Pneumologie 2000; 54(9): 407-411
DOI: 10.1055/s-2000-7184
KONGRESSBERICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Asthma, Mukoviszidose und Sport

3. Arbeitstagung der Kinderfachklinik „Satteldüne” der LVA Schleswig-Holstein und des Asthmazentrums Jugenddorf „Buchenhöhe” Berchtesgaden 13. - 14. 11. 1999 in Nebel/AmrumG. Steinkamp
  • Klinische Forschung - Arzneimittelbegutachtung, Hannover
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Priv.-Doz. Dr. med G Steinkamp

Klinische Forschung - Arzneimittelbegutachtung

Schellingstr. 5a 30625 Hannover

Email: E-mail: gratiana.steinkamp@t-online.de

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

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    Die interdisziplinäre Tagung „Sport bei Asthma und Mukoviszidose” fand im dritten Jahr in Folge statt und wurde wieder gemeinsam von den Kinderfachkliniken „Satteldüne” und „Buchenhöhe” ausgerichtet. Sportwissenschaftler und Ärzte diskutierten auf Amrum die Vorträge nationaler und internationaler Experten und den Stellenwert von Trainingsprogrammen bei diesen chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen.

    Herr Prof. H. Rieckert vom Institut für Sportmedizin der Universität Kiel leitete die Tagung ein mit seinem Referat „Grundsätzliches zur körperlichen Leistungsdiagnostik im Kindes- und Jugendalter”. Die Leistungsfähigkeit eines Kindes sei abhängig von Muskelkraft, Koordination und Funktionsfähigkeit des kardiopulmonalen Systems. Kinder seien sehr belastbar; sie können Ausdauersportarten wie Skilanglauf oder sogar Marathon ausüben. Als Faustregel solle ein Kind so viele Minuten ununterbrochen laufen können, wie es Jahre alt ist. Die aerobe Leistungsfähigkeit steigt bei Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren an und bleibt danach gleich, bei Jungen ist sie zwischen 10 und 16 Jahren etwa identisch und entspricht der erwachsener Männer. Die anaerobe Kapazität ist bei Kindern geringer als bei Erwachsenen.

    Belastungstests sollten eher am Laufband mit zu steigerndem Neigungswinkel durchgeführt werden, da am Fahrradergometer häufig eine Diskrepanz zwischen der noch geringen Kraft des M. quadrizeps femoris und dem kardiovaskulären System besteht. Ideal seien spezielle Ergometer für Kinder, da die Testung mit dem Erwachsenengerät erst ab 10 Jahren unproblematisch ist. Für das Kindesalter geeignet seien Belastungstests nach dem Bruce-Protokoll: auf dem Laufband mit einer Geschwindigkeit zwischen 2,7 und 9,7 km/h kann die Steigung von 10 % auf 22 % angehoben werden. Im Rahmen der Rehabilitation seien niedrigere Geschwindigkeiten und geringere Steigungen (von 0 bis 10 %) sinnvoll. Behinderte Kinder könnten am Laufband mit 1 km/Std. belastet werden. Auch bei adipösen Kindern ist das Laufband besser geeignet, da am Fahrradergometer die Arbeit nicht ausreichend erfasst wird, die allein durch die Bewegung der Körpermasse entsteht (rund 75 Watt).

    Am Fahrrad sollte die Belastung körpergewichtsbezogen eingestellt werden. Begonnen wird mit 0,25 oder 0,5 Watt/kg Körpergewicht, gesteigert wird in ebenso großen Schritten. Alternativ sind nach Cooper Steigerungen von 10 Watt/Min bei jüngeren und von 15 Watt/Min bei älteren Kindern möglich. Bei der Spiroergometrie werden Sauerstoffaufnahme, Atemminutenvolumen, Respiratorischer Quotient (RQ), O2-Puls und Atemfrequenz registriert. Über das Atemminutenvolumen ergibt sich die ventilatorische anaerobe Schwelle. Wenn bei chronisch Kranken eine Ausbelastung nicht opportun ist, kann die PWC170 (physical working capacity, Leistung bei einer Herzfrequenz von 170 Schlägen/ Minute) berechnet werden. Messungen des Laktats im Kapillarblut seien nur bei gezielter Fragestellung sinnvoll.

