Pneumologie 2001; 55(3): 149-151
DOI: 10.1055/s-2001-12286
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Microlithiasis alveolaris pulmonum

H. Gubbawy
  • Praxis für Lungen- und Bronchialheilkunde, Neumünster
Further Information

Dr. med H Gubbawy

Praxis für Lungen- und Bronchialheilkunde

Großflecken 41
24534 Neumünster

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung:

Es wird über einen Fall von pulmonaler alveolärer Mikrolithiasis bei einem 50-jährigen Patienten berichtet. Die Diagnose wurde mittels transbronchialer Lungenbiopsie histologisch gesichert. Der radiologische sowie der bodyplethysmographische Befund blieben im Verlauf von 4 Jahren unverändert.

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Pulmonary Alveolar Microlithiasis:

Pulmonary alveolar microlithiasis is a rare disease of unknown aetiology, in which calcium phosphate microliths are deposited bilaterally throughout the lung parenchyma. The total number of reported cases is about 400.

A case of pulmonary alveolar microlithiasis is presented in a 50-year old man for whom the diagnosis was confirmed by histology via transbronchial biopsy.

During a 4-year observation period there was no increase of the disease according to x-ray investigations and with respect to clinical symptoms.

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Einleitung

Die pulmonale alveoläre Mikrolithiasis ist rar. Rund 400 Fälle sind bis jetzt in der medizinischen Literatur beschrieben worden. Nach den vorliegenden Berichten ist die Krankheit weltweit bei allen Völkern verbreitet. Ein Unterschied in der geographischen Verteilung ist möglich.

In Japan sind bis 1970 insgesamt 60 [1], in der Türkei bis 1993 52 Fälle [2] bekannt geworden. Die Krankheit ist durch Füllung der Alveolen mit Steinen in den Unterfeldern charakterisiert, und bei fortschreitender Erkrankung werden weitere Alveolen befallen, dabei können die Steine die Alveolen bis zu 80% ausfüllen. Manchmal befinden sie sich in den Alveolärsepten [1] [3], gelegentlich aber auch in den Bronchialwänden [4] [5] [6]. Mikhailov beschrieb 1954 Mikrolithen sogar auch im Lungeninterstitium [7]. Die meisten gefundenen Steine wiesen einen Durchmesser von 0,2 mm auf. Prakash und Mitarb. [8] fanden in den Alveolen eines 20-jährigen Patienten nach offener Lungenbiopsie Mikrolithen von 0,01 bis 2,8 mm im Durchmesser. Pankow und Mitarb. [9] berichteten über bis zu 3 mm große Verdichtungsherde im Röntgenbild, die sich später als Mikrolithen herausstellten. Sie sind rund, oval oder haben manchmal eine unregelmäßige Form und sind konzentrisch beschichtet.

Die Ätiologie ist ungeklärt; es gilt aber als sicher, dass eine Calcium-Phosphor-Stoffwechselstörung vorliegt und Erbfaktoren eine Rolle spielen, etwa die Hälfte der Fälle treten familiär auf. Die Annahme, dass eine Staubexposition, ein Nikotin- oder Schnupftabakabusus mögliche Faktoren für die Genese der Erkrankung darstellen, ist sehr zweifelhaft, da die Erkrankung auch bei Kindern und sogar bei Neugeborenen vorkommt und familiär gehäuft auftritt [10]. In Deutschland sind bis jetzt insgesamt 26 Fälle, 13 männliche und 13 weibliche, bekannt geworden. Über einen zusätzlichen Fall aus meiner Praxis wird berichtet.

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Kasuistik

Ein 50-jähriger Patient hat bis 1985 als Maurer gearbeitet, insgesamt 25 Jahre lang. Seit 1985 ist er im Katasteramt tätig. Im Rahmen der Vorbereitung einer Operation am rechten Knie erfolgte bei ihm eine Röntgenthoraxuntersuchung in einer radiologischen Praxis, wobei multiple kleine Noduli in den Mittel- und Unterfeldern aufgefallen sind, die durch eine Thorax-Computertomographie bestätigt wurden. Auf einer Schirmbildaufnahme von 1985 waren die beschriebenen röntgenologischen Veränderungen nicht erkennbar.

Bei der klinischen Untersuchung waren die Lungen unauffällig. Die Ruhespirometrie und Bodyplethysmographie ergaben keine Hinweise für eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung. Bronchoskopisch war das Bronchialsystem unauffällig, die histologische Untersuchung der Bronchialschleimhaut (Prof. Dr. Fohlmeister, Neumünster) ergab keinen wesentlichen histologischen Befund.

