Rofo 2001; 173(5): 478-479
DOI: 10.1055/s-2001-13331
DER INTERESSANTE FALL
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Obere Einflussstauung als seltene
Erstmanifestation einer mediastinalen
Melanommetastase

H. Schubert
  • Aachen
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

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Die obere Einflussstauung ist eine relativ häufige Komplikation von Bronchialkarzinomen oder Lymphomen durch Infiltration und/oder Kompression der Vena cava superior (VCS) und stellt nicht selten die initiale Manifestation dieser Erkrankungen dar. Neben mediastinalen Metastasen anderer maligner Tumoren können in seltenen Fällen aber auch benigne Prozesse wie eine ausgeprägte reaktive Lymphadenopathie z. B. bei Mukoviszidose (Chow BJ et al., Chest 1997; 112(5): 1438) oder eine Thrombose der VCS nach lang einliegendem zentralvenösen Katheter die Ursache der Einflussstauung sein.

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Fallbeschreibung

Wir berichten über einen 67-jährigen Patienten, der aus einem auswärtigen Krankenhaus zur thorakalen Computertomographie vorgestellt wurde. Der Patient beschrieb, dass es nach einem ca. 5 Wochen zurückliegenden Auffahrunfall zu einer persitierenden Hämatombildung im Bereich der Gurtmarke der ventralen Thoraxwand und zur rezidivierenden Schwellung der Halsvenen, beider Arme und Augenlider gekommen sei.

Die klinische Untersuchung zeigte einen adipösen Patienten in reduziertem Allgemeinzustand mit oberer Einflussstauung mit collarer und thorakaler Venenerweiterung und Lippenzyanose.

Die zuvor auswärtig durchgeführte Röntgenthoraxuntersuchung in zwei Ebenen zeigte einen altersensprechenden Normalbefund.

Daher erfolgte die Durchführung einer primär kontrastmittelangehobenen Spiralcomputertomographie des Thorax mit einer rekonstruierten Schichtdicke von 5 mm. Die Untersuchung zeigte eine kontrastmittelaufnehmende mediastinale Raumforderung (Abb. [1] [2] [3]), die die VCS hochgradig komprimierte oder in sie einwuchs und sich bei einer maximalen Ausdehnung von 4 cm im Axialschnitt über eine kraniokaudale Ausdehnung von 7 cm nach kaudal bis kurz oberhalb des rechten Vorhofes erstreckte. Der untere Anteil der VCS war vollständig verschlossen, ein perfundiertes Lumen nicht mehr nachweisbar. Zusätzlich zeigte sich in der frühen Kontrastmittelphase eine deutliche Venenerweiterung/-kontrastierung im Bereich der Umgehungskreisläufe der ventralen und dorsalen Thoraxwand. Außerdem waren wenige nicht suspekte mediastinale Lymphknoten paratracheal und im aortopulmonalen Fenster nachweisbar.

Nach der sofortigen stationären Aufnahme des Patienten erfolgte eine weitere Tumor- und Metastasensuche mittels einer Abdomen- und zerebralen Computertomographie, einer Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule und einer Skelettszintigraphie. Bei allen Untersuchungen ergaben sich keine weiteren Hinweise auf das Vorliegen einer Tumorerkrankung.

Daher wurde unter der Verdachtsdiagnose eines Sarkoms der VCS eine operative chirurgische Exploration in der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie durchgeführt.

Intraoperativ wurde zunächst ein Teil der mitbetroffenen V. azygos reseziert und der darin einliegende braune, prall elastische Tumor zur Schnellschnittdiagnostik eingesandt. Das Ergebnis der Unter-suchung zeigte einen hochmalignen, großzelligen Tumor, der anhand des Schnellschnitts aber nicht näher differenzierbar war. Wegen der allerdings sicheren Malignität erfolgten eine totale Resektion der VCS und ihr Ersatz durch einen Gore-Tex-Graft.

Das Operationspräparat der Vena cava superior zeigte einen innenliegenden und z. T. in die Gefäßwand integrierten braun-schwarzen Tumor, der nach kaudal einen Tumorzapfen bis an den Übergang zum rechten Vorhof gebildet hatte.

Der Patient konnte 12 Tage postoperativ aus der stationären Behandlung entlassen werden.

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Diskussion

Die radiologische Klassifizierung einer mediastinalen Raumforderung ist eine Herausforderung in der Thoraxdiagnostik. Während die Thoraxübersichtsaufnahme in zwei Ebenen oft nur begrenzte oder keine diagnostischen Aufschlüsse gibt, können durch die Schnittbildverfahren CT und MR oft spezifische Diagnosen oder zumindest eine begrenzte Anzahl von Differenzialdiagnosen gestellt werden, insbesondere wenn zusätzlich das Alter des Patienten und die klinische Symptomatik berücksichtigt werden.

