Rofo 2001; 173(4): 380-381
DOI: 10.1055/s-2001-12470
DER INTERESSANTE FALL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Spontane Okkulte Milzruptur nach Infektion mit Salmonella enteritidis

M. Kimpel, T. Zander, M. Düx
  • Heidelberg
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

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Die spontane, nicht-traumatische Milzruptur ist ein seltenes Krankheitsbild. Bleibt die Blutung subkapsulär, spricht man von einer okkulten Ruptur. Auch sog. „chronische” Milzrupturen sind bekannt, bei denen es zu zeitlichen Verläufen von Monaten bis sogar mehreren Jahren kommt und die aufgrund einer unterschiedlich ausgeprägten Symptomatik lange der Diagnostik verborgen bleiben können.

Die spontane Ruptur der gesunden Milz ist ein ausgesprochen seltenes Ereignis (Seufert RM, Chirurgie der Milz - Praktische Chirurgie Band 95. Stuttgart: Enke, 1983). In den wenigen dokumentierten Fällen sind meist Koagulopathien oder Antikoagulation ursächlich für die Ruptur. Während bei spontanen Rupturen vorerkrankter Milzen weltweit die Malaria als Hauptursache zu nennen ist, steht in westlichen Ländern der Morbus Pfeiffer, bei welchem das Krankheitsbild in etwa 0,1 - 0,5 % der Fälle zu beobachten ist (Paar et al., Z Gastroenterol 1995; 33: 13), an erster Stelle. Bei den malignen Grunderkrankungen sind die akute Leukämie und der Morbus Hodgkin zu nennen. Salmonelleninfektionen als Ursache einer spontanen Milzruptur sind beschrieben, jedoch selten (Mather et al., Med J Aust 1991; 155: 714).

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Fallbeschreibung

Wir berichten über einen 74-jährigen Patienten, der über die Ambulanz mit dem Bild eines akuten Abdomens aufgenommen wird, nachdem seit ca. einer Woche bestehende diffuse Oberbauchbeschwerden akut exazerbieren. Ein Trauma kann ausgeschlossen werden, Anzeichen für eine Salmonelleninfektion bestehen nicht. Im Labor fällt eine Leukozytose von 23,6 × 103/µl, Thrombozytose von 876 × 103/µl, Hämoglobin von 17,9 g/l (Hämatokrit 53,4 Vol.%) sowie eine Hyperglykämie von 353 mg/dl auf, die übrigen Parameter sind im Normbereich. Der Röntgenthorax zeigt einen Zwerchfellhochstand links (Abb. [1]), sonografisch findet sich eine subkapsuläre Flüssigkeitssichel um die Milz (Abb. [2]). Zur besseren Einschätzung des Befundes und Beurteilung des im Ultraschall nicht einsehbaren Retroperitoneums erfolgte im Anschluss eine Computertomographie (CT). Man erkennt ein ausgeprägtes subkapsuläres Hämatom der Milz ohne Anzeichen der Kapselruptur und Blutung nach intraperitoneal. Gleichzeitig lässt sich in der Milzarterie ein Thrombus erkennen (Abb. [3]).

Es erfolgt die Splenektomie noch am selben Abend. Der intraoperative Abstrich ergibt massenhaft Salmonella enteritidis. In der Histologie zeigt sich das Bild einer alten Milzruptur mit flächenhaften Parenchymeinblutungen, im Hilus findet sich eine thrombosierte Arteria und Vena lienalis.

Postoperativ entwickelt sich eine Sepsis mit Temperaturen bis 40 °C, hohem Volumenbedarf und instabilem Kreislauf. Die Blutkultur ergibt Salmonella enteritidis. Die Therapie mit Imipenem (Zienam®) und Netilmicin (Certomycin®) wird sofort eingeleitet, additiv wird eine Antisepsistherapie mit Hydrocortison und Pentaglobin begonnen.

Im weiteren Verlauf kommt es zur kardiozirkulatorischen und respiratorischen Dekompensation, akutem Nierenversagen und der Notwendigkeit zur Hämodiafiltration. Der Patient verstirbt im septischen Organversagen am 5. postoperativen Tag, die Obduktion ergibt als Todesursache Herz-Kreislauf-Versagen bei ausgedehnt vorgeschädigtem Herzen. Lunge und Nieren sind im Sinne einer Schocklunge bzw. -niere verändert. In der Milzloge findet sich eine chronische Peritonitis.

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Diskussion

Da es im oben beschriebenen Fall nicht zur Kapselverletzung mit Blutung nach intraperitoneal kam, ist von einer okkulten bzw. chronischen Milzruptur auszugehen. Ursächlich ist hier eine Parenchymschädigung, welche zu wiederholten subkapsulären Blutungen bei erhaltener Kapsel führt. In unserem Fall liegt pathophysiologisch ein Milzinfarkt auf dem Boden einer infektiösen Milzarterienthrombose bei klinisch stummer Salmonelleninfektion vor.

