Rofo 2000; 172(1): 101-103
DOI: 10.1055/s-2000-8182
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Adenom des Mittelohrs: CT- und MRT-Befunde

D. Maintz, C. Stupp, K. Krueger
  • 1Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik der Universität zu Köln
  • 2Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie des St. Elisabeth Krankenhauses Köln-Hohenlind
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Table of Contents

Unter den tumorösen Raumforderungen des Mittelohrs und des Mastoids sind Adenome selten. Die Diagnosestellung dieser Entität gestaltet sich schwierig, da die klinischen Symptome uncharakteristisch sind und sowohl die Otoskopie als auch die Bildgebung außer dem Nachweis einer Raumforderung häufig keine Hinweise auf die Ätiologie geben.

#

Fallbericht

Eine 40jährige Patientin stellte sich im Januar 1999 erstmals in der Ambulanz der HNO-Klinik des St. Elisabeth-Krankenhauses vor. Sie gab an, seit 6 Monaten an einem kontinuierlichen hochfrequenten Geräusch im rechten Ohr und einer zunehmenden rechtsseitigen Hörminderung zu leiden. Bei der initialen Untersuchung fanden sich otoskopisch rechts ein reizloser äußerer Gehörgang und ein intaktes Trommelfell. Im hinteren oberen Paukenanteil war durch das transparente Trommelfell ein rötlich schimmernder Tumor zu sehen. Im Reintonaudiogramm fand sich im Tief- und Mitteltonbereich eine Schalleitungsstörung von 15 bis 20 dB, im Hochtonbereich bis auf 70 dB zunehmend. Zur Abklärung des Otoskopiebefundes wurde eine Dünnschicht-Computertomographie des Felsenbeines durchgeführt (Abb. [1]). Hier zeigte sich ein 1 cm großer, ovalärer, hypodenser Weichteiltumor im rechten Mittelohr, der die Gehörknöchelchen umwuchs. Eine knöcherne Arrosion der Paukenhöhlenwand war nicht nachweisbar. In mehreren Mastoidzellen lag eine Flüssigkeitsansammlung vor. Eine zusätzlich durchgeführte Magnetresonanztomographie (ACS-NT, Philips, Best, The Netherlands) der Felsenbeine wurde unter Verwendung folgender Sequenzen angefertigt: T1-gewichtete Gradientenechosequenzen (TR: 30 ms, TE: 13 ms; Flipwinkel: 30°, NSA 2; FOV 200, Schichtdicke 2 mm; Scanzeit: 2 : 51 min; Matrix 256 × 256) in coronaler Schichtführung vor und nach i. v. Kontrastmittelgabe (Gd-DTPA, Schering, Berlin) T1-SE-Sequenz transversal nativ (513/11, NSA 2, 4 mm, 2 : 48 min., FOV 240, Matrix 230 × 256); T1-TSE-Sequenz transversal nach i. v. KM-Gabe (Gd-DTPA, 500/12, TSE 5, NSA 2, 4 mm, FOV 220, Matrix 254/512); T2-TSE-Sequenz transversal (1900/90, TSE 16, NSA 3, 4 mm, 2 : 57 min., FOV 240, Matrix 254/512). In Analogie zur CT zeigte sich eine 1 cm große, ovaläre Raumforderung in der rechten Paukenhöhle. In T1- und T2-Wichtung erschien der Tumor gering hyperintens zu weißer Hirnsubstanz, nach i. v. KM-Gabe zeigte sich ein homogenes Enhancement (Abb. [2]).

Bei der präoperativen Untersuchung im Juni 1999 fand sich otoskopisch im Vergleich zur Voruntersuchung eine deutliche Größenzunahme des Tumors. Intraoperativ fanden sich die Ossikel von dem Tumorprozeß umwachsen. Knöcherne Arrosionen lagen nicht vor. Unter Mitresektion des Ambosses und des Hammerkopfes konnte der Tumor vollständig aus der Paukenhöhle und dem Kuppelraum entfernt werden. Es wurde eine Rekonstruktion der Gehörknöchelchenkette mittels einer Titanpartialprothese durchgeführt.

Histologisch bestand der Tumor aus weitgehend gleichförmigen, flachen, meist kubischen Epithelien, drüsig und leicht papillär angeordnet mit zugehörigem lockeren Bindegewebsstroma im Sinne eines Adenoms. Anhalt für Malignität bestand nicht. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Ein postoperatives Audiogramm zeigte eine geringgradige Restschalleitungsschwerhörigkeit von durchschnittlich 15 dB.

#

Diskussion

Adenome des Mittelohrs stellen eine seltene Entität dar. Die Literatur beschränkt sich im wesentlichen auf Einzelfallberichte. In einer systematischen Literaturrecherche konnten wir 46 Berichte über benigne Adenome des Mittelohrs finden. In der Schnittsammlung des Armed Forces Institute of Pathology (Washington, DC) sind ca. 100 Fälle einer adenomatösen Neoplasie des Mittelohrs (Adenome und Adenokarzinome) gesammelt.

