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DOI: 10.1055/s-2001-12472
Zystische Lebermetastasen eines neuroendokrinen Tumors mit Spiegelbildungen
Publication History
Publication Date:
31 December 2001 (online)
Neuroendokrine Tumoren sind selten, die geschätzte Inzidenz beträgt 0,3 - 2 pro 100 000. Sie sind meistens im Gastrointestinaltrakt lokalisiert, zeigen ein langsames Wachstum und metastasieren im fortgeschrittenen Stadium häufig in die Leber. Nicht selten ist jedoch auch bei ausgeprägter hepatischer Filialisierung der Primärtumor zunächst unbekannt. Differenzialdiagnostische Probleme bereiten für Metastasen atypische Leberläsionen, über die wir nachfolgend anhand einer eigenen Beobachtung berichten.
#Fallbeschreibung
Die stationäre Aufnahme des 30-jährigen Patienten erfolgte wegen intermittierender Oberbauchschmerzen. Laborchemisch waren eine erhöhte γ-GT (86 U/I) und eine erhöhte LDH (345 U/I) auffällig. Bei der Sonographie des Abdomens fand sich eine vergrößerte Leber mit multiplen zystischen Raumforderungen, die sich überwiegend echofrei darstellten. Einzelne Läsionen zeigten Binnenechos und Septen. Die übrigen Abdominal- und Retroperitonealorgane stellten sich unauffällig dar. Da der Sonographiebefund für einfache, unkomplizierte Zystenbildungen untypisch war, wurde zur weiteren Abklärung eine MR-Tomographie mit axialen T1-gewichteten Spin-Echo- sowie T2- gewichteten Fast-Spin-Echo-Sequenzen mit Fettunterdrückung durchgeführt. Anschließend erfolgte die dynamische axiale Kontrastmittel-Untersuchung mit Gadodiamid. Entsprechend dem sonographischen Befund fand sich eine insgesamt erheblich vergrößerte Leber, die von zahlreichen zystischen Läsionen mit einer Größe zwischen 0,3 und 5 cm durchsetzt war. In fast allen dieser zystischen Läsionen zeigten sich in der T2-Wichtung Flüssigkeitsspiegel, wobei die ventralen Schichten hyper- und die dorsalen Schichten hypointens zur Darstellung kamen (Abb. [1] a). In der dynamischen Sequenz wiesen mehrere Herde eine Kontrastmittelanreicherung der Zystenwände auf (Abb. [1] b, c).
Aufgrund dieser Befundkonstellation und eines Vergleichs mit morphologisch ähnlichen, in der Literatur beschriebenen Fällen wurde als eine wahrscheinliche Differenzialdiagnose ein multizystisches kavernöses Riesenhämangiom vorgeschlagen. Auf eine Biopsie wurde zunächst verzichtet. Nach einigen Wochen entwickelte der Patient aufgrund der Zunahme der Hepatomegalie Bauchschmerzen und Luftnot, sein Allgemeinzustand verschlechterte sich erheblich. Die im Rahmen der daraufhin erfolgten Lebertransplantation durchgeführte pathologische Begutachtung zeigte makroskopisch, histologisch und immun-histochemisch eine massive Durchsetzung der Leber durch Metastasen eines gut differenzierten, neuroendokrinen Karzinoms. In vielen Metastasen fanden sich Einblutungen in nekrotische zentrale Hohlräume, die den kernspinto-mographisch nachgewiesenen zystischen Strukturen entsprachen. Der Primärtumor konnte anschließend mittels spezifischer Szintigraphie am sigmoideorektalen Übergang lokalisiert werden, weitere Metastasen fanden sich nicht. Der Patient verstarb kurze Zeit später an einer postoperativen Peritonitis.
#Diskussion
Die Diagnose typischer neuroendokriner Metastasen ist in der Regel für alle Schnittbildverfahren unproblematisch. Sonographisch stellen sie sich als umschriebene Herde unterschiedlicher Echogenität dar, die häufig von einem Halo umgeben sind. Im Computertomogramm zeigen sie sich als hypodense Raumforderungen im Nativbild, die durch eine kräftige, peripher betonte Kontrastmittelaufnahme in der arteriellen Phase charakterisiert sind. Kernspintomographisch zeigen sie ein ähnliches Kontrastmittelverhalten. Im Nativbild stellen sie sich bei T1-gewichteter Sequenz hypointens, bei T2-Wichtung oft mit deutlicher Hyperintensität dar. Der szintigraphische Nachweis erfolgt über die Somatostatin-Rezeptoren mittels Indium-Octreotid oder über die Positronenemissionstomographie.
