Als Lungenfibrose wird eine Gruppe von Erkrankungen mit fortschreitender Vernarbung
des Lungengewebes bezeichnet. Charakteristisch für alle Fibrosen ist ein übersteigerter,
chronischer Wundheilungsvorgang, der die Elastizität und den Gasaustausch der Lunge
zunehmend einschränkt. Die gefährlichste Art der Lungenfibrose wird als „Idiopathische
Lungenfibrose” bezeichnet, die in 50 % der Fälle innerhalb von 5 Jahren tödlich verläuft
[[1]]. Etwa 20 Patienten pro 100 000 Männer und 13 pro 100 000 Frauen erkranken pro Jahr
an idiopathischer Lungenfibrose (IPF) [[2]]. Die Ursache der Krankheit ist unbekannt; symptomatisch macht sie sich durch eine
langsam fortschreitende Dyspnoe als Folge der Einschränkung des Gasaustausches bemerkbar.
Da die Erkrankung meist in einem Lebensalter jenseits von 50 Jahren auftritt, halten
viele Patienten diese Symptome fälschlicherweise für altersbedingt.
Zur Therapie der IPF wurden bisher Glukokortikoide und/oder Immunsuppressiva verwendet.
Hierdurch ließ sich der Verlauf der Erkrankung jedoch nur in weniger als 30 % der
Fälle verbessern [[3]]. Ziel der Therapie ist die Beeinflussung der Biosynthese verschiedener Zytokine
und Wachstumsfaktoren sowie der Bestandteile der extrazellulären Matrix (ECM), die
sich unter Normalbedingungen in einem biologischen Gleichgewicht befinden (Abb. [1]). Anhand neuer Forschungsergebnisse wird das immunbiologische Gleichgewicht im Rahmen
der Gesamtreaktion von der Aktivität sogenannter T-Helfer-1- bzw. T-Helfer-2-Zytokinprofile
bestimmt. Während die T-Helfer-1-Zellen Interferon(IFN)-gamma bilden, synthetisieren
die T-Helfer-2-Zellen Interleukine wie z. B. IL-4 und IL-3. Eine besondere Funktion
scheint dem „Transforming Growth Factor β1” zuzukommen, der eine Übergewichtung der T-Helfer-2-Reaktion verursachen kann. Immunologische
Studien haben gezeigt, dass die IPF mit einer gesteigerten Expression von Genen assoziiert
ist, die für die T-Helfer-2-Reaktion typisch ist. Umgekehrt ist die Zellbiologie der
IPF mit einer geringeren Aktivität der T-Helfer-1-Reaktion und - hierdurch bedingt
- mit einer Abnahme der Synthese von Interferon-gamma korreliert [[4]]. Obwohl Interferon-gamma in zahlreichen Studien, speziell hinsichtlich seiner möglichen
Wirkung auf das menschliche Immunsystem bei Tumorkrankheiten, mit zumeist nicht oder
nur partiell befriedigenden Ergebnissen untersucht wurde [[5]
[6]
[7]], war sein potentieller Stellenwert für chronisch-entzündliche Reaktionen, speziell
des menschlichen Lungengewebes, bisher unbekannt. Der Gedanke, Interferon-gamma bei
der IPF zur Anwendung zu bringen, gründet sich auf die Beobachtung, dass die Substanz
das Wachstum von Bindegewebszellen (Fibroblasten) und deren Syntheseprodukte (extrazelluläre
Matrix) zu hemmen und zu modifizieren vermag [[8]]. Zudem wurde von uns und anderen beobachtet, dass das Interferon-gamma-Gen bei
menschlichen Lungenfibrosen herunterreguliert ist [[9]].
Um die IPF zu behandeln, haben wir ein Therapieverfahren entwickelt [[10]], wobei bestimmte Konzentrationen von Interferon-gamma in regelmäßigen Abständen
subkutan injiziert werden. Hierbei kommt es innerhalb eines Zeitraums von etwa 9 bis
40 Wochen bei den Patienten zu einer systematischen Verbesserung des Gasaustausches
sowie zu einer Abnahme der stark eingeschränkten Elastizität der Lunge. In der Folge
werden die Patienten besser belastbar, was zu einer deutlichen Verbesserung ihrer
Lebensqualität führt. Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung von Interferon
gamma bei IPF ist die wirksame Bekämpfung präexistenter oder erworbener Infektionen.
