Die Entstehung von Asthma bronchiale im Kindesalter wird schon seit langem mit dem Auftreten von Atemwegsinfektionen in Verbindung gebracht. Im Folgenden soll die Rolle von Infektionen bei der Auslösung akuter obstruktiver Atemwegssymptome und ihr Einfluss auf die Entstehung allergischen Asthmas behandelt werden.
Akute bronchiale Obstruktion und Asthmaexazerbation durch virale Atemwegsinfektionen
Akute bronchiale Obstruktion und Asthmaexazerbation durch virale Atemwegsinfektionen
Virusinfektionen der Atemwege sind im Kindesalter ein wichtiger Auslöser obstruktiver Atemwegserkrankungen [[1], [2]]. Etwa 80 % der Asthmaepisoden im Schulalter sind mit Virusinfektionen der oberen Atemwege assoziiert [[3]], wobei Rhinoviren (RV) die häufigsten Erreger (> 60 %) in dieser Altersgruppe sind [[4]]. Bei Kindern unter 2 Jahren ist vor allem Respiratory Syncytial Virus (RSV) (50 - 60 %) mit obstruktiven Atemwegserkrankungen assoziiert [[5], [6]]. Auch Enteroviren, Koronaviren, Parainfluenza-Viren (PIV) und Adenoviren werden bei Asthmaexazerbationen im Kindesalter nachgewiesen [[5], [7]]. Im Gegensatz zu den Atemwegsviren scheinen bakterielle Infektionen der Atemwege auch mit atypischen Bakterien wir Chlamydia pneumoniae nicht mit Asthmaexazerbationen assoziiert zu sein [[5]]. Ein erhöhtes Risiko obstruktive Atemwegssymptome bei viralen Atemwegsinfektionen zu entwickeln wurde sowohl für Kinder mit verminderter Lungenfunktion und für tabakrauchexponierte Kinder gezeigt als auch für Kinder mit Atopie [[8]
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Auf welchem Wege Virusinfektionen der Atemwege eine Atemwegsobstruktion auslösen wird nur unvollständig verstanden. Durch humane Studien und in Tiermodellen haben sich jedoch Hinweise auf mögliche Pathomechanismen ergeben. Es ist unumstritten, dass RSV, Influenza-Virus und PIV Infektionen der unteren Atemwege verursachen können. Kürzlich konnte aber durch mRNA-Nachweis auch gezeigt werden, dass RV, ein typischer Erkältungserreger der oberen Atemwege, auch die unteren Atemwege infizieren kann [[13]]. Eine solche Infektion, die primär das respiratorische Epithel betrifft, führt zu einer Entzündungsreaktion der betroffenen Atemwege. Nach experimenteller RV-Infektion zeigte sich in Bronchialschleimhautbiopsien eine submuköse Infiltration mit Lymphozyten und eine Zunahme intraepithelialer eosinophiler Granulozyten [[14]]. Bei der schweren RSV-Bronchiolitis zeigen pathologische Präparate eine starke entzündliche Reaktion vor allem der Bronchiolen mit Desquamation und Pfröpfen aus Fibrin und Zelldetritus [[15]]. Es kommt zu Atelektasen und Überblähungsbezirken [[16]]. Die Entzündungsreaktion wird von neutrophilen Granulozyten und mononukleären Zellen dominiert [[17]]. Es werden aber auch eosinophile Granulozyten beobachtet [[16]]. Auch bei leichteren RSV-Infektionen gibt es Hinweise auf eine Rekrutierung und Aktivierung eosinophiler Granulozyten in den Atemwegen: bei Kindern mit obstruktiver RSV-Bronchitis/ Bronchiolitis wurden im Nasopharyngealsekret erhöhte ECP-Spiegel beobachtet, die mit dem Schweregrad der Erkrankung korrelierten [[18]]. Parallel dazu kam es im peripheren Blut zu einem Anstieg der Eosinophilenzahl [[19]]. Auch in vitro lässt sich eine Aktivierung eosinophiler Granulozyten durch RSV demonstrieren [[20]]. Diese Entzündung ist Teil und Konsequenz einer immunologischen Reaktion auf die Virusinfektion der Atemwege. Angestoßen wird sie unter anderem durch die Sekretion proinflammatorischer Zytokine wie IL-6, IL-8, IL-11, GMCSF und Rantes durch das infizierte Epithel [[21]
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[23]]. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass T-Lymphozyten an der Steuerung dieser Immunantwort entscheidend beteiligt sind. Die experimentelle RV-Infektion ist mit einer Lymphopenie im peripheren Blut assoziiert [[24]], die mit dem Schweregrad der Erkältung und der Atemwegshyperreaktivität (AHR) korreliert [[14]]. Zudem kommt es zu einem Anstieg der Lymphozytenzahl im Nasensekret und im Epithel der unteren Atemwege [[14], [25]] und es lässt sich sowohl eine antigenspezifische als auch eine antigenunabhängige Aktivierung von T-Zellen feststellen [[26]].