    Dr. Schwarz aus der pneumologischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Harburg demonstrierte die praktische Durchführung einer Spiroergometrie. Im Rahmen der ärztlichen Begutachtung seien maximale Leistungsfähigkeit, Dauerleistung, Leistungsbereitschaft und Leistungslimitierung wichtig. Begrenzungen sind aus pneumologischer Sicht auf obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen oder auf Einschränkungen des Gasaustausches zurückzuführen. Da die Lunge eine viel größere Reservekapazität als das kardiovaskuläre System habe, sei ein Abbruch durch pulmonale Limitierung ein Indiz für eine Lungenerkrankung. Pneumologische Patienten seien nicht in der Lage, unter Belastung über ihre maximale Fluss-Volumen-Kurve hinaus zu atmen; die „Hüllkurve” könne nicht überschritten werden. Für den Pneumologen seien insbesondere Minutenvolumen (VE) und Atemzugvolumen relevant. Ein gutes Maß für die aufzubringende Atemarbeit sei außerdem das Verhältnis zwischen Minutenvolumen und O2-Aufnahme, das Atemäquivalent (VE/VO2, VE/VCO2). Normal liege dieser Quotient bei rund 25 l/l, könne jedoch bei Lungenkranken z. T. mehr als doppelt so hoch sein.

    Dr. Vincent A. Gulmans von der Universität Utrecht, Niederlande, referierte über „Belastungsparameter bei Kindern und Erwachsenen mit CF”. Zur vollständigen Diagnostik dieser Patienten gehören Messungen der Lungenfunktion und des Ernährungszustands, der Muskelkraft, der körperlichen Belastbarkeit und der Lebensqualität. Von den Lungenfunktionsparametern haben sich Einsekundenkapazität FEV1, Vitalkapazität VC und der Quotient aus Residualvolumen und totaler Lungenkapazität, RV/TLC, bewährt. Im Gegensatz zum Asthma bronchiale sei der Peak Flow bei CF weniger gut zur Verlaufsbeurteilung geeignet. Zur Erfassung des Ernährungszustandes von Mukoviszidosepatienten sollte neben Gewicht und Länge auch die fettarme Körpermasse (lean body mass, LBM) herangezogen werden. Sie sei das wichtigste Körperkompartiment in Bezug auf die körperliche Leistungsfähigkeit. Berechnete man die LBM durch Messung von vier Hautfettfalten mit der Caliper-Methode, korrelierten die durch ein Trainingsprogramm erzielten Veränderungen gut mit den Ergebnissen der Deuterium-Dilutionsmethode als Goldstandard.

    Gulmans berichtete von einer eigenen Studie an CF-Patienten (zwei Gruppen mit FEV1 über bzw. unter 80 % des Solls) und gesunden Vergleichskindern, in der es um die Abhängigkeit der exercise working capacity von der Muskelkraft ging. An sechs Körperregionen wurde die maximale isometrische Muskelkraft erfasst. Die beste Korrelation (r = 0,90) mit der fahrradergometrisch gemessenen maximalen Leistung fand sich für die Muskelkraft der Ellenbogenbeuger (Abb. [1]). Dabei bestand kaum ein Unterschied zwischen Kranken und Gesunden. In einer weiteren Studie wurde gemessen, wie effizient CF-Patienten körperliche Leistung erbringen. Sie hatten bei gleichem Sauerstoffverbrauch eine signifikant geringere Muskelkraft als Gesunde. Erstaunlicherweise unterschieden sich CF-Patienten mit normaler Lungenfunktion und normalem Ernährungszustand nicht von den stärker beeinträchtigten Mukoviszidosepatienten, jedoch deutlich von den gesunden Kontrollkindern. Dies könnte darauf hinweisen, daß bei CF eine intrinsische Störung besteht, die es den Patienten nicht ermöglicht, eine höhere Leistung zu bringen.