Die histologische Untersuchung der transbronchialen Lungenbiopsie ergab eine pulmonale alveoläre Mikrolithiasis mit Mikrolithen bis zu einem Durchmesser von 0,2 mm.

Bei der letzten Kontrolluntersuchung im August 1999 blieb der Röntgenthoraxbefund unverändert. Die Ruhespirometrie und Bodyplethysmographie ergaben nach wie vor keinen Anhalt für eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung. Die Blutgasanalyse zeigte einen normalen Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck bei ausgeglichenem Säurebasenhaushalt. Die CO-Diffusionskapazität lag im Normbereich.

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Historisches

Die Erstbeschreibung der pulmonalen alveolären Mikrolithiasis geht auf Harbitz 1918 [11] zurück. Er fand bei einer Autopsie einer 41-jährigen an Arrhythmien, Beinödemen, Zyanose und Dyspnoe verstorbenen Patientin Pleuraergüsse, Aszites, Herzvergrößerung und harte Lungen, die sich wie Steine anfühlten. Die ausgeschnittenen Lungenteile schwammen nicht in Wasser. Die histologische Untersuchung ergab Mikrolithen in den Alveolen.

1933 hat Puhr [12] aus Budapest über einen 49-jährigen an Extremitätenödemen, Herzvergrößerung und Tachyarrhythmie verstorbenen Patienten berichtet. Bei der Sektion fand er schwere und steife Lungen, als ob sie Gipsausgüsse wären. Die ausgeschnittenen Teile sanken in Wasser unter. Bei der histologischen Untersuchung hat er in den erweiterten Lungenalveolen konzentrisch beschichtete Mikrolithen festgestellt. Auf ihn geht die Benennung der Krankheit Mikrolithiasis alveolaris pulmonum zurück.

Aus Solingen haben Landes und Leicher 1948 [13] einen Fall von einem 44-jährigen Patienten, der an Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz mit Zyanose und Trommelschlegelfingern ad exitum kam, geschildert. Die Obduktion hat schwere knorpelharte Lungen gezeigt, und die Diagnose einer alveolären Mikrolithiasis konnte histologisch gesichert werden. Die Verfasser haben zum ersten Mal eine chemische Analyse der alveolären Steine durchgeführt.

Lindig hat 1951 [14] zum ersten Mal die Krankheit radiologisch diagnostiziert, und dadurch wurde sie erstmals intravital erkannt. Mikhailov hat als erster 1954 [7] über das Vorkommen der Krankheit bei mehreren Familienmitgliedern berichtet und stellte die Frage der Erbmöglichkeit dieser Erkrankung. Petrányi und Mitarb. stellten 1954 [15] die Diagnose erstmals nach einer Thorakotomie bei einem 8-jährigen Kind fest und dadurch wiesen sie nach, dass die Krankheit auch im Kindesalter vorkommt. Sosman und Mitarb. berichteten 1957 [16] ausführlich über die Klinik und Diagnose dieser Erkrankung aus der Weltliteratur.

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Klinik

Mehr als die Hälfte der Patienten weisen bis zur Sicherung der Diagnose keine bronchopulmonale Symptomatik auf. Die meisten Fälle werden zufällig durch eine Routineröntgenthoraxuntersuchung oder im Rahmen einer Untersuchung der Familienmitglieder einer erkrankten Person entdeckt.

In der Frühphase der Erkrankung weicht der Perkussions- und Auskultationsbefund kaum von der Norm ab. Lange Zeit bleibt die Lungenfunktion uneingeschränkt.

Im Laufe von Jahren oder sogar Jahrzehnten tritt durch Zunahme der Mikrolithen und Ossifikation der interlobulären Septen eine interstitielle Fibrose der befallenen Lungenpartien und eine kompensatorische Lungenspitzendehnung auf. Durch diese Umwandlung kommt es zu einer respiratorischen Insuffizienz mit zunehmender Überlastung der rechten Herzkammer, wie bereits bei den ersten postmortalen Fällen beschrieben wurde. Es bestanden Dyspnoe, Zyanose, Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel und gelegentlich Hämoptysen. Die Dehnung der Lungenspitzen führt zu einer Neigung zum Spontanpneumothorax. Der Serum-Calcium-Spiegel liegt im Normbereich.

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Therapie

Da die Ätiologie dieser Krankheit unbekannt ist, existiert keine kausale Therapie.

Im fortgeschrittenen Stadium ist die Lungentransplantation die Methode der Wahl [6].