Die histologische Abstammung der Mittelohradenome ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Die Ähnlichkeit des Tumorgewebes mit normaler Mukosa spricht für einen Ausgang von der Paukenhöhlenschleimhaut. Die Tatsache, daß das Mittelohrepithel bei Entzündungen Drüsengewebe bilden kann, unterstützt diese Annahme. Die Beurteilung der Dignität adenomatöser Mittelohrtumoren ist schwierig. Auch histologisch lassen sich Adenome nicht immer sicher von Adenokarzinomen differenzieren, so werden in der Literatur die Begriffe Adenom, semimalignes Adenom und Adenokarzinom des Mittelohres uneinheitlich gebraucht (Pallanch JF; Laryngoscope 1982; 92; 47 - 54).

Weder klinisch noch bildmorphologisch läßt sich die Erkrankung eindeutig diagnostizieren. Die klinischen Symptome reichen von Druckgefühl im Ohr, Tinnitus und Hörminderung bis zu Funktionseinschränkungen kaudaler Hirnnerven. Die otoskopischen Befunde sind uncharakteristisch, meist findet sich eine rötlich durch das Trommelfell hindurchscheinende Raumforderung.

In der Differentialdiagnose kommen am häufigsten eine chronische Otitis media, ein Cholesteatom und verschiedene Mittelohrneoplasien wie Glomus jugulare- und Glomus tympanicum-Tumoren, Meningeome, Hämangiome und tumorähnliche Neoplasien in Betracht. Kongenitale Cholesteatome kommen meistens im Epitympanum des Mittelohres vor und gehen wahrscheinlich von anomalen Epithelresten aus. Glomus tympanicum-Paragangliome neigen dazu, frühzeitig Symptome zu entwickeln. Sie erscheinen bei Erstdiagnose häufig als gut abgrenzbare, kontrastmittelaufnehmende Weichteilraumforderungen ohne Knochenbeteiligung angrenzend an das kochleäre Promontorium im Mittelohr. Meningeome können sich ebenfalls bis in das Mittelohr ausdehnen. Ein durales Enhancement („dural tail sign”) in Nachbarschaft des Tumors ist hier charakteristisch.

Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sind die Charakteristika von Adenomen in der Schnittbilddiagnostik ungenügend definiert. In der Computertomographie erscheinen Adenome als kontrastmittelaufnehmende, weichteildichte Raumforderungen, die meist auf die Paukenhöhle beschränkt sind. Knöcherne Destruktionen der Paukenhöhle sind selten und eher bei Adenokarzinomen des Mittelohrs zu finden (Genecke et al., Am J Otol 1990). Die Gehörknöchelchen sind meist in Tumorgewebe eingebettet, aber nicht destruiert. Die Mastoidzellen sind in der Regel durch Flüssigkeitsansammlungen ausgefüllt, bedingt durch einen behinderten Sekretabfluß. Der äußere Gehörgang ist tumorfrei.

Bisher wurde eine MRT-Untersuchung bei adenomatösen Mittelohrtumoren nur in einem Fall beschrieben (Arnold et al., Eur Arch Otorhinolaryngol 1996). Wie in unserem Fall zeigt sich hier eine weichteildichte Raumforderung in der Paukenhöhle, die homogen Kontrastmittel aufnimmt. Die Signalintensität entspricht in T1- und in T2-Wichtung etwa dem von weißem Hirngewebe. In der CT ist eine eventuelle Infiltration der Ossikel und der knöchernen Paukenhöhlenwand besser zu beurteilen als in der MRT. Vorteile der MRT gegenüber der CT ergeben sich in der besseren Beurteilbarkeit des Kleinhirnbrückenwinkels inclusive der Hirnnerven VII und VIII. Insofern stellt die MRT bei der Abklärung einer Mittelohrraumforderung eine sinnvolle Ergänzung zur CT dar.

D. Maintz, C. Stupp, K. Krüger, Köln

Zoom Image

Abb. 1Dünnschicht-HR-CT des Felsenbeines (Prof. Dr. Neufang, Euskirchen): 1 cm großer ovalärer Weichteiltumor im Mittelohr, der die Gehörknöchelchen umwächst. Keine Arrosion der Paukenhöhlenwand. Flüssigkeit in einzelnen Mastoidzellen.

Zoom Image

Abb. 2 a u. bMRT (Prof. Dr. Neufang, Euskirchen): T1-Gradientenechosequenz des Felsenbeines coronal vor und nach i. v. KM-Gabe: 1 cm große, ovaläre Raumforderung in der rechten Paukenhöhle. Tumor gering hyperintens zu weißer Hirnsubstanz, nach i. v. KM-Gabe homogenes Enhancement. Die Gehörknöchelchen entsprechen der signalfreien Struktur innerhalb des Tumors.

Zoom Image

Abb. 1Dünnschicht-HR-CT des Felsenbeines (Prof. Dr. Neufang, Euskirchen): 1 cm großer ovalärer Weichteiltumor im Mittelohr, der die Gehörknöchelchen umwächst. Keine Arrosion der Paukenhöhlenwand. Flüssigkeit in einzelnen Mastoidzellen.

Zoom Image

Abb. 2 a u. bMRT (Prof. Dr. Neufang, Euskirchen): T1-Gradientenechosequenz des Felsenbeines coronal vor und nach i. v. KM-Gabe: 1 cm große, ovaläre Raumforderung in der rechten Paukenhöhle. Tumor gering hyperintens zu weißer Hirnsubstanz, nach i. v. KM-Gabe homogenes Enhancement. Die Gehörknöchelchen entsprechen der signalfreien Struktur innerhalb des Tumors.