    Nach Auffassung von Gulmans sollte bei jedem CF-Patienten einmal pro Jahr ein Belastungstest durchgeführt werden. Geeignete Methoden sind z. B. der 6- oder 12-Minuten Gehtest oder der Stufentest. Der Shuttle Walk, bei dem der Patient bei submaximaler Intensität solange wie möglich dieselbe Strecke hin- und zurückgehen muss, korreliert gut mit Laufbandtests und spricht schnell auf Änderungen an, die durch ein Reha-Programm erzielt werden.

    Auch die Erfassung der Lebensqualität bei CF sei ein zunehmend wichtiges Thema. Zusätzlich zu den allgemeinen Fragebögen zur Lebensqualität wie Sickness Impact Profile (SIP), Nottingham Health Profile (NHP), Euroqol, SF36 oder dem Self Perception Profile in Children (SPPC) werde an der Entwicklung krankheitsspezifischer Fragebögen gearbeitet. Der französische Test „CF Questionnaire” von Henry und Mitarbeitern wurde bereits ins Deutsche übersetzt. Die Berliner Arbeitsgruppe um Dr. Doris Staab hat diesen Fragebogen evaluiert und über erste positive Erfahrungen berichtet. Demgegenüber seien die in der Pneumologie bekannten Tests wie z. B. das St. George's Respiratory Questionnaire weniger gut den CF-Bedürfnissen angepasst. Insgesamt sei die Lebensqualitätsforschung noch in ihren Anfängen. Erstaunlich sei immer wieder, dass manche Gesunde in den unspezifischen Tests eine weniger gute Lebensqualität angeben als CF-Patienten.

    Christian Falkenberg aus Kiel berichtete über „Messungen der bioelektrischen Impedanz bei CF”. Mit dieser Methode sei es möglich, schnell und nicht-invasiv die Kompartimente Körperfett und magere (fettarme) Körpermasse voneinander zu differenzieren. Die Analysegeräte seien klein und transportabel, die Methodik für Kinder unproblematisch und Untersuchungen am Krankenbett kein Problem. Zur Messung werden an Händen und Füßen jeweils zwei Elektroden angelegt und nach Applikation eines geringen Stroms Resistance und Reactance des Körpers gemessen. Es wurden mehrere Studien publiziert, die die Verlässlichkeit der Methode auch bei CF zeigten.

    Falkenberg stellte eigene Ergebnisse aus Amrum vor, wo mit dieser Technik 86 präpubertäre und adulte CF-Patienten vor und nach einer mehrwöchigen Reha-Maßnahme untersucht wurden. Das Körpergewicht der Patienten betrug bei Aufnahme durchschnittlich 90 % des Längensolls. Das mit bioelektrischer Impedanzanalyse gemessene Körperfett betrug zu Beginn bei männlichen Patienten 15 % und bei weiblichen Patienten 24 % der gesamten Körpermasse. Durch die Reha-Maßnahme nahmen die Betroffenen sowohl an Körperfett als auch an fettarmer Masse zu: nach 4 Wochen stiegen durchschnittliches LBM und Körperfett absolut um 1,5 kg bzw. um 0,7 kg. Dabei konnte eine signifikante Korrelation zwischen LBM und der spiroergometrisch gemessenen maximalen Sauerstoffaufnahme dokumentiert werden.

    Der Sportwissenschaftler Dr. W. Gruber aus Amrum berichtete von der „Überprüfung von Trainingseffekten bei Asthma und CF”. Kindern und Jugendlichen, die nach Amrum zur Rehabilitation kommen, wird ein umfangreiches Sportprogramm angeboten. Neben Schwimmen gehören dazu u. a. Walking, Jogging, ein Bewegungsparcour (ähnlich dem Zirkeltraining) und Inline-Skating. Die Frage, inwiefern Patienten mit Asthma und CF von diesem Programm profitieren und ob es Unterschiede zwischen den Diagnosegruppen gibt, wurde mit der Bestimmung der respiratorischen anaeroben Schwelle (ASvent) untersucht.

