Epidemiologie
Epidemiologie
Die Prävalenz der COPD (= chronic obstructive pulmonary disease) liegt um 5 %. In
Europa ist sie die dritthäufigste, in den USA die vierthäufigste Todesursache [[3], [56]]. Der starke Anstieg der Mortalitäts-, vor allem aber der Morbiditätsraten in den
letzten 30 Jahren spiegelt Trends der Tabakepidemie wider. Die starken Raucher der
Kriegs- und Nachkriegsjahre haben jetzt ein höheres Lebensalter mit manifesten Spätschäden
des Zigarettenrauchens erreicht. Der in den Nachkriegsjahren stetig steigende Anteil
rauchender Frauen bedingt aktuell eine im Vergleich zu den Männern stärkere Zunahme
der COPD-Prävalenz. Zwar ist der Zigarettenkonsum von erwachsenen Frauen und Männern
in den Industrienationen stagnierend bis rückläufig, aufgrund der langen Latenz bis
zum Auftreten klinischer Symptome wird sich dies aber erst nach Jahren auf die COPD-Inzidenz
auswirken. Im Gegensatz zu den erwachsenen Rauchern ermitteln aktuelle Umfragen in
der Schweiz bei den Jugendlichen einen kontinuierlichen Anstieg des Nikotinkonsums.
Bei den 15- bis 16jährigen überwiegen die Mädchen sogar. Diese Daten betonen die Bedeutung
der Tabakprävention im Hinblick auf eine Senkung der COPD-Häufigkeit [[65]]. Die Belastung des Gesundheitswesens ist beträchtlich [[10]]. COPD ist in den USA die zweithäufigste Ursache für Rentenzahlungen an Invalide
mit chronischen Erkrankungen, in Deutschland belaufen sich die jährlichen direkten
und indirekten Krankheitskosten auf über 13 Mrd. DM.
Definitionen
Definitionen
Charakteristikum der COPD ist eine chronische exspiratorische Atemflußbehinderung,
die sich lungenfunktionell durch einen persistierend unter 70 % verminderten Tiffeneau-Quotienten
manifestiert. Der Schweregrad wird dagegen am FEV1 (% Soll) beurteilt (Tab. [1]). Grundkrankheiten, die das Syndrom COPD verursachen können, sind die chronische
Bronchitis und das Lungenemphysem. Seltener sind Kombinationen mit Aspekten des Asthma
bronchiale (z. B. Reversibilität, bronchiale Hyperreaktivität). Trotz klinischer und
lungenfunktioneller Überlappungen kann ein Asthma bronchiale aber aufgrund pathophysiologischer
und allergologischer Unterschiede meist abgegrenzt werden [[27], [66]]. Ein nichtproportionales Venn-Diagramm skizziert dieses heterogene Patientenkollektiv,
die Subpopulation mit einer COPD ist schraffiert dargestellt (Abb. [1], [[3]]).
Die chronische Bronchitis ist klinisch definiert als chronisch vermehrte Schleimproduktion
mit produktivem Husten über mindestens 3 Monate Dauer pro Jahr in mindestens 2 aufeinanderfolgenden
Jahren. Mechanismus der Obstruktion ist eine Hypertrophie und Überfunktion des schleimbildenden
Apparates bei gleichzeitig gestörter mukoziliärer Clearance, verbunden mit einer neutrophilen
Schleimhautentzündung. Die nachfolgende, als „airway remodelling” bezeichnete peribronchiale
Fibrose mit Verengung der kleinen Luftwege führt zu einer fixierten Atemflußbehinderung.
Das Lungenemphysem ist anatomisch definiert als irreversible Erweiterung der Atemwege distal der Bronchioli
terminales mit Zerstörung der Alveolarsepten ohne relevante Fibrosierung. Morphologisch
werden drei Formen unterschieden:
Beim panazinären Emphysem ist die Alveolardestruktion gleichmäßig über die Azini verteilt und hat keinen
Bezug zu den kleinen Atemwegen. Diese Form der Parenchymschädigung ist vorwiegend
in den basalen Lungenabschnitten lokalisiert und tritt z. B. im Rahmen eines α1-Antitrypsin-Mangels auf (Abb. [2a]).
Das zentroazinäre oder zentrolobuläre Emphysem beginnt in den Bronchioli respiratorii und dehnt sich von den zentralen Abschnitten
des Azinus nach peripher aus. Die Oberlappen sind bevorzugt betroffen. Dieser Emphysemtyp
entsteht durch Inhalationsnoxen, v. a. Zigarettenrauch (Abb. [2b]).
Das periazinäre oder paraseptale Emphysem zeigt Veränderungen entlang von Bindegewebssepten
der Lobuli und der Pleura viszeralis. Diese sind lungenfunktionell kaum bedeutsam,
können aber zu einem Spontanpneumothorax führen.
Diese morphologischen Veränderungen sind schwierig nachzuweisen. Für den Kliniker
wäre daher eine Definition, welche die funktionellen Auswirkungen der beim Emphysem
reduzierten Gasaustauschfläche und die dadurch verminderte Diffusionskapazität berücksichtigt,
geeigneter.
Findet sich beim Emphysem auch eine Obstruktion, so kommt diese durch den Parenchymverlust
mit Verminderung der radialen Zugkräfte (= elastic recoil) auf die Bronchuswand zustande.
Tab. 1Schweregrade der COPD. Eine obstruktive Ventilationsstörung ist definiert als Verminderung
des Tiffeneau-Quotienten (FEV1/FVC) unter 70 %. Der Schweregrad der Obstruktion wird am FEV1 (%Soll) beurteilt
|
FEV1 (%Soll) |
häufige, jedoch nicht obligate Begleitsymptome oder Befunde |
| leicht |
> 70 |
unproduktiver Husten |
| mittelschwer |
51 - 69 |
produktiver Husten Belastungsdyspnoe + bis ++ Hypoxämie leicht erniedrigte Diffusionskapazität* |
| schwer |
< 50 |
Belastungsdyspnoe ++ bis +++ Bronchospasmus Zyanose Lungenüberblähung stark erniedrigte
Diffusionskapazität* Polyglobulie Hyperkapnie Rechtsherzinsuffizienz |
| * beim Emphysem |
Abb. 1Nichtproportionales Venn-Diagramm der COPD: Beziehung zwischen chronischer Bronchitis,
Emphysem, Asthma bronchiale und Atemflußbehinderung [[3]]. Die chronische Bronchitis ist klinisch durch einen produktiven Husten gekennzeichnet,
sie kann mit oder ohne Obstruktion vorkommen. Die beim Lungenemphysem vorhandene Parenchymdestruktion
führt zu einer Verminderung der radialen Zugkräfte auf die Bronchuswand und kann dadurch
eine exspiratorische Atemflußminderung verursachen. Überlappungen dieser beiden Grundkrankheiten
sind möglich. Zigarettenraucher mit einer chronischen Bronchitis können durch Destruktion
des angrenzenden Lungengewebes ein zentroazinäres Lungenemphysem entwickeln. Gelegentlich
werden Charakteristika eines Asthma bronchiale wie bronchiale Hyperreagibilität oder
akute Reversibilität angetroffen, Patienten mit einer chronischen Bronchitis oder
einem Emphysem zeigen aber niemals eine vollständige Reversibilität. Die Untergruppe
mit einer COPD ist schraffiert dargestellt, Patienten mit Asthma bronchiale und vollständig
reversibler Atemwegsobstruktion sind ausgegrenzt.
