Pneumologie 2000; 54(7): 309-311
DOI: 10.1055/s-2000-4458
KONGRESSBERICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sauerstofflangzeittherapie - für wen und wie?

Ergebnisse einer Expertendiskussion im Rahmen des Pneumologen-Workshops „COPD - eine Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts” der Firma Boehringer Ingelheim Pharma KG, Ingelheim am 21. Januar 2000 in Seefeld, TirolR. Dierkesmann, U. Costabel
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Priv.-Doz. Dr. med G Steinkamp

Schellingstr. 5a 30625 Hannover

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Inhaltsübersicht

Pneumologen aus Klinik und Praxis erarbeiteten im Rahmen einer Tagung zum Thema COPD gemeinsam eine pragmatisch orientierte Stellungnahme zur Sauerstofflangzeittherapie (LTOT). Diskutiert wurden die Aspekte Behandlungsziele, Indikationen, Diagnostik, Gerätetypen und Langzeitbetreuung. Die Diskussion diente der Unterstützung einer Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, die derzeit Empfehlungen zu diesem Thema aktualisiert. Gemäß den Vorgaben der Evidence Based Medicine (EBM) wurde versucht, mit einer entsprechenden Klassifikation zum Ausdruck zu bringen, wie wissenschaftlich gesichert die einzelnen Punkte sind. Grad 1 bezeichnet hier durch Meta-Analysen und Grad 2 durch randomisierte, prospektive Studien konfirmiertes Wissen, während Expertenmeinung ohne entsprechende Studien mit Grad 5 bezeichnet wird.

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Nachweis der chronischen Hypoxämie

Letztendlich ist nicht genau bekannt, welches Ausmaß von Hypoxämie der Mensch dauerhaft ohne Schaden erträgt. Sicher ist, dass eine Normalisierung des pO2 in einen Bereich über 80 Torr nicht nötig ist. Insofern sind für Jugend- und Erwachsenenalter auch keine altersbezogenen Grenzen zur Definition der chronischen Hypoxämie erforderlich.

Für die folgenden Überlegungen wird vorausgesetzt, dass die Messung des pO2 am Tage und in Ruhe erfolgt und dass der Patient sich unter optimaler medikamentöser Therapie in einem stabilen klinischen Zustand befindet.

Eine chronische Hypoxämie, bei der eine Langzeitsauerstofftherapie indiziert sein kann, liegt dann vor, wenn der pO2 bei mindestens 3 Messungen unterhalb von 55 Torr liegt (Abb. [1]). Ein höherer Grenzwert von 60 Torr soll in begründeten Einzelfällen gelten, wenn zusätzlich zur Hypoxämie mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • pulmonale Hypertension

  • Rechtsherzinsuffizienz

  • Polyglobulie

  • zusätzliche prognostische relevante Risiken, wie z. B. koronare Herzkrankheit oder zerebrovaskuläre Insuffizienz

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Ziele der LTOT

Für die Indikation COPD darf als gesichert gelten (EBM Grad 2), dass die Überlebenszeit durch Sauerstofftherapie verlängert wird. Belege für eine größere Leistungsfähigkeit von Patienten mit Lungengerüsterkrankungen (Grad 2) und eine verbesserte Lebensqualität liegen ebenfalls vor. Ein weiteres Behandlungsziel der LTOT ist die Verringerung der Zahl respiratorischer Exazerbationen dieser Patienten.

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Indikationen für eine LTOT

Grundsätzlich muss betont werden, dass nicht jede mit chronischer Hypoxie einhergehende Erkrankung eine Sauerstofftherapie erfordert. Auch sollen hier Situationen nicht berücksichtigt werden, in denen es vorübergehend, z. B. nach Krankenhausaufenthalten oder im Rahmen respiratorischer Exazerbationen, zu Phasen von Hypoxie kommt. Für schlafbezogene Hypoxien wird auf die entsprechende DGP-Empfehlung verwiesen.

Bei Patienten mit folgenden Erkrankungen soll eine LTOT in Betracht gezogen werden, wenn eine chronische Hypoxämie nachgewiesen wurde (Abb. [2]):

  • COPD (Grad 2)

  • Lungengerüsterkrankungen (Grad 2)

  • Thorax-Wanderkrankungen ohne Hyperkapnie (Grad 5)

  • Post-Tbc- und post-Polio-Syndrom ohne Hyperkapnie (Grad 5)

  • weitere Erkrankungen (z. B. pulmonale Hypertonie, Herzinsuffizienz mit Cheyne-Stokes-Atmung, Bronchialkarzinome, Mukoviszidose)

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Diagnostik vor Beginn der LTOT

In Ruhe und unter den o. g. Bedingungen soll der Pneumologe den Sauerstoffpartialdruck im Blut messen (die Sauerstoffsättigung reicht nicht aus). Wiederholte Messungen sollten während Sauerstoffgabe mit unterschiedlichen Konzentrationen erfolgen, damit eine Dosis-Wirkungs-Kurve erstellt werden kann. Idealerweise erfolgt die Sauerstoffapplikation während dieser Phase über das Gerät des Patienten. Auch Messungen unter Belastung sind sinnvoll. Ziel ist, durch Sauerstoffgabe den pO2 auf mindestens 60 Torr anzuheben.

