Die medizinische Rehabilitation wurde in den vergangenen Jahren aufgrund einschneidender gesetzlicher Regelungen in ihrer Quantität drastisch zurückgenommen. Dies bedeutete für die pneumologische Rehabilitation eine Einbuße bei der Zahl der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen der Rentenversicherungsträger für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und Asthma bronchiale von 1996 auf 1997 (Abb. [1]) von mehr als 40 %. Dies geschah, obwohl die deutsche Rentenversicherung sich schon Anfang 1989 mit der Berufung der sogenannten Reha-Kommission und der von ihr empfohlenen Sicherung der Qualität von Rehabilitationsmaßnahmen auseinandergesetzt hat [[1]]. Wesentlicher Bestandteil ihrer Empfehlungen war die Entwicklung von qualitätssichernden Maßnahmen unter anderem auch für die Pneumologie. Die Sektion Prävention und Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie hat einige Jahre später ebenfalls Standards für die pneumologische Rehabilitation erarbeitet und entwickelt [[2]]. Im Rahmen der Entwicklung des Programms zur Prozessqualitätssicherung des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger [[3]] wurden von einer pneumologischen Expertengruppe Therapieziele für die pneumologische Rehabilitation und ihre verschiedenen ganzheitlichen Inhalte formuliert. Es handelte sich hierbei um somatische, funktionsbedingte, psychosoziale und edukative Therapieziele, die zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme gemeinsam mit dem Patienten festgelegt werden. Eine Evaluation der pneumologischen Rehabilitationsziele hat aber hinsichtlich von kurz-, mittel- und/oder langfristigen Outcomes bisher nicht stattgefunden. Gerdes et al. [[4]] haben im Rahmen der sogenannten Protos-Studie in den Bereichen Kardiologie, Orthopädie, Neurologie, Psychosomatik und Prävention bereits eine therapiezielorientierte Studie durchgeführt und damit Marksteine für diesen methodischen Ansatz in der Ergebnismessung der Rehabilitation gesetzt.
Ziel unserer Untersuchung war es zu ermitteln, inwieweit sich kurz-, mittel- und langfristige Effekte in der pneumologischen Rehabilitation bei einer zielorientierten Auswertung der mit einem spezifischen Assessment-Instrument erhobenen Daten nachweisen lassen.
Patienten und Methode
Patienten und Methode
Es wurden 566 konsekutiv in einer pneumologischen Rehabilitationsklinik aufgenommene Patienten in die Untersuchung eingeschlossen. Es handelte sich hierbei um 381 Männer und 185 Frauen mit einem mittleren Alter von 47,0 ± 9,8 Jahren und einem Bodymass-Index von 27,5 ± 5,0 kg/m2. Neben einer ausführlichen Anamneseerhebung, körperlichen Untersuchung und lungenfunktionsdiagnostischen Untersuchung mit Ganzkörperplethysmographie, Blutgasanalyse und teilweise nächtlichem Monitoring von Atemfluss, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz und Körperlage wurde den Patienten zu Beginn (T0), am Ende (T1), 6 Monate (T2) und 12 Monate (T3) nach der Rehabilitationsmaßnahme ein Symptomfragebogen vorgelegt. Der Fragebogen enthielt neben allgemeinen Fragen zur beruflichen Tätigkeit Fragen zu pulmonaler und kutaner Symptomatik wie Husten und Auswurf, Atemnot, Juckreiz, Herzrasen usw. am Tage und in der Nacht, Schlafverhalten und Wachheit am Tage. Die Fragen konnten mit nie, selten, manchmal, oft oder sehr oft beantwortet werden und bezogen sich auf Beschwerden in der jeweils zurückliegenden Woche [[5]].
Statistische Auswertung
Statistische Auswertung
Ausgehend davon, dass nur bei solchen Patienten eine reale Verbesserung der beklagten Beschwerdesymptomatik erreicht werden kann, bei denen auch eine entsprechende Symptomatik vorliegt, wurden nur solche Patienten in die Auswertung der einzelnen Variablen einbezogen, die „oft” oder „sehr oft” das Auftreten entsprechender Beschwerden beklagt hatten. Die bei den jeweiligen Patienten zu Beginn der Rehamaßnahme bestehenden Beschwerden wurden verglichen mit den Angaben am Ende der Rehamaßnahme, sowie nach weiteren 6 und 12 Monaten. Es ergeben sich daher für die einzelnen Symptome sehr unterschiedliche Patientenzahlen. Da bei großen Patientenzahlen auch wenig relevante Veränderungen als signifikant erscheinen können und um auch die Vergleichbarkeit der Effektivität der Maßnahme zu anderen Dimensionen wie Gewicht, Lungenfunktionsmessgrößen oder auch Arbeitsunfähigkeitstagen herzustellen, wurden sogenannte Effektstärken ermittelt. Von verschiedenen Autoren werden im wesentlichen zwei Varianten zur Berechnung der Effektstärke vorgeschlagen. Wir haben uns für die von Gerdes et al. [[6]] vorgeschlagene Variante entschieden. Hierbei wird der Quotient aus der Differenz der zu betrachtenden Messzeitpunkte und der Standardabweichung dieser Differenz gebildet:
Die Interpretation der Effektstärke wurde in Anlehnung an den von Gerdes et al. [[6]] getroffenen Vorschlag folgendermaßen verwendet: Effektstärken unter 0,4 gelten als geringe, zwischen 0,4 und 0,8 als mittlere und über 0,8 als starke Effekte.
