion der Komplikationen um etwa 70 %. Auch Patienten mit oraler Steroidtherapie können gegen Influenza geimpft werden, sofern die Dosis nicht über 20 mg Prednisonäquivalent liegt. Jeder COPD-Patient soll mindestens alle 5 Jahre gegen Pneumokokken geimpft werden, die Schutzwirkung beträgt 67 - 93 %. Zu den therapeutischen Maßnahmen, die keine nachgewiesene Wirkung auf die Prognose haben, gehören Pharmakotherapie inklusive Kortikosteroide sowie Schulungs- und Rehabilitationsmaßnahmen. Problem der letzteren ist wahrscheinlich das ungenügende Aufrechterhalten der erzielten Verbesserung im häuslichen Alltag des Patienten. Gute Effekte der Sauerstofflangzeittherapie wurden nachgewiesen. Bei akuten Exazerbationen hat sich die nicht-invasive Beatmung als wirkungsvoll gezeigt. Die Lungentransplantation bewertete Worth für Emphysempatienten bezüglich der Besserung der Prognose als wenig erfolgversprechend, da diese Patienten im Gegensatz zu solchen mit interstitieller Fibrose oder Mukoviszidose auf der Warteliste statistisch genauso lange leben wie nach der Transplantation.

    Den Abschluss der Tagung bildete der Vortrag von Prof. Adrian Gillissen, Universität Bonn, zum Thema „COPD-Therapie übermorgen”. Pathophysiologische Überlegungen spielten bei der Entwicklung neuer Medikamente eine wichtige Rolle. Zur Behandlung der Obstruktion bei COPD würden neue antiobstruktive und antiinflammatorische Substanzen entwickelt. Antibiotika und Sekretolytika wirken der bronchitischen Komponente bei Infekten entgegen. Die Behandlung des Emphysems bestehe zwar primär aus Sauerstofftherapie, nichtinvasiver Beatmung und operativen Maßnahmen, jedoch gebe es auch hier medikamentöse Ansätze. Bei den Glukokortikosteroiden sei es nicht möglich, die Wirksamkeit weiter zu steigern. Allerdings könne die Pharmakokinetik verbessert werden, und eine Reduktion des Auftretens von Nebenwirkungen würde angestrebt. Sogenannte „soft steroids” seien hydrolysierbar und hätten daher nach Übertritt in die Blutbahn nur noch eine Halbwertszeit von 30 Sekunden. Damit seien systemische Nebenwirkungen praktisch ausgeschlossen. Alternativ könne die molekulare Struktur der Steroide so verändert werden, dass eine Suppression der Kortisolausschüttung unterbunden würde. Antiinflammatorische Eigenschaften besitzt auch IL-10, das hemmend auf die Produktion von IL-9, TNF-α und Makrophagen-Proteasen wirkt und andererseits einen Anstieg der Gewebsinhibitoren der Metalloproteasen bewirkt. Bei Gesunden sei in einer Ex-vivo-Studie an Alveolarmakrophagen diese anti-inflammatorische Wirkung nachgewiesen worden.

    Hinsichtlich der Inhibition der Neutrophilen-Elastase gebe es Neuentwicklungen wie rekombinante α1-Antiprotease bzw. den Gentransfer von α1-Antiprotease. Auch Inhibitoren von Cathepsin oder Matrix-Metalloproteasen, SLPI und Serpine wie Elafin seien in diesem Kontext zu nennen. Ein PDE4-Inhibitor der 2. Generation (Ariflo®), ist schon so weit entwickelt, dass Phase-III-Studien durchgeführt werden. Ein Anstieg der FEV1 sei nachgewiesen, wobei bereits nach 1 Woche die maximale Wirkung erreicht sei. Ob die Substanz besser als Theophyllin sei, müsse offen bleiben, da Studien bisher lediglich gegenüber Plazebo durchgeführt worden seien. Schließlich sei auch der Versuch gemacht worden, intrazelluläre Transkriptionsfaktoren zu beeinflussen. Die Konzentration des IκB-Moleküls, an dem auch Glukokortikoide angreifen, habe man mit Inhibitoren der IκB-Kinase steigern können. Problematisch bei diesen Substanzen sei bisher die Gefahr der im Mausmodell aufgetretenen Septikämie. Bei den Antiobstruktiva könnten zukünftig Substanzen interessant werden, die gleichzeitig am β2- und am Dopamin-2-Rezeptor als Agonist wirken (D2/β2-Agonisten). Die von Astra entwickelte Substanz AR-C6 8397AA habe sich experimentell als wirksam zur Reduktion von Hustenstößen erwiesen, allerdings erst bei einer Dosis, die im Tiermodell Emesis auslöst. Die Weiterentwicklung SC-397-5096 werde zur Zeit in der Orphelia-Studie getestet; erste Daten sollen auf dem diesjährigen Kongress der American Thoracic Society vorgestellt werden. Versuche, den Repair-Mechanismus des Epithels zu verbessern, seien bei Ratten durchgeführt worden. Die Gabe von hepatozytärem Wachstumsfaktor steigerte bei Rattenföten die Entwicklung von Alveolen. Zur Frage der Emphysembehandlung seien Ergebnisse zur Retinolsäure erwähnenswert, nach deren Gabe sich bei Ratten eine weitgehende Normalisierung eines experimentell erzeugten Lungenemphysems eingestellt habe. Zusammenfassend gebe es zahlreiche Neuentwicklungen, die in ihrer Gesamtheit alle pathologischen Teilaspekte der Erkrankung berücksichtigen.

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    Abb. 1Schematische Abbildung des Respimat (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Stechert).

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    Abb. 2Erfolgsraten verschiedener Methoden zur Raucherentwöhnung (zit. nach Pötschke-Langer/Lindinger bzw. Sorenby et al.) (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Mitfessel und vom Pneumologenverband).

    Priv.-Doz. Dr. med G Steinkamp



    Schellingstr. 5a 30625 Hannover

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    Abb. 1Schematische Abbildung des Respimat (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Stechert).

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    Abb. 2Erfolgsraten verschiedener Methoden zur Raucherentwöhnung (zit. nach Pötschke-Langer/Lindinger bzw. Sorenby et al.) (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Mitfessel und vom Pneumologenverband).