1Präoperative Evaluation
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Die Ohrspeicheldrüse ist das einzige Organ des Körpers, das von einem motorischen, sich innerhalb des Organs in einen breiten Fächer aufgliedernden Nerven durchzogen wird. Von der Funktionsfähigkeit dieses Nervengeflechtes hängt die Harmonie und Expressivität des Gesichts ab (siehe hierzu auch Kap. 3.1).
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Als exokrine Drüse beinhaltet sie eine große Menge unterschiedlicher histologischer Zelltypen, von denen wiederum die unterschiedlichsten gut- und bösartigen Tumoren ausgehen können.
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Als exokrine Drüse produziert sie Speichel, der über ein weitverzweigtes Gangsystem in die Mundhöhle gelangt. Retrograde Infektionen können genauso wie Gangobstruktionen unterschiedlichster Genese zur akuten und chronischen Entzündung führen.
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Sie ist nicht selten Manifestationsort verschiedener Autoimmunerkrankungen.
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Mit ihrer Nähe zu Otobasis, Unterkiefer und Kiefergelenk, Mastoid, Fossa pterygopalatina und Fossa retromandibularis, Arteria carotis interna, Arteria maxillaris und Arteria temporalis, sowie dem Nervus hypoglossus und glossopharyngeus weist sie eine anatomisch komplizierte Lagebeziehung auf.
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Die Gl. parotis ist reich an Lymphknoten, Lymph- Zu- und -Abflüssen und drainiert in 3 unterschiedliche Folgegebiete: nach parapharyngeal, nuchal und in den oberen Venenwinkel. Dies bedingt die Gefahr einer höheren Inzidenz für die Entwicklung von Fernmetastasen.
Inhalt |
1Präoperative Evaluation157 |
1.1Anamnese und klinische Untersuchung157 |
1.2Laboruntersuchungen157 |
1.3Bildgebende Diagnostik157 |
1.3.1Sialographie und digitale Subtraktionssialographie157 |
1.3.2Szintigraphie158 |
1.3.3Sonographie158 |
1.3.4Computertomographie158 |
1.3.5Magnetresonanztomographie (MRT)159 |
1.3.6Positronenemissionstomographie160 |
1.4Feinnadelpunktionszytologie (FNPZ)160 |
1.5Elektrophysiologische Diagnostik161 |
1.6Diagnostischer Algorithmus162 |
2Chirurgie der Glandula parotis162 |
2.1Parotidektomie - Systematik162 |
2.1.1Probebiopsie162 |
2.1.2Enukleation162 |
2.1.3Partielle Parotidektomie163 |
2.1.4Laterale Parotidektomie163 |
2.1.5Modifikation der „klassischen” lateralen Parotidektomie163 |
2.1.6Gründe für die Modifikation der „klassischen” lateralen Parotidektomie164 |
2.1.7Subtotale Parotidektomie164 |
2.1.8Totale Parotidektomie165 |
2.1.9Radikale Parotidektomie165 |
2.2Operative Zugänge165 |
2.2.1Anatomie des Pes anserinus165 |
2.2.2Typischer, „klassischer” lateraler Zugang166 |
2.2.3Modifikation des lateralen Zugangs166 |
2.2.4Erweiterte Zugänge168 |
2.2.5Neue Dissektionstechniken169 |
2.3Operationstechnik169 |
2.3.1Lagerung und Anästhesie169 |
2.3.2Monitoring170 |
2.3.3Lernkurve171 |
2.4Chirurgie der Sialadenitiden und Sialadenosen172 |
2.4.1Operationsindikation172 |
2.4.2Chirurgische Besonderheiten173 |
2.5Chirurgie der Parotistumoren173 |
2.5.1Missbildungen173 |
2.5.2Benigne Tumoren174 |
2.5.3Primäre Tumoren des N. facialis178 |
2.5.4Maligne Tumoren der Gl. parotis179 |
2.5.5Zusammenfassung183 |
3Rekonstruktive Fazialis-Chirurgie184 |
3.1End-zu-End-Anastomose185 |
3.2Überbrückungsplastik (Interposition Graft)185 |
3.2.1Überwindung von muskulären Diskrepanzen und Kaliberunterschieden185 |
3.3Hypoglossus-Fazialis-Anastomosen186 |
3.3.1Hypoglossus-Fazialis-Anastomose (HFA) im Stammbereich186 |
3.3.2Hypoglossus-Fazialis-Jump-Anastomose (HFJA) im Stammbereich186 |
3.3.3Hypoglossus-Fazialis-Anastomose in der Peripherie186 |
3.3.4Kombinierter Wiederaufbau des Fazialisfächers187 |
3.4Verletzungen der Glandula parotis187 |
3.4.1Kontrolle der Integrität der Glandula parotis188 |
3.4.2Kontrolle der Fazialisfunktion188 |
3.4.3Blutstillung189 |
3.4.4Nervennaht189 |
4Chirurgische Rehabilitation bei Verlust des Nervus facialis190 |
4.1Dynamische Zügelplastik190 |
4.2Statische Zügelplastik191 |
4.3Autologe mikroanastomosierte Composite-Graft-Transplantationen191 |
4.3.1Spender-Nerven191 |
4.3.2Spender-Muskeln191 |
5Aufklärung, Beratung und Nachsorge192 |
5.1Präoperative Aufklärung192 |
5.2Behandlung des Freyschen Syndroms193 |
5.3Onkologische Nachsorge193 |
6Literatur193 |
1.1Anamnese und klinische Untersuchung
Jede effiziente Therapie bedarf einer genauen Planung, und diese ist wiederum nur möglich bei einer genauen Kenntnis der vorliegenden Erkrankung. Gerade bei Erkrankungen der Gl. parotis ist dieser Grundsatz von essenzieller Bedeutung - aus folgenden Gründen:
Leitsymptome der Erkrankungen der Gl. parotis sind Schwellung, Schmerzen, Hyposalivation, Fazialisparese und ihre unterschiedlichen Kombinationen. Sialadenosen bereiten gelegentlich differenzialdiagnostisch Schwierigkeiten. Häufig finden sich hier anamnestisch Auffälligkeiten (Bulimie, Alkoholismus, endokrine Erkrankungen, Malnutrition etc.) [56]. Die speziellen Probleme der Differenzialdiagnose nichtfokaler Läsionen sind im entsprechenden Kapitel des Referates abgehandelt (U. Meier).
In der klinischen Untersuchung hat sich folgendes Procedere durchgesetzt:
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Die Palpation liefert Hinweise bezüglich fokaler oder diffuser Läsionen und Druckdolenzen.
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Die Beurteilung des aus der Papilla parotidea austretenden Speichels ermöglicht Rückschlüsse auf Infektionen, Obstruktion oder Sicca-Syndrom.
Dann folgen die speziellen diagnostischen Maßnahmen.
1.2Laboruntersuchungen
Deuten Anamnese und klinischer Befund auf eine nicht-tumoröse Erkrankung hin, so können bestimmte laborklinische Untersuchungen weiterführen:
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akut entzündliche Erkrankungen bakterieller oder viraler Genese führen neben Schmerzen und Schwellung zu einer Beschleunigung der ESR und einer Erhöhung des CRP.
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Beim Sjögren-Syndrom finden sich bei 60 - 80 % der Erkrankten Anti-Ro (SS-A) und Anti-La (SS-B) Antikörper; weiterhin können Rheumafaktoren und ANA auf das Sjögren-Syndrom hinweisen [162].
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Bei den Sialadenosen findet man als Auslöser der Dyskrinie eine Bulimie oder Anorexie, aber auch endokrinologische Veränderungen wie einen latenten Diabetes mellitus oder in der Serologie eine Erhöhung der Transaminasen als Hinweis auf einen Alkoholismus. Häufig ist aber das Fehlen jeglicher Laborveränderungen bei beidseitiger massiver Parotisschwellung und das Fehlen von fokalen Läsionen geradezu wegweisend für eine Sialadenose.
1.3Bildgebende Diagnostik
1.3.1Sialographie und digitale Subtraktionssialographie
Die Sialographie mit dem fettlöslichen Kontrastmittel Lipiodol wurde 1925 durch Barsony eingeführt und ist das älteste bildgebende Verfahren zur Speicheldrüsendiagnostik. Ollerenshaw und Rosen beschrieben in den 50er Jahren die Sialographie mit wasserlöslichem Kontrastmittel.
Die digitale Subtraktionssialographie ermöglicht die Darstellung des Speichelgangsystems ohne überlagernde Strukturen [73]. Bis heute ist kein bildgebendes Verfahren bekannt, das die Pathologie des Speichelgangsystems genauer darstellt.
Eine Indikation zur Untersuchung besteht bei dem Verdacht auf
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Erkrankungen des Gangsystems der Glandula parotis (Stenosen, Ektasien, Strikturen, chronisch entzündliche bakterielle und nicht-bakterielle Sialadenitiden). Beurteilt werden die Auffüllbarkeit des Gangsystems, der Grad der darstellbaren Aufzweigungen bzw. Gang-Rarefizierung und Gangunregelmäßigkeiten inklusive Verbreiterung, Gangabbrüche, Paravasate des Kontrastmittels, flächige Aussparungen im Ganggeflecht sowie terminale Ektasien.
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Autoimmunsialadenitiden, insbesondere Morbus Sjögren zur Abgrenzung gegen andere chronische Sialadenitiden wie die chronische bakterielle Entzündung oder die Sialolithiasis.
Folgende Besonderheiten sind zu beachten:
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Jodunverträglichkeit und die akute Sialadenitis sind Kontraindikationen.
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Das Verfahren ist oft schmerzhaft auch bei nicht akut-entzündlichen Veränderungen.
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Retrograde Verschleppung von Bakterien mit nachfolgender Parotitis, Verletzung der Papille und des Gangsystems mit Paravasaten und nachfolgend iatrogenen Strikturen sind möglich.
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Proximal von großen Sialolithen und anderen Okklusionen ist das Gangsystem nicht darstellbar. Große Zysten können übersehen werden.
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Konkremente haben nur in etwa 60 % einen kontrastgebenden Kalksalzgehalt in der Nativaufnahme. Ausreichend kalksalzhaltige Konkremente werden während der digitalen Subtraktion subtrahiert [38].
1.3.2Szintigraphie
Die Speicheldrüsen-Szintigraphie, erstmals 1969 umfassend beschrieben, wird mit 2 mCi (75 MBq) intravenös verabreichten 99mPertechnetat-Ionen (99mTcO4) durchgeführt [121]. Diese werden aktiv von den Speicheldrüsen aus dem Blut aufgenommen und mit dem Speichel sezerniert. Die Aufzeichnung der Radioaktivitätsverteilung erfolgt mit einer Gamma-Kamera über 20 Minuten, nach 10 Minuten muss zusätzlich ein sekretorisch-exkretorischer Reiz durch Zitronensaft peroral erfolgen. Die Methode liefert neben einer planaren Szintigraphie ein Funktionsdiagramm. Damit ist sie das einzige bildgebende Verfahren, das eine Aussage zur Funktion der Speicheldrüsen erlaubt.
Dennoch ist die Szintigraphie heute bei keiner Erkrankung der Speicheldrüsen indiziert. Eine relative Indikation ergibt sich nur bei sehr speziellen Fragestellungen:
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bei postoperativen Speichelfisteln gelingt der sichere Nachweis von Speicheldrüsenrestgewebe;
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die sehr seltene Aplasie einer oder mehrerer Speicheldrüsen kann szintigraphisch nachgewiesen werden.
Beurteilungskriterien der Untersuchung sind Ort und Geschwindigkeit des Anflutens des Radionuklids, die Geschwindigkeit der Sekretion ins Gangsystem und der Exkretion aus der Drüse.