Ergebnisse
Ergebnisse
Die untersuchten Patienten waren im Mittel 47,0 ± 9,8 Jahre alt (Männer: 47,3 ± 9,8 Jahre, Frauen: 46,5 ± 9,8 Jahre). Über 50 % der Patienten wiesen ein Asthma bronchiale als Erstdiagnose auf. Chronische Bronchitis mit und ohne Obstruktion, mit und ohne Lungenemphysem bestand bei 32,0 % der Patienten (Tab. [1]). Die Geschlechtsverteilung wies 2/3 Männer (n = 381) und 1/3 Frauen (n = 185) auf. Die Mittelwerte der ganzkörperplethysmographischen Untersuchung sind als Soll- und Ist-Wert und Relation Soll/Ist in Tab. [2] dargestellt.
Die als mögliches Therapieziel definierten Symptome und Beschwerden sind mit ihrer vorkommenden Häufigkeit in Tab. [3] aufgelistet. Die Effektstärken werden hier für alle Variablen des Assessmentinstrumentes, rangiert nach ihrer Höhe bei Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme aufgeführt. Es zeigt sich, dass die nächtliche Problematik wie Atemnot, Herzrasen, Husten und Schwitzen am Ende der Rehamaßnahme sehr starke Effekte im Sinne einer Verbesserung aufweisen, die sowohl 1/2 als auch 1 Jahr nach der Rehamaßnahme weiterhin als starke Effekte nachzuweisen sind (Abb. [2]). Weiterhin zeigen auch die als Folge nächtlicher Problematik sich darstellenden Variablen der hypersomnischen Symptomatik wie Tagesschläfrigkeit, Müdigkeit, Einschränkung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit starke Effekte bei den Patienten auf. Auch diese sind nach einem Jahr noch als starke oder mittlere Effekte nachzuweisen. Morgendlicher Husten, Mundtrockenheit, Schnarchen und nächtliches Wasserlassen zeigen zwar am Ende der Rehamaßnahme auch starke Effekte, 12 Monate nach der Rehamaßnahme sind sie jedoch nur noch als mittlere oder geringe Effekte (morgendliche Mundtrockenheit und nächtliches Wasserlassen) nachweisbar. 12 Monate nach Beendigung der Rehamaßnahme weisen aber immer noch 9 von 24 Variablen starke Effekte und weitere 12 Variablen mittlere Effekte und nur zwei Variable geringe Effekte auf.
