Einleitung
Einleitung
Die weltweit gebräuchlichste Substanz zur Objektivierung der bronchialen Hyperreaktivität ist Methacholin [[23 ]]. Die European Respiratory Society empfiehlt diese Substanz zur Durchführung des bronchialen Hyperreaktivitätstestes wegen seiner geringeren Nebenwirkungen [[24 ]]. In den USA ist Methacholin zur Diagnostik der bronchialen Hyperreaktivität von Patienten mit klinisch inapparenter Asthmasymptomatik von der FDA zugelassen.
Im deutschen Sprachraum wird dieses Pharmakon ebenfalls häufig angewandt, obwohl es ebenso wie auch andere pharmakodynamische Substanzen für der bronchiale Hyperreaktivitätstestungen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bisher noch nicht zugelassen ist. Der Arbeitskreis „Bronchiale Provokationstests” der deutschen Gesellschaft für Pneumologie hat Leitlinien für die bronchiale Provokation erarbeitet und sich dabei auf die Methacholin-Applikation mittels der Reservoirbeutelmethode in fünf Stufen (Einkonzentrationstest) bezogen [[5 ]].
Für die Zulassung des Diagnostikums sollte jetzt in einer von dritter Stelle verblindeten Studie (third place blinded) die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Methacholin überprüft werden. Sämtliche Studienteilnehmern waren Gutachtenpatienten mit begründetem Verdacht auf das Vorliegen einer berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung (Berufskrankheiten-Nrn. 4301, 4302 oder 1315).
Patienten und Methoden
Patienten und Methoden
Patienten
Vom 2. 2. 1997 bis 16. 10. 1997 wurden nach Randomisierung der Studienmedikation insgesamt 61 konsekutive Patienten mit dem Verdacht auf eine berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung konsekutiv in die Studie aufgenommen. Alle berichteten über wiederholte arbeitsplatzbezogene Atemnotzustände beim Umgang mit allergisierenden, chemisch-irritativen oder inhalativ-toxischen Arbeitssubstanzen. Nach Ausschluß von Kontraindikationen [[5 ], [12 ]] erhielten die Studienteilnehmer entweder 0,33 %iges Methacholin (w/v) oder physiologische Kochsalzlösung im 5-Stufen-Test.
Von den 61 Probanden waren 35 (57 %) männlichen und 26 (43 %) weiblichen Geschlechts. Das mittlere Alter betrug 41 (± 13; median 39) Jahre. Größe und Gewicht zeigten die typischen geschlechtsspezifischen Unterschiede, jedoch keine Auffälligkeiten.
Zwischen den Behandlungsgruppen (Verum- und Plazebogruppe) bestanden keine erkennbaren Unterschiede hinsichtlich Alter, Größe und Gewicht.
Die Studie wurde von der Ethik-Kommission der Ruhruniversität Bochum genehmigt. Die Studienteilnehmer wurden eingehend über die Untersuchung aufgeklärt. Nur nach schriftlicher Zustimmung erfolgte eine Testung.
Methacholin-Provokationstest
Sämtliche Provokationen (Studienmedikation und Plazebo) erfolgten mit dem Düsenvernebler Pari-Provokationstest II (Firma Medanz, Starnberg). Hierbei wird in einem bis maximal 10 L fassenden Reservoirbeutel mittels eines pressluftgetriebenen Düsenverneblers ein Aerosol der Provokationssubstanz erzeugt [[15 ]]. Die Verneblung mit dem Pari-Provokationstest II erfolgt zeitgesteuert. Nach dem Einstellen der gewünschten Aerosolmenge, welche der Reservoirbeutel auffängt, wird vor dem Inhalationsvorgang 1 min gewartet, damit größere Partikel an der Beutelwand sedimentieren können. Die Inhalation des Methacholinaerosols erfolgte in Form tiefer Inspirationen nahe der Vitalkapazität (≥ 5 s pro Atemzug), bis der Beutel leergeatmet war. Während der Inhalationen und den lungenfunktionsanalytischen Messungen trugen die Patienten eine Nasenklemme.
