Pneumologie 2000; 54(1): 5-9
DOI: 10.1055/s-2000-9062
ORIGINALARBEIT
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Nichtinvasive Beatmung bei der akuten respiratorischen Insuffizienz

Non-Invasive Mask Ventilation in Acute Respiratory Insufficiency:T. Welte
  • Otto-von Guericke Universität Magdeburg, Bereich Pneumologie und internistische Intensivmedizin, Magdeburg
Further Information

Dr. Tobias Welte

Otto-von Guericke Universität Magdeburg Bereich Pneumologie und internistische Intensivmedizin

Leipziger Str. 44

39120 Magdeburg

Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung:

Nichtinvasive Maskenbeatmung wird heute bei kooperativen, mitarbeitsfähigen Patienten als Ergänzung zur konventionellen invasiven Beatmung über einen Endotrachealtubus auf vielen Intensivstationen eingesetzt. Bei Beachtung der Kontraindikationen (Schleimverhalt, Schluckstörung und andere neurologische Auffälligkeiten, Kreislaufinstabilität) und genauer Definition von Abbruchkriterien hat sich die Methode als sicher bewährt.Neben der Exazerbation der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung stellt vor allem das kardiogen bedingte Lungenödem eine durch Studien gut belegte Indikation dar. Für andere Erkrankungen wie Pneumonie und ARDS liegen bisher nur kleine Untersuchungen vor. Aus pathophysiologischen Überlegungen reduziert sich der Einsatz nicht-invasiver Techniken hier auf eher leichte Fälle.Aufgrund der zunehmenden Bedeutung in der Entwöhnung langzeitbeatmeter Patienten sollte diese Beatmungsform auf jeder Intensivstation etabliert werden.

In many ICU's in these days non-invasive mask ventilation is a technique in addition to the traditional invasive ventilation via endotracheal tube if the patient is able to cooperate. If contraindication (mucus retention, swallowing disorders, acute neurologic disorders, circulatory instability) and definition of interruption criteria are regarded, the method is safe.Besides its use for exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease, especially the cardiogenic, pulmonary oedema is an indication which is supported by several studies. Other conditions such as pneumonia and ARDS have only been observed in relatively small studies. According to pathophysiologic pathways the use of non-invasive techniques seems limited to not-so-advanced stages of the disease in these cases. Considering the growing importance of this technique for the weaning procedure after long-term mechanical ventilation should be established at every ICU.

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Einleitung

Aus den 30er Jahren unseres Jahrhunderts liegen erste Veröffentlichungen über den Einsatz nicht-invasiver Beatmungsverfahren (non-invasive positive pressure ventilation, NIPPV) bei Patienten mit kardial bedingtem Lungenödem vor [[1], [2]]. Das breite Aufkommen der orotrachealen Intubation in der Nachkriegszeit und die rasante Entwicklung in Anästhesie und Intensivmedizin ließen diese Beatmungsform jedoch wieder in Vergessenheit geraten. Erst mit der Entwicklung nasaler Beatmung mit kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck (CPAP) in der Behandlung des obstruktiven Schlafapnoesyndroms kam es zu einer Wiederentdeckung dieser Verfahren, die dann zunächst über die Beatmung von Patienten mit chronisch respiratorischer Insuffizienz (neuromuskuläre Erkrankungen, post-Tuberkulose-Syndrom, Kyphoskoliose) den Einzug in die Akutmedizin fand. Der folgende Artikel soll den aktuellen Stand der Diskussion hinsichtlich des Einsatzes von nicht-invasiver Beatmung in der Akut- und Notfallmedizin aufzeigen und zukünftige Perspektiven erörtern.

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Technische Aspekte

Nicht-invasive Beatmung kann sowohl über Nasen- als auch über Vollgesichtsmasken (Nasen-Mundmaske) durchgeführt werden (Abb. [1]). Im Akutfall (Abb. [2]) ist letztere zu bevorzugen, da die Patienten in der Regel nicht in der Lage sind, den Mund geschlossen zu halten, was für eine erfolgreiche Beatmung dringend erforderlich ist. Unter Vollgesichtsmasken kommt es bei einer Beatmungsdauer von mehr als einem Tag häufig zur Ausbildung von Druckstellen und Nekrosen im Gesichtsbereich. Bei längeren Beatmungszeiten sollte deshalb die Umstellung auf Nasenmasken erfolgen. Für die Akutintervention spielt dieser Aspekt keine Rolle.