Tab. 1Zahl der Erstdiagnosen der untersuchten Patienten
Erstdiagnosen | n = 566 | % |
Asthma bronchiale | 286 | 50,3 |
chronische Bronchitis ± Lungen-emphysem | 181 | 32 |
Psoriasis | 23 | 4,1 |
Neurodermitis | 32 | 5,7 |
chronische Sinusitis | 12 | 2,1 |
sonstige pulmonale Erkrankungen | 19 | 3,4 |
obstruktives SAS | 13 | 2,3 |
Tab. 2Ganzkörperplethysmografische Messgrößen der 566 untersuchten Patienten
| Dim | IST | ± SD | % Soll |
FRC | l | 3,73 | 1,12 | 103,9 |
RV | l | 2,56 | 0,97 | 132,0 |
IVC | l | 4,24 | 1,11 | 88,2 |
TLC | l | 6,80 | 1,38 | 101,3 |
FEV1 | l | 2,87 | 0,99 | 82,8 |
Raw | kPas/l/s | 0,29 | 0,17 | 144,3 |
sRaw | kPas*s | 1,34 | 0,96 | 178,7 |
PEF | l/s | 6,97 | 3,1 | 87,2 |
MEF75 | l/s | 5,05 | 2,6 | 68,8 |
MEF50 | l/s | 3,05 | 1,7 | 69,8 |
MEF25 | l/s | 1,27 | 0,79 | 73,1 |
MMEF | l/s | 2,59 | 1,44 | 72,0 |
FVC | l | 3,71 | 1,17 | 88,7 |
Tab. 3Effektstärken von Symptomen und Beschwerden bei insgesamt 566 Patienten rangiert nach dem Ausmaß der Effektstärken am Ende der Rehabilitationsmaßnahme
Symptome u. Beschwerden | n | Effektstärke Ende d. Reha | Effektstärke n. 6 Monaten | Effektstärke n. 12 Monaten |
nächtliches Herzrasen | 24 | 1,80 | 1,42 | 1,11 |
tagsüber Einschlafen | 37 | 1,69 | 1,14 | 0,98 |
nächtliche Atemnot | 65 | 1,45 | 0,89 | 0,98 |
nächtlicher Husten | 73 | 1,37 | 0,86 | 0,92 |
tagsüber müde | 132 | 1,26 | 0,86 | 0,92 |
eingeschr. Konzentrationsfähigkeit | 55 | 1,19 | 0,81 | 0,97 |
nächtliches Schwitzen | 125 | 1,17 | 0,93 | 0,84 |
nächtliche Kopfschmerzen | 27 | 1,16 | 0,68 | 1,15 |
Schnarchen | 66 | 1,15 | 0,61 | 0,41 |
eingeschr. Leistungsfähigkeit | 100 | 1,13 | 0,68 | 0,58 |
nächtlich verstopfte Nase | 75 | 1,11 | 0,58 | 0,68 |
Einschlafstörungen | 83 | 1,05 | 0,78 | 0,72 |
nächtlicher Juckreiz | 24 | 1,02 | 0,71 | 0,69 |
morgens schlapp | 85 | 1,01 | 0,71 | 0,63 |
Atemnot beim Gehen | 95 | 1,00 | 0,68 | 0,53 |
abends geschwollene Beine | 60 | 0,98 | 0,96 | 0,90 |
morgendliche Mundtrockenheit | 92 | 0,97 | 0,52 | 0,39 |
Atemnot beim Treppensteigen | 149 | 0,96 | 0,61 | 0,55 |
morgendliche Kopfschmerzen | 36 | 0,95 | 0,75 | 0,62 |
morgendlicher Husten | 112 | 0,93 | 0,37 | 0,36 |
morgens frisch u. ausgeruht | 118 | 0,87 | 0,60 | 0,53 |
Durchschlafstörungen | 161 | 0,83 | 0,64 | 0,52 |
zu frühes Aufwachen | 149 | 0,68 | 0,63 | 0,59 |
nächtliches Wasserlassen | 109 | 0,63 | 0,38 | 0,24 |
Diskussion
Diskussion
In der modernen pneumologischen Rehabilitation wird mit ganzheitlichen therapeutischen Ansätzen versucht, eine Verbesserung der von den Patienten beklagten klinischen Symptomatik, Beschwerden und Befunden zu erreichen. Es ist daher auch gerechtfertigt, nur solche Patienten hinsichtlich ihrer Verbesserung der Beschwerden zu untersuchen, die auch über eine entsprechende spezifische Beschwerdesymptomatik klagen. Nur bei diesen Patienten macht es Sinn, eine therapiezielorientierte Behandlung zu verordnen und durchzuführen. Diese therapiezielorientierte Betrachtungsweise findet erst allmählich Eingang in die Analyse von Outcomes von Rehabilitationsmaßnahmen. Bereits in den 70er Jahren wurden Verfahren der Zielerreichungsskalierung eingesetzt [[7]]. Erst die von Gerdes [[8]] vorgeschlagene „zielorientierte Ergebnismessung”, die im Rahmen einer großen Studie, der sogenannten Protos-Studie, eingesetzt wurde, ermöglicht auch eine Individualisierung der allgemeinen Ergebnismessung. Zur Ermittlung möglicher Therapieziele wurde von uns ein Fragebogen eingesetzt, der schon seit vielen Jahren in unserer Klinik bei verschiedenen Studien wiederholt verwendet wurde und seit vielen Jahren evaluiert ist [[5]].