Die Nebenwirkungen der Therapie sind vergleichsweise gering; wir beobachteten lediglich
erhöhte Körpertemperatur und - selten - Gelenk- und Kopfschmerz innerhalb der ersten
6 - 9 Wochen.
Molekularbiologische Analysen des fibrosierenden Lungengewebes von Patienten mit IPF
weisen ein generelles Charakteristikum auf: alle Patienten haben ein herunterreguliertes
Gen für Interferon-gamma und umgekehrt ein heraufreguliertes Gen für den Transforming
Growth Factor β1 (siehe Abb. [2]). Kontrolluntersuchungen unter Therapie belegen eine Korrektur dieser fehlgewichteten
biologischen Balance und - parallel hierzu - eine Verbesserung der klinischen Symptome.
Obwohl dieser Therapieansatz speziell bei der IPF zu interessanten Ergebnissen geführt
hat, sind hierdurch die Probleme der Behandlung aller Arten fibrosierender Lungenkrankheiten
keineswegs gelöst. Die chronisch gesteigerte Wundheilung kann durch unterschiedliche
Faktoren ausgelöst werden. Daher unterscheiden wir verschiedene Formen von Lungenfibrosen.
Zum anderen sind der Grad der Vernarbung des Lungengewebes und die Dauer des Vernarbungsprozesses
von grundlegender Bedeutung für den Erfolg der Therapie. Unsere bisherigen Erfahrungen
mit der Zellbiologie multipler Formen fibrosierender Lungenerkrankungen zeigten jedoch,
dass das derzeit bekannte biologische Wirkprinzip einer fehlregulierten Biosynthese
von Zytokinen und Wachstumsfaktoren eine pathophysiologisch wesentliche Begleiterscheinung
fibrosierender Lungenerkrankungen ist. Hierbei gilt es, die individuelle immunologische
Situation von Patienten mit unterschiedlichen Formen fibrosierender Lungenerkrankungen
zu berücksichtigen. Eine möglichst detaillierte molekularbiologische Analyse aller
Entzündungsfaktoren im betroffenen Lungengewebe sollte demnach eine genauere Charakterisierung
der jeweiligen Art der fibrosierenden Entzündung ermöglichen. Die Interferon-gamma-Therapie
könnte daher ein erster Schritt zum Verständnis und zur Beeinflussung gestörter Immunmechanismen
bei verschiedenen Lungenerkrankungen sein, die mit Fibrosierungsreaktionen einhergehen.
Abb. 1Gewebsreaktionen bei Lungenfibrose. Unter Normalbedingungen (A) besteht ein biologisches
Gleichgewicht hinsichtlich Deckzellregeneration an der Lungenoberfläche und Erhaltungsstoffwechsel
der extrazellulären Matrix (ECM) des Lungengewebes. Unter den krankhaften Bedingungen
eines fibrosierenden Lungengewebeumbaus (B) scheint ein gesteigerter Zellumsatz eine
spezifische Verschiebung des Proteasen-Antiproteasen-Gleichgewichts zu bewirken mit
der Folge von Auflösungserscheinungen der für eine reguläre Wundheilung notwendigen
Basalmembran. Die hierbei freigesetzten Mediatoren wie z. B. Transforming-Growth Factor
β1 verursachen sowohl eine tiefgreifende Umorganisation zellulärer und biochemischer
Prozesse in der ECM als auch eine Verschiebung des immunologischen Gleichgewichts.
Abb. 2Transkription des IL-4, IFN-γ und TGF-β1-Gens bei einem Patienten mit Idiopathischer Lungenfibrose. Die spezifischen Amplifikationsprodukte
hatten eine Größe von 628 Basenpaaren (bp) für IL-4, 427 bp für IFN-γ und 161 bp für
TGF-β1.