Für das Verständnis der Pathomechanismen bei der virusinduzierten Immunantwort sind Tiermodelle von großer Bedeutung. In einem Mausmodell führt die akute RSV-Infektion zu AHR nach Methacholinprovokation und zu einer Atemwegsentzündung mit neutrophilen und eosinophilen Granulozyten. Dies ist mit einer gesteigerten Produktion von IFN-γ, bei erhaltener IL-5-Produktion, assoziiert [[27]]. In diesem Modell konnte durch Depletion während der Infektion gezeigt werden, dass die AHR, die pulmonale Eosinophilie und ein Anstieg von IL-5 in der bronchoalveolären Lavage von der Anwesenheit von CD8+-T-Lymphozyten abhängig sind [[28]]. Virusinfektionen rufen in erster Linie zytotoxische IFN-γ produzierende CD8+-T-Zellen hervor, aber es treten auch virusspezifische nichtzytotoxische IL-5 produzierende CD8+-T-Zellen auf [[29]]. Letztere scheinen eine zentrale Rolle bei Entstehung der virusinduzierten eosinophilen Komponente der Atemwegsentzündung und der AHR zu spielen. Durch Verwendung von „knock-out”-Mäusen für die Zytokine IL-5, IL-4 und IFN-γ wurde zudem gezeigt, dass IL-5, nicht aber IL-4 oder IFN-γ, notwendig sind für die Entstehung der RSV-induzierten AHR und der pulmonalen Eosinophilie [[30]]. Die neutrophile Komponente der Atemwegsentzündung blieb durch das Fehlen von IL-5 unbeeinflusst. Blockade der Migration eosinophiler Granulozyten in die Atemwege mittels eines anti-VLA4-Antikörpers verhindert die Entstehung der AHR. Ein direkter Zusammenhang zwischen eosinophiler Entzündung und AHR ist somit sehr wahrscheinlich. Diese Studien zeigen die zentrale Bedeutung von T-Zellen bei der Steuerung, von IL-5 als Mediator und von eosinophilen Granulozyten als Effektoren bei der virusinduzierten AHR. Bei Meerschwein und Ratte können die von eosinophilen Granulozyten freigesetzten kationischen Proteine präsynaptische M2-Muskarinrezeptoren parasympathischer Nerven blockieren und somit einen inhibitorischen Feed-back-Mechanismus für die Acetylcholinfreisetzung unterbrechen [[31], [32]]. Virale Neuraminidasen können auch ohne eosinophile Entzündung direkt M2-Muskarinrezeptoren blockieren [[33]]. Es kommt darauf hin zu Bronchokonstriktion durch eine erhöhte Acetylcholinausschüttung. Neben dem inflammatorischen Weg sind auch andere Pathomechanismen der virusinduzierten Asthmaentstehung denkbar. Durch eine Virusinfektion können Funktionen des respiratorischen Epithels gestört werden. Im Meerschwein wurde bei viraler Atemwegsinfektion eine verminderte NO-Produktion durch das Epithel beobachtet, die mit AHR assoziiert war [[34]]. NO ist der relaxierende Faktor des nicht-adrenergen-nicht-cholinergen inhibitorischen Systems der Bronchialmuskulatur, welches auch bei der RSV-Infektion der „Cotton Rat” gestört ist [[35]]. Die Aktivität der neutralen Endopeptidase des respiratorischen Epithels ist bei Virusinfektionen vermindert, wie bei Ratte und Meerschwein gezeigt wurde [[36]
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[39]]. Dieses Enzym baut Neuropeptide wie Substanz P und Neurokinin A ab, welche die Leukotriensynthese stimulieren [[40]], Mastzellmediatoren freisetzen [[41]], die Mukusproduktion erhöhen [[42]] und eine Kontraktion glatter Muskulatur hervorrufen [[43]]. Eine verminderte Barrierenfunktion des infizierten Epithels kann zur Stimulation sensorischer C-Fasern der Bronchialwand führen, die über einen Hirnstammreflex und durch Freisetzen von Substanz P und Neurokinin A Bronchokonstriktion hervorrufen können [[26], [43]]. Die Rolle der