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Weitere Voraussetzungen für den Beginn einer LTOT

Es soll keine symptomatische Hyperkapnie mit Kopfschmerz oder Somnolenz vorliegen. Der Patient muss die Bereitschaft aufbringen, eine Sauerstofftherapie über mindestens 18 Stunden, idealerweise 24 Stunden, pro Tag durchzuführen. Optimale medikamentöse und Physiotherapie sollten begleitend durchgeführt werden. Der Patient sollte mit einem Raucherentwöhnungsprogramm begonnen haben und auch sonstige inhalative exogene Noxen vermeiden. Sofern einem Raucher überhaupt eine LTOT verordnet wird, muss er ausführlich über die Gefahren der Sauerstofftherapie bei gleichzeitigem Rauchen aufgeklärt werden (einige Teilnehmer vertraten die Meinung, bei Rauchern überhaupt keinen Sauerstoff zu verordnen).

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Systeme für die ambulante Sauerstofftherapie

Die auf dem Markt befindlichen Systeme unterscheiden sich vor allem im Gewicht und im Vorrat an Sauerstoff.

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Sauerstoffkonzentratoren

Sie konzentrieren fortlaufend Sauerstoff aus der Umgebungsluft, sind großvolumig und mit ihrem Gewicht von ca. 20 kg prinzipiell stationäre Geräte. Der Aktionsradius des Patienten ist auf das Haus beschränkt, sofern er nicht z. B. am Arbeitsplatz über ein weiteres Gerät verfügt. Zu berücksichtigen sind auch die Stromkosten und die Geräuschentwicklung dieser Geräte. Demand-Systeme, die Sauerstoff sparen, sind bei diesen Geräten nicht erforderlich.

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Flüssig-Sauerstoff-Systeme

Die Basis ist ein häusliches Reservoir, das vom Anbieter direkt mit flüssigem Sauerstoff befüllt wird. Ein Liter flüssiger Sauerstoff entspricht ca. 1000 Litern gasförmigem Sauerstoff. Aus diesem Vorrat kann sich der Patient selbst einen kleineren, portablen Kanister mit einem Gewicht von rund 3,5 kg befüllen. Bei einem Flow von 2 l/min reicht ein solcher Kanister für ca. 8 Stunden. Der Aktionsradius der Patienten wird also durch diese Geräte deutlich größer. Sie sind indiziert bei mobilen Patienten mit Hypoxämie, wobei sorgfältig geprüft werden muss, ob der pO2 unter Belastung ausreicht. Weitere Vorteile dieser Geräte sind die Möglichkeit, den Flow auf bis zu 6 l/min zu erhöhen. Mit Hilfe von elektronischen Sparventilen bzw. Demand-Systemen wird der O2-Verbrauch gesenkt und die Zeit bis zum Leeren des Kanistervorrates verlängert; allerdings verbraucht sich der Sauerstoff auch durch spontane Verdunstung. Transportsysteme in Form eines Rucksacks oder Rollers haben sich in der Praxis bewährt.

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Kleine portable Sauerstoff-Druckflaschen

Sie können ein Volumen von 1 bis 2 l gasförmigen Sauerstoffs aufnehmen und haben ein Gewicht von ca. 6,4 kg. Meist werden sie mit einem häuslichen Konzentrator kombiniert verwendet. Ihre Kapazität ist gering (z. B. bei 200 bar Füllungsdruck 400 Liter O2), so dass sie nur eine Zeit von ca. 3 Stunden überbrücken können, mit Demand-Ventilen etwas länger. Als Reserve sind sie jedoch sinnvoll, z. B. bei Stromausfall und Versagen des Konzentrators.

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Sauerstoffsonden

Das gebräuchlichste System ist die Applikation über eine Nasenbrille oder Nasensonde. In Brillengestelle integrierte Systeme haben kosmetische Vorteile. Eine Alternative kann ein transtrachealer Katheter sein, der neben dem Vorteil der für Außenstehende unsichtbaren Sauerstoffgabe die Totraumventilation vermindert und in kritischen Fällen zu besseren Sauerstoffkonzentrationen führen kann. Nachteilig ist die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs, die Gefahr von Obstruktion oder Infektion sowie der erhöhte Pflegebedarf mit täglichem Katheterwechsel.

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Verlaufskontrollen unter LTOT

Die Überwachung der häuslichen Sauerstofftherapie ist primär die Aufgabe des niedergelassenen Pneumologen. Problemfälle können auch in der Fachklinik oder einer pneumologischen Krankenhausabteilung betreut werden.

In den ersten drei Monaten sollten engmaschige Kontrollen in monatlichen Abständen erfolgen, danach reichen vierteljährliche Abstände aus. Messungen des pO2 müssen mit und ohne Sauerstoffgabe erfolgen, wobei der Patient sein eigenes (portables) Gerät mitbringen oder den Konzentrator der Praxis benutzen sollte. Neben Anamnese und klinischer Befunderhebung soll eine Hämatokritbestimmung erfolgen und die Indikation zur LTOT überprüft bzw. bestätigt werden.

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Abb. 1Definition der chronischen Hypoxämie für die Indikationsstellung zur Sauerstofflangzeittherapie.

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Abb. 2Indikationen zur Sauerstofflangzeittherapie (EBM: Evidence Based Medicine).

Priv.-Doz. Dr. med G Steinkamp

Schellingstr. 5a 30625 Hannover

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Abb. 1Definition der chronischen Hypoxämie für die Indikationsstellung zur Sauerstofflangzeittherapie.

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Abb. 2Indikationen zur Sauerstofflangzeittherapie (EBM: Evidence Based Medicine).