Aktuelle Urol 2001; 32(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2001-10750
EDITORIAL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Qualitätsmanagement

J. Stein, W. F. Thon
  • Urologische Klinik, Klinikum Hannover-Siloah
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Der Gesetzgeber hat seiner Forderung nach mehr Transparenz bei der Erbringung medizinischer Leistungen im Krankenhaus entscheidend Nachdruck verliehen, indem er, seit Beginn des Jahres 2000, im §§ 135 ff, SGB V die verpflichtende Etablierung eines einrichtungsspezifischen Qualitätsmanagements formuliert. Einige Landeärztekammern haben dieser Entwicklung insofern Rechnung getragen, als sie die Zusatzbezeichnung „Ärztliches Qualitätsmanagement” in die jeweilige Weiterbildungsordnung aufgenommen haben. Unter der Rubrik „Qualitätsmanagement” möchten wir unseren Lesern in jedem Heft der Aktuellen Urologie durch einen ausgewählten Beitrag mit den verschiedenen Aspekten dieses Themas in Anlehnung an das von der Bundesärztekammer herausgegebene Curriculum vertraut machen. Das Ziel dieser Rubrik wird es sein, die Leser in die rechtlichen Grundlagen des Qualitätsthemas einzuführen, die für Mediziner gewöhnungsbedürftige Qualitäts-Terminologie transparenter zu gestalten, Tricks, Tipps und Stolpersteine bei der Etablierung von Qualitätsmanagementsystemen aufzuzeigen und nicht zuletzt durch einzelne Projektdarstellungen ein Forum für einen konstruktiven Gedankenaustausch zum Thema Qualitätsmanagement (QM) zu schaffen.

Die Grundgedanken des Qualitätsmanagements greifen auf Ideen von Demig und Juran zurück, die bereits 1930 die Theorie der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung entwickelt haben. Sie wiesen auf die Interaktion von Forschung, Entwicklung, Produktion und Verkauf als Grundlage einer Kundenzufriedenheit hinsichtlich einer Produktqualität hin. Juran berichtete erstmals 1954 in Japan über das Management der Qualitätskontrolle. Die innovativen Grundgedanken wurden in vielen japanischen Unternehmen praktisch umgesetzt und weiterentwickelt.

Qualitätssicherung wird von Ärztinnen und Ärzten schon immer als unverzichtbarer Bestandteil ihrer Berufsausbildung verstanden. Traditionelle Bestandteile qualitätssichernder Maßnahmen sind klinische Visiten, Röntgenbesprechungen, Fall- und Todesfallkonferenzen, Konsilien, Arzneimittel- und Hygienekonferenzen und die klinische Obduktion. In aller Regel fehlt jedoch bei diesen empirischen Qualitätssicherungsmaßnahmen eine übergeordnete Methodik und Integration, mit angemessener Zielsetzung, ergebnisorientierter Erfassung, systematischer Steuerung und einer kontinuierlichen Verbesserung.

Obwohl Patienten von vielen als „König Kunde” proklamiert werden, avancierten Patienten in der Vergangenheit mehr und mehr zum „Produkt” des Krankenhauses, deren Bedarf bei immer geringeren Ressourcen mehr oder weniger befriedigt wurde. Nach ihren tatsächlichen Bedürfnissen wurden Patienten, aber auch andere Kunden des Krankenhauses (z. B. einweisende Ärzte), bisher kaum gefragt. Qualitätsmanagement versteht Qualität als eine Kette interner Maßnahmen der Mitarbeiter und des Managements, die zur Zufriedenheit der Kunden und der Mitarbeiter führen soll und gleichzeitig zu einer langfristigen wirtschaftlichen Sicherung und Weiterentwicklung des Krankenhauses. Es bedarf heute einer kontinuierlichen Ermittlung von „Kundenbedürfnissen”, die sich aufgrund verschiedener Umstände ähnlich wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern.