    Insgesamt 34 Asthmatiker und 17 CF-Patienten im Alter zwischen 13 und 19 Jahren erhielten jede Woche drei- bis viermal ein 45- bis 90-minütiges Training unter Anleitung eines Sportlehrers. Die Belastung wurde so gewählt, dass die Patienten bei 90 % der VO2 mit der Intensität ASvent trainierten. Die spiroergometrische Messung erfolgte auf dem Fahrrad; begonnen wurde mit 10 oder 50 Watt, und jede Minute wurde die Belastung um 10 Watt gesteigert. In Ruhe, nach jeweils 3 Minuten und in der 3. Minute nach Belastungsabbruch wurde zusätzlich Blut aus dem hyperämisierten Ohrläppchen zur Bestimmung der Blutgase und Laktatkonzentrationen abgenommen. Atemfrequenz, Atemminutenvolumen und Laktatwerte waren bei CF deutlich höher als bei Asthma. Trainingseffekte waren in beiden Diagnosegruppen nachweisbar. CF-Patienten profitierten dabei mehr vom körperlichen Training als Asthmatiker, insbesondere wenn zu Beginn ihre körperliche Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt war.

    Frau Dr. B. Schaar vom Institut für Rehabilitation und Behindertensport der Deutschen Sporthochschule Köln erläuterte Programme zum „Inline-Skating bei CF und Asthma”. Chronisch kranken Jugendlichen müsse ein adäquates Angebot gemacht werden, wenn erreicht werden soll, dass sie langfristig regelmäßig Sport treiben. Dabei müssen auch Trends und Vorlieben der jeweiligen Generation berücksichtigt werden. Zum Beispiel gehen heute nur noch wenige Jugendliche gern Schwimmen oder in den Turnverein. Von Mitarbeitern des Instituts für Rehabilitation und Behindertensport der Deutschen Sporthochschule wurden innovative Sportprogramme für Kinder und Jugendliche entwickelt, die als Projekte von einzelnen Sportwissenschaftlern durchgeführt wurden: im Rahmen eines Asthmacamps in der Dordogne nahmen die Jugendlichen einerseits an einer Asthmaschulung teil, andererseits an einem Sportprogramm mit Klettern und Inline-Skating. Am Ende hatte sich das aktive Coping der Gruppe deutlich gegenüber dem Ausgangswert verbessert. In einem anderen ambulanten Sportprogramm wurde mit Schwimmen und Inline-Skating eine Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit erreicht. Ein stationäres Inline-Skating-Angebot auf Amrum verbesserte nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, sondern auch das aktive Coping und die internale Kontrollüberzeugung der Patienten. Nötig sei nach Ansicht von Schaar die Etablierung ambulanter Sportangebote am Wohnort der Patienten mit innovativen Inhalten. Kurse über z. B. 20 Trainingseinheiten würden dabei besser akzeptiert als Langzeitangebote. Atemwegsobstruktionen beim Inline-Skating kämen vor, seien jedoch selten (9× bei 244 Messungen).

    Frau A. Biberger, Diplom-Sportlehrerin vom Asthmazentrum Buchenhöhe Berchtesgaden, referierte über „Koordination bei Patienten mit Asthma bronchiale”. Unter Koordination versteht man das fein aufeinander abgestimmte Zusammenwirken von Nervensystem und Muskulatur. Sie ist Voraussetzung jeder gezielten Bewegung. Gute Koordination verbessert die Ökonomie des Muskeleinsatzes und verringert die für die Bewegung erforderliche Kraft und somit auch die Gefahr, Anstrengungsasthma auszulösen. Koordination wird nach Meinel und Schnabel in verschiedene Komponenten unterteilt: die Fähigkeit zur Reaktion, zum Halten des Gleichgewichts, zur Orientierung, zum Rhythmus, zur Feinabstimmung (Differenzierung), zur Umstellung und zur Koppelung von Bewegung. Die Aufzählung beschreibt eine Rangfolge von einfach bis komplex. Mit dem Koordinationstest für Kinder (KTK) können diese Komponenten getestet werden. In der Berchtesgadener Klinik wurden 93 Kinder mit Asthma bronchiale untersucht, und nur 53 % hatten KTK- Ergebnisse im (unteren) Normalbereich (Abb. [2]). Eine Störung der Koordination wurde bei einem relativ größeren Anteil von Mädchen gefunden als bei Jungen, wobei der Rückstand durchschnittlich 3 Jahre betrug. Es wurde ein gezieltes Trainingsprogramm entwickelt, an dem elf Kinder teilnahmen. Der durchschnittliche Ausgangswert von 80 Punkten verbesserte sich durch das Programm auf 101 Punkte (Abb. [3]). Eine Kontrollgruppe aus neun Kindern ohne gezieltes Koordinationstraining verbesserte sich in derselben Zeit nur von 80 auf 83 Punkte. Der Trainingseffekt war insbesondere bei den schwierigeren Teilkomponenten des Tests deutlich.