1.3.3Sonographie
Die Ultraschalldiagnostik der Speicheldrüsen hat seit ihrer Einführung 1976 alle anderen bildgebenden Verfahren relativiert [98]. Mit ihrer ständig verbesserten Bildauflösung, ihrer breiten Verfügbarkeit und ihren niedrigen Kosten steht sie heute immer am Anfang der bildgebenden Diagnostik der Glandula parotis.
In Verbindung mit der Feinnadelaspirationszytologie ist sie ein einfach durchführbares und in ihrer Sensitivität und Spezifität überragendes Werkzeug in der Hand des erfahrenen Untersuchers [98]
[122].
Die B-Mode-Sonographie wird mit einem 5 MHz - 10 MHz Linearschallkopf durchgeführt. Neben der üblichen 2-dimensionalen Darstellung des Drüsenparenchyms ist auch eine 3-dimensionale Darstellung möglich. Unter sonographischer Kontrolle wird aus der abgrenzbaren Läsion oder bei diffusen Gewebeveränderungen aus dem Drüsenparenchym mit einer unter 0,6 mm durchmessenden Kanüle und einem Punktionshandgriff eine Zytologie entnommen, ausgestrichen und nativ eingesandt.
Die Sonographie ist in ihrer Aussagekraft abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Zur Dokumentation ist bei frei wählbaren Schnittebenen eine genaue Lokalisation der dokumentierten Schnittebene in Form von Piktogrammen unbedingt zu fordern. Bei Erkrankungen der Glandula parotis ist die B-Sonographie die Methode der Wahl. Beurteilt werden
Finden sich abgrenzbare Läsionen, so werden deren Echogenität und Grenzen beschrieben und charakterisiert, sowie in Bezug zu den umgebenden Organen gesetzt.
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Der Ductus parotideus ist nur sicher darstellbar, wenn er gestaut ist.
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Sialolithen sind unabhängig von ihrem Kalksalzgehalt bis in den Millimeterbereich darstellbar.
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Aussagen zur Dignität einer Raumforderung sind ohne Feinnadelaspirationszytologie allenfalls tendenziell, unter Hinzunahme letzterer jedoch mit hoher Treffsicherheit möglich.
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Die Pars profunda der Parotis entzieht sich mitunter durch Überlagerungsartefakte durch den aufsteigenden Unterkieferast der Beurteilung.
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Bei großen Tumoren mit akzentuiertem Tiefenwachstum („Eisbergtumoren”) sind die tiefergelegenen und parapharyngealen Anteile nur eingeschränkt beurteilbar.
Durch die frei wählbaren Schnittbildebenen und die individuell einstellbaren Graustufen und Akquisitionsparameter des Ultraschallgerätes ergeben sich vom jeweiligen Untersucher abhängige unterschiedliche Bildcharakteristika und Interpretationen. Eine Verbesserung der Dokumentation wird durch die verbindliche Einführung von Piktogrammen in der Bilddokumentation erreicht. Die Aussagekraft der Ultraschalluntersuchung bei der großen Gruppe der nicht-bakteriellen Sialadenitiden und Sialosen ist unterschiedlich; in dieser Gruppe sind auch die Ergebnisse der Feinnadelaspirationszytologie inhomogen [122].
1.3.4Computertomographie
Technik. Mit der Einführung der Computertomographie (CT) in die Medizin durch Hounsfield 1971 wurde erstmals die direkte bildliche Darstellung von Gewebeschnitten möglich [100]. Heute wird die CT der Speicheldrüsen vornehmlich in der seit Anfang der 90er Jahre verfügbaren Spiral-CT-Technik durchgeführt. Die Untersuchung wird vor und nach intravenöser Gabe eines nicht-ionischen jodhaltigen Röntgenkontrastmittels (80 - 150 ml) durchgeführt. Die Bilddokumentation erfolgt im Weichteil- und Knochenfenster.
Die Sialo-Computertomographie [70] hat sich wegen der im Vergleich mit der konventionellen Sialographie schlechteren Bildauflösung bei gleicher Invasivität nicht bewährt.
Aussagekraft. Die normale Parotis erscheint im CT im Vergleich zu Muskel und Knochen hypodens (Hounsfield-Einheiten von - 30 bis + 5), hat jedoch eine höhere Dichte als Fett. Wesentlich zur Beurteilung eines nachgewiesenen Prozesses ist, wie in der Ultraschalldiagnostik, die Darstellung der Begrenzung der Raumforderung als Hinweis auf die Dignität. Isodense Raumforderungen entgehen einem Nachweis durch die native CT (z. B. das pleomorphe Adenom). Sie werden erst nach Applikation von Kontrastmittel abgrenzbar. Oftmals erscheinen Parotistumoren etwas dichter (50 - 70 Hfd) als das normale Parotisgewebe. Eine Ausnahme bilden stark fetthaltige und somit hypodense Tumoren z. B. das Lipom. Bei Parotistumoren mit Ausdehnung in die Tiefe und Verdacht auf Malignität können Infiltrationen der knöchernen Schädelbasis und des Unterkiefers nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. Bei großen Tumoren erlaubt das CT eine übersichtlichere Darstellung der Lagebeziehung von Tumor und umgebenden Strukturen als die Sonographie.
Nachteile. Eine Dignitätsbestimmung der Raumforderung mit CT ist jedoch nicht sicher möglich, überdies werden Raumforderungen mit einem Durchmesser unter einem gewissen Durchmesser oft übersehen [14].
Die Differenzierung zwischen solidem Tumor und Zyste wird durch Dichtemessung vor und nach Kontrastmittelapplikation verbessert.
Eine relative Kontraindikation ergibt sich aus der Strahlenexposition. Ein CT mit Kontrastmittel sollte bei bekannter
Neben der genannten Invasivität und Strahlenbelastung sind mit dem CT nur axiale und, bei beweglichen Patienten, koronare Schnittebenen erstellbar. Weitere Ebenen sind zwar rekonstruierbar, weisen aber je nach gemessener Schichtdicke und CT-Technik Rekonstruktionssprünge auf. Zahnersatzartefakte schränken häufig die Beurteilbarkeit der Bilder ein. Die Weichteilauflösung ist sowohl sonographisch als auch in der Kernspintomographie besser.
1.3.5Magnetresonanztomographie (MRT)
Technik. Die Magnetresonanztomographie wurde in den 80er Jahren in die Medizin eingeführt. Mit der Einführung der Oberflächen- und Kopfspulen wurde das Verfahren auch für die Diagnostik von Parotis-Erkrankungen bedeutsam [120].
Die Verwendung einer speziellen Kopf-Hals- oder Oberflächenspule ist Voraussetzung für ein gutes Signal-Rauschverhältnis und damit für eine diagnostische Bildqualität.
Die MR-Tomographie zeigt eine hohe Weichteilauflösung und erlaubt die multiplanare überlagerungsfreie Darstellung sämtlicher Strukturen im Kopf-Halsbereich.
Prinzipiell werden Bilder in T1 und T2 gewichteten Spinecho-Sequenzen (SE-Sequenz) aufgenommen. T1-gewichtete Aufnahmen (kurze Echo-TE 15 - 30 ms und kurze Repetitionszeit TR 450 - 650 ms) ergeben eine gute anatomische Auflösung. Während fetthaltige Strukturen signalreich zur Darstellung kommen, sind Muskulatur und Flüssigkeiten signalarm. T2-gewichtete Sequenzen besitzen lange Echo- (TE 90 - 120 ms) und lange Repetitionszeiten (TR 2000 - 3000 ms). Flüssigkeiten werden signalreich und die übrigen Gewebe signalarm abgebildet. Die MRT erlaubt unter Verwendung verschiedener Akquisitionsparameter eine gute Gewebedifferenzierung. Fettunterdrückungstechniken (STIR-Sequenz, spektrale Fettunterdrückung) wie auch die Verwendung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel können die diagnostischen Aussagen noch deutlich erweitern. Zahnfüllungen oder fester Zahnersatz führt unter Verwendung von SE-Sequenzen kaum zu relevanten Metallartefakten.
Die Kernspintomographie erlaubt neben der Beurteilung der Glandula parotis auch eine genaue Diagnostik der umliegenden anatomischen Strukturen.
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Benigne Tumoren sind in der Regel auf die Drüse beschränkt und zeigen keine Umgebungsinfiltration. Sie stellen sich glatt begrenzt dar, Gefäße oder Nerven sind nicht einbezogen.
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Adenome sind glatt begrenzt, meist innerhalb des Drüsenparenchyms und in T1 signalarm. In T2-Wichtung kommt es zu einer intensiven Signalanhebung durch flüssigkeitshaltige Gewebseinschmelzungen. Unter Gadolinium findet sich eine häufig heterogene Signalanhebung, wobei signalarme Areale kleineren Nekrosen entsprechen.
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Parotiszysten und lymphoepitheliale Zysten - letztere finden sich gehäuft bei HIV-Infektion - weisen das eben beschriebene, für Zysten typische Signalverhalten auf: in T1-Wichtung sind sie signalarm, dagegen in T2-Wichtung sehr signalintensiv.
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Lipome besitzen als einzige Tumoren in T1-Wichtung die hohe Signalintensität subkutanen Fettes, während sie in T2-Wichtung intermediär signalintensiv sind.
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Maligne Tumoren besitzen im Gegensatz zu den benignen Raumforderungen häufig keine scharfen Grenzen zum umliegenden Gewebe. Nach Gadolinium-Applikation reichern die Tumoren meist Kontrastmittel an und werden so in T1-gewichteten Bildern besser von den Umgebungsstrukturen abgrenzbar.
Während der N. facialis innerhalb der Parotis nicht sicher abzugrenzen ist, ist eine Tumorinfiltration des
detailliert darstellbar. Die Verwendung fettunterdrückter T1-Sequenzen ist nach Gadoliniumgabe besonders günstig für den Nachweis von kontrastaufnehmenden Rest- oder Rezidivtumoren, da die Kontrastanreicherungen vor dem dunklen Bildhintergrund gut gegen das Fett- und Narbengewebe abgrenzbar wird. Eine postoperative Kontrolluntersuchung sollte möglichst erst nach drei Monaten durchgeführt werden, um Fehlinterpretationen durch frisch postoperative Veränderungen zu vermeiden.
Die Kernspintomographie weist im Vergleich zu den anderen beschriebenen Verfahren wesentliche Vorteile auf und hat im Bereich der weiterführenden bildgebenden Diagnostik die Computertomographie abgelöst;
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neben fehlender Invasivität und Strahlenbelastung
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bietet sie eine wesentlich bessere Weichteildifferenzierung, die zudem einen sicheren Rückschluss auf die Zusammensetzung des dargestellten Gewebes zulässt.
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Die Bildgeometrie ist frei wählbar, aber auch reproduzierbar, so dass sich sicherer als mit der Sonographie Krankheitsverläufe beurteilen lassen.
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Als neue Entwicklung ermöglicht die Sialo-Kernspintomographie eine selektive, nicht-invasive Darstellung des Drüsengangsystems ohne Applikation von Kontrastmittel.
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Da die Sialo-Kernspintomographie im Rahmen einer normalen Kernspintomographie durchgeführt werden kann, erweitert sie das diagnostische Spektrum der Parotis-Kernspintomographie um die Speicheldrüsengangsystemerkrankungen. Ihr Vorteil ist die Non-Invasivität [64].
Ausgedehnte Tumoren der Glandula parotis, bei denen mit Hilfe der Sonographie die Grenzen der Raumforderung in der Tiefe nicht sicher beurteilt werden können, sind die Domäne der Kernspintomographie. Sie erlaubt neben der sicheren Beurteilung der tieferen Strukturen auch eine Dokumentation des Lymphknotenstatus.
Kontraindikation.