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Ergebnis

Bei einem 50-jährigen Patienten wurden bei einer Routineröntgenthoraxuntersuchung multiple kleine Noduli in den Mittel- und Unterfeldern festgestellt. Die Diagnose einer pulmonalen alveolären Mikrolithiasis wurde nach transbronchialer Probeexzision histologisch gesichert. Bei regelmäßigen Kontrollen im Verlauf von 4 Jahren blieb der Befund unverändert.

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Diskussion

Auch ein langjähriger unveränderter röntgenologischer und klinischer Befund der pulmonalen alveolären Mikrolithiasis verlangt eine regelmäßige weitere Kontrolle, um wegen der zu erwartenden Zunahme des Befundes rechtzeitig eine Lungentransplantation zu planen.

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Literatur

  • 1 Hotchi M, Nasu T, Mihara H. An autopsy case of microlithiasis alveolaris pulmonum - with special attention to elastosis in lung tissue -.  Acta Path. 1970;  20 111-125
  • 2 Ucan E S, Keyf A I, Aydilek R, Yalcin Z, Sebit S, Kudu M, Ok U. Pulmonary alveolar microlithiasis: review of turkish reports.  Thorax. 1993;  48 171-173
  • 3 Portnoy L M, Amadeo B, Hennigar G R. Pulmonary alveolar microlithiasis.  Am J Clin Pathol. 1964;  41 194-201
  • 4 Kent G, Gilbert E S, Meyer H H. Pulmonary microlithiasis.  A M A Arch Path. 1955;  60 556-562
  • 5 Sears M R, Chang A R, Taylor A J. Pulmonary alveolar microlithiasis.  Thorax. 1971;  26 704-711
  • 6 Stamatis G, Zerkowski H R, Doetsch N, Greschuchna D, Konietzko N, Reidemeister J C. Sequential bilateral lung transplantation for pulmonary alveolar microlithiasis.  Ann Thorac Surg. 1993;  56 972-975
  • 7 Mikhailov V. Pulmolithiasis endalveolaris et interstitialis diffusa.  Klin Med (Moskau). 1954;  32 31-36 Zit. in Caffrey und Mitarb.
  • 8 Prakash U BS, Barham S S, Rosenow E C, Brown M L, Spencer Payne W. Pulmonary alveolar microlithiasis. A review including ultrastructural and pulmonary function studies.  Mayo Clin Proc. 1983;  58 290-300
  • 9 Pankow W, Bittinger A, Adler G, Krüger A, von Wichert P. Microlithiasis alveolaris pulmonum, Kasuistik und Übersicht.  Pathologe. 1989;  10 186-193
  • 10 Caffrey P R, Altman R S. Pulmonary alveolar microlithiasis occurring in premature twins.  J Pediatr. 1965;  26 758-763
  • 11 Harbitz F. Extensive calcification of the lungs as a distinct disease.  Arch Int Med. 1918;  21 139-146
  • 12 Puhr L. Mikrolithiasis alveolaris pulmonum.  Virch Arch. 1933;  290 156-160
  • 13 Landes G, Leicher F. Kasuistik. Zum Krankheitsbild der Mikrolithiasis alveolaris pulmonum.  Ärztl Wschr. 1948;  3 692-695
  • 14 Lindig W. Ein klinisch-röntgenologischer Beitrag zum Krankheitsbild der „Mikrolithiasis alveolaris pulmonum”.  Röfo. 1951;  75 678-684
  • 15 Petrányi G Y, Zsebök Z. Mikrolithiasis alveolaris miliaris pulmonum.  Radiologia Clinica (Basel). 1954;  23 202-209
  • 16 Sosman M C, Dodd G D, Jones W D, Pillmore G U. The familiar occurrence of pulmonary alveolar microlithiasis.  A J R. 1957;  77 947-1012

Dr. med H Gubbawy

Praxis für Lungen- und Bronchialheilkunde

Großflecken 41
24534 Neumünster

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Literatur

  • 1 Hotchi M, Nasu T, Mihara H. An autopsy case of microlithiasis alveolaris pulmonum - with special attention to elastosis in lung tissue -.  Acta Path. 1970;  20 111-125
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  • 15 Petrányi G Y, Zsebök Z. Mikrolithiasis alveolaris miliaris pulmonum.  Radiologia Clinica (Basel). 1954;  23 202-209
  • 16 Sosman M C, Dodd G D, Jones W D, Pillmore G U. The familiar occurrence of pulmonary alveolar microlithiasis.  A J R. 1957;  77 947-1012

Dr. med H Gubbawy

Praxis für Lungen- und Bronchialheilkunde

Großflecken 41
24534 Neumünster