Differentialdiagnostische Probleme verursachen atypische Metastasen, wie sie in dem von uns beobachteten Fall vorlagen. Prägnantes Merkmal waren hier die multilokulären zystischen Formationen in ihrer Kombination mit Flüssigkeitsspiegeln. Solche Spiegelbildungen entstehen dann, wenn Substanzen verschiedenen spezifischen Gewichts vorliegen und es zu einer Sedimentation bzw. einem Schichtungsphänomen kommt. Haben die beiden Substanzen eine unterschiedliche Echogenität, Dichte oder Signalintensität, so können sie mit Hilfe der entsprechenden Untersuchungsmodalität bildlich getrennt dargestellt werden.
Häufig werden Spiegelbildungen in Hohlräumen durch sedimentiertes Blut verursacht, wobei die schwereren korpuskulären Anteile gravitationsabhängig nach dorsal absinken und sich das Serum ventral abscheidet. Das in der T2-Wichtung signalarme Verhalten der dorsalen, überwiegend aus Erythrozyten bestehenden Schicht resultiert aus dem T2*-Effekt von Desoxyhämoglobin in den noch intakten Erythrozyten.
Bei diesem ungewöhnlichen Bild kommen als Differenzialdiagnosen in erster Linie das multizystische kavernöse Riesenhämangiom und multiple nekrotisch-zystische Metastasen mit Einblutung bei verschiedenen Primärtumoren in Betracht. Das multizystische kavernöse Riesenhämangiom stellt eine außerordentlich seltene Manifestationsform der hepatischen Hämangiome dar. In der jüngeren Literatur finden sich nur zwei Mitteilungen, die sich auf computer- und kernspintomographische (Obata et al., Abdom Imaging 1998; 23: 600) bzw. auf zusätzliche sonographische (Soyer et al., Abdom Imaging 1998; 23: 161) Untersuchungen beziehen. Die beschriebene kernspintomographische Morphologie deckt sich mit der des von uns beobachteten Falles. Die Spiegelbildungen beim zystischen Hämangiom werden dadurch erklärt, dass sich das Blut aufgrund einer extrem langsamen Strömung innerhalb der kavernösen Hohlräume in die Zellbestandteile und das Serum trennt. Gegen eingeblutete nekrotisch-zystische Metastasen schien zunächst die nur geringe Symptomatik bei dem ausgedehnten Befund zu sprechen. Es ist allerdings bekannt, dass Metastasen eines neuroendokrinen Karzinoms auch im fortgeschrittenen Stadium lange Zeit asymptomatisch sein können, wenn nicht eine tumorinduzierte Endokrinopathie vorliegt (Chamberlain et al., J Am Coll Surg 2000; 190: 432). Auch die nicht sehr ausgeprägte Kontrastmittelaufnahme passt zu beiden Entitäten: Das kavernöse Riesenhämangiom zeigt nur einen sehr langsamen Blutfluss und daher eine späte Kontrastierung, nekrotische Metastasen weisen naturgemäß nur in ihren vitalen Anteilen eine Kontrastmittelaufnahme auf.
In der Leber werden Flüssigkeitsspiegel bei eingebluteten Zysten, Hämatomen, Abszessen, Tumornekrosen, Biliomen und Aneurysmen beobachtet. Am häu-figsten sind sie sicherlich bei eingebluteten Zysten und Hämatomen. Bei ein-gebluteten Zysten handelt es sich praktisch immer um lokalisierte Phänomene, die eine oder wenige Zysten betreffen. Bei zystischen Hämatomen mit Spiegelbildung ist die Anamnese diagnostisch führend. Gleiches gilt für Abszesse, die sich natürlich auch makromorphologisch durch eine dickere, unregelmäßige Wandung erkennen lassen. Bei Hämatomen, Aneurysmen und hämorrhagisch-nekrotisierenden Tumoren ist eine Spiegelbildung auch sekundär unter beziehungsweise nach intravenöser Kontrastmittelgabe vorstellbar. Tumoren mit zystischen Anteilen haben in aller Regel auch solide Komponenten, die eine deutliche interstitielle Kontrastanreicherung aufweisen, zudem zeigen sie nur selten Spiegelbildungen. Eine weitere Differenzialdiagnose stellt die seltene Peliosis hepatis dar, die ebenfalls durch blutgefüllte Hohlräume charakterisiert ist. Die in der Literatur beschriebenen Fälle zeigten jedoch keine ausgedehnten Spiegelbildungen (Vignaux et al., Eur Radiol 1999; 3: 454).
Die markante Befundkonstellation, die in keines der typischen Bildmuster häufiger Leberläsionen passt, lässt es zu, nahezu alle diskutierten differenzialdiagnostischen Möglichkeiten auszuklammern und auf zwei Verdachts-diagnosen einzugrenzen. Neben einem multizystischen kavernösen Riesenhämangiom sollte auch an das Vorliegen atypischer Metastasen gedacht werden.
F. Caldarone, H. Rosenthal, M. Galanski, Hannover