Andere Metallimplantate (künstliche Gelenke, Herzschrittmacherelektroden, Stents, Herzklappen, Stapesplastiken etc.) stellen keine Kontraindikation zur Kernspintomographie dar. Die mechanisch auf sie einwirkenden Kräfte sind um vieles größer als die Magnetkräfte im Tomographen.
Nachteile. Hohe Kosten und eine im Vergleich zur Sonographie deutlich geringere Verfügbarkeit der Kernspintomographie beschränken die breite Anwendung des Verfahrens zur primären Parotisdiagnostik. Trotzdem sollten bei Patienten mit großen Parotistumoren sowohl präoperativ als auch in regelmäßigen Abständen (z. B. jährlich) postoperativ eine Kernspintomographie des Kopfes und des Halses durchgeführt werden.
1.3.6Positronenemissionstomographie
Technik. Die Positronenemissionstomographie mit 18Fluordesoxyglucose (18FDG-PET) hat bisher noch keine Verbreitung zur Diagnostik von primären Parotistumoren gefunden. Das Verfahren nutzt Stoffwechseldifferenzen zwischen normalem und entzündlich verändertem bzw. neoplastischem Gewebe. Malignome, aber auch benigne Tumoren weisen in der Regel eine hohe Stoffwechselaktivität auf, die durch ein Überwiegen intrazellulärer Hexokinase zur Glucoseverwertung begründet ist.
18Fluor-Desoxyglucose (18FDG) wird durch die Hexokinase zu 18FDG-6-Phosphat metabolisiert. Dieses ist zunächst nicht weiter im Glucosestoffwechsel verwertbar und reichert sich in Zellen mit überwiegender Hexokinaseaktivität (Neuronen, Tumorzellen, etc.) an. Mit der PET können diese Zerfälle erfasst und lokalisiert werden. Gerade die Speicheldrüsen scheinen aber schwierig mit der 18FDG-PET beurteilbar, und Radioisotopmehrbelegungen scheinen nicht auf Tumoren begrenzt. Zukünftige Untersuchungen werden zeigen, ob dieses Verfahren überhaupt einen Platz in der Parotisdiagnostik besitzt.
Zum Nachweis von Tumorrezidiven oder -Residuen bei Zustand nach Parotismalignom-Operation scheint das Verfahren aber hoch sensitiv und spezifisch zu sein.
1.4Feinnadelpunktionszytologie (FNPZ)
Das pleomorphe Adenom, das mit über 60 % den größten Teil aller benignen Neoplasien der Glandula parotis ausmacht, hat mit seiner hohen Bereitschaft, Satellitenknoten auszubilden, wenn es bei der Erstoperation zu einer Verletzung seiner Pseudokapsel gekommen ist, entscheidend das Vorgehen in der Therapie aller Parotisneoplasien geprägt [106]. Solange das Vorliegen eines pleomorphen Adenoms nicht sicher ausgeschlossen werden kann, ist die Entnahme einer Biopsie und die Enukleation eines Tumors kontraindiziert [20]. Deshalb hat sich die FNPZ in der präoperativen Diagnostik als eine sehr wichtige und hilfreiche Methode durchgesetzt. Manche sehen in ihr eine unnötige, den Patienten belastende Maßnahme z. B. wegen des angeblichen Risikos der Kapseleröffnung von pleomorphen Adenomen oder der Stichkanalmetastasierung; diese Auffassung wird in größeren Studien eindeutig widerlegt [35]
[115]
[116].
Weiterhin stellen aber die malignen Tumoren der Glandula parotis, die circa 20 % aller Speicheldrüsenneoplasien ausmachen, ein großes diagnostisches Problem dar, solange sie keinen Nerven infiltrieren und sich auf das Gebiet der Speicheldrüse beschränken. Hier bieten neben der Sonographie selbst hochauflösende bildgebende Verfahren wie die Computertomographie und die Kernspintomographie keine verlässlichen Kriterien zur Dignitätsbeurteilung [19]. Die Feinnadel-Punktionszytologie stellt ein komplikationsarmes, hoch spezifisches und ausreichend sensitives Verfahren dar, maligne Neoplasien nicht erst anhand des histologischen Befundes nach lateraler Parotidektomie zu diagnostizieren [122]. Die Feinnadel-Punktionszytologie ermöglicht präoperativ eine hochspezifische Dignitätsbeurteilung.
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Die Indikation zur Operation kann sicherer gestellt werden,
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es ergeben sich entscheidende Aspekte zur Aufklärung des Patienten über den geplanten Eingriff
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und intraoperative Schnellschnittbeurteilungen können entfallen [21].
Während die Spezifität an unserem Hause in guter Übereinstimmung mit der Literatur zwischen 98 - 100 % liegt und die Punktionszytologie dadurch und durch den ebenfalls sehr guten positiven und negativen Vorhersagewert zu einer sehr verlässlichen diagnostischen Maßnahme geworden ist, stellt die Sensitivität mit 93,1 % eine gewisse diagnostische Lücke dar [122].
Die von anderen Autoren berichteten Werte der Sensitivität liegen teilweise unter, teilweise über unseren Werten.
Heterogene Tumoren (Karzinom im pleomorphen Adenom, zystische Nekrosenanteile, etc.) verschlechtern die Sensitivität der Punktionszytologie, da die FNPZ naturgemäß nur Daten liefert über den gerade punktierten Bereich. Selbstverständlich muss der Punktierende die Läsion treffen; finden sich heterogene Tumoren, muss gegebenenfalls mehrfach punktiert werden. Eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems besteht in der sonographischen Kontrolle der Punktionszytologie. Sie ermöglicht es dem Untersucher, zystische Tumorareale zu umgehen und die Spitze der Punktionskanüle in einen sonographisch soliden Gewebsbereich zu platzieren.
In der Umgebung vieler Speicheldrüsenneoplasien liegt als Reaktion auf den Tumor selbst oder als Reaktion auf die Verlegung des Hauptausführungsganges häufig eine Sialadenitis vor. Diese lässt den Parotistumor bei einer nur palpatorisch kontrollierten Zellentnahme häufig größer erscheinen und verleitet zur Fehlpunktion. Daher sollte bei dem Nachweis einer sonographisch scharf abgrenzbaren, intraparotidealen Raumforderung und der zytologischen Diagnose einer Sialadenitis immer durch erneute Punktion unter sonographischer Kontrolle ein Tumor ausgeschlossen werden.
Eine weitere, typische Fehlerquelle stellen zystische Läsionen dar, sofern es nicht unter sonographischer Kontrolle gelingt, repräsentative Zellen aus der Zystenwand zu aspirieren.
Ein zusätzliches und wesentliches Indikationsgebiet der Feinnadel-Punktionszytologie liegt in der Beurteilung von nicht operationspflichtigen intraparotidealen Lymphknoten (und entzündlich bedingten Parotiserkrankungen) [29]. In einer hohen Anzahl von Fällen ermöglicht erst die zytologische Diagnose eines reaktiv veränderten Lympknotenpunktats die Entscheidung, die operative Therapie zur histologischen Beurteilung auszusetzen und unter sonographischen Kontrollen den weiteren Verlauf abzuwarten. So konnten wir in einer früheren, über einen Zeitraum von zwei Jahren durchgeführten Untersuchung belegen, dass die zytologische Diagnose eines intraparotidealen reaktiven Lymphknotenpunktats es ermöglichte, bei 20 von 164 zur lateralen Parotidektomie überwiesenen Patienten die spontane Rückbildung des nicht selten monatelang bestehenden Lymphknotens abzuwarten.
Damit bietet die durch den HNO-Arzt korrekt durchgeführte und von einem in der Speicheldrüsenpathologie erfahrenen Zytologen befundete FNPZ 2 Vorteile von klinischem Wert:
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die Anzahl nicht indizierter Parotidektomien zu senken und
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die operative Therapie von Neoplasien der Speicheldrüsen zu optimieren.
Die Feinnadel-Punktionszytologie stellt für den geübten Untersucher und den erfahrenen Zytopathologen eine komplikationsarme, sensitive und hoch spezifische Methode dar, um eine korrekte präoperative Dignitätsbeurteilung bei Neoplasien der Ohrspeicheldrüse zu erlangen. Damit wird eine
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dem Krankheitsbild angemessene Aufklärung des Patienten,
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exakte Operationsplanung,
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Vermeidung einer Zweitoperation,
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optimale Verarbeitung des exstirpierten Gewebes (z. B. Trockenhistologie zur Immunhistochemie bei malignen Lymphomen) ermöglicht.
1.5Elektrophysiologische Diagnostik
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Elektrophysiologische Untersuchungsverfahren sind im Zusammenhang mit der Chirurgie der Glandula parotis von mehrfacher Bedeutung: in der präoperativen Phase können bereits fassbare Nervenschädigungen objektiviert und quantifiziert werden, was mitunter zur exakten Diagnosefindung erheblich beitragen kann.
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Intraoperativ können elektrophysiologische Methoden die Integrität des N. facialis überwachen helfen. Diesem als Monitoring bekannten Einsatz elektrophysiologischer Verfahren ist ein eigenes Kapitel in diesem Referat gewidmet (siehe Kapitel 2.3.2).
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Sollte es zu einer postoperativen Fazialisparese gekommen sein, helfen elektrophysiologische Verfahren, das Ausmaß der Nervenschädigung und deren Prognose zu bestimmen.
Die wichtigsten elektrophysiologischen Methoden sind
Für eine ausführliche Darstellung dieser Methoden sei auf die Literatur verwiesen [140].
Die Elektromyographie ist das zuverlässigste und genaueste Verfahren. Während die Neuromyographie prinzipielle Schwächen aufweist [128], kann die Magnetstimulation noch nicht als abschließend validiert angesehen werden [10].
Präoperative elektrophysiologische Untersuchungen sind angezeigt, wenn
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unklar ist, ob und in welchem Umfang Äste des Fazialisfächers im Rahmen einer Voroperation bereits geschädigt wurden und somit in diesen Abschnitten bei einer Revisions-Operation mit Vernarbung und den daraus resultierenden Risiken zu rechnen ist.
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der Verdacht auf das Vorliegen eines langsam progredienten malignen Prozesses besteht, auch ohne dass klinisch eine Fazialisparese nachweisbar ist. In diesen Fällen kann das Nadel-EMG - und nur dieses - ein sehr hilfreiches und hochsensitives diagnostisches Verfahren sein und somit wertvolle Hinweise geben.
Begründung: Bei einer nur langsam vonstatten gehenden Degeneration von Nervenfasern werden diese in gleichem Tempo durch ein „sprouting” der benachbarten Axone ersetzt. Man findet dann im EMG der so betroffenen Muskeln gleichzeitig nebeneinander
Ein klassisches Beispiel hierfür sind perineural wachsende adenoidzystische Karzinome ohne eine palpatorisch oder in der Bildgebung nachweisbare Raumforderung: hier ist das Nadel-EMG sensitiver als jedes andere diagnostische Verfahren zum Nachweis eines Malignoms [63].
Besonders der simultane Nachweis von Degenerationszeichen und pathologischen Reinnervationspotenzialen ist in solchen Fällen richtungsweisend.
Wenn es zu einer postoperativen Lähmung gekommen ist, haben sowohl Patient als auch Operateur ein hohes Interesse daran, die Wahrscheinlichkeit für eine Erholung der Nervenfunktion möglichst bald und möglichst zuverlässig zu erfahren. Die Neuromyographie ist für eine solche Prognose nicht geeignet, weil ohne Aussagekraft: Die Reizung des Fazialis-Hauptstamms in der Fossa stylomastoidea ist durch die postoperativen Veränderungen (Narbenbildung, Schwellung) für längere Zeit unzuverlässig und nicht reproduzierbar.