sensorischen C-Fasern für den Menschen ist jedoch nicht klar: Im humanen Modell der RV-Infektion zeigte sich keine erhöhte AHR nach Provokation mit Bradykinin, das über eine Stimulation der sensorischen C-Fasern wirkt [[44]]. Das Zusammenspiel von peribronchialer Entzündung, Ödem und einer vermehrten Transsudation beeinträchtigt vor allem die Funktion der kleinlumigen peripheren Atemwege, wo es durch eine Atemwegs-Parenchym-Entkoppelung noch zusätzlich zur Lumeneinengung kommen kann [[45]]. Diese führt zu Überblähung und einer Störung des Gasaustausches. Die hier diskutierten Pathomechanismen virusinduzierter obstruktiver Atemwegssymptome sind in Tab. [1] zusammengestellt.
Tab. 1Pathogenetische Faktoren virusinduzierter obstruktiver Atemwegssymptome
Pathomechanismus | wesentliche Faktoren |
Immunantwort auf RSV-Infektion | CD8+-T-Lymphozyten Interleukin-5 |
Atemwegsentzündung | eosinophile Granulozyten neutrophile Granulozyten Lymphozyten |
gesteigerte Acetylcholin-Freisetzung | Dysfunktion der M2-Muskarinrezeptoren durch direkte Viruseinwirkung Major Basic Protein aus Eosinophilen |
verminderte NO-Produktion | Epitheldysfunktion führt zu verminderter Relaxation der Atemwegsmuskulatur |
gesteigerte Neuropeptid-Wirkung | vermehrte Ausschüttung von Substance P und Neurokinin A aus C-Fasern verminderte Aktivität der neutralen Endopeptidase |
Lumeneinengung der peripheren Atemwege | entzündliche Infiltrate Ödem vermehrte Exsudation Atemwegs-Parenchym-Entkoppelung |
Infektionen als Schutz vor allergischer Sensibilisierung und Asthmaentstehung
Infektionen als Schutz vor allergischer Sensibilisierung und Asthmaentstehung
Neben der akuten Auslösung obstruktiver Atemwegssymptome durch virale Atemwegsinfektionen gibt es auch Hinweise darauf, dass Infektionen Einfluss haben auf die Wahrscheinlichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt im Kindesalter allergisches Asthma zu entwickeln. Es gibt eine Reihe von epidemiologischen Beobachtungen, die darauf hinweisen, dass Infektionen das Risiko der allergischen Sensibilisierung der Atemwege vermindern können. So wurde nach einer Masernepidemie in Guinea-Bissau eine verminderte Atopie-Prävalenz beobachtet [[46]]. In einer japanischen Untersuchung zeigte sich eine geringere Rate von Asthma und Allergien bei BCG-geimpften Kindern mit stark positivem Tuberkulintest [[47]], der möglicherweise durch Tuberkulose-Exposition bedingt war. Darüber hinaus bestand bei Personen mit einer starken Tuberkulinreaktion oder einer Tuberkulinkonversion eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Asthma verlieren, als bei Personen mit einer negativen Tuberkulinreaktion. Auch der „Geschwistereffekt” und der „Bauerneffekt” auf die Atopieentwicklung werden im Zusammenhang mit der Infektionsexposition gesehen. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass das Risiko an allergischen Symptomen zu leiden mit steigender Zahl älterer Geschwister sinkt [[48], [49]], und dass dieses Risiko bei Bauernkindern geringer ist als bei Kindern aus Nichtbauernfamilien des gleichen Ortes [[50]]. Bei Bauernkindern korreliert das Risiko der allergischen Sensibilisierung negativ mit der Häufigkeit des Stalltierkontaktes. Beide Beobachtungen werden damit erklärt, dass häufige Infektionen vermittelt durch ältere Geschwister oder durch Kontakt zu Stalltieren immunologische Reaktionen im Sinne einer TH-1-Antwort auslösen, durch die TH-2-Immunantworten wie bei der allergischen Sensibilisierung unterdrückt werden.
