Rofo 2001; 173(4): 382-383
DOI: 10.1055/s-2001-12471
DER INTERESSANTE FALL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chondromyxoidfibrom der Fibula:
Seltene Differenzialdiagnose eines
gutartigen Knochentumors

J. Lorenzen, G. Krupski
  • Hamburg
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Inhaltsübersicht

Das Chondromyxoidfibrom ist ein seltener gutartiger Knochentumor mit einer Inzidenz von ca. 1 % aller Knochentumoren, der erstmalig von Jaffe u. Lichtenstein 1948 beschrieben worden ist (Jaffe et al., Arch Pathol 1948; 45: 541). Die Hauptlokalisation des Tumors ist die Metaphyse der langen Röhrenknochen, insbesondere der unteren Extremität. Betroffen sind überwiegend junge Patienten in der 2. und 3. Lebensdekade. Das klinische Erscheinungsbild ist häufig von einer längeren Schmerzanamnese gekennzeichnet.

#

Fallbericht

Ein 9-jähriger Junge klagte nach einem Zusammenprall im Sportunterricht über rezidivierende Beschwerden im Bereich der lateralen Kniegelenksregion. Die klinische Untersuchung ergab einen lokalisierten Druckschmerz über dem Fibulaköpfchen. In der daraufhin angefertigten Röntgenaufnahme zeigte sich eine traubenförmig strukturierte lytische Knochenläsion, die scharf begrenzt zu den angrenzenden Knochenabschnitten zur Darstellung kam. Die metaphysär lokalisierte Läsion führte zu einer Auftreibung der Kortikalis, die insbesondere in den medialen Anteilen papierdünn imponierte. Verkalkungen in der Läsion ließen sich nicht nachweisen (Abb. [1]). Ergänzend wurde eine MR-Tomographie bei einer Feldstärke von 1,5 Tesla durchgeführt. In den T1-gewichteten axialen Schnittbildern (Abb. [2] a) kam eine signalarme Läsion zur Darstellung, die in der T2-Wichtung überwiegend signalreich imponierte. Die angrenzenden Weichteile zeigten ein Ödem (Abb. [3]). In der Kontrastmittelserie ließ sich eine deutliche Kontrastmittelaufnahme in der Läsion und in den angrenzenden Weichteilen dokumentieren (Abb. [2] b).

Die histologische Aufarbeitung der Biopsie und des Kurettagematerials zeigte eine chondromyxoide Grundsubstanz mit lobulärem Wachstumsmuster unter Einschluss chondrozytenähnlicher Tumorzellen. Zwischen der chondrogenen Matrix waren mesenchymale Zellen unter Einschluss mehrkerniger Riesenzellen entwickelt.

#

Diskussion

Im Hamburger Knochentumorregister mit knapp 8000 primären Knochentumoren sind in den letzten 22 Jahren 40 Chondromyxoidfibrome registriert worden, was einem Anteil von 0,5 % entspricht (Engels et al., Pathologe 1999; 20: 224). In allen Berichten mit größeren Fallzahlen wird die Metaphyse langer Röhrenknochen, insbesondere der unteren Extremität, als Hauptmanifestation beschrieben. Bei größeren Läsionen ist jedoch auch ein Übergreifen auf die Epiphyse beobachtet worden. Die proximale Tibia stellt mit 30 % der Fälle die Hauptmanifestation. Es kann aber auch jeder andere Knochen involviert sein, wie Berichte über Manifestationen in Rippen, Sternum, Wirbelkörper und Unterkiefer zeigen (Wu et al., Hum Pathol 1998; 29: 438). Eine Lokalisation im Bereich der Fibula, wie im vorliegenden Fall, ist trotz der Bevorzugung der unteren Extremität sehr selten. Von den 40 Chondromyxoidfibromen im Hamburger Knochenregister ist bisher nur eine Manifestation in der Fibula verzeichnet.

Radiologisch erscheint das Chondromyxoidfibrom als runde, häufig exzentrische, osteolytische Läsion. Sie erfüllt zumeist die Kriterien einer gutartigen Knochenläsion mit scharfer Begrenzung und Sklerosesaum. In einzelnen Fällen ist die ausgedünnte Kortikalis aufgehoben und eine Ausdehnung in angrenzende Weichteile zu erkennen. Nur selten ist eine periostale Reaktion abzugrenzen. Histologisch ist das Periost regelhaft intakt. Die Läsion weist gelegentlich eine expansive Ausdehnung mit Lobulierung und einer Pseudotrabekulierung auf. Kalzifikationen können in bis zu 16 % der Fälle auftreten.

Das typische histologische Bild ist gekennzeichnet durch ein lobuläres Wachstumsmuster mit einer chondromyxoiden Grundsubstanz und fibroblastischen Zellen. Bizarr pleomorphe Zellkerne können vorkommen, dürfen jedoch nicht zur Diagnose eines Chondrosarkoms führen. Hier ist die Kenntnis des Röntgenbildes ein unverzichtbares Kriterium zur Erhebung der korrekten Diagnose.

Radiologische Arbeiten zum Chondomyxoidfibrom sind selten und betreffen überwiegend die konventionelle Röntgendiagnostik. Die Darstellung des Tumors in der MRT ist bisher nur vereinzelt publiziert (Adams et al., Skeletal Radiol 1993; 22: 358). In den T2-gewichteten Sequenzen stellt sich der Tumor überwiegend signalreich dar, bedingt durch das chondromyxoide Gewebe. Die Darstellung des fibrösen Anteils ist abhängig von seiner Vaskularisation. Typischerweise zeigt der Tumor eine deutliche Kontrastmittelaufnahme, wie auch in unserem Beispiel.