Bei Auswertung von spezifischen pneumologischen Rehabilitationszielen wie sie auch z. T. von einer Expertengruppe im Rahmen des Qualitätssicherungsprogramms des VDR angegeben wurden, lassen sich besonders nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme sehr starke Effekte nachweisen. Diese treffen besonders die beklagte nächtliche Symptomatik und die häufig daraus resultierende Tagessymptomatik (Abb. [2] u. [3]). Diese Effekte lassen sich vor allem bei solchen Patienten nachweisen, die zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme eine entsprechende Symptomatik beklagten und angaben, dass sie „oft” oder „sehr oft” bestehe. Andere krankheitsspezifische Beschwerden wie morgendlicher Husten, Atemnot unter körperlicher Belastung wie Gehen oder Treppensteigen, wiesen zwar auch am Ende der Rehamaßnahme starke Effekte auf, diese ließen sich aber am Ende des folgenden Jahres nur noch als mittlere oder geringe Effekte darstellen (Abb. [4]).
Methodenkritisch muss die sogenannte „Regression zur Mitte”, d. h. dass extrem auffällige Werte zum Zeitpunkt T0 in der Postmessung (T1 - T3) zum Punkt der größten Dichte ihrer theoretischen Verteilung, d. h. hin zur mittleren Ausprägung tendieren, diskutiert werden wie dies von Zwingmann 1996 [[9]] und Maurischat et al. 2000 [[10]] geschehen ist. Weitere methodische Arbeiten zur Klärung dieser Probleme erscheinen notwendig.
Ausgehend davon, dass von den Möglichkeiten der pneumologischen Rehabilitation derzeit eher zu wenig Gebrauch gemacht wird, sollten auch die gesundheitsökonomischen Betrachtungen berücksichtigt werden. Betrachtet man die Arbeitsunfähigkeitstage (AU) bei einem Teilkollektiv zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme bei den Patienten, die im Jahre vor der Rehamaßnahme mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig waren mit den Arbeitsunfähigkeitstagen ein Jahr nach der Rehamaßnahme, so lässt sich hier ebenfalls eine mittlere Effektstärke von 0,66 nachweisen. Dies bedeutet allein bei diesen 46 Patienten mit mehr als 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit eine Reduktion von 138,0 ± 95 AU-Tagen auf 57,1 ± 90 AU-Tagen, also insgesamt im Mittel eine Abnahme um mehr als 81 Tage.
Gerdes et al. [[4]] konnten in der Protos-Studie zeigen, dass es sinnvoll erscheint, die therapiezielorientierte Ergebnismessung sowohl für ihr Assessmentinstrument (IRES 1-Fragebogen) als auch für andere Variablen wie die symptomlimitierte körperliche Belastung, Cholesterinwerte, Blutdruckwerte etc. einzusetzen. Es ist damit ein Vergleich der Effektstärken von subjektiven und objektiven Größen möglich. Um eine bessere Einschätzung der Bedeutung möglicher Effektstärken in der Pneumologie zu erhalten, haben wir FEV1-Werte vor und 15 Minuten nach Bronchospasmolyse mit einem β2-Sympathomimetikum bei 175 konsekutiv in unserem Lungenfunktionslabor untersuchten Patienten miteinander verglichen. Alle Patienten wiesen einen FEV1-Wert in Prozent des Solls von unter 80 % auf. Bei einem FEV1-Wert von 1,69 ± 0,59 l vor und 1,98 ± 0,72 l nach Bronchospasmolyse fand sich eine Differenz von 0,296 ± 0,282. Die Division der letzten beiden Werte durcheinander ergeben eine Effektstärke für die Bronchospasmolyse von 1,05. Es wird deutlich, dass die Effektstärke, die sich durch bekannt wirksame pharmakodynamische Substanzen erzielen lässt, nicht wesentlich von den durch eine Rehabilitationsmaßnahme für verschiedene Variablen zu erzielenden Effekten unterscheidet. Verglichen mit diesen akut erzielbaren sehr starken, aber schon nach 8 Stunden praktisch nicht mehr nachweisbaren Effekten der kurzwirksamen β2-Mimetika, sind die noch 365 Tage nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme nachweisbaren starken und mittleren Effekte der pneumologischen Rehabilitation eindrucksvoll.
Abb. 1Zahl der Rehabilitationsmaßnahmen der Rentenversicherung bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) und Asthma bronchiale (Asthma) von 1983 - 1998.
Abb. 2Effektstärken der pneumologischen Rehabilitation bei unterschiedlicher nächtlicher Symptomatik am Ende und 6 Monate und 12 Monate nach Beendigung der Rehamaßnahme.
Abb. 3Effektstärken der pneumologischen Rehabilitation auf die Leistungsfähigkeit am Tage am Ende und 6 und 12 Monate nach Beendigung der Rehamaßnahme.
Abb. 4Effektstärken der pneumologischen Rehabilitation auf die Symptomatik am Tage am Ende und 6 und 12 Monate nach Beendigung der Rehamaßnahme.