Die Etablierung eines Qualitätsmanagements im Krankenhaus erfordert ein systematisches Überprüfen der Dienstleistungserbringung, in dem alle bisher von Organisationsplanungen betroffenen Mitarbeiter an der Entwicklung beteiligt werden, basierend auf einer gemeinsamen Zielbildung, Planung, Umsetzung, Überprüfung und Verbesserung von qualitätsfördernden Maßnahmen. Jeder einzelne Mitarbeiter muss in den Prozess mit einbezogen werden und sich mit den Qualitätszielen identifizieren können. QM ist als eine ablauforientierte, umfassende, selbstverantwortliche Unternehmens- und Führungsstrategie mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung im Sinne der externen und internen Kunden zu verstehen, die trotz ständiger Veränderungen der Rahmenbedingungen eine zukunftsorientierte Steuerbarkeit des Unternehmens ermöglicht.

Unter dem Begriff „Kooperation und Transparenz im Krankenhaus (KTQ)” haben sich die Ersatzkassenverbände, die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unterstützt durch den Deutschen Pflegerat, die Firma proCum Cert als Vertreterin der konfessionellen Krankenhäuser und Mitglieder der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) geeinigt, gemeinsam ein Krankenhausbewertungs- und Zertifizierungsverfahren zu erarbeiten. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Selbstbewertung anhand eines standardisierten Kriterienkatalogs und Überprüfung durch externe Visitoren. In der Entwicklungsphase wurde ein Katalog von Qualitätsindikatoren bezüglich Struktur, Prozess, Ergebnis festgelegt, um multidimensionale Qualitätsindikatoren messen zu können. Die Vertragspartner beabsichtigen, sich auf ein definiertes Qualitätsniveau zu verständigen. Mit Hilfe eines Qualitätsberichtes soll die Öffentlichkeit über die Leistungsfähigkeit, das Qualitätsmanagement und die Ergebnisse der Behandlung unterrichtet werden und damit für Transparenz bei Patienten, einweisenden Ärzten, Krankenkassen, krankenhausplanenden Behörden und Haftpflichtversicherer gesorgt werden. Indirekt wird damit ein entsprechender Druck ausgeübt, sich einem solchen Zertifizierungsprozess zu unterziehen, obwohl es sich nicht um eine verpflichtende gesetzliche Vorgabe im Rahmen des §§ 135 ff, SGB V handelt. Aufgrund der gegenwärtigen politischen Konstellation bleibt zu befürchten, dass ein solches Zertifizierungsverfahren, seitens der Krankenkassen, möglicherweise zur Akkreditierung von Krankenhäusern herangezogen wird. Durch den Bewertungskatalog hat das Krankenhaus die Möglichkeit seine Schwachstellen zu identifizieren, zu analysieren und die Defizite zu bereinigen. In dem Zertifizierungsverfahren werden schwerpunktmäßig die patientenorientierte ärztliche, pflegerische und administrative Gestaltung des Behandlungsprozesses bewertet. Die Mitarbeiterorientierung der leitenden Angestellten und der Krankenhausführung haben ebenfalls eine große Bedeutung. Alle nicht primär an der Krankenversorgung beteiligten Abläufe (sekundären Prozesse), wie die Administration, die Technik, die Verpflegung und Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung (Umweltschutz) stehen ebenfalls im Fokus der Bewertung.

Der Wettbewerbsdruck wird trotz der fehlenden gesetzlichen Verpflichtung zu einer flächendeckenden Teilnahme der Krankenhäuser an dem ab Herbst 2001 zur Verfügung stehenden Zertifizierungsverfahren führen. Durch die Vorbereitung auf das Verfahren sollen die jeweiligen Kliniken veranlasst werden, ihre Strukturen, Prozesse und Ergebnisse zu analysieren und zu optimieren. Durch die regelmäßige Rezertifizierung meint man ein kontinuierliches Verbesserungsverfahren zu etablieren.

Dr. med Joachim Stein (MHM)

Leitender Oberarzt der Urologischen KlinikKlinikum Hannover, Kh Siloah

Roesebeckstr. 1530449 Hannover

Telefon: Tel. 0511/927 2536

Fax: Fax 0511/927 2543

eMail: E-mail: Dr.med.J.Stein@t-online.de



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