Auch in Tiermodellen wurde die Hypothese überprüft, dass die Abnahme von Infektionen als Teil des sog. „western life style” zu dem Anstieg von Asthma und Allergien beiträgt, der in den industrialisierten Ländern beobachtet wird. Insbesondere mykobakteriellen Infektionen wird angesichts der oben genannten epidemiologischen Untersuchungen eine diesbezügliche Rolle zugeschrieben, zumal die Immunantwort bei der Tuberkulose den Prototyp der TH-1-Reaktion darstellt, die durch die Produktion der Zytokine IFN-γ und IL-12 gekennzeichnet ist, und die als verzögerte zelluläre Immunreaktion (Typ IV nach Gell und Coombs) mit einer durch zytotoxische NK-Zellen, Epitheloidzellen und Makrophagen vermittelten Effektorphase verläuft. Auch im Mausmodell erzeugen Mykobakterien, wie zum Beispiel BCG, eine anhaltende IFN-γ-Produktion. Eine Behandlung von BALB/c-Mäusen mit BCG-Bakterien vor einer allergischen Sensibilisierung mit Ovalbumin vermindert die Bildung allergenspezifischer IgE und IgG1 Antikörper im Serum der Mäuse, reduziert die Konzentrationen der TH-2 Zytokine IL-4 und IL-5 in der bronchoalveolären Lavage und verhindert die Entstehung der allergischen Atemwegsentzündung sowie der Atemwegshyperreaktivität. Diese Beobachtungen waren in mehreren Untersuchungen verschiedener Autoren abhängig von der Dosis, der zeitlichen Aufeinanderfolge und dem Applikationsweg der BCG-Bakterien. Virulente Keime waren nicht in jedem Fall dafür erforderlich, sondern der Effekt ließ sich auch bei abgetöteten Bakterien nachweisen [[51]
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[53]]. Diese Untersuchungen im Tiermodell stärken die Hypothese, dass ein Zusammenhang zwischen mykobakteriellen Infektionen und der Unterdrückung einer allergischen Reaktion besteht.
Infektionen mit Atemwegsviren und atypischen Bakterien als Risikofaktor für die Entstehung des allergischen Asthmas
Infektionen mit Atemwegsviren und atypischen Bakterien als Risikofaktor für die Entstehung des allergischen Asthmas
Andere Infektionen begünstigen aber möglicherweise die Entstehung von Asthma. Bei Kindern und Erwachsenen mit Asthma wurden häufiger chronische Infektionen mit Mykoplasma pneumoniae [[54]] und Chlamydia pneumoniae [[5]] festgestellt als bei Gesunden. Eine Infektion mit diesen atypischen Bakterien korreliert mit der Schwere der Atemwegsentzündung und bei besiedelten Patienten führt eine Therapie mit Clarithromycin, einem Makrolid, zu einem Rückgang proinflammatorischer Zytokine [[55]]. Mehrere epidemiologische Beobachtungen legen nahe, dass Virusinfektionen der Atemwege neben ihren akuten Effekten auch das Risiko der Entstehung allergischen Asthmas anheben können. Bei Kindern aus Atopikerfamilien wurde eine erhöhte Rate von allergischer Sensibilisierung gegen Aeroallergene 1 - 2 Monate nach viralen Atemwegsinfektionen beobachtet [[56]]. In einer prospektiven Kohortenstudie waren zur Hospitalisierung führende RSV-Infektionen im Säuglingsalter der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten von Asthma bronchiale und für die Entstehung einer allergischen Sensibilisierung in den ersten 3 Lebensjahren [[57]]. Eine atopische Familienanamnese erhöhte dieses Risiko weiter. Andere kontrollierte Längsschnittstudien bei Kindern, die im Säuglingsalter eine RSV-Bronchiolitis hatten, zeigen eine vorübergehende Zunahme von obstruktiven Atemwegssymptomen (wheezing) und von AHR, die jedoch nicht mit einer erhöhten Rate allergischer Sensibilisierung verbunden waren [[58]