Wenn im EMG bereits unmittelbar postoperativ deutliche Willkürpotenziale abgeleitet werden können, darf dies allein schon als prognostisch günstiges Zeichen gewertet werden, auch wenn vom klinischen Eindruck her eine Fazialisparese besteht. Die Nadel-Elektromyographie kann spätestens nach 14 Tagen sichere Hinweise auf die Prognose liefern. Die hohe prognostische Aussagekraft der Elektromyographie bei Schädigungen des N. facialis entspricht nicht nur der langjährigen klinischen Erfahrung, sondern konnte auch in einer großen, retrospektiven Studie belegt werden [129]. Die Häufigkeit von postoperativen Fazialisparesen wird in Kapitel 2.3.6 in diesem Referat detailliert diskutiert.
1.6Diagnostischer Algorithmus
Auf Anamnese, Inspektion und Palpation folgt zunächst die Sonographie einer Raumforderung der Parotis und die Feinnadelpunktionszytologie (FNPZ). In den meisten Fällen ist auf diese Weise eine sichere Diagnose zu stellen.
Findet sich in der Ultraschalluntersuchung keine abgrenzbare Raumforderung und keine typische Parenchymveränderung, die bereits Aufschluss über den Charakter der Erkrankung gibt (z. B. Sialolithiasis), wird eine FNPZ unter Ultraschallkontrolle aus dem nicht veränderten Parenchym entnommen.
Die akute oder chronische Sialadenitis weist sonographisch oft nur geringfügige Veränderungen auf; manchmal ist nur die Organgröße als Hinweis zu werten; manchmal finden sich hyporeflexive Exsudatareale. Da bei den Sialadenitiden und Sialosen auch die Zytologie oft wenig aussagekräftig ist, führen wir beim Verdacht auf eine solche Erkrankung zusätzlich eine digitale Subtraktions-Sialographie (oder neuerdings eine Sialo-MRT) durch. Die intraluminale Sonographie des Stenonschen Ganges hat sich bisher genauso wenig durchsetzen können wie die Endoskopie des Hauptganges.
Wird ein Sjögren-Syndrom vermutet, ist die Suche nach anderen Symptomen der Erkrankung obligat (Rose-Bengale-Test, Auto-Antikörper SS-A und SS-B, Rheumafaktoren, ANA), denn nach der European Study Group müssen mindestens 4 der 6 genannten Symptome vorliegen [162].
Ist die Dignität einer Raumforderung unklar oder ergibt sich zytologisch, sonographisch oder klinisch der Verdacht auf Malignität, folgt die Kernspintomographie; diese wird ebenfalls bei in der Tiefe sonographisch nicht abgrenzbaren großen Tumoren der Parotis durchgeführt.
Bei Tumor-Rezidiven führen wir grundsätzlich neben der Sonographie eine Kernspintomographie durch; wir halten dies aus 2 Gründen für notwendig:
-
zur sicheren Beurteilung der Pars profunda der Parotis und des parapharyngealen Raumes sowie der Lagebeziehungen des Tumorrezidives zum Foramen stylomastoideum und damit zum Fazialis-Hauptstamm und
-
zur Dokumentation der Anzahl der Rezidive vor allem beim pleomorphen Adenom.
Ergeben sich Hinweise auf ossäre Arrosionen der Schädelbasis oder der Mandibula, so führen wir zusätzlich ein hochauflösendes Spiral-CT und gegebenenfalls eine 99mTc MDP-SPECT-Untersuchung durch (Abb. [1]) [66].
Besteht als Leitsymptom einer Parotisläsion eine Fazialisparese, so muss darauf hingewiesen werden, dass bis heute die bildgebende Diagnostik die elektrophysiologische (myographische) Diagnostik (siehe Kapitel 5.4) des Nervus facialis nicht ersetzt. Selbst wenn sich mit Hilfe der zur Verfügung stehenden bildgebenden Methoden keine Läsion nachweisen lässt, muss bei fehlenden klinischen oder elektromyographischen Regenerationszeichen nach spätestens 6 Monaten von einem Malignom als Ursache bis zum Beweis des Gegenteils ausgegangen werden, und gerade adenoidzystische Karzinome können sich mit ihrem perineuralen Wachstum jahrelang einer Darstellung entziehen [63].
Abb. 1Stufenplan zur Diagnostik fokaler Läsionen der Glandula parotis.
2Chirurgie der Glandula parotis
2.1Parotidektomie - Systematik
Die gebräuchlichste Einteilung der operativen Maßnahmen an der Ohrspeicheldrüse richtet sich nach dem Ausmaß der Resektion und danach, ob der Nervus facialis in seinem intraparotidealen Verlauf erhalten werden kann. Die einzelnen Verfahren sollen im Folgenden kurz erläutert werden:
2.1.1Probebiopsie
Probebiopsien oder-exzisionen aus der Ohrspeicheldrüse sollten ausschließlich zur differenzialdiagnostischen Abklärung entzündlicher Speicheldrüsenerkrankungen oder Speicheldrüsenschwellungen (z. B. Sjögren-Syndrom, Sialadenose) durchgeführt werden.
Probeexzisionen aus Parotistumoren sind demgegenüber immer kontraindiziert, insbesondere wegen des hohen Rezidivrisikos von pleomorphen Adenomen nach Inzisionen in den Tumor. Es kommt dabei zur Verschleppung von Tumorzellen in das Wundbett und unweigerlich, wenngleich häufig erst mit einer zeitlichen Verzögerung von Jahren, zu Rezidivtumoren. Die prätherapeutische morphologische Abklärung tumoröser Raumforderungen der Ohrspeicheldrüsen ist daher eine Domäne der Aspirationszytologie und nicht der Probebiopsie [122]! Probebiopsien aus Parotistumoren gelten heute wegen des erwähnten, später nur außerordentlich schwer beherrschbaren Rezidivrisikos und der unkontrollierten Gefährdung des Nervus facialis zu Recht als Kunstfehler.
2.1.2Enukleation
Als Enukleation wird die umschriebene Exstirpation eines Tumors aus der Ohrspeicheldrüse ohne gleichzeitige Resektion des umgebenden Speicheldrüsengewebes und ohne systematische Darstellung des Fazialisfächers verstanden. Die stillschweigende Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist, dass die zu behandelnde Raumforderung eine entsprechend solide und vollständige Kapsel aufweist und unilokulär ist. Diese Voraussetzungen treffen aber bei den Tumoren der Ohrspeicheldrüse kaum jemals zu:
Pleomorphe Adenome weisen in einem hohen Prozentsatz entweder keine durchgehende „Kapsel” auf, oder sind nur von einer hauchdünnen Bindegewebsschicht umgeben, oder sind von kleinen Satellitentumoren umgeben (Abb. [2]), so dass ihre Enukleation die große Gefahr der Tumorzellverschleppung bzw. der unvollständigen Entfernung aufweisen [4].
Wie bereits erwähnt, hat die auch heute noch weit verbreitete Enukleation von pleomorphen Adenomen deshalb als Kunstfehler zu gelten.
Zur besonderen Problematik des pleomorphen Adenoms siehe das spezielle Kapitel 2.3.5.1. Zystadenolymphome kommen demgegenüber häufig multilokulär vor und sind durch eine Enukleation dadurch ebenfalls nicht zuverlässig zu behandeln.
Bei den selteneren gutartigen Tumoren (z. B. monomorphe Adenome) mit ihrer ungewissen Prognose ist eine Enukleation noch weniger vertretbar, und bei bösartigen Tumoren verbietet sie sich ohnehin.
Lediglich bei malignen Lymphomen, die der Glandula parotis unmittelbar anliegen, kann im Einzelfall eine solche „Enukleation” einmal in Betracht kommen, obwohl hier eher von einer Lymphknotenexstirpation als von der Enukleation eines Parotistumors gesprochen werden muss.
Abb. 2HE-Färbung eines primären pleomorphen Adenoms mit teilweise fehlender Kapsel; Pfeile = Kapsel; A = pleomorphes Adeom; S = Satellitenknoten.
2.1.3Partielle Parotidektomie
Der Begriff ist unpräzise und nicht näher definiert. Er sollte nach Möglichkeit zugunsten exakterer Beschreibungen aufgegeben werden (siehe unten). Allerdings kann der Begriff gelegentlich Verwendung finden für die Beschreibung atypischer Teilresektionen der Ohrspeicheldrüse, etwa im Zusammenhang mit einer Neck-Dissection, wenn eine Lymphknotenmetastase mit dem unteren Parotispol verbacken ist, und ihre Resektion die Entfernung eines Teils der Ohrspeicheldrüse ohne systematische Aufdeckung des gesamten Fazialisfächers erfordert.
2.1.4Laterale Parotidektomie
Als laterale Parotidektomie wird ein Eingriff bezeichnet, bei dem die lateral des Fazialisfächers gelegenen Anteile der Ohrspeicheldrüse entfernt werden, während die medial des Nervenfächers gelegenen Drüsenanteile in situ verbleiben. Eine laterale Parotidektomie setzt also stets eine vollständige Präparation des gesamten Fazialisfächers voraus. Unter Verwendung eines Operationsmikroskops (oder einer Lupenbrille) ist damit die Voraussetzung für die zuverlässige Schonung des gesamten Nervenfächers, auch seiner kleineren Äste, gegeben. Gutartige Tumoren des so genannten Drüsen-„Außenlappens” und des unteren Parotispols, und damit die Mehrheit aller Parotistumoren, können auf diese Weise zuverlässig, vollständig und unter verlässlicher Schonung des Nervus facialis und seiner Äste reseziert werden. Die laterale Parotidektomie stellt somit den Standardeingriff zur Behandlung der gutartigen Tumoren der Ohrspeicheldrüse dar, solange diese Tumoren ausschließlich im „Außenlappen” lateral des Fazialisfächers lokalisiert sind (Abb. [3]).
Abb. 3Operationssitus nach lateraler Parotidektomie; der Fazialisfächer ist gut sichtbar, die Anteile des sogen. Innenlappens (medial des Fächers) der Gl. Parotis sind erhalten, der Ductus parotideus ist unterbunden (Pfeil).
2.1.5Modifikation der „klassischen” lateralen Parotidektomie
Die im Kapitel 2.2.2 genauer beschriebene „klassische” Art der lateralen Parotidektomie in der Methode nach Janes, Conley und Miehlke ist durch folgende Vorgehensweisen charakterisiert [22]
[61]
[95]:
-
Sie beginnt stets mit der Freilegung des extratemporalen Stammes des N. facialis bis zu seiner Bifurkation. Sobald diese erkennbar wird, kann man sich sicher sein, in der präparierten Struktur den N. facialis identifiziert zu haben.
-
Von der Bifurkation ausgehend werden sodann die einzelnen peripheren Nervenäste ohne eine bestimmte Systematik freigelegt, indem das darüberliegende Drüsenparenchym angehoben und schrittweise über dem so exponierten Nervenabschnitt scharf durchtrennt wird (sog. „Tunnel-Technik” nach Miehlke). Das zwischen den Inzisionen gelegene Parenchym wird sodann auf dem Niveau des freigelegten Nervenfächers abgetragen. Diese Technik führt somit zu einer
a)sektorenförmigen Spaltung des Parenchyms des so genannten Außenlappens, die
b)stets in zentrifugaler Richtung, also von zentral nach peripher verläuft. Der Nervenfächer wird damit stets in „anterograder” Richtung präpariert.
2.1.6Gründe für die Modifikation der „klassischen” lateralen Parotidektomie
Wir halten dieses „klassische” Vorgehen bestenfalls gerechtfertigt in der Chirurgie der chronisch-entzündlichen Parotitiden. Für die Chirurgie der Parotistumoren - egal ob benigne oder maligne - ist sie aus folgenden Gründen abzulehnen:
-
Die sektorenförmige Inzision des Drüsenparenchyms über den einzelnen peripheren Ästen des Nervenfächers birgt die große Gefahr in sich, dass dabei der Tumor angeschnitten bzw. in ihn hinein geschnitten wird.