    Über „Trainingsprogramme vor Lungentransplantation”, sprach Dr. M. Hütler vom Institut für Sportmedizin der FU Berlin. Erfolge durch Training seien auch bei schwerkranken Patienten zu erzielen, sei es in der Wartezeit vor der Transplantation oder im Rahmen der postoperativen Frührehabilitation. Ein kardiopulmonales Training sollte 3 -- 5×/Woche bei etwa 75 % -- 85 % der maximalen Herzfrequenz durchgeführt werden. Auch Krafttraining und Funktionsgymnastik seien sinnvoll. Gezielte und evaluierte Programme gebe es bisher nicht, so dass Hütler Beispiele aus seiner eigenen Arbeit vorstellte. Zur Steuerung der Belastung eigne sich die Borg-Skala, die mit 19 und 20 Punkten eine sehr, sehr anstrengende und mit 6 -- 8 Punkten eine sehr leichte Arbeit bewertet. Für das Training sei der Bereich von 12 -- 14 („etwas anstrengende Belastung”) interessant. Die Herzfrequenz sei ebenfalls gut zur Überwachung geeignet. Auf den Ruhepuls solle die Hälfte der Differenz zwischen Ruhe und maximaler Belastung dazugerechnet werden: ein Patient, der unter Belastung eine HF von 170 und in Ruhe von 100 pro Minute habe, solle bei einer Frequenz von etwa 135/min trainieren. Die genannten Empfehlungen gelten für die klassische Dauermethode. Ist ein solches Training nicht möglich, kann auf die Intervallmethode zurück gegriffen werden. Ein Intervalltraining sei vorteilhaft, sofern es fünfmal pro Woche durchgeführt werde. Geeignet seien Gehen oder fahrradergometrische Belastung. Für die erfolgreiche Durchführung eines ambulanten Programms sei eine kontinuierliche Betreuung der Patienten erforderlich. Hütler telefoniert wöchentlich mit seinen Patienten und lässt sich ihren aktuellen Trainingsplan faxen. Wichtig sei, Informationen darüber zu bekommen, warum Patienten ein Training nicht weiter fortführen. Nur so könne das Programm den Bedürfnissen des Patienten weitgehend angepasst werden.

    Prof. Kiosz sprach über „belastungsrelevante Komplikationen bei CF”. Eine wichtige Komplikationen ist der Pneumothorax. Während insgesamt 2200 in den Jahren 1985 -- 1999 durchgeführten Behandlungszyklen bei CF-Patienten trat in 24 Fällen ein Pneumothorax auf. Der häufigste Auslöser war Physiotherapie (Autogene Drainage, Flutter), nur dreimal Sport. Zur Behandlung wurde bei 12 Patienten eine Pleurodese durchgeführt. Bei den nicht chirurgisch behandelten Patienten waren 4 Todesfälle zu beklagen, und zwar wegen foudroyanter Infektion. Als weitere für sportliche Trainingsprogramme relevante Komplikationen nannte Kiosz die Hämoptoe und das Salzverlustsyndrom. Geringe Blutbeimengungen im Sputum seien bei Erwachsenen mit CF häufig. Schwere Hämoptysen mit Abhusten von mindestens 100 ml Blut ereignen sich bei 3 -- 5 % der Patienten. Behandelt wird mit Adrenalin-Inhalationen, und eine Verlegung auf die Intensivstation sei häufig angezeigt. Ein Salzverlustsyndrom, das bei CF wegen der massiv erhöhten Kochsalzkonzentration im Schweiß leichter auftreten kann als bei Gesunden, äußere sich klinisch primär durch das Nachlassen der groben Kraft. Erstaunlicherweise klagten die Patienten kaum über Durst und hätten kaum das Bedürfnis, Salz zu sich zu nehmen. Vorbeugung durch adäquate Information des Patienten und Zufuhr kochsalzreicher Getränke oder Speisen sei angezeigt, im Einzelfall können auch Kochsalzkapseln rezeptiert werden.