Grundsätzlich können alle Beatmungsgeräte für eine nicht invasive Beatmung genutzt werden. Die üblicherweise im Intensivbereich gebrauchten Respiratoren (EVITA, Dräger, Servo, Siemens) haben jedoch den Nachteil, daß aufgrund wechselnder Leckagemengen an Maske oder durch Mundöffnen viele Fehlalarme erzeugt werden. Außerdem ist das Schlauchsystem bei diesen Geräten relativ schwer, was zu Zugkräften auf die Maske führt und deren Verrutschen begünstigt. Kleinere, extra für die nicht-invasive Beatmung entwickelte Geräte bieten zwar nur ein vergleichsweise eingeschränktes Spektrum an Beatmungsmodi, sind aber leichter in der Anwendung. Durch ein geringeres Gewicht der Beatmungsschläuche, geringeren Systemtotraum, leichtere Handhabung und empfindliche Triggerschwellen sind sie jedoch für diese Form der Beatmung besser geeignet. Zudem sind sie in der Anschaffung deutlich günstiger. Je nach Gerätetyp erlauben sie in der Regel eine volumen- oder druckkontrollierte Beatmung. Zusätzlich haben sie die Option der assistierten Spontanatmung. In der Therapie des akuten respiratorischen Versagens hat sich als Beatmungsmodus die druckunterstützte Spontanatmung (pressure support ventilation, PSV) durchgesetzt, weil sie in der Regel vom Patienten am besten toleriert wird. Ausnahmen bilden Patienten mit chronischer Erschöpfung der Atemmuskelpumpe, wie neuromuskuläre Erkrankungen, Kyphoskoliose, COPD-Patienten ohne akute Exazerbation. Bei diesen führt jede Form des Triggerns zu einem weiteren Energieverbrauch der ohnehin überlasteten Atemmuskulatur [[3]], die nur durch eine kontrollierte Beatmung vollständig entlastet wird. Diese Patienten lassen sich bei ausreichendem Atemzugvolumen und mit ihrer Atemsituation angepaßter Atemfrequenz in die kontrollierte Beatmung „hineinfallen” und tolerieren sie in der Regel problemlos. Voraussetzung für den Einsatz von NIPPV ist der kooperative, mitarbeitsfähige Patient. Neurologische Störungen, vor allem Schluckstörungen, stellen dabei genauso wie ein ausgeprägtes Sekretproblem weiterhin eine Kontraindikation dar. In der Regel läßt sich NIPPV ohne sedierende Maßnahmen durchführen. In Einzelfällen kann durch kleine Dosen eines Opiats eine gewisse Beruhigung des Patienten erreicht werden, ohne daß eine Atemdepression zu befürchten ist.

Der personelle Aufwand bei der Einleitung von NIPPV in der Notfallsituation erscheint zunächst hoch, da in der 30 - 60minütigen Initialphase sowohl eine intensive ärztliche als auch eine pflegerische Betreuung erforderlich ist. Allerdings ist in der Regel die Beatmungszeit mit NIPPV kürzer. Zusätzlich entfällt die ebenfalls personalaufwendige Entwöhnungsphase vom Respirator, so daß insgesamt kein vermehrter Arbeitsanfall zu verzeichnen ist [[4]].

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Abb. 1Verschiedene Maskentypen für den Einsatz auf der Intensivstation.

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Abb. 2Nicht-invasive Beatmung über Vollgesichtsmaske.

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Indikationen

Drei Indikationen können für eine Behandlung mit nicht-invasiver Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz als gesichert angesehen werden:

  1. das kardiogen bedingte Lungenödem,

  2. die akute Exazerbation einer obstruktiven Atemwegserkrankung und

  3. der Einsatz beim Weaning von Problempatienten. Letzteres wird in einem gesonderten Artikel in dieser Zeitschrift demnächst ausführlich beschrieben.