Die Klinik einer spontanen okkulten Milzruptur ist unspezifisch und nicht richtungweisend. Der Verlauf kann sich Monate oder gar Jahre der Diagnose entziehen. Zahlreiche Krankheitsbilder wie Herzinfarkte, Pneumonien oder Pankreatitiden können vorgetäuscht werden (Buciuto et al., Eur J Surg 1992; 158: 129).

Hinweis kann ein linksseitiger Pleuraerguss mit Zwerchfellhochstand sein. Da dies ein unspezifisches Zeichen ist, wird die Diagnose der Milzruptur meist durch den Ultraschall gestellt. Im Anschluss sollte frühzeitig eine CT durchgeführt werden, um die Ausdehnung der Ruptur, Infarzierungen und die Größe des Milzhämatoms zu ermitteln. Diese Informationen sind relevant, da mit dem Nachweis eines Milzhämatoms die Gefahr einer zweizeitigen Blutung in die Bauchhöhle besteht. In unserem Fall kam ein großes subkapsuläres Hämatom zur Darstellung, wobei der Parenchymverlust mehr als 50 % betrug, was neben dem schlechten Allgemeinzustand des Patienten zur Laparotomie führte. Hinweise für einen infektiösen Fokus ergaben sich nicht, jedoch ließ sich thrombotisches Material in den Hilusgefäßen der Milz nachweisen.

Die Therapie ist in der Regel chirurgisch, wobei einige Autoren auch die konservative Therapie befürworten, sofern guter Allgemeinzustand vorliegt. Schuler und Filtzer haben 40 Fälle von spontaner Milzruptur aufgearbeitet, hiervon wurden immerhin 12 Patienten (30 %) erfolgreich konservativ therapiert (Schuler et al., Arch Surg 1995; 130: 662). Das Alter betrug durchschnittlich 20,7 Jahre (14 - 41 Jahre), die Patienten waren also wesentlich jünger als in unserem Fall. Zudem bot unser Patient schon bei der Aufnahme das klinische Bild eines akuten Abdomens, so dass nach der Diagnose der Milzruptur die Indikation zur sofortigen Laparotomie bestand. Bei in kurzem Zeitintervall zunehmender abdomineller Beschwerdesymptomatik und deutlichen Entzündungsparametern war die Splenektomie indiziert. Postoperativ kam es jedoch zu einem septischen Krankheitsbild mit Nachweis von Salmonella enteritidis in der Blutkultur. Ursache für die Salmonellen-Sepsis war vermutlich die hohe Keimbeladung im OP-Gebiet in Kombination mit der perioperativen Immunsuppression bei deutlich reduziertem Allgemeinzustand des Patienten.

Die Sonographie stellt die Methode der Wahl zur primären Bildgebung der Milz dar und kann Ruptur oder Infarkt meist zuverlässig darstellen. Nach dieser Primärdiagnose sollte möglichst ohne Zeitverzögerung eine CT durchgeführt werden, um das Ausmaß der Ruptur, das Verhältnis von durchblutetem zu infarziertem Milzparenchym und das meist vorhandene Milzhämatom zu quantifizieren. Der Nachweis eines Milzhämatoms ist klinisch sehr wichtig, da nach einer Kapselruptur eine lebensbedrohliche Blutung in die Bauchhöhle erfolgen kann, so dass u.a. basierend auf dem CT-Befund die Indikation zur Laparotomie gestellt wird. Wird eine Milzruptur diagnostiziert und liegt ein direktes Trauma nicht vor, sollte man immer die entzündliche Genese in die Differentialdiagnose mit einbeziehen, wobei die Salmonelleninfektion mit chronischer Milzruptur ein seltenes Krankheitsbild darstellt.

M. Kimpel, T. Zander, M. Düx, Heidelberg

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Abb. 1Thorax pa: Linksseitiger Zwerchfellhochstand.

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Abb. 2Sonographie: Perisplenische Flüssigkeitssichel.

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Abb. 3KM-CT: Subkapsuläres Hämatom und Parenchymdestruktionen der Milz. Die Pfeilspitzen markieren ein thrombosiertes Hilusgefäß.

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Abb. 1Thorax pa: Linksseitiger Zwerchfellhochstand.

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Abb. 2Sonographie: Perisplenische Flüssigkeitssichel.

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Abb. 3KM-CT: Subkapsuläres Hämatom und Parenchymdestruktionen der Milz. Die Pfeilspitzen markieren ein thrombosiertes Hilusgefäß.