    Über „neue Erkenntnisse zum Exercise Induced Asthma” (EIA) sprach Dr. Lecheler aus Berchtesgaden. Charakteristisch für das EIA sei eine Obstruktion, die 8 -- 12 Minuten nach der Belastung auftritt. Ursache ist wahrscheinlich ein Wärmeverlust der Bronchialschleimhaut, verbunden mit Wasserverlust und relativer Hyperämie. Im Kindesalter komme eine Obstruktion bei freiem Laufen häufiger vor als nach fahrradergometrischer Belastung. Auch Kaltluft sei asthmogen. Zusätzlich sei beim EIA eine Spätreaktion möglich, die erst Stunden nach der Belastung auftritt. Sportprogramme für Kinder mit Anstrengungsasthma müssen daher bestimmte Rahmenbedingungen berücksichtigen. Dazu gehöre die Wahl der geeigneten Sportart und des Geländes, die angemessene Gestaltung des Programms sowie Peak-flow-Messungen vor und während des Trainings.

    Die Therapie des EIA umfasst auch bei Kindern eine antiinflammatorische Behandlung als Dauertherapie sowie eine angemessene Prämedikation vor der sportlichen Anstrengung. Nachgewiesen sei die günstige Wirkung von inhalativen Steroiden, Theophyllin, Nedocromil und DNCG. Neu seien Antileukotriene wie Montelukast, die auch beim EIA eingesetzt werden können. Im Vergleich zu DNCG schnitt Montelukast bei Kindern deutlich besser ab: ihr Verbrauch an schnellwirksamen inhalativen β2-Sympathikomimetika ging stärker zurück und Therapieabbrüche waren seltener. Die Kinder favorisierten die einmal tägliche Tabletteneinnahme im Vergleich zur 4× täglichen Feuchtinhalation.

    Schließlich berichtete Lecheler noch über den geeigneten Ablauf des Trainings bei Kindern mit EIA. Besonders wichtig sei das gründliche Aufwärmen vor der Belastungsphase. In der Abklingphase müssten die Patienten sorgfältig beobachtet werden, da prinzipiell die Gefahr der Obstruktion bestehe. Wie erfolgreich Sportprogramme bei Kindern mit Asthma sein können, zeigen Daten von Fink et al.: trainierte Asthmatiker hatten danach genauso gute Leistungsparameter wie gesunde Kinder (Tab. [1]). Es sei nicht zu tolerieren, dass in Deutschland noch immer bis zu 30 % der Kinder mit Asthma nicht am Sportunterricht teilnehmen, und dies trotz der Tatsache, dass Sport bei Jugendlichen im Freizeitbereich den ersten Rang einnehme.

    In ihrem zweiten Beitrag referierte Frau Biberger über ihre Erfahrungen zur „Selbsteinschätzung von Kindern mit Exercise Induced Asthma”. Die Selbsteinschätzung bezieht sich darauf, wie das Kind körperinterne Zustände aufnimmt und verarbeitet. Bei Asthma komme es darauf an, den Grad der Atemwegsobstruktion richtig einschätzen und darauf adäquat reagieren zu können. Die Einschätzung erfolgt auf einer Skala von 1 bis 4 („maximal schlecht”). Viele Kinder mit Asthma unter- oder überschätzen ihre Obstruktion. Aus diesem Grund wurde eine spezielles Trainingsprogramm für Kinder über 8 Jahren entwickelt. Es umfasst Lerneinheiten zu Asthmavorboten, zu Symptomen wie pfeifende Atmung, Engegefühl in der Brust oder hochgezogenen Schultern sowie zu Peak-flow-Messungen. Für jedes Kind werden Markierungen auf das Peak-flow-Meter geklebt, die den individuell guten und schlechten Bereich kennzeichnen. Ziel des Trainings sei, die Selbsteinschätzungswerte mit den gemessenen Peak-flow-Werten in Einklang zu bringen, und zwar sowohl in Ruhe als auch bei sportlicher Betätigung. Den Erfolg des Programms zeigte Biberger an mehreren Beispielen.