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[60]]. Alle diese Studien haben das Problem eines Selektions-Bias bei der Wahl der Stichprobe, denn sie untersuchen Patienten, die wegen einer RSV-Bronchiolitis hopitalisiert wurden, was nur bei einer kleinen Minderheit von RSV-infizierten Kindern notwendig ist bei einer Durchseuchungsrate mit RSV von fast 100 %. Ergebnisse aus der Tucson Children's Respiratory Study, einer prospektiven Studie einer Geburtskohorte ohne Selektions-Bias, zeigen nach RSV-Infektion in den ersten 3 Lebensjahren ein erhöhtes Risiko für obstruktive Atemwegssymptome im Alter von 6 Jahren, welches mit 13 Jahren nicht mehr erhöht ist [[61]]. Auch hier bestand keine Assoziation mit der Häufigkeit von allergischer Sensibilisierung. Die Frage, ob virale Atemwegsinfektionen selbst tatsächlich einen prädisponierenden Faktor für eine allergische Sensibilisierung über die Atemwege darstellen oder ob sie eine genetische Prädisposition zur Atopie früh demaskieren, ist nicht geklärt. Weitere Ergebnisse der Tucson Children's Respiratory Study zeigen, dass die Mehrzahl der Kinder mit obstruktiven Atemwegssymptomen im Kleinkindesalter mit 6 Jahren kein Asthma mehr haben [[11]]. Diese Gruppe hat schon bei Geburt eine reduzierte Lungenfunktion [[9], [10]]. Bei einer nicht geringen Zahl von Kindern persistiert das Asthma jedoch bis zum 11 Lebensjahr [[62]]. In dieser Gruppe sind Atopiemarker erhöht und es lässt sich eine spezifische allergische Sensibilisierung nachweisen [[12]]. Zusammen betrachtet sprechen diese Ergebnisse eher dafür, dass virale Atemwegsinfektionen eine frühzeitige Asthmaentstehung bei atopischer Prädisposition auslösen können, jedoch selbst nicht die Entstehung eines allergischen Asthmas induzieren. In jedem Fall ist es jedoch wichtig, die Pathomechanismen aufzuklären, durch die die Asthmaentwicklung angestoßen oder begünstigt wird, um präventive therapeutische Strategien für Kinder aus Risikogruppen entwickeln zu können.
Beim Meerschweinchen und bei der Maus lässt sich nach PIV- oder RSV-Infektion eine verstärkte allergische Sensibilisierung über die Atemwege mit eosinophiler Entzündung und AHR hervorrufen [[63]
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[65]]. In diesen Modellen wurde jeweils eine erste Allergenexposition während der akuten Infektion durchgeführt, was zu einer erhöhten Allergenresorption über das durch Infektion geschädigte Epithel und damit zu einer verstärkten Sensibilisierung mit höheren spezifischen IgE Spiegeln führte als bei nicht infizierten Tieren. Im Mausmodell treten AHR und eine Atemwegsentzündung mit eosinophiler Komponente aber auch auf, wenn eine schwache allergische Sensibilisierung über die Atemwege erst nach Abklingen einer vorhergehenden RSV-Infektion erfolgt [[27]]. In diesem Fall kann nicht von einer erhöhten Allergenresorption ausgegangen werden, zumal die allergenspezifischen IgE Spiegel sich zwischen infizierten und nicht infizierten Tieren nicht unterscheiden. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass durch die RSV-Infektion eine Immunantwort ausgelöst wird, die auch zu einem späteren Zeitpunkt eine allergische Sensibilisierung über die Atemwege begünstigt. Diese These wird durch folgende Beobachtungen gestützt. Die Abwesenheit von IL-5 während der akuten RSV Infektion führt - vermutlich durch das Fehlen einer eosinophilen Entzündungsreaktion - zu einer Verminderung der AHR und der Lungeneosinophilie nach der in Gegenwart von IL-5 erfolgten allergischen Sensibilisierung [[30], [66]]. Eine Entzündung mit eosinophiler Komponente während der RSV-Infektion scheint also wegbereitend zu sein für die verstärkte Entzündung und AHR bei nachfolgender Sensibilisierung. Dazu kommt, dass sich der Effekt der RSV-Infektion auf nicht RSV-infizierte Tiere übertragen lässt durch adoptiven