-
Die Freilegung des Nervenfächers in „zentrifugaler” (= anterograder) Richtung setzt immer zunächst die Freilegung des Nervenstammes in der Tiefe der Fossa retromandibularis voraus. Diese Vorgehensweise hat 2 Nachteile: zum einen befindet sich der Nerv hier, d. h. ventral des Foramen stylomastoideum, an der tiefsten und zugleich engsten Stelle seines extratemporalen Verlaufes, und muss somit an einer vergleichsweise besonders ungünstigen Lokalisation aufgesucht werden, zum anderen wird sein Auffinden bei Tumoren, die im dorsalen Pol der Drüse, d. h. über oder sogar in der Fossa retromandibularis lokalisiert sind, nicht selten riskant bezüglich Traumatisierung des Nervens oder Eröffnung des Tumors, und manchmal ist seine Darstellung unmöglich.
Die Tumorchirurgie der Glandula parotis muss somit 2 Ziele gleichzeitig verfolgen:
-
die Resektion des Tumors in toto und möglichst weiten gesunden Grenzen,
-
die dafür nötige Freilegung (Neurolyse) des komplexen Fazialis-Nervenfächers ohne Verletzung seiner vielfältigen zentralen und peripheren Äste.
Mit Ausnahme von sehr kleinen und randständig gelegenen, benignen Tumoren setzt jede sanierende Tumoroperation zunächst die Durchführung einer lateralen Parotidektomie im Sinne einer „kompletten lateralen Lobektomie” voraus. Sie kann danach zur subtotalen oder totalen Parotidektomie erweitert werden.
2.1.6.1Die komplette laterale Lobektomie - Systematik und Technik
Ziel dieser Technik ist die Resektion des sog. Parotis-Außenlappen als Ganzes lateral vom Niveau des vollständig freigelegten Fazialis-Nervenfächers, ohne dabei die Integrität des Tumors anzutasten.
Die dabei zu bevorzugende Richtung der Neurolyse besteht entweder in einer
-
anterograden
-
retrograden oder
-
kombiniert retrograd-anterograden Nervenpräparationstechnik.
Die Entscheidung über das erforderliche strategische Konzept, d. h. die Wahl des am besten geeigneten Weges bezüglich der Richtung der Neurolyse, die ihrerseits die Richtung der Lobektomie bestimmt, hängt entscheidend von der Lage und gelegentlich auch von der Größe des Tumors ab.
Anterograde Präparationstechnik. Ihr wird man prinzipiell den Vorzug geben bei allen Tumoren, die in den zentralen und peripheren Drüsenabschnitten lokalisiert sind.
Die Präparation beginnt dabei in der üblichen Weise mit der Darstellung des Nervenstammes, der zunächst bis zu seiner Bifurkation verfolgt wird. An der Bifurkation muss in Abhängigkeit von der Lage und Größe des Tumors entschieden werden, ob die Lobektomie von kranial oder von kaudal her entwickelt werden soll.
Vom temporo-fazialen Hauptast ausgehend, wird nun zunächst der am weitesten dorsal gelegene Ramus frontalis bis zum kranialen Drüsenrand freigelegt.
Danach erfolgt die streng systematische Identifikation und Präparation des jeweils immer ventro-medio-kaudal benachbarten Nervenastes, wobei diese immer wieder vom temporo-fazialen Hauptast ausgeht. Dabei wird schrittweise das zwischen den jeweils benachbarten Ästen gelegene Drüsenparenchym durchtrennt. So lassen sich der Reihe nach von kranial nach kaudal die Rami temporales, oculi, lev. labii, zygomatici, mit ihren weiteren Aufgliederungen und oft noch ein aus dem oberen Fächer abgehender Ramus buccalis freilegen. Dabei wird die an ihrem oberen Pol mit einer scharfen Klemme gefasste kraniale Hälfte des „Außenlappens” Nervenast für Nervenast nach kaudal mobilisiert.
Dann wendet man sich dem kaudalen Nervenfächer zu, indem man wiederum von der Bifurkation ausgehend zunächst dem zerviko-fazialen Hauptast darstellt. Dieser gliedert sich auf in den nach kaudal verlaufenden Ramus colli, den in der Peripherie nach ventral verlaufenden Ramus marginalis mandibulae sowie einige Rami buccales. Die Präparation erfolgt hier von kaudal nach ventral in analoger Technik.
Retrograde Präparationstechnik. In allen Fällen, in denen der Tumor im dorsalen Drüsenanteil gelegen ist, also über oder in der Fossa retromandibularis lokalisiert ist und somit den Zugang zum Nervenstamm verlegt, muss die Neurolyse des Nervenfächers in retrograder Technik erfolgen. Hierfür werden die peripheren Endäste am Rand der Drüse in derselben Reihenfolge aufgesucht wie bei der anterograden Technik beschrieben. Hierbei ist es ebenfalls wichtig, dass wiederum der laterale Anteil als „Lobus” in einem Stück entwickelt wird.
In Abhängigkeit von der Lage des Tumors kann auch eine kombiniert retrograd-anterograde Technik sinnvoll sein.
2.1.7Subtotale Parotidektomie
Sie geht über die Grenzen der lateralen Parotidektomie hinaus, bezieht also auch Anteile des sog. Innenlappen-Gewebes mit ein (zumeist im Dreieck zwischen temporo- und zervikofazialem Hauptast), verlangt aber nicht die gleiche Radikalität wie die totale Parotidektomie. Häufige Indikationen dafür sind:
-
benigne Tumoren, die vom Innenlappen ausgehen
-
größere pleomorphe Adenome des Außenlappens
-
Zystadenolymphome
-
chronische Sialadenitiden, insbesondere beim Sjögren Syndrom
-
Reduzierung eines kräftig entwickelten Innenlappens, um einer postoperativen Speichelfistel vorzubeugen.
2.1.8Totale Parotidektomie
Die totale Parotidektomie bezeichnet einen Eingriff, bei dem das gesamte Drüsengewebe der Ohrspeicheldrüse, lateral und medial des Fazialisfächers, entfernt wird. Der Eingriff erfolgt zur Behandlung
-
Systemischer Erkrankungen der Parotis wie das Sjögren-Syndrom,
-
die chronische (rezidivierende) Parotitis
-
gutartiger Tumoren des Drüseninnenlappens und
-
ausnahmslos aller bösartiger Tumoren ohne Nerveninfiltration.
Zunächst erfolgt dabei stets eine laterale Parotidektomie in typischer Weise. Nach vollständiger Darstellung des Fazialisfächers werden dann die einzelnen Fazialisäste von ihrer Unterlage soweit abpräpariert und mobilisiert, wie es die sichere Entfernung des malignen Tumors ohne Traumatisierung der entsprechenden Nervenstrukturen erfordert.
Da die Parotis über ein reichhaltiges Lymphsystem verfügt, ist es danach zusätzlich zwingend notwendig, auch noch alle restlichen Drüsenelemente des Innenlappens mit größter Sorgfalt ebenfalls zu entfernen. Dabei ist das Augenmerk besonders darauf zu richten, dass medial des Fazialisstamms die Fossa retromandibularis und die Fossa infratemporalis radikal ausgeräumt werden.
Die Grenzen dieser Resektion sind somit:
-
medial: die Faszie des M. digastricus und M. stylohyoideus, der Processus styloideus, und die A. carotis interna
-
dorsal: die Faszie des M. sternocleidomastoideusder zur Tiefe hin nach dorsal abweicht
-
kranial: die knorpelige und knöcherne Oto- bzw. Schädelbasis
-
ventral: der laterale und mediale Aspekt des aufsteigenden Unterkieferastes.
Wird bei bösartigen Tumoren die Resektion einzelner Nervenäste erforderlich oder erfordert die Exstirpation voluminöser Innenlappentumoren ausnahmsweise einmal die Durchtrennung einzelner Nervenäste, so können diese primär wieder readaptiert oder durch Nerveninterponate rekonstruiert werden, ohne dass später mit Synkinesien durch eine fehlgerichtete Reinnervation gerechnet werden muss (siehe Kapitel 5.3) [138]
[139].
2.1.9Radikale Parotidektomie
Als radikale Parotidektomie wird die vollständige Entfernung (totale Parotidektomie) der Ohrspeicheldrüse mit dem von einem Malignom infiltrierten Anteilen des Nervenfächers bezeichnet. Der Eingriff erfolgt zur Behandlung von bösartigen Tumoren mit präoperativ klinisch nachgewiesener tumorbedingter Fazialislähmung, oder intraoperativ nachweisbarer Tumorinfiltration vor allem in die zentralen Abschnitte des extratemporalen N. facialis (Stamm, Bifurkation, Hauptäste). In aller Regel muss der Eingriff mit einer Neck-dissection der betroffenen Seite, gelegentlich auch mit einer Mastoidektomie kombiniert werden. Zu den Optionen einer rekonstruktiven Fazialischirurgie siehe Kapitel 3.
2.2Operative Zugänge
2.2.1Anatomie des Pes anserinus
Obwohl der periphere (extratemporale) Fazialisfächer eine hohe Variabilität aufweist, besteht dennoch ein allgemein gültiger Aufbau bzw. Aufzweigungsmodus. Er ist in Abb. [4] dargestellt.
Danach teilt sich der Nervenstamm (Nerv 1. Ordnung) an seiner Bifurkation in den nach kranio-ventral ziehenden temporo-fazialen Hauptast und in den nach kaudal ziehenden zerviko-fazialen Hauptast (Äste 2. Ordnung).
Aus dem deutlich kräftigeren temporo-fazialen Hauptast seinerseits gehen der Reihe nach von kranial nach kaudal folgende Aufzweigungen (Äste 3. Ordnung) mit ihren peripheren Endästen (Äste 4. Ordnung) ab, die noch innerhalb der Drüse erwartet werden können:
-
ein Ramus frontalis mit ca. 2 Endästen,
-
ein Ramus orbicularis oculi mit ca. 2 Endästen,
-
ein Ramus levator labii (variabel),
-
zwei Rami zygomatici (besonders starke Äste, die sich erst ventral der Drüse weiter aufgliedern,
-
ein Ramus buccalis.
Alle diese Äste bilden den größeren, kranialen Fächer. Aus dem weniger kräftigeren zerviko-fazialen Hauptast gehen hervor von kranial nach kaudal:
-
ein bis zwei Rami buccales, meistens ohne weitere Gabelungen,
-
ein Ramus marginalis mandibulae mit einer sehr variablen Aufgliederung in 2 - 4 Endäste,
-
ein Ramus colli.
Zwischen Ramus levator labii, Rami zygomatici und Rami buccales können sehr variable Anastomosen bestehen.
Abb. 4Abbildung des Pes anserinus des N. facialis.
2.2.2Typischer, „klassischer” lateraler Zugang
Der klassische und heute noch weitgehend übliche laterale Zugang zur Parotidektomie entspricht im Wesentlichen der von Janes vorgeschlagenen und von Conley und Miehlke verfeinerten Technik [22]
[61]
[95].
Danach werden die Schritte 1. - 5. ohne optische Hilfe operiert:
-
Ein präaurikulärer Hautschnitt von Höhe des Os zygomaticum bis unter das Ohrläppchen folgt den Hautspannungslinien. Unterhalb des Ohres wird der Schnitt fortgesetzt nach dorsokaudal, dem Vorderrand des Planum mastoideum folgend. Von dort schwenkt der Schnitt nach ventral in die erste submandibuläre Falte und folgt ihr 3 bis 5 cm (Abb. [5]). Der aus der Ohrchirurgie stammende, retroaurikuläre Entlastungsschnitt ist nur bei ausgedehnten Tumoren erforderlich, bei denen das Foramen stylomastoideum dargestellt werden soll und eine Mastoidspitzenresektion durchgeführt werden muss (Abb. [6]).