Unter Berücksichtigung der von Knoch et al. [[14 ]] ermittelten Leistung des Verneblers ergeben sich unter Verwendung einer 0,33 %igen Methacholin1 -Lösung die nachfolgenden Dosierungen am Mundstück (Tab. [1 ]):
In der Plazebogruppe wurde analog unter Verwendung physiologischer Kochsalzlösung vorgegangen (Tab. [2 ]):
Tab. 1 Methacholindosen1 kumulativ berechnet nach Knoch et al. [[14 ]]
Teststufe 1 2 3 4 5
Verneblerlaufzeit (s) 6 12 24 48 96
Aerosolvolumen (l) 0,5 1 2 4 8
Einzeldosis MCH1 (mg) 0,015 0,030 0,061 0,122 0,243
kumulative Dosis MCH1 (mg) 0,015 0,045 0,106 0,228 0,471
1 Das verwendete Methacholin 0,33 % ist der Provokit® M 0,33 % der Firma Lindopharm GmbH, 40729 Hilden.
Tab. 2 NaCl-Dosen nicht-kumulativ berechnet nach Knoch et al. [[14 ]]
Teststufe 1 2 3 4 5
Verneblerlaufzeit (s) 6 12 24 48 96
Aerosolvolumen (l) 0,5 1 2 4 8
Einzeldosis NaCl (mg) 0,041 0,081 0,162 0,324 0,648
Lungenfunktionsuntersuchungen
Die Lungenfunktion wurde mit einem volumenkonstanten Bodyplethysmographen gemessen (MasterLab-Body, Firma Jaeger, Würzburg). Vor der ersten Applikation der Testsubstanz oder des Plazebos erfolgte eine lungenfunktionsanalytische Untersuchung. Nach jeder Provokationsstufe wurde bodyplethysmographisch die spezifische Resistance ermittelt, in einigen Fällen auch FVC und FEV1 [[26 ]]. Als Referenzwerte dienten die Sollwerte nach Quanjer et al. [[22 ]].
Abbruchkriterien und Testende
Zielparameter war die spezifische Resistance (sRt). Der Provokationstest war beendet, wenn mindestens eine Verdoppelung der basalen sRt und mindestens ein Wert von 2,0 kPa · s erreicht wurde. Wenn die Meßwerte unter diesen Zielgrößen lagen, d. h. sich keine signifikante Atemwegsobstruktion einstellte, wurden alle fünf Dosen der Testsubstanz bzw. des Plazebos appliziert. Die Testreaktionen stuften wir als positiv ein, wenn eine signifikante bronchiale Reaktion bei einer kumulativen Dosis von ≤ 0,3 mg Methacholin auftrat und sich die bronchiale Antwort somit von einem gesunden Kontrollkollektiv unterschied [[12 ]].
Bei jedem Probanden erfolgte unabhängig davon, ob eine signifikante Atemwegsobstruktion auftrat, nach der letzten Dosisstufe eine Bronchospasmolyse mittels eines Dosieraerosols (3 × 0,1 mg Salbutamol).
Statistik
Die statistische Auswertung der klinischen Studie erfolgte durch das Statistische Institut für Marketing und Wissenschaft (SIMW GmbH), Dr. Martin Eckert, 40667 Meerbusch.
Die ergänzenden Tabellen und Grafiken wurden mit der Tabellenkalkulation Microsoft® Excel® erstellt und berechnet.
Ergebnisse
Ergebnisse
Auswertbarer Datenumfang
61 Patienten wurden in die Studie aufgenommen. Davon kamen 56 Patienten zur Auswertung. 27 Studienteilnehmer erhielten Verum (Methacholin 0,33 %), 29-mal wurde Plazebo (NaCl 0,9 %) verabreicht.
In fünf Fällen konnte das Protokoll nicht wie vorgesehen durchgeführt oder beendet werden. Dabei waren in drei Fällen bei der Basis-Lungenfunktionsuntersuchung Kontraindikationen zur Durchführung einer bronchialen Provokation festzustellen. In zwei Fällen zogen die Probanden ihr Einverständnis, an der Studie teilzunehmen, zurück bzw. war eine Auswertung der Messungen nicht möglich.
Begleitende Untersuchungen
Diese umfaßten Anamnese, Vitalparameter (Puls, Blutdruck, Ruhe-EKG), körperliche Untersuchung, laborchemische Untersuchungen (Blutbild, Retentionswerte, Elektrolyte, Serum-Elektrophorese, Transaminasen, γ-GT, LDH, CPK und Urinstatus) jeweils 24 Stunden vor und 24 Stunden nach Applikation der Testsubstanz.
In keinem Fall traten signifikante Veränderungen der untersuchten Parameter auf, welche auf die verabreichte Substanz zurückzuführen waren. Es zeigten sich auch keine signifikante Befunddifferenzen zwischen der Verum- und Plazebogruppe. Sehr schwere asthmatische Reaktionen waren ebenfalls nicht zu verzeichnen.
Lungenfunktionsänderungen nach Verum- und Plazebogabe
Die sRt-Mittelwerte in der Verum-Gruppe steigen mit zunehmender Methacholin-Dosis an, während in der Plazebo-Gruppe nur ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen ist.