Abb. 2Emphysemmorphologien. 2a Panazinäres Emphysem. Die Läsionen sind diffus auf den Lobulus verteilt und vorwiegend
peripher lokalisiert. Die Alveolargänge sind ausgeweitet ohne Bezug zu den kleinen
Atemwegen. Sekundär schwinden die intraazinären Strukturen. 2b Zentroazinäres Emphysem. Die Läsionen beginnen in den Bronchioli terminales und dehnen
sich nach peripher aus. Die periphere Alveolarstruktur bleibt zunächst erhalten, geht
aber sekundär zugrunde. (Bilder von Prof. P. Dalquen, Pathologisches Institut des
Kantonsspitals Basel).
Pathogenetische Modelle der Emphysementstehung
Pathogenetische Modelle der Emphysementstehung
Proteasen/Antiproteasen-Modell
Nach heutigem Wissensstand resultiert ein Lungenemphysem aus einem Ungleichgewicht
zwischen proteolytischen Enzymen und antiproteolytischen Schutzmechanismen (Antiproteasen)
[[4]]. Eine verstärkte Freisetzung von Elastase aus Neutrophilen und Makrophagen führt
dabei ebenso zu einem proteolytischen Übergewicht wie ein angeborener oder erworbener
Mangel an Inhibitoren (Abb. [3]). Proteasen, vor allem die Elastase der Granulozyten, werden im Rahmen eines Entzündungsprozesses
in den Bronchiolen und dem angrenzenden Alveolarraum freigesetzt und können Kollagen-
und Elastinfasern des Lungengerüstes angreifen [[55]]. Daneben fördert Elastase die Produktion eines zähen Schleims, lähmt die Zilienfunktion
und beeinträchtigt den Abtransport des Mucus. Dies begünstigt rezidivierende Infekte
und damit wiederum eine neutrophile Entzündung. Als Schutzmechanismus dienen der α1-Proteasen-Inhibitor (α1-Antitrypsin), der, hepatisch produziert, auf dem Blutwege überall im Körper zur Verfügung
steht, sowie lokal produzierte Inhibitoren (z. B. Tissue Inhibitors of Metalloproteinases
= TIMPs).
Abb. 3Proteasen/Antiproteasen-Modell der Emphysementstehung. Ein Emphysem resultiert aus
einem Ungleichgewicht proteolytischer, die Matrixstrukturen zerstörender Enzyme und
antiproteolytischer Schutzmechanismen. Aktivierte Alveolarmakrophagen setzen chemotaktische
Faktoren frei, welche neutrophile Granulozyten anlocken. Oxidantien steigern diese
neutrophile Entzündung. Daneben wirken sie direkt gewebstoxisch und behindern die
Neusynthese von Elastin. Die vermehrte Produktion eines zähen Sekrets ist das Charakteristikum
der chronischen Bronchitis und begünstigt sekundäre Infekte. Antioxidantien schützen
vor diesen reaktiven Sauerstoffprodukten.
Oxidantien/Antioxidantien-Balance
Zigarettenrauch enthält reichlich reaktive Sauerstoffprodukte und wirkt in diesem
Gleichgewichtssystem in mehrfacher Hinsicht deletär. Die inhalativen (exogenen) Oxidantien
inaktivieren α1-Antitrypsin und steigern dadurch die Elastasen-induzierte Gewebsschädigung. Daneben
aktiviert Tabakrauch Alveolarmakrophagen. Diese mononukleäre Entzündung wird als früheste
Läsion bei jungen Rauchern angetroffen. Die Parenchymdestruktion scheint mit der Makrophagenzahl
zu korrelieren [[55]]. Makrophagen sezernieren proteolytische Enzyme und chemotaktische Faktoren wie
IL-8 und Leukotrien B4 (= LTB4). Hierdurch werden neutrophile Granulozyten angelockt. Diese setzen Proteasen wie
Neutrophilen-Elastase und Metalloproteinasen sowie endogene Oxidantien frei. Oxidantien
wirken direkt toxisch auf Alveolarstrukturen und hemmen die Antielastasen, welche
das Lungengerüst schützen sollten. Daneben blockieren sie Reparaturmechanismen, welche
die geschädigten Strukturelemente regenerieren könnten. Elastin ist die Hauptkomponente
elastischer Fasern. Zigarettenrauch hemmt das Enzym Lysyloxidase, welches für die
Quervernetzung neusynthetisierter Elastinvorstufen notwendig ist. Desmosine entstehen
aus vernetzten Lysinresten. Sie sind Marker des Elastinabbaus. Ihre Ausscheidung im
Urin von Rauchern korreliert mit der Rate des FEV1-Abfalls [[32], [59]]. Antioxidantien bieten einen Schutz vor Oxidantien, sie können enzymatischer (Superoxid-Dismutase,
Katalase, Glutathion Peroxidase) oder nichtenzymatischer (Glutathion, Vitamin C, Beta-Carotin)
Natur sein [[51]].