-
Darstellung des Vorderrandes des M. sternocleidomastoideus und seines Ansatzes am Mastoid.
-
Darstellung des Ursprungs des hinteren Bauches des M. digastricus.
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Darstellung des „Conley-Pointers”, der spitzen Ausziehung des Ohrknorpels.
-
Präparation des seitlichen Wangenlappens im subkutanen Fettgewebe nach ventral, kaudal und kranial, bis die periphere Begrenzung der Drüse sicher dargestellt ist.
Nun wird die Präparation üblicherweise unter Zuhilfenahme einer Lupenbrille mit einer Vergrößerung von mindestens 3,5 fortgeführt:
-
Aufsuchen des Hauptstammes des N. facialis wenige Millimeter kaudal des Conley-Pointers, (Ansatz des M. digastricus und Hinterrand der Gl. parotis). Der Hauptstamm kann auch aufgefunden werden, wenn über den unter 1. genannten „otologischen” Zugang von retroaurikulär die Fissura tympanomastoidea am Boden des Gehörgangs aufgesucht wird: das Foramen stylomastoideum findet sich etwa 6 mm medial dieser Fissur [57].
-
Darstellung der Fazialis-Bifurkation und der von hier abgehenden einzelnen peripheren Äste von zentral nach peripher.
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Resezieren der entstandenen diversen Segmente des Außenlappens zwischen den segmental freigelegten peripheren Ästen auf dem Niveau des Fazialisfächers.
Abb. 5Typischer Hautschnitt zur lateralen Parotidektomie. Rechts oben sind monopolare Elektroden zur Ableitung der Aktivität des M. orbicularis occuli unter der Sichtfolie erkennbar.
Abb. 6Retroaurikläre Verlängerung zur Darstellung der Mastoidspitze und der Fissura tympanomastoidea.
2.2.3Modifikation des lateralen Zugangs
-
Die Hautinzision entspricht im Wesentlichen der „klassischen” Methode, unterscheidet sich aber in folgenden Punkten:
a)Sie wird kranial in Höhe des Ansatzes der Helix etwa 2 cm weit schräg nach ventro-kranial in die Fossa temporalis und an ihrem kaudalen Ende bis zum Vorderrand des M. sternokleidomastoideus verlängert. Begründung: Hierdurch lässt sich der Wangenhautlappen sehr viel weiter, vor allem nach ventral und kaudal aufdecken, so dass die Drüse einerseits sicher bis zum Ductus parotideus, der oft begleitet wird von akzessorischem Speicheldrüsengewebe, und andererseits bis zum Übergang des unteren Drüsenpols zum oberen Venenwinkel mit den hier lokalisierten Lymphknoten und ggf. dem dorsalen Pol der Gl. submandibularis exponiert werden kann.
Kosmetisch und funktionell ergeben sich hierdurch keinerlei relevante Nachteile. Andererseits dient die maximale Freilegung der gesamten Drüse und ihrer kritischen Übergangszonen der diagnostischen und operativen Sicherheit. Eine leider noch oft praktizierte „Knopfloch-Chirurgie” ist insbesondere bei Parotistumoren fehl am Platz!
b)Die Hautinzision an der Halsseite sollte in Höhe des oberen Venenwinkels stets mindestens 1 Querfinger dorsal des Kieferwinkels verlaufen, um Verletzungen des Ramus marginalis mandibulae und des Ramus colli sicher zu vermeiden. Meistens bietet sich hier die zweite der oft gut erkennbaren natürlichen Hautfalten an.
-
Die Kombination mit dem retroaurikulären Entlastungsschnitt (Abb. [6]) wird vom Autor bevorzugt. Dabei muss allerdings streng beachtet werden, daß die Inzision einige Millimeter vom Ansatz des Ohrläppchens und der retroaurikulären Umschlagfalte fernbleibt und dort vor allem der M. auricularis posterior nicht durchtrennt wird, weil es sonst zu einer abstehenden Ohrmuschel kommt. Begründung: Diese Art der Schnittführung erlaubt das zusätzliche Anlegen eines kleinen dorsalen Hautlappens mit Freilegen des latero kranialen Aspektes des M. sternocleidomastoideus und der Mastoidspitze mit den beiden folgenden weiteren Operationsvorteilen:
a)Sie eröffnet die Möglichkeit, bei Bedarf zusätzlich die Fissura tympanomastoidea als Landmarke für die Identifikation des Nervenstammes zu Hilfe zu nehmen.
b)Sie ist die Voraussetzung für das Anlegen eines Muskelschwenklappens (siehe unter Punkt 5).
-
Die Neurolyse und Mobilisation des N. auricularis magnus erfolgt nach distal bis zu seinen ersten Aufzweigungen in der Drüse und nach dorsal ca. 2 cm in Richtung Punctum nervosum. Er wird danach unterfahren und locker angehoben, am Eintritt in die Drüse mit einem nicht resorbierbaren Faden unterbunden und peripher der Unterbindung abgesetzt. Das so unterbundene, freie distale Ende des Nerven verbleibt in situ. Begründung:
a)Die Präparation des N. auricularis magnus möglichst mit Erhalt seiner ersten distalen Aufzweigungen erlaubt im Fall der Notwendigkeit einer Nervenrekonstruktion einen schnellen Zugriff auf diesen idealen Ersatznerven.
b)Seine distale Unterbindung mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial verhindert zuverlässig das Auswachsen der Axone und somit die Bildung eines gelegentlich auf Hautberührung hin schmerzhaften Neuroms.
-
Von besonderer Bedeutung ist die korrekte Präparation des Wangenhautlappens. Sie soll nicht in der Schicht des subkutanen Fettgewebes verlaufen. Vielmehr muss diese streng in der zwar sehr dünnen, aber gut erkennbaren lockeren Bindegewebsschicht zwischen tiefer Wangenfaszie einerseits und oberflächlicher Parotiskapsel andererseits erfolgen (Abb. [7]). Hierfür werden vom Operateur und Assistenten die Inzisionsränder des Lappens mit kleinen scharfen Haken gefasst und so angehoben, dass sich der Hautlappen wie eine Zeltplane dem Operateur entgegenspannt. Die Faszientrennung erfolgt dann vorsichtig mit der Klinge eines leicht nach lateral gewinkelten Skalpells, indem man damit zart über die Oberfläche der Drüsenkapsel streicht. Im Bereich des Ductus parotideus, im Bereich des mittleren Drittels der ventralen Drüsenbegrenzung kann diese Trennschicht verloren gehen. Dann empfiehlt sich hier ein stumpfes Auseinanderspreizen der Schichten mit einer Präparierschere.
Begründung: Umfangreiche postoperative Untersuchungen haben gezeigt, dass die intakte Bewahrung der tiefen Wangenfaszie auf der Innenseite des Wangenhautlappens eine wichtige Barriere gegen das Eindringen von sekretorischen Nervenfasern mit späterer Innervation der Schweißdrüsen darstellt und somit die klinische Ausprägung des Freyschen Syndroms signifikant zu reduzieren im Stande ist [39].
-
Die Präparation des kranialen dorsalen Hautlappens ist Voraussetzung für die richtige Präparation eines kranial gestielten Muskelschwenklappens aus dem kranio-lateralen Anteil des M. sternocleidomastoideus bei gleichzeitigem Erhalt seines sehnigen Ansatzes am Mastoid. Hierfür wird der M. sternocleidomastoideus in seinem lateralen Aspekt über die Länge etwa seines kranialen Drittels freigelegt, knapp die Hälfte seiner lateralen Muskellage in diesem Niveau mit einer stumpfen Präparierschere von dorsal her unterminiert, mit einer anatomischen Pinzette gefasst und kaudal davon abgesetzt. Danach wird diese Muskellage unter Wahrung der gefassten Muskelfaserschichten und auf der intakten inneren Sehnenplatte bis zur Mastoidspitze abgehoben. Man erzielt eine maximale Mobilisation, wenn insbesondere der dorsale Inzisionsrand bis weit nach kranial geführt wird. Dieser Muskellappen wird anschließend nach kranio-ventral auf den Nervenfächer gelagert und hier zwischen den Nervenästen mit feinen Subkutannähten fixiert (Abb. [8]).
Begründung: Mit der Anlage dieses Muskelschwenklappens werden drei Ziele erreicht:
-die kosmetisch höchst vorteilhafte Defektauffüllung der Operationswunde,
-die Protektion des freiliegenden Nervenfächers, was insbesondere bei Revisionseingriffen wertvolle Sicherheit gibt,
-und ein additiver Effekt zur Reduktion des Freyschen Syndroms.
Abb. 7Auslösen des Hautlappens in der bindegewebigen Trennschicht zwischen subkutanem Fett der Wange und Kapsel der Gl. Parotis. Zusammen mit dem Schwenklappen des SCM hilft diese Technik, das Vorkommen eines ausgeprägten Freyschen Syndroms auf 8 % (424 Patienten) zu reduzieren.
Abb. 8Präparation des Muskelschwenklappens aus dem M. sternocleidomastoideus.
2.2.4Erweiterte Zugänge
2.2.4.1Laterale, diskontinuierliche Mandibulateilresektion
Tumoren, die vom sog. „Innenlappen” der Parotis ausgehen, also jenem Drüsenparenchym, das medial des Nervenstamms, seiner Bifurkation und seines peripheren Fächers lokalisiert ist, werden als so genannte Innenlappen-Tumoren bezeichnet. Gehen diese Tumoren von der Pars profunda des Innenlappens aus (Abb. [9]) und wachsen als so genannte Eisbergtumoren in Richtung Flügelgaumengrube, so gelingt ihre tumorkapselschonende Resektion nicht ohne Teilresektion des Os mandibulae. Hierzu wird der dorsale Anteil des Unterkiefers reseziert, an dem der M. pterygoideus medialis ansetzt (Tuberositas pterygoidea). Die Resektionsgrenze nach ventral wird durch den Eintritt des N. alveolaris inferior in das Foramen mandibulae gebildet; diesen gilt es zu schonen. Diese Resektion ermöglicht einen breiteren Zugang in den retromandibulären Raum mit Darstellung der A. maxillaris und temporalis, dem N. alveolaris trigemini, dem N. hypoglossus, dem N. glossopharyngeus und dem N. vagus. Dieser Zugang ermöglicht eine sicherere Exzision mediomandibulärer Tumoren als der übliche laterale Zugang.
Das temporär resezierte Knochenfragment wird nach erfolgter Resektion mit Osteosynthese-Miniplatten wieder am Unterkiefer befestigt.
Nachteile dieses Verfahrens sind, dass die hierfür notwendige Mandibulotomie ein erhebliches Risiko für die Integrität des N. facialis und den N. alveolaris inferior bedeutet.
Abb. 9T2-gewichtete MRT eines großen pleomorphen Adenoms der Pars profunda der Parotis. Dieser Tumor ist nicht allein über einen lateralen Zugang zu exstirpieren.
2.2.4.2Passagere mediane Mandibulotomie
Bei ausgedehnten Tumoren des Innenlappens der Gl. parotis, d. h. bei besonders großen Eisbergtumoren, empfiehlt sich ein anderer Zugang zur Pars profunda der Gl. parotis: die passagere mediane Mandibulotomie [7]
[30].
Der Fazialisfächer wird durch eine laterale Lobektomie (Kap. 2.1.6.1) dargestellt.
Danach werden zunächst die medianen Kinn-Gesichtsweichteile über eine „broken line” durchtrennt. Der Unterkiefer wird danach mit einer Blattsäge mit einem Durchmesser von 3,2 cm und einer Dicke von 0,1 mm senkrecht in der Medianen unter Schonung der Aveolaren der Unterkieferinzisiven durchtrennt (Abb. [10]) [65].