Insgesamt ist ca. ein Drittel aller Mediastinaltumoren bösartig (Laurent F et al., Euro Radiol 1998; 8: 1148). Berücksichtigt man ausschließlich symptomatische Patienten, steigt der Anteil auf 57 % (Davis RD et al., Ann Thorac Surg 1987; 44: 229). Insbesondere das Vorliegen einer Infiltration von Nachbarstrukturen oder deren Obstruktion sind verdächtig auf Malignität. Die Differenzialdiagnose einer Raumforderung im mittleren Mediastinum beinhaltet neben Lymphomen, die die häufigsten primären Tumoren des mittleren Mediastinums darstellen, auch seltenere Entitäten wie mediastinale Zysten (z. B. bronchogene Zysten) und die noch selteneren perikardialen Zysten. Bei den sekundären Tumoren kann zwischen Metastasen von Neoplasien intra- und extrathorakalen Ursprungs unterschieden werden. Unter den intrathorakalen Neoplasien ist als häufigster Tumor das Bronchialkarzinom zu nennen. Aber auch andere bösartige Neubildungen der Lunge (z. B. Bronchuskarzinoide), der Pleura, des Ösophagus oder der mediastinalen Gefäße können mediastinal absiedeln.

Im vorliegenden Fall schieden wegen der Dichtewerte und Kontrastmittelaufnahme Zysten aus der Differenzialdiagnose aus. Lymphome sind zwar die häufigsten mediastinalen Tumoren, manifestieren sich aber in der Regel als generalisierte Erkrankung und weniger als primär solitäre mediastinale Läsion (Strob, DC et al., Chest 1997; 112: 1344). So verblieben als Differenzialdiagnosen eine mediastinale, in die VCS eingewachsene Metastase oder ein primär von der Gefäßwand ausgehender Tumor (z. B. ein Angiosarkom).

Da anamnestisch kein Primärtumor bekannt war und auch bei der präoperativen Diagnostik keine weitere Raumforderung gefunden werden konnte, wurde ein Gefäßwandtumor als erste Differenzialdiagnose favorisiert. Die endgültige pathologische Aufarbeitung ergab die Diagnose einer großen intra- und paracaval gelegenen Metastase eines malignen Melanoms. Die daraufhin eingeleitete dermatologische und augenärztliche Suche nach einem Primärtumor blieb erfolglos.

In seltenen Fällen treten maligne Melanome durch Lymphknoten-, Organ- oder Hautmetastasierungen in Erscheinung, ohne dass ein Primärtumor zu finden ist. Nach Angaben in der Literatur wird das Vorliegen solcher Melanome unbekannter Primärlokalisation auf bis zu 6% aller Melanome geschätzt (Anban K et al., Cancer 1997; 79 (9): 1816). Bei der Suche nach einem Primärtumor sollte man bedenken, dass auch ungewöhnliche Lokalisationen wie der Gastrointestinaltrakt (z. B. der Ösophagus oder Dünndarm) Ursprungsort eines Primarus sein können. Primäre ösophageale Melanome sind allerdings mit ca. 200 berichteten Fällen in der Literatur äußerst selten und machen nur ca. 0,3 % aller Ösophagustumoren aus (Schuchter LM et al., Curr Opin Oncol 2000; 12 (2): 181). Obwohl falsch positive Ergebnisse nicht ungewöhnlich sind, kann zusätzlich zur CT und MRT die FDG-Positronen Emissionstomographie zur Ausbreitungsdiagnostik herangezogen werden, da der Nachweis eines Primärtumors Einfluss auf die Prognose des Patienten hat.

Die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit bereits metastasierten Melanomen beträgt zwischen 4 und 6 Monaten (Schuchter LM et al., Curr Opin Oncol 2000; 12 (2): 181). In einer Vergleichsstudie zeigte sich allerdings, dass Patienten mit Melanomen unbekannter Primärlokalisation und Lymphknotenmetastasen signifikant länger überleben als Patienten mit Lymphknotenmetastasen und bekanntem kutanen Primärtumor (Anban K et al., Cancer 1997; 79 (9): 1816). Die Entdeckung eines Primärtumors ist also als prognostisch ungünstiges Zeichen zu werten.

H. Schubert, Aachen

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Abb. 1Kranialer Tumoranteil (innerhalb der Vena cava superior).

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Abb. 2Kaudaler Tumoranteil (innerhalb und außerhalb der Vena cava superior). Es ist kein perfundiertes Cavalumen mehr nachweisbar.

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Abb. 3Die parakoronare Schichtrekonstruktion in Richtung der Vena cava superior zeigt die gesamte kranio-kaudale Tumorausdehnung.

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Abb. 1Kranialer Tumoranteil (innerhalb der Vena cava superior).

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Abb. 2Kaudaler Tumoranteil (innerhalb und außerhalb der Vena cava superior). Es ist kein perfundiertes Cavalumen mehr nachweisbar.

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Abb. 3Die parakoronare Schichtrekonstruktion in Richtung der Vena cava superior zeigt die gesamte kranio-kaudale Tumorausdehnung.