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Lungenödem

Maskenbeatmung bei Lungenödem wurde bereits 1936 von Poulton [[1]] erstmals beschrieben, geriet dann allerdings lange in Vergessenheit. Rasanen zeigte 1985 [[5]] in einer randomisierten Studie, daß CPAP gegenüber einer konventionellen Behandlung mit Diuretika und Nitropräparaten zu einer Reduktion an Intubationen um 30 % und der Mortalität um 15 % führt. Diese Daten wurden von Bersten 1991 [[6]] und Lin 1995 [[7]] bestätigt. Der in allen Studien gewählte CPAP-Druck lag bei 10 cm H2O. Eigene Erfahrungen zeigen, daß ein solcher Druck nicht von allen Patienten toleriert wird. Gerade ältere Patienten haben Probleme mit der erschwerten Exspiration und brechen die Maskenbeatmung ab, weil sie sich zunehmend „überbläht” fühlen. Mehta verglich daher 1997 [[8]] CPAP mit nicht-invasiver Beatmung im PSV-Mode, der aufgrund des niedrigeren exspiratorischen Druckniveaus besser vertragen wird. Er zeigte, daß die kardiale Rekompensation unter positiver Druckbeatmung wesentlich schneller als unter CPAP erreicht wird. Allerdings wurde unter Beatmung eine höhere Rate an akuten Myokardinfarkten (71 % vs. 31 % in der CPAP-Gruppe) und eine höhere Mortalität beobachtet, was als Folge einer Verschlechterung der Koronarperfusion unter Beatmung gedeutet wurde. Rusterholz [[9]] bestätigte bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz unter Maskenbeatmung eine hohe Myokardinfarktrate. Bei fehlender Kontrollgruppe wäre es jedoch denkbar, daß einfach viele Patienten mit infarktbedingtem Lungenödem in die Studie eingeschlossen wurden. Hoffmann [[10]] fand bei 29 Patienten mit schwerer Hypoxie keine Häufung myokardialer Ereignisse. Allerdings hatten die Patienten, die im Myokardinfarkt ein beatmungspflichtiges Lungenödem entwickelten, eine hohe Mortalität. Zum jetzigen Zeitpunkt muß offen bleiben, ob der erhöhte intrathorakale Druck wirklich mit einer Reduktion der Koronarperfusion einhergeht oder ob durch Verbesserung des Herzminutenvolumens und gleichzeitige Vorlast- und Nachlastsenkung nicht vielmehr eine Verbesserung der Perfusion zu erwarten ist. Zumal da durch Überwindung der Hypoxie zudem das Sauerstoffangebot des Herzens verbessert wird. Der akute Myokardinfarkt sollte jedoch zur Zeit als relative Kontraindikation für NIPPV angesehen werden. Die für die invasive Beatmung notwendige Analgosedierung kann aufgrund der Dämpfung des Sympathikotonus gerade aus rhythmogener Sicht positiv für den Infarktpatienten sein.

Die Studie von Hoffmann belegte, daß auch bei schwerer respiratorischer Insuffizienz mit einem Abfall der Sauerstoffsättigung unter 70 % durch Maskenbeatmung eine schnelle Rekompensation innerhalb weniger Stunden erreicht wird und eine Intubation vermieden werden kann.

Der schnell einsetzende positive Effekt der nicht-invasiven Beatmung bei kardialer Dekompensation erklärt sich neben der Rekrutierung hypoventilierter Lungenareale und der Entlastung der Atemmuskelpumpe (siehe unten) vor allem durch eine schnelle ausgeprägte Senkung der rechtsventrikulären Vorlast. Die Entlastung des rechten Ventrikels führt über eine Verschiebung des Kammerseptums nach rechts zu einer Verbesserung der linksventrikulären Kontraktilität und einer Senkung des linksventrikulären enddiastolischen Drucks. Hoffmann [[11]] konnte bei Patienten mit gering bis mittelgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion zeigen, daß es unter Maskenbeatmung zu einer Steigerung des Cardiac Index um ca. 20 % kommt, ohne daß sich die pulmonalen Drücke verändern. Diese hämodynamische Verbesserung geht mit einer Verdopplung der Urinausscheidung pro Stunde einher. Grund hierfür ist wahrscheinlich eine aufgrund der verringerten Dehnung des rechten Vorhofs verminderte Freisetzung von antinatriuretischem Peptid. Daneben dürften andere endokrinologische Regulationsmechanismen (verminderte Katecholaminfreisetzung) ebenfalls eine Rolle spielen [[12]].