Auslösende Faktoren
Auslösende Faktoren
Rauchen. Die Dynamik des jährlichen Abfalls des FEV1 ist bei Rauchern beschleunigt und hat eine entscheidende Bedeutung für den Krankheitsverlauf
der COPD. Die Lung Health Study [[2]] hat den Einfluß des Rauchens auf das FEV1 bei Patienten mit leichter COPD (FEV1 55 - 90 % Soll) eindrücklich belegt. Multizentrisch wurden 5887 Raucher im Alter
von 35 bis 60 Jahren in 3 Gruppen randomisiert und über 5 Jahre verfolgt. Zwei Drittel
wurden in ein intensives Nikotinentwöhnungsprogramm einbezogen, ein Drittel erhielt
keine Intervention. Patienten, welche erfolgreich entwöhnt werden konnten und auch
Nichtraucher blieben, wiesen im Vergleich zu persistierenden Rauchern einen signifikant
geringeren Abfall des FEV1 auf (absoluter Abfall 72 ml versus 301 ml in 5 Jahren). Der Einfluß des Zigarettenrauchens
auf die Mortalität wurde von Doll et al. in einer Langzeitstudie über 40 Jahre an
34 439 britischen Ärzten untersucht [[19]]. Die Mortalität stieg bei Rauchern in Abhängigkeit des täglichen Zigarettenkonsums
an. Während bei den 70jährigen noch 80 % der Nichtraucher am Leben waren, erreichten
nur 50 % der schweren Raucher (Zigarettenkonsum pro Tag > 25) dieses Alter. Die Lebenserwartung
aller Raucher lag durchschnittlich 8 Jahre niedriger als die von Nichtrauchern.
Umweltverschmutzung, Staubexposition am Arbeitsplatz und inhalative Noxen einschließlich Passivrauchen sind weitere Faktoren bei der Entwicklung einer COPD. Die Swiss Study on Air Pollution and Lung Diseases in Adults (= SAPALDIA) hat an 8 schweizerischen Zentren 4197 Nieraucher im Alter von 18 bis
60 Jahren untersucht [[35]]. 1259 davon waren mindestens in den vorausgehenden 12 Monaten passiv Zigarettenrauch
exponiert gewesen. Dieses Kollektiv wies im Vergleich zu den übrigen Nierauchern ein
signifikant höheres Risiko für das Auftreten einer keuchenden Atmung ohne grippalen
Infekt, einer Anstrengungsdyspnoe, eines vom Arzt diagnostizierten Asthma bronchiale
sowie Bronchitis-Symptome auf. Während die erstgenannten Beschwerden mit der täglichen
Expositionsdauer korrelierten, waren die Bronchitis-Symptome eher von der Gesamtexpositionsdauer
in Jahren abhängig. Die SAPALDIA-Studie untersuchte auch die Langzeitauswirkungen
mittelstarker Luftverschmutzung. Der Grad der Umgebungsbelastung wurde als Konzentration
der inhalierbaren Schwebestaubfraktion mit einer Partikelgröße unter 10 µm (= PM10) gemessen. Nieraucher in stärker belasteter Umgebung beklagten häufiger Symptome
einer chronischen Bronchitis und Atemnot (prozentualer Anstieg der Symptomprävalenz
bei einem Anstieg des Jahresmittelwertes von PM10 um 10 µg/m3: chronisch produktiver Husten 35 %, Atemnot am Tage 47 %, Anstrengungsdyspnoe 31,6
%) [[70]]. PM10 bezeichnet solide und tropfenförmige Partikel mit einem mittleren medianen Durchmesser
bis 10 µm. Die Atemluft ist zu ca. je 50 % mit Partikeln unter oder über 2,5 µm belastet.
Partikel über 2,5 µm sind meist natürlichen Ursprungs (Bakterien, Erdstaub), während
die feinen und ultrafeinen Partikel durch Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kondensate
gasförmiger Verbrennungsprodukte) entstehen. Während erstere vorwiegend bronchial
abgelagert und durch den mukoziliären Apparat eliminiert werden, gelangen die feinen
Partikel bis in die Alveolen, können ins Lungenparenchym eindringen und dort eine
Alveolitis auslösen. Eine Zunahme des Tagesmittelwertes von PM10 um 10 µg/m3 ist mit einer Zunahme der nichtunfallbedingten Todesfälle am gleichen oder nachfolgenden
Tag um 1 % korreliert. Patienten mit vorbestehender Atemwegsobstruktion sind besonders
hinsichtlich einer Deposition von Partikeln und einer dadurch höheren Mortalität gefährdet
[[9]].
5 - 10 % der Patienten mit COPD haben nie geraucht, andererseits entwickeln nur ca.
15 % aller regelmäßigen Raucher eine COPD [[62]]. Die starke Variabilität des FEV1-Abfalls trotz identischen Tabakkonsums wird auf eine genetische Disposition zurückgeführt [[53]]. Verwandte ersten Grades von Patienten mit early-onset COPD ohne α1-Antitrypsin-Defizienz haben im Vergleich mit Kontrollpersonen niedrigere FEV1-Werte. Verwandte, welche rauchen oder Exraucher sind, haben ein 3fach höheres Risiko,
ein FEV1 < 60 % Soll oder eine chronische Bronchitis zu entwickeln [[57]]. Beim Tabakrauchen entstehen reaktive Epoxidmediatoren, welche von einer mikrosomalen
Epoxid-Hydrolase metabolisiert werden. Für dieses Enzym ist ein Polymorphismus bekannt
[[49], [59]]. Individuen mit einem bestimmten Phänotyp (homozygot für das langsam aktive Enzym
= slow metabolisers) haben ein 4- bis 5fach höheres Risiko für die Entwicklung einer
COPD oder eines Emphysems. Es scheint also auch eine genetische Empfindlichkeit gegenüber
oxidativem Streß und nicht nur bei einem Antiproteasenmangel zu geben.
Ein α1-Antitrypsin-Mangel ist der am besten dokumentierte genetische Risikofaktor für die Entwicklung einer
COPD, dieses Kollektiv macht aber nur 1 % der COPD-Patienten aus. Patienten, welche
homozygot den Phänotyp Pi Z aufweisen und zusätzlich rauchen, sind besonders gefährdet.
Das defiziente Protein wird nach Synthese in der Leber nur ungenügend in die Blutbahn
sezerniert und hat eine geringere Assoziationsrate zu Elastase, ist dadurch weniger
effektiv und bedingt ein 30fach gesteigertes Emphysemrisiko. Bei heterozygoten Trägern
des Phänotyps Pi Z (Pi MZ) liegt das Emphysemrisiko nur 1,5- bis 5fach höher. Eine
Serumaktivität des α1-Antitrypsins unter 37 % Soll (< 80 mg/dl) weist auf ein erhöhtes Emphysemrisiko hin
[[55]].
Diagnostik
Diagnostik
Tab. [2] zeigt eine Übersicht charakteristischer klinischer, lungenfunktioneller und radiologischer
Befunde bei Patienten mit COPD. Die Anamnese sollte frühere und aktuelle Rauchgewohnheiten,
andere inhalative Noxen und die aktuellen Beschwerden erfragen. Atemnot ist eine subjektive
Empfindung und korreliert nur ungenügend mit der objektiv gemessenen Lungenfunktion.