Als gutartiger Tumor wird eine Kurettage oder eine komplette Exzision des Chondromyxoidtumors durchgeführt. Mit der Kurettage liegt die Rezidivquote bei 12,5 - 25 %, die allerdings durch das Einbringen von Spongiosa deutlich gesenkt werden (Rahimi et al., Cancer 1972; 30: 726) kann. Die En-bloc Resektion bzw. weite Exzision wird nur von wenigen Autoren empfohlen, hat jedoch eine niedrigere Rezidivquote als die Kurettage. Die präoperative MRT kann hierbei die exakte Ausdehnung des Tumors naturgemäß besser einschätzen als die konventionelle Röntgenaufnahme. Übereinstimmend sind die Angaben, dass Rezidive gehäuft bei jungen Patienten und bei Prädominanz der myxoiden Komponente auftreten.

Differenzialdiagnostisch ist das Chondromyxoidfibrom von anderen gutartigen Knochentumoren wie z. B. dem Enchondrom, einer solitären Knochenzyste bzw. einer aneurysmatischen Knochenzyste abzugrenzen. Für ein Enchondrom wären jedoch die fehlenden Matrixverkalkungen und die deutliche Fibulaauftreibung nicht regelhaft, während in der MRT im Falle der solitären und aneurysmatischen Knochenzyste ein Flüssigkeitsnachweis, teilweise mit Spiegelbildung abzugrenzen wäre. Wenn das Chondromyxoidfibrom die Epiphyse beteiligt, ist differenzialdiagnostisch zusätzlich ein Riesenzelltumor oder ein Chondroblastom mit einzubeziehen. Das deutliche Weichteilödem und die Kontrastmittelanreicherung in den Weichteilen im vorliegenden Fall ist für einen gutartigen Knochentumor ungewöhnlich. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die MRT unmittelbar nach einem Anpralltrauma erfolgte. Neben der unmittelbaren traumatischen Weichteilreaktion ist auch eine nicht abgrenzbare Fraktur als Ursache der Weichteilbeteiligung denkbar, welche die häufigste Ursache einer Periost- und angrenzenden Weichteilreaktion beim Chondromyxoidfibrom darstellt (Wilson et al. Radiology 1991; 179: 513).

Zusammenfassend ist die radiologische Diagnosestellung eines Chondromyxoidfibroms aufgrund der Seltenheit dieses gutartigen Tumors und die Vielseitigkeit seiner Lokalisation eine besondere Herausforderung. Ein Chondromyxoidfibrom sollte jedoch in Betracht gezogen werden, wenn es sich um eine solitäre, lytische, scharf begrenzte Knochenläsion mit lobulärem bzw. septiertem Aussehen handelt. Die Diagnose ist noch wahrscheinlicher bei einer metaphysären Lokalisation in einem Röhrenknochen, insbesondere der Tibia oder des Femurs, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kniegelenk.

J. Lorenzen, G. Krupski, Hamburg

Zoom Image

Abb. 1Digitale Röntgenaufnahme a. p.: Nachweis einer traubenförmig septierten scharf begrenzten Läsion der Fibula. Der Tumor hat einen metaphysären Sitz und hat zu einer Ausdünnung der Kortikalis insbesondere medialseitig geführt, ohne sie jedoch zu durchbrechen. Kein Nachweis einer Periostreaktion oder einer Verkalkung.

Zoom Image

Abb. 2(a) MRT: T1-gewichtete Aufnahme, axiale Schnittführung. Der Tumor kommt nahezu isointens zum umliegenden Weichteilgewebe zur Darstellung. Die Kortikalis ist deutlich ausgedünnt bzw. in dieser Wichtung kaum abzugrenzen. (b) Nach i. v. Gadoliniumgabe findet sich eine Kontrastmittelaufnahme in Anteilen des Tumors. Zusätzlich lässt sich eine Aufnahme in den angrenzenden Weichteilen abgrenzen.

Zoom Image

Abb. 3In den T2-gewichteten Aufnahmen stellen sich die chondromyxoiden Anteile des Tumors signalreich dar. In den angrenzenden Weichteilen Nachweis eines Ödems.

Zoom Image

Abb. 1Digitale Röntgenaufnahme a. p.: Nachweis einer traubenförmig septierten scharf begrenzten Läsion der Fibula. Der Tumor hat einen metaphysären Sitz und hat zu einer Ausdünnung der Kortikalis insbesondere medialseitig geführt, ohne sie jedoch zu durchbrechen. Kein Nachweis einer Periostreaktion oder einer Verkalkung.

Zoom Image

Abb. 2(a) MRT: T1-gewichtete Aufnahme, axiale Schnittführung. Der Tumor kommt nahezu isointens zum umliegenden Weichteilgewebe zur Darstellung. Die Kortikalis ist deutlich ausgedünnt bzw. in dieser Wichtung kaum abzugrenzen. (b) Nach i. v. Gadoliniumgabe findet sich eine Kontrastmittelaufnahme in Anteilen des Tumors. Zusätzlich lässt sich eine Aufnahme in den angrenzenden Weichteilen abgrenzen.

Zoom Image

Abb. 3In den T2-gewichteten Aufnahmen stellen sich die chondromyxoiden Anteile des Tumors signalreich dar. In den angrenzenden Weichteilen Nachweis eines Ödems.