Dann folgt die Durchtrennung des Mundbodens - entweder paramedian im Sulcus glossoalveolaris - oder median durch die Raphe der Zunge hindurch von ventral nach dorsal - unter Schonung des N. lingualis und N. hypoglossus.
Von hier aus wird dann parallel zum vorderen Gaumenbogen die Fossa mediomandibularis eröffnet und der Innenlappen der Parotis mit dem Tumor und anhängendem Fettgewebe präpariert (Abb. [11]).
Die Osteotomie wird mit 2 Miniosteosyntheseplatten dynamisch fixiert, so dass der Unterkiefer sofort wieder biss-stabil ist; mit diesem Zugang haben wir die besten Erfahrungen machen können (Abb. [12]).
Bisher ist es - möglicherweise durch die dynamische Re-Adaptation der Mandibulaäste ohne Lücke - nicht zu den in der Literatur beschriebenen Komplikationen (Osteomyelitis/Pseudarthrose) gekommen. Auch fanden wir postoperativ keinerlei Okklusionsprobleme - sehr wahrscheinlich durch den nur minimalen Substanzverlust (0,1 bis 0,2 mm) durch die Blattsäge.
Neben einem hervorragenden kosmetischen Ergebnis (Abb. [13]) ist es möglich, die Tumoren der Pars profunda der Parotis in der Fossa pterygopalatina und retromandibularis in toto und mit unversehrter Kapsel zu entfernen, so dass vor allem beim pleomorphen Adenom die Gefahr eines Rezidivs auf ein Minimum reduziert wird.
Abb. 10Passagere mediane Mandibulotomie; die „broken-line”-Technik in der Mittellinie zeigte in unserem Kollektiv von 80 Patienten die besten Resultate.
Abb. 11Tumor (umrandet) in der Flügelgaumengrube nach Exposition durch eine mediane Mandibulotomie.
Abb. 12Dynamische Fixierung der beiden Mandibula-Äste in der Medinanen ohne Lücke mit 2 Miniosteosyntheseplatten; durch den geringen Substanzverlust können die mittleren Inzisiven erhalten werden.
Abb. 13Kosmetische Ergebnisse nach passagerer medianer Mandibulotomie (6 Monate/12 Monate/36 Monate nach der Operation).
2.2.5Neue Dissektionstechniken
Bei der Wasserjet-Dissektion handelt es sich um einen druck- und durchmesser-regulierbaren Wasserstrahl, der die Trennung von Nerv und Parotisgewebe durch Auswahl des adäquaten Dissektionsdruckes erleichtern soll. Experimentelle Studien von Siegert et al. und Cuschieri deuten darauf hin, dass gerade das Auslösen von Nerven aus solidem Gewebe mit dieser Methode vereinfacht werden könnte [26]
[127].
Das Ultraschall-Messer schwingt mit einer Frequenz von 55 kHz und kann so schneiden und gleichzeitig koagulieren. Beide Methoden stammen aus der endoskopischen Bauchchirurgie [67]
[148] und die Anwender heben vor allem den Vorteil der gleichzeitigen Koagulation mit dem Schneidevorgang und der im Vergleich zur konventionellen Chirurgie geringeren Gewebstraumatisierung hervor. Weiterhin wird betont, dass es nicht zu den für die bipolare Koagulation oder die CO2-Laser-Anwendung typischen Verletzungen kommt [80]. Die Anwendung dieser Methoden befindet sich für die Parotischirurgie aber noch im experimentellen Stadium.
2.3Operationstechnik
2.3.1Lagerung und Anästhesie
Operative Eingriffe an der Ohrspeicheldrüse sollten stets in Intubationsnarkose erfolgen. Die Durchführung solcher Eingriffe in Lokalanästhesie würde zu einer Anästhesie-bedingten, vorübergehenden Fazialislähmung führen. Kontraktionen (Zuckungen) der mimischen Gesichtsmuskulatur als Warnzeichen dafür, dass man sich bei der Präparation im Parotisgewebe in unmittelbarer Nähe zu einem der Nervenäste befindet, würden unterdrückt werden und die Sicherheit des operativen Eingriffs bezüglich der Schonung des Nervus facialis würde verringert werden. Daher sollte, wenn immer möglich, einer Intubationsnarkose ohne Muskelrelaxation der Vorzug gegeben werden.
Der Patient wird auf dem Rücken so gelagert, dass Rumpf und Kopf möglichst nahe zum Operateur hin liegen. Der Kopf muss in einer Lagerungshilfe (Gummiring) stabil, aber für den Operateur beweglich gelagert sein und zur Gegenseite gedreht werden. Der Beatmungstubus sollte im kontralateralen Mundwinkel des Patienten fixiert sein, wobei die Pflasterstreifen für die Fixation nach lateral, also aus der zu operierenden Gesichtshälfte heraus, geklebt sein müssen. Das Augenlid der zu operierenden Seite wird nicht mit einem Pflasterstreifen verschlossen, sondern vor Austrocknung durch eine entsprechende Augensalbe (z. B. Bepanthen®-Augensalbe) geschützt, um Zuckungen des M. orbicularis oculi sicher sehen zu können.
Die sterile Abdeckung mit Tüchern erfolgt so, dass die gesamte zu operierende Gesichtshälfte (Stirn, Nase, Mund, Kinn, Hals und Ohrmuschel der betroffenen Seite) frei bleiben. Das Gesicht wird dann mit einer sterilen, durchsichtigen Inzisionsfolie (z. B. Opraflex® 30 × 20 cm, Firma Lohmann) so abgedeckt, dass die gesamte Gesichtshälfte während des weiteren Operationsverlaufs für den Operateur und seine Assistenten sichtbar bleibt (Abb. [14]). Nur auf diese Weise können Zuckungen der Zielmuskulatur des Nervus facialis als Warnzeichen bei der Präparation zuverlässig erkannt werden.
Subkutan wird anschließend ein Epinephrin-haltiges Lokalanästhetikum (Lidocain 0,5 % mit Epinephrin 1: 200.000, z. B. Xylocain® 0,5 % mit Adrenalin) injiziert. Auf diese Weise wird eine deutlich verringerte Blutung während der weiteren Präparationsschritte erreicht.
Der Operateur sitzt während des gesamten Eingriffs. Dabei hat sich die Benutzung eines Operationsstuhls mit steril beziehbaren Armstützen bewährt, die das Aufstützen von Unterarmen und Ellenbogen bei der Durchführung der mikrochirurgischen Operationsschritte erleichtert. Dem Operateur gegenüber steht oder sitzt der Assistent, die Instrumentierschwester befindet sich zwischen ihnen. Bei größeren Eingriffen sitzt ein 2. Assistent kranial des Kopfes des Patienten, die Instrumentierschwester sitzt dann gegenüber dem Anästhesisten (Abb. [15]).
Abb. 14Folienabdeckung des Gesichtes für das optische Monitoring und erweiterte Hautinzision für eine optimale Freilegung der Parotisregion.
2.3.2Monitoring
2.3.2.1Elektrophysiologisches Monitoring
Intraoperatives Monitoring des N. facialis bedeutet ständige Kontrolle der Fazialisfunktion während der chirurgischen Manipulationen im Bereich des Nerven. Zwar ist nach dieser Definition auch das aufmerksame Beobachten der mimischen Muskulatur durch einen Assistenten eine Form des Monitoring, im allgemeinen Sprachgebrauch wird jedoch unter Monitoring die elektrophysiologische Registrierung von Muskelaktionspotenzialen verstanden, die durch Manipulationen am Nerven ausgelöst werden.
Alle Systeme, die kommerziell zum Zweck des Neuro-Monitorings angeboten werden, weisen einen prinzipiell gleichartigen Aufbau auf: Eine Elektromyographie-(EMG) Einheit ist kombiniert mit einem Impulsgenerator zur Nervenstimulation. Zur Ableitung der Muskelaktionspotenziale werden bipolare Nadelelektrodenpaare in die mimische Muskulatur eingestochen, wobei in der Regel 2 bis maximal 4 Kanäle abgeleitet werden. Die aufgezeichneten Potenziale werden visuell auf einem Oszillographen und gleichzeitig akustisch dargestellt. Die EMG-Ableitung erfolgt kontinuierlich. Manipulationen am Nerven oder in seiner unmittelbaren Umgebung führen zu einer mechanischen Stimulation, die von der Monitoring-Einheit zur Warnung signalisiert wird. Zusätzlich ist die bewusste und gezielte Stimulation des Nerven durch den Operateur mittels einer elektrischen Reizsonde möglich. Wird nach Berührung mit der Sonde der Signalton simultan zu den Reizimpulsen ausgelöst, ist der zu präparierende Nerv als solcher identifiziert. Spezielle Instrumente erlauben die gleichzeitige chirurgische Präparation und elektrische Stimulation. Reizstärke und Ableitungsempfindlichkeit sind am Gerät einstellbar.
Artefakte, also falsch-positive Signale der Monitoring-Einheit, können durch metallische Kontakte im Operationsgebiet, mechanischen Druck oder Zug im Bereich der Gesichtsmuskulatur hervorgerufen werden. Ebenso lösen elektrische Hochfrequenz-Koagulationsgeräte massive Artefakte aus. Alle Monitoring-Einheiten sind daher mit einer Stummschaltung ausgerüstet, die während der Elektrokoagulation die Signalgebung unterdrückt. Für die Zeit des Einsatzes des elektrischen Koagulationsgeräts erhält der Chirurg keine, und damit unter Umständen falsch-negative Signale, da die Monitoring-Einheit funktionslos ist.
Die kumulativen Gesamtkosten pro Einsatz werden in der amerikanischen Literatur auf 379 US$ geschätzt [150].
Der Wert des elektrophysiologischen Monitorings in der Chirurgie der Gl. parotis ist aus unserer Sicht eher eingeschränkt. Folgende Nachteile sind als besonders gravierend hervorzuheben:
-
Nicht ausreichend repräsentative Ableitung: Die Aufzeichnung von 2 Muskelgruppen, wie sie die üblichen 2-Kanal-Geräte erlauben, ist insbesondere in der Peripherie des N. facialis unzureichend. Angesichts der feinen Verzweigung des Nervenfächers ist es offensichtlich, dass zahlreiche Äste des N. facialis zu Muskeln ziehen, die nicht von der Monitoring-Einheit erfasst werden. Eine vollständige Überwachung des Nervenfächers ist somit prinzipiell nicht gegeben.
-
Keine Überwachung bei Elektrokoagulation: Gerade bei Einsatz der bipolaren Elektrokoagulation in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nerven besteht ein hohes Risiko für eine thermische Schädigung. Der Operateur muss sich ständig bewusst sein, dass er bei Einsatz der Elektrokoagulation keine Warnungen von der Monitoring-Einheit erhält!
Aufgrund der genannten Nachteile und wegen der hohen Kosten ist aus unserer Sicht ein routinemäßiges elektrophysiologisches Monitoring zumindest bei Primäreingriffen ohne besondere Risikofaktoren nicht indiziert, zumal bisher Vorteile eines routinemäßigen Monitorings in der Literatur nicht gezeigt werden konnten [32]
[168]. Diese Aussage gilt wohlgemerkt unter der Prämisse, dass ein suffizientes „optisches Monitoring” (siehe unten und Abb. [14]) durch einen Operationsassistenten erfolgt, das nach unserer Erfahrung zudem zuverlässiger und genauer ist. Gerade im angloamerikanischen Raum ist dies jedoch keineswegs selbstverständlich. Die unbestrittene Tatsache, dass ein elektrophysiologisches Monitoring immer noch besser ist als überhaupt kein Monitoring, erklärt vermutlich auch die zunehmende Popularität der EMG-Technik gerade in den USA.