Initial sollte eine Ganzkörperplethysmographie erfolgen, zur Verlaufskontrolle genügt
eine Spirometrie. Blutgasanalyse, Diffusionskapazitätsbestimmung und ein 6-Minuten-Gehtest
ergänzen die Lungenfunktionsdiagnostik. Bei der klinischen Untersuchung sollte auf
Zeichen einer chronischen Hypoxämie, Lungenüberblähung oder Rechtsherzbelastung geachtet
werden. Das Thoraxübersichtsbild dient dem Ausschluß anderer Dyspnoeursachen, zur
Beurteilung eines Emphysems ist ein CT überlegen. Weiterführende Abklärungen sind
speziellen Fragestellungen vorbehalten.
Tab. 2Klinische Charakteristika und Diagnostik der COPD
| Anamnese* |
Inhalationsnoxen: aktueller Rauchkonsum und bisherige packyears** Arbeitsplatz/berufliche
Belastung Familienanamnese: genetische Belastung, Passivrauchen Dyspnoe/Leistungsfähigkeit
Sputumproduktion Exazerbation/Infekthinweise (purulentes Sputum, Fieber, vermehrte
Dyspnoe) |
| Status* |
Zyanose, Trommelschlegelfinger/Uhrglasnägel Emphysemthorax, tiefstehende Zwerchfelle
Abgeschwächtes Atemgeräusch, verlängertes Exspirium, Giemen oder Brummen Rechtsherzbelastungszeichen |
| bildgebende Verfahren |
Thoraxübersicht*: Emphysemzeichen (= regionale Transparenzerhöhung/Rarefizierung der
Gefäße als Korrelat von Emphysem-bullae, horizontal gestellt Rippen, vergrößerter
Retrosternalraum, abgeflachte Zwerchfelle als Korrelat der Hyperinflation) Ausschluß
von Lungeninfiltrat, Raumforderung oder Pneumothorax CT-Thorax (auch Dünnschichten):
Bullae, Emphysemausmaß und -lokalisation, zusätzliche Bronchiektasen |
| lungenfunktionelle Diagnostik |
Ganzkörperplethysmographie* (Spirometrie zur Verlaufsbeurteilung): TLC und RV (Lungenüberblähung)
FEV1/FVC in (Obstruktion), FEV1 (Schweregrad der Obstruktion) Fluß/Volumenkurve: exspiratorischer Kollaps der Atemwege?
Spirometrie vor/nach Bronchodilatation: Reversibilität? Diffusionskapazität Belastungstests
(6-Minuten-Gehtest oder Ergometrie) Blutgase: Hyperkapnie, Hypoxämie/Indikation zur
Sauerstofflangzeittherapie? Nächtliche Pulsoximetrie, Polysomnographie: Indikation
für eine intermittierende Selbstbeatmung? |
| erweiterte Diagnostik |
EKG, Echokardiographie, Rechtsherzkatheter: Rechtsherzbelastungszeichen, pulmonal-arterielle
Hypertonie? Blutbild: Polyzythämie als Korrelat einer chronischen Hypoxämie? α1-Antitrypsin |
| Follow up |
Schweregrad: leicht → FEV1, FVC jährlich mittel → Ganzkörperplethysmographie und ABGA 1 - 2 × pro Jahr schwer
→ fachärztliche Kontrollen |
| * Unverzichtbare Basisuntersuchungen ** 1 packyear = Konsum von 20 Zigaretten täglich
über 1 Jahr (oder 10 Zigaretten täglich über 2 Jahre usw.) |
Therapeutische Strategien
Therapeutische Strategien
Ideales Therapieziel wäre eine Prävention der COPD. Prophylaktische Maßnahmen wie
z. B. Nikotinentwöhnungsprogramme können die Entstehung bzw. das Fortschreiten der
Erkrankung verhindern. Die Diagnose sollte frühestmöglich gestellt, Risikopatienten
erkannt und regelmäßig kontrolliert werden. Bei manifester COPD zielen die therapeutischen
Bemühungen auf eine Reduktion von Symptomen und Exazerbationen, die Erhaltung einer
optimalen Lungenfunktion sowie eine Steigerung von Lebensqualität und Leistungsfähigkeit
ab. Von zahlreichen Arbeitsgruppen wurden Therapierichtlinien erarbeitet [[3], [11], [34], [56], [68]].
Prophylaktische Maßnahmen
Prophylaktische Maßnahmen
Nikotinentwöhnung ist die einzig dokumentierte Maßnahme, um das Fortschreiten der COPD zu beeinflussen
[[2]]. Das FEV1 eines Nichtrauchers vermindert sich nach dem 25. Lebensjahr um etwa 20 bis 30 ml
pro Jahr, beim Raucher sind dies 50 bis 60 ml jährlich. Etwa 15 % aller Raucher zeigen
einen akzelerierten Abfall des FEV1. Sie sind besonders für die Entwicklung einer COPD gefährdet. Ein Exraucher gewinnt
das eingebüßte dynamische Lungenvolumen nicht mehr zurück, erreicht aber wieder den
Abfall eines Nichtrauchers von ca. 20 ml jährlich.
Die meisten erwachsenen regelmäßigen Raucher würden gerne von ihrer Sucht loskommen.
Ohne unterstützende Maßnahmen gelingt dies nur ca. 2 %, nach einer kurzen ärztlichen
Beratung ca. 5 %. Nikotinersatzverfahren wie Nikotinpflaster oder -nasenspray steigern
die Erfolgsraten auf ca. 10 % [[22]]. Umfassende Programme, d. h. Nikotinersatzverfahren ergänzt durch eine psychologische
Betreuung, konnten in den USA ca. 30 - 40 % der regelmäßigen Raucher langfristig entwöhnen
[[2]]. Ein neues Antidepressivum (Bupropion) wurde kürzlich erfolgreich zur Raucherentwöhnung
eingesetzt. Während nach 7 Wochen in der Plazebo-Gruppe nur 19 % Nichtraucher geworden
waren, hatten in der Bupropion-Gruppe 44 % aufgehört zu rauchen [[25]].
Impfungen. Prophylaktisch werden jährliche Grippeimpfungen [[21]] sowie von einigen Arbeitsgruppen eine einmalige Pneumokokkenimpfung [[23]] empfohlen. Während sich jährliche Grippeimpfungen bei über 65jährigen Patienten
mit chronischen Lungenerkrankungen als effektiv und kostengünstig erwiesen haben und
daher in die wichtigsten internationalen Therapierichtlinien aufgenommen wurden, ist
der Benefit einer Pneumokokkenimpfung weniger gut belegt. Die amerikanischen und schweizerischen
Therapierichtlinien [[3], [34]] empfehlen eine Pneumokokkenimpfung, während die europäischen und britischen Guidelines
[[11], [56]] weitere Studien zur Wirksamkeit fordern.