Vergleicht man die positiven Testergebnisse im Sinne der eingangs genannten Kriterien für den sRt, ist in der Verum-Gruppe in zehn von 27 Fällen (37 %) eine signifikant positive Testreaktion aufgetreten. In der Plazebo-Gruppe wurden bei Verabreichung aller fünf Teststufen die Zielkriterien (Verdoppelung der Baseline um mindestens 100 % und auf einen Wert von ≥ 2 kPa · s) nur in einem von 29 Fällen erreicht (dabei fiel die FEV1 um 16 % ab).
Im zweiseitigen Fisher's Exact-Test ergibt sich für die Verum-Gruppe im Vergleich zur Plazebo-Gruppe ein p-Wert von 0,00196, welcher auf dem 1 %-Niveau signifikant ist.
Man erkennt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der sRt-Änderung und der kumuliven MCH-Dosis (p < 0,002). In der Plazebo-Gruppe ist eine solche Beziehung nicht nachweisbar ist (p = 0,20) (Tab. [3 ], Abb. [1 ] und [2 ]).
Tab. 3 Änderung der spezifischen Resistance (sRt ) in der Verum-(Methacholin 0,33 %) und Plazebogruppe (NaCl 0,9 %)
Verum (n = 27) sRt absolut [kPa*s] sRt -Änderung [%]
Anzahl Mittelw. Median Std.Abw. Mittelw. Median Std.Abw.
Baseline 27 0,80 0,70 0,39 -/- -/- -/-
Stufe 1 (0,0152 mg MCH) 27 1,10 0,82 0,82 36,33 12,24 56,85
Stufe 2 (0,0304 mg MCH) 26 1,16 0,86 0,85 41,42 31,31 47,43
Stufe 3 (0,0607 mg MCH) 24 1,33 0,87 0,99 70,01 37,31 71,64
Stufe 4 (0,1214 mg MCH) 21 1,27 0,85 0,98 76,67 48,10 70,19
Stufe 5 (0,2429 mg MCH) 18 1,32 0,98 1,45 137,49 63,23 257,76
nach Br.spasmolyse 27 0,75 0,65 0,27 3,16 - 5,56 34,10
Plazebo (n = 29) sRt absolut [kPa*s] sRt -Änderung [%]
Anzahl Mittelw. Median Std.Abw. Mittelw. Median Std.Abw.
Baseline 29 0,95 0,90 0,25 -/- -/- -/-
Stufe 1 (0,0405 mg NaCl) 29 1,00 0,93 0,36 4,73 5,36 24,19
Stufe 2 (0,0810 mg NaCl) 29 1,02 0,96 0,40 5,60 6,19 25,16
Stufe 3 (0,1620 mg NaCl) 29 1,03 0,91 0,44 7,30 3,23 32,51
Stufe 4 (0,3240 mg NaCl) 28 1,03 0,95 0,39 7,90 10,53 24,71
Stufe 5 (0,6480 mg NaCl) 28 1,10 1,04 0,46 14,83 4,07 32,76
nach Br.spasmolyse 29 0,75 0,74 0,32 - 22,17 - 25,32 23,66
Abb. 1 Änderung der spezifischen Resistance in der Verum- (Methacholin 0,33 %) und Kontrollgruppe (NaCl 0,9 %). Angegeben sind jeweils Mediane und Standardabweichungen.
Abb. 2 PD100 %; 2 kPa*s sRt aller ausgewerteten Studienteilnehmer. Die Verum-Ergebnisse (Methacholin 0,33 %) unterscheiden sich signifikant von jenen, welche mit Plazebo (NaCl 0,9 %) erzielt wurden [p = 0,00196; zweiseitiger exakter Test von Fisher].
Diskussion
Diskussion
Zur Erfassung der unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität existieren mehrere Testschemata, die sich hinsichtlich der Applikation, Dosierung und der Reaktionserfassung unterscheiden [[4 ], [6 ], [10 ], [12 ]]. Der von uns angewandte Test hat im deutschen Sprachraum eine breite Anwendung gefunden und wurde von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie empfohlen [[5 ]].
Die prinzipielle Eignung von Methacholin zur Erfassung der unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität ist in der internationalen Literatur vielfach belegt [[1 ], [7 ], [8 ], [13 ], [17 ], [18 ], [24 ], [25 ]] und konnte auch in der jetzigen „third place blinded Doppelblindstudie” gegenüber Plazebo nachgewiesen werden.
Sämtliche Patienten, die nicht in die Studie aufgenommen werden konnten (violaters), wiesen lungenfunktionsanalytische Kontraindikationen oder Symptome auf, welche unabhängig von der Studienmedikation waren. Unter Berücksichtigung der bekannten Kontraindikation [[5 ]
[12 ]] zeichnet sich Methacholin durch äußerst seltene ernsthafte unerwünschte Wirkungen aus. Auch in dieser Studie waren keine Nebenwirkungen festzustellen.