    Professor W. Schlicht vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen referierte zum Thema „Körper- und Selbstkonzept”. Für Jugendliche sei der Körper zentraler Aspekt der eigenen Würdigung. Auswertungen von Tagebüchern zeigten, daß 30 % der Eintragungen um den Körper kreisten. Davon waren nur 5 % positiv gefärbt, während es bei 57 % um Beschwerden seitens des Körpers ging. Mädchen äußerten sich deutlich negativer über ihr Aussehen und ihre Figur als Jungen. Insbesondere bei chronisch kranken Jugendlichen war dies der Fall; so zeigten Auswertungen der Bonner Längsschnittstudie, dass Diabetiker über ein insgesamt beschädigtes Körperselbstbild berichten. In einer Broschüre der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation wird dementsprechend gefordert, Jugendliche bei der Förderung des Selbstbewußtseins und ihrer Identität zu unterstützen. Hier könne der Sport eine ganz wesentliche Funktion ausüben. Eigene Studien mit gesunden Jugendlichen haben gezeigt, dass die Bewertungen von Aussehen, Zufriedenheit, Figur und Fitness um so günstiger waren, je mehr Sport die Jugendlichen getrieben haben. Wichtig sei, Sportarten zu finden, die Adoleszente attraktiv finden.

    In einem gerade angelaufenen Projekt sollen diese Erkenntnisse auch für chronisch kranke Jugendliche umgesetzt werden. Eine Pilotstudie hat zum Ziel, bei jugendlichen onkologischen Patienten einer Reha-Einrichtung Lebensqualität und Körperkonzept mit Hilfe eines speziellen Sportprogramms fördern zu helfen. Dabei werden Sportarten eingesetzt wie Klettern, Skilaufen, Biking und Inline-Skating. Erste Auswertungen zeigen Verbesserungen in den Bereichen Körperakzeptanz, körperliche Effizienz, körperliches Befinden und Akzeptanz durch Andere. Ein umfassendes Reha-Programm unter Einschluss von Sport führt demnach nicht nur zu medizinischen Verbesserungen, sondern beeinflusst auch die Befindlichkeit der Adoleszenten positiv.

    Zur Frage der Begriffe „Schulsport versus Therapiesport aus sportmedizinischer Sicht” referierte Professor Braumann vom Forschungsbereich Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg. Voraussetzung für Therapiesport sei eine eindeutige Indikation und die nachgewiesene Wirksamkeit der Maßnahmen. Therapiesport würde bei einer homogenen Klientel durchgeführt, und die Bezugspersonen seien handlungskompetent in Bezug auf die Erkrankung. Demgegenüber seien kranke Kinder beim Schulsport Außenseiter, weil dieser auf Gesunde ausgerichtet sei. Der Sportlehrer als Bezugsperson habe meist keine Kenntnis von den Problemen der Kranken. Beim Schulsport solle das Sozialverhalten gefördert werden, während es im Therapiesport zunächst um die individuelle Optimierung gehe. Gemeinsam sei beiden, dass Bewegungshandeln, Selbstwahrnehmung, Ausdrucksfähigkeit und Bewegungsverständnis gefördert werden. Betrachte man andere Aspekte des Sports wie Wettkampf und Erbringen herausragender körperlicher Leistungen, sei der Begriff Sport im Zusammenhang mit Therapie nicht optimal. Zu diskutieren sei, ob nicht Bewegung als Konzept in den allgemeinen Schulunterricht integriert werden könne. Problematisch seien die Tendenzen einzelner Bundesländer, den Schulsport aus dem Unterricht zu streichen oder die Durchführung an Turnvereine zu delegieren.