Antioxidantien [[51]]. H2O2 und NO in der Ausatemluft gelten als Indikatoren für oxidativen Streß, ihre Konzentrationen
sind bei Patienten mit exazerbierter oder fortgeschrittener COPD sowie nach akuter
Inhalation von Zigarettenrauch erhöht [[15], [40]]. Das schwefelhaltige Antioxidans N-Acetylcystein (NAC) wurde ursprünglich als Mucolytikum
eingesetzt. Es wirkt aber auch antioxidativ und kann Cystein für die Synthese des
wichtigsten Redoxsystems Glutathion bereitstellen. In klinischen Studien wurde unter
der Einnahme von NAC eine Abnahme von Virusinfekten, Exazerbationen und jährlichem
FEV1-Abfall beobachtet [[38]]. Bei Patienten mit rezidivierenden Exazerbationen könnte daher eine prophylaktische
Einnahme von NAC, insbesondere während der Wintermonate, nützlich sein.
Inhalative Bronchodilatatoren
Inhalative Bronchodilatatoren
Anticholinergika blockieren durch Hemmung der vagalen Stimulation des Bronchialbaums die Kontraktion
glatter Muskelzellen und die Sekretion der Bronchialdrüsen. Im Anfall sind sie potente
Bronchodilatatoren. Sie wirken bronchoselektiv bei Inhalation, haben keine systemischen
Nebenwirkungen und führen nicht zu einer Toleranzentwicklung. Mit β2-Mimetika wirken sie synergistisch [[17]]. Anticholinergika waren bisher Mittel der Wahl bei COPD. Sie scheinen kurzwirksamen
β2-Agonisten überlegen [[50]]. Eine dreimonatige Therapie mit Ipratropiumbromid führte bei Patienten mit COPD
zu einer Verbesserung von FEV1 und FVC, während β2-Agonisten keine signifikante Änderung bewirkten. Die akute Reversibilität nahm unter
letzteren sogar ab. Im Vergleich mit langwirksamen β2-Agonisten war Ipratropiumbromid im Hinblick auf die lungenfunktionelle Verbesserung
jedoch nicht überlegen. Salmeterol mußte aufgrund der längeren Wirkdauer nur halb
so häufig inhaliert werden und wurde daher als vorteilhafter eingestuft [[1]].
Neue Kenntnisse der Muscarin-Rezeptorsubtypen haben die Entwicklung selektiver Anticholinergika
ermöglicht. Die bronchokonstriktorische Wirkung von Acetylcholin wird über M3-Rezeptoren der Atemwege vermittelt. M1-Rezeptoren parasympathischer Ganglien bedingen eine reflektorische Bronchokonstriktion.
Blockade dieser beiden Rezeptoren erzeugt daher eine Bronchodilatation. M2-Rezeptoren cholinerger Nervenendigungen dagegen hemmen die Freisetzung von Acetylcholin.
Blockade dieser Rezeptoren erhöht die Acetylcholinfreisetzung und mindert dadurch
den angestrebten bronchodilatatorischen Effekt. Tiotropiumbromid ist ein neues, kinetisch
selektives Anticholinergikum, welches schnell vom M2-Rezeptor, jedoch nur langsam von M1- und M3-Rezeptoren dissoziiert. Erste klinische Studien belegen eine gute Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Tiotropiumbromid führt bei COPD-Patienten nach Inhalation einer Einzeldosis zu einem
raschen Anstieg des FEV1 um durchschnittlich 300 ml und erreicht nach 32 Stunden im Vergleich zum Basiswert
noch immer eine durchschnittliche FEV1-Steigerung um 150 ml [[39]].
Die Langzeitwirkung von Anticholinergika wurde in der Lung Health Study [[2]] untersucht. Raucher mit COPD wurden einem Nikotinentwöhnungsprogramm unterzogen
und inhalierten zusätzlich entweder ein Anticholinergikum (Ipratropiumbromid 3 × 2
Hübe tgl.) oder Plazebo. Die regelmäßige Inhalation von Ipratropiumbromid führte zu
einem Anstieg des FEV1 um 27 ml. Trotz 5jähriger Therapiedauer klang diese Verbesserung nach Absetzen des
Anticholinergikums innerhalb von 40 Stunden ab. Auch andere Studien belegen, daß bei
Patienten mit COPD nur eine Nikotinabstinenz das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten
kann, während inhalative Bronchodilatatoren lediglich symptomatisch wirksam sind.
Die Wirkungen von β2-Mimetika umfassen eine direkte Dilatation der Bronchien, eine Verbesserung der mukoziliären
Clearance sowie eine Abnahme der dynamischen Überblähung. Als unerwünschte Folgen
können ein Tremor, eine Tachykardie und eine pulmonale Vasodilatation auftreten. Zudem
kommt es akut oft zu einem Mismatch von Ventilation und Perfusion mit konsekutivem,
leichtem Abfall der Sauerstoffspannung. Kurzwirksame β2-Mimetika werden aufgrund ihres raschen Wirkungseintritts als Rescue-Medikation bei
Atemnot eingesetzt. Auch bei lungenfunktionell fehlender akuter Reversibilität können
Bronchodilatatoren mittelfristig zu einer Symptombesserung führen. Durch Verminderung
der Hyperinflation kann die Belastungsdyspnoe reduziert und die Belastbarkeit gesteigert
werden [[5]].
Langwirksame inhalative β2-Agonisten (Salmeterol und Formoterol) eignen sich zur Erhaltungstherapie. In einer
Plazebo-kontrollierten Studie an Patienten mit nicht-reversibler COPD konnte die Inhalation
von 50 µg Salmeterol täglich die respiratorischen Beschwerden am Tage sowie das Auftreten
nächtlicher Dyspnoeattacken mindern und den Bedarf an zusätzlichem Salbutamol senken.
Das FEV1 stieg in den 16 Behandlungswochen um bis zu 7 % an. Nach einem 6-Minuten-Gehtest
war die Kurzatmigkeit geringer als zuvor, die Gehstrecke war allerdings nicht signifikant
länger [[8]]. Eine Arbeitsgruppe [[29]] konnte zeigen, daß die Inhalation von Salmeterol 50 µg zweimal täglich die anhand
von Fragebogen ermittelte Lebensqualität steigern kann. Gleichzeitig manifestierte
sich ein leichter, jedoch signifikanter Anstieg des FEV1. Sie folgerte daher, daß schon eine moderate Verbesserung der Lungenfunktion mit
einem klinisch signifikanten Gewinn an Gesundheit und Wohlbefinden verbunden sein
kann. Die doppelte Salmeteroldosis erzielte keine weitere Verbesserung, war aber durch
mehr Nebenwirkungen (Tremor) belastet [[8]]. Die regelmäßige Anwendung eines langwirksamen β2-Mimetikums schmälert die bronchodilatatorische Wirkung eines zusätzlichen kurzwirksamen
β2-Mimetikums nicht, eine geringere Rezeptorempfindlichkeit bei Dauermedikation muß
nicht befürchtet werden [[33]].