Transfer von CD8+-T-Lymphozyten, nicht aber durch CD4+-T-Zellen [[67]]. Es kommt dabei nach der auf den Transfer folgenden Sensibilisierung zu AHR und zur Lungeneosinophilie wie bei RSV-infizierten Tieren und zu einem Anstieg der IL-5-Produktion. Interessanterweise ist das Ergebnis des Transfers von dem Zeitpunkt nach RSV-Infektion abhängig, an dem er durchgeführt wird. Ein Transfer von T-Zellen 14 Tage nach RSV-Infektion führt zu den beschriebenen Konsequenzen, wohingegen es bei einem T-Zell-Transfer 7 Tage nach Infektion weder zu AHR, noch zu Lungeneosinophilie oder einem Anstieg der IL-5-Produktion nach allergischer Sensibilisierung kommt. Dies legt nahe, dass während der akuten Infektion (Tag 7) eine TH-1-Immunantwort überwiegt und IFN-γ-produzierende, zytotoxische CD8+-T-Zellen übertragen werden, während nach Abklingen der Infektion (Tag 14) eine TH-2-Immunreaktion in den Vordergrund rückt und der Transfer von nicht zytotoxischen, IL-5 produzierenden CD8+-T-Zellen eine allergische Sensibilisierung mit eosinophiler Entzündung begünstigt. Dass virale Atemwegsinfektionen eine mehrschichtige Immunantwort einleiten, ist gut denkbar, da diese durch unterschiedliche Antigene des gleichen Erregers ausgelöst wird. Es wurden RSV-Antigene identifiziert, die bei RSV-Infektion nach Vakzination unterschiedliche Immunantworten auslösen. So ruft das G-Protein eine starke TH-2-Antwort mit eosinophiler Entzündung und schwerer Erkrankung hervor, während das F-Protein zu einer milderen TH-1-Reaktion führt [[68]]. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die RSV-Infektion im Tiermodell eine allergische Sensibilisierung über die Atemwege begünstigen kann. Dies geschieht zum einen durch eine gesteigerte Allergenaufnahme, zum anderen aber auch durch die Induktion einer Immunantwort mit vermehrter IL-5-Bildung, welche eine allergische Entzündung und die daraus resultierende AHR fördert. Abb. [1] stellt eine Hypothese der immunologischen Zusammenhänge zwischen RSV-Infektion, allergischer Sensibilisierung über die Atemwege und AHR dar, die sich aus den oben genannten Beobachtungen ergibt.
Ausblick
Ausblick
Durch die oben aufgeführten immunologischen Beobachtungen werden präventive Strategien zur Vermeidung von Asthmaentwicklung nach viralen Atemwegsinfektionen denkbar. Mögliche Konzepte sind eine anti-IL-5-Antikörper- Behandlung während schwerer viraler Atemwegsinfekte mit obstruktiven Symptomen wie der RSV-Bronchiolitis, eine „TH-1-Therapie” im Anschluss an solche Infektionen z. B. mit topischem IL-12 [[69]] oder durch Immunstimulation mit CpG-Oligonukleotiden [[70]], die der mykobakteriellen DNA entstammen, sowie eine Vakzination gegen „Asthma induzierende” virale Antigene, durch die die Immunantwort auf diese Antigene moduliert wird. Bevor neue therapeutische Konzepte zur Anwendung kommen können ist es notwendig, dass Risikogruppen für eine virusinduzierte Asthmaentwicklung durch weitere epidemiologische Untersuchungen genauer charakterisiert werden.
Abb. 1Bei der RSV-Infektion treten zum einen zytotoxische IFN-γ produzierende CD8+-T-Lymphozyten (CD8-Tc1) auf, die für die Bekämpfung der Infektion von zentraler Bedeutung sind, und es werden zum anderen IL-4- und IL-5-produzierende CD8+-T-Lymphozyten (CD8-Tc2) aktiviert. Letztere können die Infektion überdauern und werden bei einer allergischen Atemwegssensibilisierung reaktiviert. Sie können sowohl bei der akuten RSV-Infektion als auch bei einer allergischen Sensibilisierung nach einer RSV-Infektion eine gesteigerte Produktion von IL-5 induzieren, was die Entstehung einer eosinophilen Entzündung der Atemwege sowie das Auftreten von AHR begünstigt.