Während der Einsatz der NIPPV bei Lungenödempatienten mit hypertonen und normotonen Blutdruckwerten als gesichert angesehen werden kann, galten hypotone Kreislaufsituationen als absolute Kontraindikation. Einzelfallberichte über die erfolgreiche Behandlung von Patienten mit dekompensierten Aortenvitien legen jedoch nahe, daß die durch die Vorlastsenkung bedingte weitere Senkung des arteriellen Mitteldrucks durch die Verbesserung des Herzminutenvolumens mehr als kompensiert wird. Bis jedoch in gut kontrollierten Studien unter strenger hämodynamischer Kontrolle ein solch positiver Effekt bewiesen ist, muß der Kreislaufschock weiter als klare Kontraindikation für den Einsatz von NIPPV gelten.

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Obstruktive Atemwegserkrankung

Das respiratorische Versagen bei akuter Exazerbation einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung ist in erster Linie als Folge einer Erschöpfung der stark belasteten Atemmuskelpumpe mit nachfolgender alveolärer Hypoventilation [[13]] anzusehen. NIPPV entlastet die Atemmuskelpumpe und die Hypoventilation wird überwunden. Brochard [[14]] zeigte 1995 in einer randomisierten Studie, daß eine zusätzlich zur Standardtherapie applizierte nicht-invasive Beatmung die Zahl der Intubationen deutlich verringert. Die Krankenhausaufenthaltsdauer verkürzt sich um im Schnitt 10 Tage, weil die NIPPV-Patienten keine aufwendige Entwöhnungsphase durchlaufen. Zudem ist die Zahl nosokomialer, beatmungsassoziierter Pneumonien wesentlich geringer. Meduri [[15]] veröffentlichte 1996 die größte Zusammenstellung maskenbeatmeter Patienten. Hier zeigte sich, daß bei chronisch obstruktiven Patienten die Versagerrate der nicht-invasiven Methode mit 20 % deutlich höher lag als in der Gruppe mit kardiogenem Lungenödem. 3 Gründe sind hierfür ausschlaggebend:

  1. Die Rekompensationszeit ist bei chronisch obstruktiven Patienten sehr viel länger als beim Lungenödem. Während bei letzteren die anfangs als unangenehm erlebte Beatmung aufgrund der schnellen Besserung der Hypoxie gut toleriert wird, kommt es bei obstruktiven Patienten zu Complianceproblemen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Patienten zusätzliche neurologische Symptome zeigen.

  2. Bei einem Teil der Patienten spielt eine ausgeprägte Hypersekretion eine Rolle, die sich auch durch bronchoskopische Absaugung nicht dauerhaft beherrschen läßt. In diesem Fall ist eine Intubation aus Gründen der Sekretabsaugung unerläßlich.

  3. Die Einstellung des Beatmungsgerätes ist bei COPD wesentlich komplizierter als beim Lungenödem.

Während bei letzterem mit einer Standardeinstellung (inspiratorischer Druck 15 - 20 cm H2O, PEEP 3 - 6 cm H2O) und unabhängig von der Wahl des Geräts praktisch immer ein Beatmungserfolg zu verzeichnen ist, führt bei der COPD der stark gesteigerte Atemantrieb der Patienten dazu, daß sie häufig mehr gegen als mit dem Beatmungsgerät arbeiten. Im Gegensatz zu den Niedrigdruck-, Niedrigvolumen-, Niedrigflußstrategien bei der invasiven Beatmung dieser Patientengruppe [[16]], ist unter NIPPV in erster Linie auf ein ausreichendes Atemminutenvolumen zu achten. Atemzugvolumen und Frequenz müssen deshalb hoch gewählt werden, gleiches gilt für den inspiratorischen Fluß. Zu niedriger Flow bei ausreichendem Zugvolumen gibt dem Patienten das Gefühl des Luftmangels, so daß er unruhig wird, hyperventiliert und sich erschöpft. Aufgrund der unterschiedlichen Flußprofile und Triggeransprechraten verschiedener Respiratoren, ist ein Wechsel des Geräts bei Patienten mit COPD manchmal vorteilhaft und verbessert die Erfolgsrate.