    Zum Abschluss der Tagung gab Professor D. N. Orenstein vom Cystic Fibrosis Center der Universität Pittsburgh einen Überblick zu „Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Mukoviszidose und Asthma”. Beide Erkrankungen gehen mit Atemwegsobstruktion einher, die dem Sport zum Teil Grenzen setzt. Dementsprechend würden Asthma- und Mukoviszidosekranke häufig vom Schulsport befreit. Begrenzte körperliche Aktivität sei bei 30 % der kindlichen und jugendlichen Asthmatiker zu verzeichnen, jedoch nur bei 5 % der Gesunden. Symptome könnten in Abhängigkeit von klimatischen Bedingungen auftreten: bei Mukoviszidose bestehe bei großer Hitze die Gefahr des Salzverlusts, während bei Asthmatikern Kälte eine Atemwegsobstruktion provozieren könne. Die individuelle Belastbarkeit werde nur zum Teil durch die Lungenfunktion in Ruhe determiniert; die Schwankungsbreite der maximal zu leistenden Arbeit sei bei beiden Erkrankungen groß. Beide Krankheitsgruppen profitieren von Programmen zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, auch wenn dabei keine deutlichen Verbesserungen der Ruhe-Lungenfunktion erreicht werden können. Unstrittig sei, dass die Qualität des Lebens durch regelmäßiges körperliches Training verbessert werden kann.

    Abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten der beiden Krankheiten gibt es jedoch zahlreiche Unterschiede. Zum Beispiel bekommen Asthmatiker eher nach dem Sport Symptome als Mukoviszidosepatienten, die während des Trainings Probleme bekämen. Dementsprechend hilft die Medikamentenanwendung vor dem Training dem Asthmatiker. Bei der CF korreliert das Limit der körperlichen Belastbarkeit mit der Basislungenfunktion, während dies bei Asthma nicht der Fall ist. Ebenso kann bei Mukoviszidose die Oxygenierung unter Belastung ein Problem werden, wenn die FEV1 auf weniger als 50 % des Solls reduziert ist. Die Überlebenszeit korreliert mit der körperlichen Belastbarkeit von Mukoviszidosepatienten. Ob es jedoch gelingen kann, durch gezielte Verbesserung der Leistungsfähigkeit das Survival bei CF zu erhöhen, müsse noch gezeigt werden.

    Tab. 1Belastungstests bei 11- und 12-jährigen Asthmatikern und bei gesunden Kontrollen (mod. nach Fink, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Lecheler)
    gesunde KontrollenAsthmatiker
    ohne Sportmit Sportnie Sportselten Sportregelmäßig Sport
    max. O2-Aufnahme (% Soll)10312983*101122
    O2-Puls (% Soll) 10512985*105127
    anaerobe Schwelle (% Soll)566146*5760
    *signifikanter Unterschied zu Gesunden
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    Abb. 1Lineare Korrelation zwischen maximaler Leistung und Kraft der Ellenbogenbeuger (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Gulmans). Kreise: gesunde Kontrollpersonen, Quadrate: CF-Patienten mit FEV1 ≥ 80 %, Dreiecke: CF-Patienten mit FEV1 < 80 % des Solls.

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    Abb. 2Ergebnisse des Koordinationstests für Kinder (KTK) bei 93 Asthmatikern (mit freundlicher Genehmigung von Frau Biberger).

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    Abb. 3Ergebnisse des KTK vor und nach Koordinationstraining in der Interventions- (links) und in der Kontrollgruppe (rechts) (mit freundlicher Genehmigung von Frau Biberger).

    Priv.-Doz. Dr. med G Steinkamp

    Klinische Forschung - Arzneimittelbegutachtung

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    Email: E-mail: gratiana.steinkamp@t-online.de

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    Abb. 1Lineare Korrelation zwischen maximaler Leistung und Kraft der Ellenbogenbeuger (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Gulmans). Kreise: gesunde Kontrollpersonen, Quadrate: CF-Patienten mit FEV1 ≥ 80 %, Dreiecke: CF-Patienten mit FEV1 < 80 % des Solls.

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    Abb. 2Ergebnisse des Koordinationstests für Kinder (KTK) bei 93 Asthmatikern (mit freundlicher Genehmigung von Frau Biberger).

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    Abb. 3Ergebnisse des KTK vor und nach Koordinationstraining in der Interventions- (links) und in der Kontrollgruppe (rechts) (mit freundlicher Genehmigung von Frau Biberger).