Steroide
Steroide
Inhalative Steroide bilden die antiinflammatorische Basistherapie des Asthma bronchiale.
Bei Patienten mit COPD dagegen ist ihr Einsatz umstritten. Die meisten Richtlinien
empfehlen bei Patienten mit COPD einen Steroid-Trial, um den Steroideffekt zu beurteilen
(Abb. [4] [[3], [34], [68]]). Dabei werden zwei Wochen lang 40 mg Prednisolon täglich per os verabreicht. Ein
Anstieg des FEV1 um mindestens 15 % mit einem absoluten Anstieg um mindestens 200 ml nach dieser Zeit
wird als erfolgreiches Ansprechen gewertet. Etwa 10 - 15 % der Patienten sind Responders.
Es wird angenommen, daß dieses Kollektiv Asthmakomponenten aufweist (vgl. Abb. [1]). Chanez [[16]] bronchoskopierte COPD-Patienten, welche auf die Inhalation von Salbutamol keine
akute Reversibilität gezeigt hatten, und unterzog sie danach einem Steroidversuch.
Die Steroid-Reversibilität konnte mit Asthma-Charakteristika korreliert werden: Responders
unterschieden sich durch signifikant höhere Eosinophilenzahlen in der BAL sowie dickere
Basalmembranen in der Schleimhautbiopsie.
Sollen Non-Responders inhalative Steroide bekommen? Ein Kurzzeiteffekt fehlt sicherlich.
Haben Steroide einen Effekt auf die neutrophile Entzündung bei COPD? Keatings [[30]] fand nach Applikation oraler oder inhalativer Steroide über 2 Wochen keinen Einfluß
auf die Entzündungsparameter bei COPD-Patienten. Eine andere Studie [[18]] dagegen ermittelte unter hochdosierten inhalativen Steroiden nach 2 Monaten eine
Reduktion der Neutrophilen- und Gesamtzellzahl im induzierten Sputum. Bereits Jones
[[37]] hatte nach topischen Steroiden eine verminderte chemotaktische Aktivität (als Korrelat
einer geringeren Rekrutierung von Neutrophilen) und eine Erhöhung der Neutrophilen-Elastase-Inhibitoren
im Sputum gefunden. Können Steroide eventuell langfristig durch Verminderung der neutrophilen
Entzündung einen Benefit erreichen? Eine Arbeitsgruppe [[7]] hat Non-Responders mit mittelschwerer COPD über 6 Monate mit inhalativen Steroiden
versus Plazebo behandelt. FEV1 und klinische Symptomatik unterschieden sich danach nicht signifikant, es war weder
ein physiologischer noch funktioneller Benefit vorhanden. Andere Untersucher [[48]] fanden nach Verabreichung topischer Steroide über 2 Jahre eine Verminderung der
pulmonalen Beschwerden und eine (nichtsignifikante) Tendenz zu einem geringeren FEV1-Abfall. Neuere Studien haben klinische Parameter gewählt. Paggiaro et al. [[43]] behandelten COPD-Patienten über 6 Monate mit hochdosiertem inhalativen Fluticason
oder Plazebo. Die Steroidgruppe hatte weniger schwere Exazerbationen, einen leichten,
aber signifikanten Anstieg von FEV1, FVC und Peak flow sowie der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehversuch.
Drei plazebokontrollierte, randomisierte und doppelblinde Studien haben es sich zum
Ziel gemacht, den Langzeiteffekt inhalativer Steroide bei COPD-Patienten zu untersuchen.
In der multizentrischen EUROSCOP-Studie inhalierten 1277 Raucher im Alter von 30 bis
65 Jahren mit leichter COPD (mittleres FEV1 77 % Soll) drei Jahre lang entweder 800 µg Budesonid oder Plazebo. Zwar verbesserte
sich das FEV1 unter Steroidtherapie im ersten Halbjahr signifikant (Rate des FEV1 + 17 versus - 81 ml/Jahr, p < 0,001), danach aber war der jährliche Abfall des FEV1 in beiden Gruppen identisch (- 57 vs. - 69 ml/Jahr, p = 0,39). Der Benefit einer
regelmäßigen Inhalation von Steroiden war somit einmalig und auf die ersten Therapiemonate
beschränkt, der Langzeitverlauf des FEV1 konnte nicht beeinflußt werden [[44]]. Auch die Copenhagen City Heart Study untersuchte den jährlichen FEV1-Abfall unter Inhalation topischer Steroide (Budesonid 1,2 g täglich in den ersten
6 Monaten, dann 800 µg täglich über weitere 2¿ Jahre) oder Plazebo. Die 290 Patienten
mit leichter COPD (mittleres FEV1 86 % Soll) waren durchschnittlich 59 Jahre alt. Einen signifikanten oder klinisch
relevanten Langzeiteffekt konnten auch diese Arbeitsgruppen nicht finden (Abfall des
FEV1 in der Budesonid-Gruppe - 45,1 ml/Jahr versus - 41,8 ml/Jahr in der Plazebo-Gruppe)
[[67]]. In der ISOLDE-Studie inhalierten Patienten mit schwerer COPD (mittleres FEV1 50 % Soll) drei Jahre lang entweder 1 mg Fluticason täglich oder Plazebo. Die Resultate
wurden bisher nur mündlich an Kongressen vorgestellt, eine Reduktion des FEV1-Abfalls konnten aber auch diese Arbeitsgruppen nicht belegen. Der Wegfall inhalativer
Steroide in der Vorphase der Studie steigerte allerdings Auftreten von Exazerbationen
und auch die Lebensqualität war unter Steroidtherapie besser [[14]].
Unbestritten ist der Stellenwert von Steroiden in der Therapie akuter Exazerbationen
[[63]]. Eine ambulante systemische Steroidtherapie bei Patienten mit exazerbierter COPD
(Prednisolon p. o. jeweils 3 Tage 60, 40 bzw. 20 mg) versus Plazebo erzielte eine
raschere Verbesserung von Obstruktionsgrad, Hypoxämie und Dyspnoe. Ziel sollte es
immer sein, die Steroide baldmöglichst auszuschleichen. Eine längerfristige Gabe systemischer
Steroide muß im Hinblick auf den nicht eindeutig belegten Benefit und die multiplen
Nebenwirkungen kritisch beurteilt werden [[41], [42]]. Bei Respondern wird eine Umstellung auf inhalative Steroide empfohlen.