Über die Behandlung anderer Krankheitsbilder mit schwerer Atemwegsobstruktion wie Asthma bronchiale, Bronchiektasenkrankheit und Mukoviszidose und den Einsatz von NIPPV bei restriktiven Erkrankungen wie der Lungenfibrose existieren nur Einzelfallberichte [[17]]. Beatmungspflichtige Asthmaexazerbationen sind aufgrund der deutlich verbesserten Basistherapie mit inhalativen Steroiden und der guten Wirksamkeit der Notfalltherapie mit β2-Sympathomimetika selten geworden [[18]]. Sie stellen immer dann eine Indikation für NIPPV dar, wenn die Ermüdung der Atemmuskelpumpe - sichtbar an der zunehmenden Hyperkapnie - in den Vordergrund tritt. Solange die Obstruktion - meist verbunden mit einer Hypoxie - alleine die Situation bestimmt, ist eine Sauerstoffinsufflation über Nasensonde oder Gesichtsmaske ausreichend. Ähnlich ist die Situation bei Patienten mit Lungenfibrose, die meist über lange Phasen des Krankheitsverlaufs unter einer reinen Hypoxie ohne Hyperkapnie leiden. NIPPV ist meist erst in den Spätphasen der Erkrankung, eventuell auch zur Überbrückung der Zeit bis zu einer Lungentransplantation möglich, wobei gerade bei diesen Patienten das Risiko der Pneumothoraxentstehung unter positiver Druckbeatmung zu beachten ist.

Bronchiektasen und Mukoviszidose sind aufgrund der ausgeprägten Sekretproblematik schwierige Indikationen für NIPPV. Besonders in der Notfallsituation mit ausgeprägter Hypoxie ist in der Regel keine ausreichende Sauerstoffsättigung zu erreichen. Eine ausgeprägte Hyperkapnie (pCO2 > 55 mm Hg) ist bei Mukoviszidosepatienten ein prognostisch ungünstiges Zeichen [[19]]. Möglicherweise kann hier eine frühzeitige Einleitung einer intermittierenden Selbstbeatmung die Überlebenszeit verlängern. Dies ist bisher nicht in größeren Studien geprüft worden.

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Pneumonie und Acute Respiratory Distress Syndrom (ARDS)

Antonelli [[20]] publizierte 1998 die erste randomisierte Vergleichsstudie von NIPPV mit invasiver Beatmung über einen Endotrachealtubus. Er konnte zeigen, daß die Intubation in 22 von 32 Fällen der NIPPV-Gruppe vermieden werden konnte. Unterschiede in der Mortalität fanden sich zwischen den Gruppen nicht. Allerdings war die Beatmungszeit in der NIPPV-Gruppe deutlich kürzer als in der der konventionell Beatmeten. Grund war die wesentlich höhere Komplikationsrate bei letzteren, wobei vor allem die beatmungsassoziierten Pneumonien und Sinusitiden (10 vs. 1 unter NIPPV) ins Gewicht fiel. Die Indikationen für die Beatmung waren in dieser Arbeit sehr unterschiedlich, neben Patienten im kardiogenen Lungenödem und mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wurden auch 5 Patienten mit Pneumonie erfolgreich mit NIPPV behandelt. Insgesamt muß jedoch diese Indikation als nicht ausreichend belegt angesehen werden. Die respiratorische Insuffizienz bei Pneumonie entsteht durch einen intrapulmonalen Rechts-Links-Shunt, da es in den befallenen Lungenarealen zu einem Alveolarkollaps mit fehlender Ventilation bei erhaltener Perfusion kommt. Bei weit fortgeschrittenem Krankheitsbild mit ausgeprägter Lungeninfiltration und schwerer Hypoxie ist ein hoher PEEP notwendig, um kollabierte Alveolen zu rekrutieren. Hohe exspiratorische Drücke und ein verändertes Atemzeitverhältnis werden jedoch von den unter NIPPV wachen unsedierten Patienten nur schlecht toleriert. Insofern scheint ein Einsatz von NIPPV nur dann bei Pneumonie indiziert, wenn eine moderate respiratorische Insuffizienz vorliegt, vor allem dann, wenn gleichzeitig eine Erschöpfung der Atemmuskelpumpe mit Hyperkapnie vorliegt. Möglicherweise ergibt sich eine zusätzliche Anwendungsmöglichkeit bei Tumorpatienten mit Pneumonie, bei denen eine invasive Beatmung aufgrund der schlechten Prognose der Grunderkrankung nicht mehr erwogen wird.

