Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(41): 1215
DOI: 10.1055/s-2000-7723
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

DMW Themen-Schwerpunktheft Hämatologie/Onkologie anlässlich des Deutsch-Österreichischen Hämatologenkongresses in Graz

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Ziel des anlässlich des Jahreskongresses der Österreichischen und Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie erscheinenden Schwerpunktheftes der DMW ist es, auf aktuelle Entwicklungen in diesem Fachgebiet hinzuweisen und sie anhand ausgewählter Beispiele zu verdeutlichen. Dazu werden in diesem Schwerpunktheft regulär eingegangene Beiträge der jüngsten Vergangenheit berücksichtigt, die den Prozess der wissenschaftlichen Begutachtung durchlaufen haben und für eine Publikation akzeptiert worden sind.

Das vorliegende Schwerpunktheft umfasst drei Übersichtsarbeiten, zwei Originalien sowie zwei Kasuistiken, die sowohl die Breite des Fachgebietes hämatologisch-onkologischer Erkrankungen als auch die aktuellen klinischen und wissenschaftlichen Entwicklungen in hervorragender Weise verdeutlichen. Die beiden Beiträge von Braun und Pantel (S. 1237) zur Diagnostik und klinischen Bedeutung von disseminierten Tumorzellen im Knochenmark sowie von Lengfelder und Hehlmann (S. 1243) zur Polycythämia vera lassen erkennen, dass dank moderner Methoden der Zellbiologie sowie der molekularen und funktionellen Diagnostik zunehmende Einblicke in die biologischen Grundlagen der Entstehung und Progression hämatologisch-onkologischer Erkrankungen gewonnen werden konnten. So ist der Nachweis disseminierter Tumorzellen im Knochenmark nicht nur von prognostischer Relevanz, sondern hat neue Erkenntnisse zur frühzeitigen systemischen Dissemination solider Tumoren erkennbar gemacht und darüber hinaus die Grundlage für die Entwicklung und Evaluation immunologischer Therapiestrategien mittels Antitumor-Antikörpern erweitert.

Der Beitrag von Lengfelder und Hehlmann (S. 1243) zur Polycythämia vera unterstreicht in ähnlicher Weise die Aufdeckung molekularer Grundlagen hämatologischer Erkrankungen und ihre Perspektive, aus diesen Erkenntnissen neue Ansätze für innovative Therapiestrategien zu entwickeln. Der Beitrag verdeutlicht jedoch gleichzeitig auch, dass ein »althergebrachtes« Therapieprinzip wie der Aderlass trotz modernster medikamentöser Therapieverfahren seinen Stellenwert behalten hat und auch heute noch das Grundgerüst der Therapie darstellt.

Das Übersichtsreferat von Dummer et al. (S. 1240) zeigt, dass bei einigen Tumoren Verfahren der Immuntherapie Einzug in den klinischen Alltag gefunden haben. Das maligne Melanom ist dabei neben dem Nierenzellkarzinom das am besten abgesicherte Modell.

Diese drei Übersichtsarbeiten werden durch zwei Originalarbeiten ergänzt, die in exemplarischer Weise verdeutlichen, dass die adäquate Betreuung hämatologisch-onkologischer Patienten weit über die unmittelbare krankheitsspezifische Therapie hinausgeht. Vielmehr gehört zur Herausforderung der modernen Onkologie auch die Kenntnis und Umsetzung unterstützender, symptomorientierter Behandlungsmaßnahmen, zu denen in besonderem Maße die Kontrolle tumorbedingter Schmerzzustände zählt. Die Arbeit von Loick und Mitarbeitern (S. 1216) vermittelt in diesem Kontext außerordentlich interessante Ergebnisse zur altersabhängigen Applikation von morphiumhaltigen Analgetika und belegt eindrucksvoll, dass auch im höheren Lebensalter Tumorschmerzen effektiv und ohne erhöhtes Risiko von Nebenwirkungen behandelbar sind.

Neben den konventionellen Verfahren der Therapie, zu denen auch die supportive Therapie im weitesten Sinne gerechnet werden kann, haben alternative Behandlungsverfahren in der praktischen Patientenbetreuung große Bedeutung. Unter diesen Verfahren kommt insbesondere dem Einsatz von Mistelextrakten - sowohl quantitativ als auch unter ökonomischen Gesichtspunkten - eine zentrale Rolle zu. Im Rahmen einer Querschnittsstudie gingen Münstedt und Mitarbeiter (S. 1222) der Frage nach, wie diese Therapieform von Ärzten eingesetzt wird und mit welchen Erwartungen sie von Seiten der Behandler verbunden ist.

Diese Beiträge werden durch zwei interessante Kasuistiken mit Bezug zur Hämatologie ergänzt. Dieses DMW Schwerpunktheft vermittelt so auf hohem klinischen und wissenschaftlichen Niveau in didaktisch hervorragender Weise exemplarische Einblicke in das komplexe Gebiet der modernen Hämatologie und Onkologie, die auch für den Nichtspezialisten von hoher Bedeutung sein dürften.

Prof. Dr. W. Hiddemann, Herausgeber