Abb. 4Steroid-Trial.
Theophyllin
Theophyllin
Theophyllin erhöht über eine Hemmung der Phosphodiesterase das intrazelluläre cAMP.
Neben einer Bronchodilatation und einer verbesserten mukoziliären Clearance sind in
letzter Zeit weitere Wirkungen aufgedeckt worden. Eine Steigerung von Atemantrieb
und Atemmuskelleistung, eine Erhöhung des Cardiac output sowie eine pulmonale Vasodilatation
können sich bei COPD-Patienten mit Cor pulmonale günstig erweisen. Daneben wurde eine
Hemmung der Neutrophilenfunktion, d. h. ein antiinflammatorischer Effekt beschrieben
[[47]]. Bei Patienten mit Asthma bronchiale war eine Kombination von Theophyllin mit inhalativen
Steroiden gleich wirksam wie eine Verdoppelung der Steroiddosis [[64]], entsprechende Studien mit COPD-Patienten liegen nicht vor. Die Deutsche Gesellschaft
für Pneumologie empfiehlt einen Auslaßversuch in einer stabilen Krankheitsphase, um
den klinischen Effekt von Theophyllin zu beurteilen. Ca. 10 % sind Responders [[68]]. Häufig werden Tremor, Palpitationen und gastrointestinale Beschwerden beklagt.
Um solche Nebenwirkungen und Serumspiegelkontrollen zu vermeiden, werden heute bewußt
niedrige Dosen (400 - 600 mg täglich) in Retardform verabreicht. Zu beachten ist,
daß Alkohol, Nikotin und verschiedene Medikamente einen gesteigerten Metabolismus
in der Leber induzieren. Raucher benötigen bis zu 50 % höhere Dosen. Theophyllin ist
aber kein Mittel der ersten Wahl und sollte bei COPD-Patienten nur in Kombination
zur Langzeittherapie eingesetzt werden [[3], [34]].
Antibiotika
Antibiotika
Vermehrtes oder purulentes Sputum und vermehrte Dyspnoe gelten bei COPD-Patienten
als klinische Zeichen einer Infektexazerbation. Oft sind Viren, daneben aber auch
Infektionen mit Hämophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae oder Branhamella catarrhalis
auslösend. Finden sich zwei der oben genannten Symptome, ist eine empirische Antibiotikatherapie
über 7 bis 14 Tage sinnvoll. Diese kann Schweregrad und Dauer der Exazerbation mindern.
Aminopenicilline mit Betalaktamaseinhibitoren, Gyrasehemmer, Makrolide und Cephalosporine
der 2. und 3. Generation finden Anwendung. Zunehmende Resistenzentwicklungen wie z.
B. penicillinresistente Pneumokokken sind problematisch [[69]].
Zukünftige medikamentöse Therapiestrategien
Zukünftige medikamentöse Therapiestrategien
Aufgrund besserer Kenntnis der pathophysiologischen und biochemischen Mechanismen
zielen zahlreiche Forschungsprojekte auf die Entwicklung neuer antiinflammatorischer
Substanzen. LTB4-Antagonisten, Syntheseinhibitoren und Rezeptorantagonisten von IL-8,
Inhibitoren von TNFα und Adhäsionsmolekülen sowie Antioxidantien sollen die in Abb.
[3] skizzierte neutrophile Entzündung verhindern. Synthetische Antiproteasen (Inhibitoren
von Neutrophilen-Elastase, Cathepsin und Matrix-Metalloproteinasen) sowie rekombinantes,
humanes α1-Antitrypsin und sekretorische Leukoproteaseinhibitoren sollen das Proteasen/Antiproteasen-Ungleichgewicht
korrigieren [[4]].
Langzeitsauerstofftherapie
Langzeitsauerstofftherapie
Neben der Nikotinentwöhnung ist die Sauerstofflangzeittherapie die einzig dokumentierte
Therapieform, welche bei Patienten mit COPD und chronischer Hypoxämie eine Lebensverlängerung
erzielen kann, sofern die tägliche Anwendungsdauer mindestens 15 Stunden beträgt.
Durch eine Verbesserung der alveolären Oxygenierung wird die pulmonale Hypertonie
bei diesem Patientenkollektiv vermindert und einem Rechtsherzversagen entgegengewirkt.
Daneben trägt die Beseitigung der arteriellen Hypoxämie zu einer Verbesserung der
psychischen und neuropsychischen Leistungsfähigkeit und damit zur Steigerung der Lebensqualität
bei [[71]]. Als Indikation zur Langzeitsauerstofftherapie wird bei stabiler Krankheit ein
Sauerstoffpartialdruck in Ruhe und bei Zimmerluft unter 55 mm Hg angesehen [[68]]. Finden sich bereits Zeichen eines chronischen Cor pulmonale oder einer sekundären
Polyglobulie, so sollte auch ein Sauerstoffpartialdruck unter 60 mm Hg korrigiert
werden. Ziel ist es, durch möglichst kontinuierliche Zufuhr den Sauerstoffpartialdruck
auf mindestens 65 mm Hg bzw. die Sauerstoffsättigung auf über 90 % anzuheben. Bei
mobilen Patienten sollen diese Werte unter leichten Alltagsbelastungen gehalten werden
und auch im Schlaf nicht unter diese Grenze abfallen. Eine leichte Hyperkapnie stellt
keine Kontraindikation dar, bei einer (nächtlichen) CO2-Retention über 50 mm Hg ist jedoch eine intermittierende Selbstbeatmung (= ISB)
zu diskutieren [[31]]. Als Sauerstoffquellen kommen ein Sauerstoffkonzentrator oder, insbesondere bei
mobilen Patienten, Flüssigsauerstoffreservoirs in Frage. Der Sauerstoff wird meist
mittels doppellumiger Nasensonden, eventuell ergänzt durch sauerstoffsparende Ventile,
appliziert. Transtracheale Katheter sind bezüglich Installation und Handhabung aufwendiger,
im Hinblick auf den um ca. 50 % geringeren Sauerstoffverbrauch, die verminderte Totraumventilation
und das kosmetische Resultat aber vorteilhafter [[46]]. Bei nächtlichen Entsättigungen muß polysomnographisch ein eventuell zusätzlich
vorhandenes obstruktives Schlafapnoe-Syndrom abgegrenzt werden.