Die gleichen Überlegungen gelten für das ARDS. Rocker [[21]] fand in einem erweiterten Fallbericht mit 14 Patienten eine Erfolgsquote für NIPPV von 50 %, die Mortalität der Therapieversager war hoch. Auch hier gilt, daß mit den mit NIPPV applizierbaren Drücken in vielen Fällen keine Korrektur der Hypoxie gelingt und eine invasive Beatmung zwingend indiziert ist.

Die Problematik der hohen Versagerrate bei Pneumonien und ARDS weist noch einmal auf ein Grundproblem der nicht-invasiven Methodik hin. Sie ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zur konventionellen Beatmung. NIPPV kann deshalb nur dort durchgeführt werden, wo invasive Beatmungsmöglichkeiten verfügbar sind. Außer bei Patienten im kardiogenen Lungenödem muß mit einer nennenswerten Anzahl von Therapieversagern gerechnet werden. Es ist deshalb notwendig, genaue Kriterien für den Übergang von NIPPV zu invasiver Beatmung zu definieren, um nicht durch zu lange insuffiziente Maskenbeatmung den Patienten zu gefährden. Tab. [1] zeigt die bei uns in Magdeburg geltenden Richtlinien [[22]].

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Schlußbemerkung

Nicht-invasive Beatmung über Gesichtsmasken hat sich in der Akutmedizin in der Behandlung des kardiogen bedingten Lungenödems und der Exazerbation der COPD etabliert. Auch als Bestandteil differenzierter Weaningstrategien gewinnt sie weiter an Bedeutung. Erkrankungen, bei denen eine Gasaustauschstörung mit intrapulmonaler Shuntbildung im Vordergrund steht, sind nur in frühen Phasen durch NIPPV korrigierbar und werden auch in Zukunft keine Regelindikation darstellen. Insgesamt ist das Einsatzgebiet inzwischen jedoch so weit, daß die Möglichkeit zu NIPPV auf jeder Intensivstation vorhanden sein sollte.

Ein zukünftiges Einsatzgebiet für nicht-invasive Verfahren könnte im präklinischen Bereich liegen. Gerade im Rettungsdienst, in dem internistische Krankheitsbilder vorherrschend sind, zeichnen sich Indikationen ähnlich den oben beschriebenen ab. Bisher fehlt es jedoch leider noch an Erfahrungsberichten.

Tab. 1Abbruchkriterien für nicht-invasive Beatmung
innerhalb von 15 Minutenkeine Verbesserung von peripherer Sättigung und/oder arterieller BGA
innerhalb von 2 Stundennach anfänglicher Verbesserung bleibt arterielle BGA konstant auf pathologischem Niveau
im Verlaufunter nicht-invasiver Beatmung tritt eine neuerliche, respiratorische Verschlechterung ein
immerbei anhaltendem Sekretverhalt
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Literatur

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Dr. Tobias Welte

Otto-von Guericke Universität Magdeburg Bereich Pneumologie und internistische Intensivmedizin

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39120 Magdeburg

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Literatur

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Dr. Tobias Welte

Otto-von Guericke Universität Magdeburg Bereich Pneumologie und internistische Intensivmedizin

Leipziger Str. 44

39120 Magdeburg

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Abb. 1Verschiedene Maskentypen für den Einsatz auf der Intensivstation.

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Abb. 2Nicht-invasive Beatmung über Vollgesichtsmaske.