Hervorzuheben ist, daß alle Patienten, welche 0,33 %iges Methacholin erhielten, im Mittel und individuell nach Gabe einer üblichen Dosis eines Bronchospasmolytikums wieder Basalwerte der spezifischen Resistance zeigten (95 %-Konfidenzintervall: - 10,33 % bis 16,60 % des Basalwertes). Diese Tatsache verdeutlicht unsere Erfahrung, daß auch starke asthmatische Reaktionen auf Methacholin therapeutisch gut beherrschbar sind.
Testergebnisse dieser Art hängen vom primären Zielparameter und somit von der Meßmethode und dem Patientengut ab. Im angloamerikanischen Sprachraum werden vielfach das Provokationsprotokoll nach Chai [[4 ]] oder dessen Modifikationen [[24 ]] angewandt. Hierbei wird Methacholin in Verdoppelungsdosen unter Verwendung aufsteigender Konzentrationen appliziert und als Zielkriterium für einen positiven Test eine PD20 FEV1 , d. h. ein 20 %iger Abfall der FEV1 bei einer kumulativen Methacholin-Dosis von meist 8 oder 12 mg herangezogen.
In unserem Testschema wird nur eine 0,33 %ige Methacholin-Konzentration benötigt und eine schrittweise, jeweils ca. 3fache Dosissteigerung durch eine leicht durchführbare Erhöhung der Aerosolmenge erzielt. Dies stellt eine erhebliche Vereinfachung für die medizinischen Hilfskräfte dar. Auch kann so der Provokationstest mit einem akzeptablen Zeitaufwand durchgeführt werden (ca. 20 min). Nicht zuletzt ist eine erhöhte Anwendungssicherheit gegeben, weil die Verdünnungsreihen der Provokationssubstanz nicht mehr selbst hergestellt werden müssen.
Die im Vergleich zu den von Chai et al. [[4 ]] erheblich niedrigeren Provokationsdosen erklären sich im Wesentlichen dadurch, daß wir ein Aerosol mit einem viel kleineren Tröpfchendurchmesser einsetzten und daß nicht die vernebelte Methacholin-Menge, sondern die am Mundstück ankommende Methacholin-Menge (Knoch et al. [[14 ]]) als Berechnungsgröße berücksichtigt wird.
Die unspezifische bronchiale Hyperreaktivität, objektivierbar durch pharmakodynamischen Substanzen, ist unabhängig vom Testschema ein wesentliches Kennzeichen der obstruktiven Atemwegskrankheit und bleibt auch im krankheitsfreien Intervall nachweisbar. Darüber hinaus kann ein positives Testergebnis beispielsweise ein berufliches Risiko hinsichtlich der Entwicklung einer Atemwegserkrankung aufdecken [[3 ], [6 ], [9 ], [11 ], [16 ], [19 ], [20 ], [21 ]]. Da der spezifische bronchiale Provokationstest mit Allergenen und insbesondere mit berufstypischen Irritantien aufwendig ist, wird oft mittels des unspezifischen Provokationstests eine diagnostische Aussage angestrebt. Bei unseren Patienten mit Verdacht auf eine berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung zeigten 10 von 27 (37 %) der Untersuchten in der Verumgruppe eine bronchial-obstruktive Reaktion auf Methacholin. Diese Anzahl entspricht unseren früheren Erfahrungen [[2 ]] und liegt deutlich über der Häufigkeit der bronchialen Hyperreaktivität in der Normalbevölkerung.
Andererseits ist bekannt, daß der spezifische Provokationstest nicht zu ersetzen ist und sich die Ergebnisse des Methacholin-Tests und des spezifischen Provokationstests erheblich voneinander unterscheiden können. Dieses trifft vor allem für Patienten mit Isocyanat-Asthma zu [[2 ]]. Abhängig vom untersuchten Kollektiv findet sich ein variabler Probandenanteil, welcher trotz gesicherter Asthmaerkrankung einen negativen Methacholin-Testbefund aufweist [[2 ]]. Hinsichtlich dieser Tatsache müssen weitere Untersuchungen zur Sensitivität des Methacholin-Tests durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, inwieweit zusätzliche Kriterien, beispielsweise die standardisierte Anamnese, Atopiescores oder auch Belastungsuntersuchungen in der Diagnostik eines inapparenten Asthma bronchiale hilfreich sind.
Insgesamt kann die bronchokonstriktorische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Methacholin zur Objektivierung der unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität gezeigt werden.