Nichtinvasive Beatmung
Nichtinvasive Beatmung
COPD-Patienten mit einer respiratorischen Globalinsuffizienz am Tag weisen zusätzlich
nächtliche Desaturierungen auf. Im REM-Schlaf ist der Muskeltonus stark erniedrigt,
die Leistung insbesondere der Atemhilfsmuskulatur entsprechend vermindert, so daß
bevorzugt in diesem Schlafstadium schwere Entsättigungen auftreten können. Alleinige
Sauerstoffzufuhr verstärkt die Hyperkapnie weiter, da der hypoxievermittelte Atemantrieb
wegfällt. Allerdings scheint dieser bei der Langzeitsauerstofftherapie beobachtete
Effekt das Überleben zu verlängern, wahrscheinlich durch die sekundäre alveoläre Hypoventilation
und Schonung der Atempumpe. Therapeutisch kommt eine nächtliche nichtinvasive Beatmung
mit einem Bilevel PAP-(BiPAP = bilevelpositive airway pressure) oder einem nIPPV-Ventilator (nIPPV = nasal intermittent positive pressure ventilation) in Frage. Mit einem nIPPV-Gerät
kann ein höherer Inspirationsdruck aufgebaut werden. Durch eine kontrollierte intermittierende
Selbstbeatmung kann die Inspirationsmuskulatur phasenweise ruhig gestellt, die erschöpfte
Atemmuskulatur somit entlastet und die Hyperkapnie normalisiert werden [[24], [58], [45]]. Unter dieser Therapie verbessern sich Blutgase und Lebensqualität, der Langzeiteffekt
wird aber noch untersucht. Nichtinvasive Beatmungsformen werden vorübergehend auch
bei akuter respiratorischer Insuffizienz im Rahmen von COPD-Exazerbationen eingesetzt.
Häufig kann damit eine Intubation umgangen werden [[12]].
Pulmonale Rehabilitation
Pulmonale Rehabilitation
Ein umfassendes Rehabilitationsprogramm beinhaltet eine Optimierung des Therapiemanagements
im Hinblick auf Medikation und Ernährung sowie die Schulung von Patient und Angehörigen.
Durch körperliches Training können maximale Übungskapazität, Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest
und Ausdauer gesteigert werden. Die Lebensqualität nimmt zu, die Symptomatik ab [[13], [36]]. Der Einfluß auf die Mortalität ist unklar. Eine Belastung von ca. 70 % der maximalen
Arbeitsbelastung ist einem Training mit niedriger Intensität überlegen und kann den
Laktatspiegel und die erforderliche Ventilation bei identischer submaximaler Belastung
senken. Ein Training der Beinmuskulatur kann die Belastbarkeit am effektivsten verbessern,
ein Training der Atemmuskulatur dagegen ist nicht sinnvoll, da diese bereits überbeansprucht
wird. Rehabilitationsprogramme können stationär oder ambulant erfolgen, zur Aufrechterhaltung
des Trainingseffekts ist eine Fortführung zu Hause unerläßlich [[20]].
Chirurgische Interventionen bei Lungenemphysem
Chirurgische Interventionen bei Lungenemphysem
Chirurgische Therapiestrategien bei COPD oder von Komplikationen bei vorbestehender
COPD umfassen Pleurodese, Bullektomie, Lungenvolumenreduktion und Lungentransplantation
[[6]]. Die thorakoskopische Pleurodese mit Pleurektomie findet Anwendung bei sekundärem
Pneumothorax nach Ruptur subpleural gelegener Bullae und kann die Rezidivrate von
bis zu 50 % auf 5 % mindern. Große Emphysembullae können benachbarte Strukturen verdrängen
und gesundes Lungengewebe komprimieren. Nehmen sie mehr als ein Drittel des Volumens
eines Hemithorax ein, besteht die Indikation zur chirurgischen Bullaresektion.
Die Lungenüberblähung beim Emphysem führt zu einer Muskelverkürzung und ungünstigeren
Zugrichtung der abgeflachten Zwerchfelle mit nachfolgend weniger effizienten Muskelkontraktionen.
Die Reduktion des Lungenparenchyms begünstigt durch eine Verminderung der radialen
Zugkräfte auf die Bronchuswand einen exspiratorischen Bronchialkollaps. Durch eine
Lungenvolumenreduktion können die Überblähung reduziert, die Obstruktion vermindert
und die Atemmechanik verbessert werden [[54], [61]]. Patienten mit stark eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder Ruhedyspnoe und schwerer
Bronchoobstruktion mit Überblähung ohne Besserung unter konventioneller Therapie kommen
für diesen Eingriff in Frage (Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest unter 600 m, Totale
Lungenkapazität > 125 % Soll, Residualvolumen > 200 % Soll, FEV1 < 35 % Soll). Eine Hyperkapnie, pulmonale Hypertension, schwerst reduzierte Diffusionskapazität
oder Bronchiektasen stellen Kontraindikationen dar (PAP mean > 35 mm Hg, PaCO2 > 55 mm Hg, TLCO SB < 20 % Soll). Eine schwere Systemerkrankung oder Dysfunktion
anderer Organe sowie ein Alter über 75 Jahre sind ebenfalls Ausschlußkriterien. Mittels
medianer Sternotomie oder videoassistierter Thorakoskopie (VATS) werden 20 bis 30
% der am meisten zerstörten Areale entfernt [[52]]. Bilaterale Resektionen erzielen bessere Ergebnisse als einseitige Reduktionen,
eine inhomogene Emphysemverteilung ist vorteilhaft. Patienten mit präoperativ weniger
stark erhöhten inspiratorischen Atemwegswiderständen erzielen postoperativ signifikant
bessere Volumenzunahmen des FEV1 [[26]]. Hauptkomplikationen sind persistierende Luftlecks und Pneumonien. Die perioperative
Mortalität liegt um 5 %. Die Funktionsverbesserung (Anstieg von FEV1 und Gehstrecke) wird rasch erreicht und scheint mindestens 12 bis 18 Monate anzuhalten.
Eine Lungentransplantation kommt bei Patienten mit Endstadium eines Lungenemphysems
in Frage, sofern eine schwerste, trotz Ausschöpfung aller medikamentöser Möglichkeiten
invalidisierende Dyspnoe mit einem FEV1 unter 20 % vorliegt und eine Lungenvolumenreduktion nicht durchgeführt werden kann.
Eine homogene Emphysemverteilung, eine pulmonalarterielle Hypertonie, Hyperkapnie
oder Bronchiektasen stellen bei diesem Verfahren keine Ausschlußkriterien dar, die
Alterslimite liegt aber um ca. 10 Jahre tiefer als bei der Lungenvolumenreduktion
[[60]].