Durchaus anders stellt sich die Situation bei Revisionseingriffen dar. Die visuelle Identifikation von Nervenästen im Narbengewebe kann oft nahezu unmöglich sein. Aufgrund von Vorschädigungen muss zudem die mechanische Nervenstimulation nicht unbedingt von einer sichtbaren Muskelaktivität begleitet sein. Das elektrophysiologische Monitoring detektiert Muskelaktivitäten in solchen Fällen deutlich früher, so dass die Identifikation von Nervengewebe sehr erleichtert sein kann.
Die Wichtigkeit der korrekten, oft sehr unterschiedlichen individuellen Einstellung der Parameter Reizstromstärke und Ableitungsempfindlichkeit sei ausdrücklich erwähnt. Besonders hilfreich kann der Einsatz von speziellen Instrumenten sein, die gleichzeitiges Präparieren und elektrisches Stimulieren erlauben: gerade bei der Neurolyse feiner Nervenäste, die in Narbengewebe eingebettet sind, ist die ständige Rückmeldung der Nervenintegrität simultan zur Präparation wichtig. Für diese speziellen Situationen sind die Vorteile des elektrophysiologischen Monitorings auch in der Literatur gut belegt [107]
[170].
Zusammenfassend kann das Fazit gezogen werden, dass für die überwiegende Mehrzahl aller Ersteingriffe an der Gl. parotis ein elektrophysiologisches Monitoring absolut entbehrlich ist. Im Falle von Revisionsoperationen oder anderen Risikokonstellationen kann das elektrophysiologische Monitoring jedoch ein sinnvolles Hilfsmittel sein, das zur Minderung des Risikos einer Nervenschädigung und zur Verkürzung der Operationszeit beitragen kann.
2.3.2.2Optisches Monitoring
Unter keinen Umständen verzichtbar ist im Gegensatz hierzu das „optische” Monitoring durch einen Assistenten, der die vordringliche Aufgabe hat, den Operateur über Zuckungen der mimischen Muskulatur im Versorgungsbereich des N. facialis zu informieren, denn durch das binokulare Mikroskop oder auch die Lupenbrille (Vergrößerung mindestens 3,5fach) ist das Gesichtsfeld des Operateurs naturgemäß eingeengt. Außerdem schließt seine Konzentration auf die Präparation eine gleichzeitige Kontrolle der Mimik aus (Abb. [15]).
Das optische Monitoring ist nicht störanfällig durch elektroakustische Koppelungen, dagegen aber ungleich sensibler und genauer in Bezug auf die Lokalisation der im Moment gereizten Äste des N. facialis bei der Präparation und während des Einsatzes der bipolaren Koagulation in unmittelbarer Nachbarschaft des Nerven.
Abb. 15Operationssitus
2.3.3Lernkurve
Die Chirurgie der Ohrspeicheldrüse, die in sich das schwerwiegende Risiko einer Gesichtsnervenlähmung birgt, ist für jeden Patienten ein besorgniserregender Eingriff. Prinzipiell steht zu befürchten, dass bei Operateuren, die noch über wenig Erfahrung in der Parotis-Chirurgie verfügen, das Risiko einer postoperativen Parese größer ist als bei jenen, die in dieser Chirurgie routiniert sind. Chirurgische Ausbildung, wenn auch unvermeidbar und immer risikobehaftet, kann ethisch nur gerechtfertigt sein, wenn das qualitative Operationsergebnis des angeleiteten Anfängers nur in tolerablen Grenzen von dem des routinierten Experten abweicht.
Wir untersuchten am eigenen Krankengut, ob der Grad der chirurgischen Erfahrung in relevanter Weise die Qualität des operativen Ergebnisses beeinflusst. Um eine möglichst homogene Studienpopulation zu betrachten, wurden nur Patienten berücksichtigt, bei denen wegen einer nicht-malignen Erkrankung eine laterale Parotidektomie durchgeführt worden war.
Ausgewertet wurden die
-
Funktion des N. facialis unmittelbar nach OP sowie nach 6 Monaten,
-
weiterhin das Auftreten andersartiger postoperativer Komplikationen und
-
die OP-Dauer.
357 Patienten konnten in die Studie eingeschlossen werden. Die Operateure wurden in 3 Gruppen eingeteilt:
-
als „sehr erfahren” wurden Chirurgen mit mehr als 200 Parotidektomien klassifiziert,
-
als „erfahren” galten Operateure mit mehr als 25 aber weniger als 200 Eingriffen,
-
die übrigen wurden als „Anfänger” bezeichnet, wenngleich auch diese Kollegen bereits über reichlich chirurgische Erfahrung verfügten und alle „Anfänger” ihre Facharztweiterbildung bereits absolviert hatten.
Zur Klassifikation der Lähmung wurde der Parese-Index nach Stennert verwendet [140]. Zur erleichterten Auswertung wurden alle geringen Paresen bis zu einem Index von 0/2 (zumeist leichte Marginalisschwächen) als minimale Paresen klassifiziert, alle Lähmungen, die einen Index von 0/3 oder mehr aufwiesen, als deutliche Parese. Aus Abb. [16] kann abgelesen werden, dass bei 66 % der Patienten keinerlei Einschränkungen der Nervenfunktion unmittelbar postoperativ beobachtet wurde, wenn der Eingriff durch einen sehr Erfahrenen vorgenommen wurde. In der Anfängergruppe zeigten hingegen 54 % der Patienten keine Lähmungszeichen. Wichtiger noch erscheint, dass die Paresen der Anfänger in 10 % der Fälle mit einem Pareseindex > 0/3 sehr ausgeprägt waren, während höhergradige Paresen in der Expertengruppe die seltene Ausnahme waren. Im Durchschnitt wurden nach einer individuellen Erfahrung von 10 Eingriffen jedoch kaum noch höhergradige Paresen beobachtet.
Während diese Ergebnisse zunächst gewisse Befürchtungen zu bestätigen scheinen, ändert sich erfreulicherweise das Bild jedoch, wenn die endgültige Funktion des N. facialis 6 Monate nach OP betrachtet wird (Abb. [17]). Hier zeigt sich, dass die große Mehrheit aller Patienten, die ausreichend nachbeobachtet werden konnten, eine völlig normale Nervenfunktion wiedererlangt hatten, und zwar unabhängig vom Erfahrungsniveau des Operateurs. Eine bleibende Schwäche, überwiegend des R. marginalis mandibulae, musste nur in weniger als 3 % aller Fälle verzeichnet werden.
Sowohl für Anfänger als auch für Erfahrene gilt mithin, dass im untersuchten Kollektiv eine dauerhafte Fazialisparese nach lateraler Parotidektomie eine sehr seltene Ausnahme blieb. Auch die Rate postoperativer Komplikationen (Speichelfisteln, Revisionsoperationen, Wundheilungsstörungen) war in diesem Untersuchungsgut bei Anfängern nicht signifikant höher.
Im Vergleich mit der Literatur sind diese Ergebnisse, selbst der Anfängergruppe, mindestens gleichwertig, zum Teil sogar besser [76]
[150]. Verantwortlich für diese positiven Resultate sind aus unserer Sicht vor allem die standardisierte und gut reproduzierbare Operationstechnik und das konsequente Monitoring der Fazialisfunktion durch den Operationsassistenten. Zwar sind vorübergehende Lähmungen des N. facialis nach Operationen durch Anfänger häufiger, eine dauerhafte Schädigung ist jedoch bei der von uns praktizierten OP-Technik mit Präparation des Nervenfächers ausschließlich unter dem Operationsmikroskop und einem permanenten optischen Monitoring außerordentlich selten.
Unter den Voraussetzungen einer ständigen Supervision und einer standardisierten und gut vermittelbaren Operationstechnik stellt somit die laterale Parotidektomie durch den Anfänger kein wesentlich erhöhtes Risiko dar. Eine gesonderte Aufklärung des Patienten über die Ausbildungssituation des Operateurs erscheint daher nicht notwendig.
Abb. 16Fazialisfunktion unmittelbar postoperativ. Minimale Parese ≤ PI 0/2, deutliche Parese ≥ PI 0/3.
Abb. 17Fazialisfunktion 6 Monate postoperativ. Minimale Parese ≤ PI 0/2, deutliche Parese ≥ PI 0/3.
2.4Chirurgie der Sialadenitiden und Sialadenosen
2.4.1Operationsindikation
Im Vergleich zu den Tumoren stellen chronische Sialadenitiden - mit wenigen Ausnahmen - eine relative Operationsindikation dar. Da es sich damit um einen elektiven Eingriff handelt, muss die Aufklärung zur Parotidektomie besonders gründlich durchgeführt werden. Einigkeit herrscht mittlerweile in der Literatur bezüglich der Operationsindikation
-
bei typischen, chronisch entzündlichen Veränderungen des Gangsystems und rezidivierenden, antibiotikapflichtigen Parotitiden,
-
im Falle der Abszedierung,
-
im Falle einer entzündlichen Fazialisparese,
-
beim Vorliegen von Sialolithen, soweit eine Lithotripsie wegen der Größe oder der Lage des Steines nicht in Frage kommt,
-
beim Sjögren-Syndrom: aus kosmetischen Gründen, bei chronischen Schmerzen oder dem Verdacht auf Vorliegen eines NHL.
Die kindliche rezidivierende Parotitis, die entweder durch angeborene Veränderungen des Gangsystems [169] oder durch immunhistochemisch nachweisbare Veränderungen [157] verursacht wird, sollte nur in Ausnahmefällen operativ saniert werden, da hier eine große Tendenz zur spontanen Rückbildung in der Pubertät besteht [86]. Wir sind allerdings der Meinung, dass in jenen Fällen, in denen das Krankheitsbild stark ausgeprägt ist, und es in schneller Folge zu antibiotikapflichtigen Rezidiven und insbesondere zu Abszedierungen nach außen kommt, eine Parotidektomie auch im Kindesalter indiziert ist.
Für die Sialadenosen, bei denen keine Tendenz zur Malignisierung oder zu anderen Komplikationen im Krankheitsverlauf bekannt sind, ist die Indikation zur Operation immer eine kosmetische. Im Vorfeld sollte abgeklärt werden, ob die Sialadenose nicht Ausdruck einer anderen, behandelbaren Erkrankung und damit transient ist, und ob nicht durch Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung auch die Sialadenose konservativ rückbildbar ist [117]
[161].
2.4.2Chirurgische Besonderheiten
Die Chirurgie der chronischen Parotitis und des Sjögren-Syndroms stellt andere Anforderungen an den Operateur als Tumoroperationen. Einerseits besteht bei den entzündlichen Erkrankungen der Parotis nicht die Gefahr, durch die Eröffnung einer Tumorkapsel Tumorgewebe im Operationsgebiet zu verschleppen. Andererseits ist hier ausnahmsweise die Präparation der veränderten Drüse in einzelnen Stücken im Sinne der „klassischen” lateralen Parotidektomie mit sektorenförmiger Spaltung des Außenlappens über den Nervenästen nicht kontraindiziert. Es bestehen jedoch folgende besondere Schwierigkeiten:
-
Narbenzüge haben auch unter dem Operationsmikroskop große Ähnlichkeit mit den Ästen des N. facialis und strahlen zudem häufig in sie ein. Wenn ihre Präparation auch gelingt, so kommt es doch durch Traumatisierung der Nervenäste häufiger zu passageren postoperativen Lähmungen als bei der korrekten Präparation benigner Tumoren.
-
Die entzündlich bedingte Hyperämie führt während der Operation immer wieder zur verstärkten Blutung, deren Beherrschung durch bipolare Koagulation den N. facialis wiederum gefährdet.
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Multiple Mikroabszesse erfordern peri- und postoperativ eine Antibiose und können die Wundheilung komplizieren.
-
Im Gegensatz zur Therapie der benignen Tumoren muss auch der weitaus größere Anteil des Drüsen-Innenlappens reseziert werden, also eine subtotale Parotidektomie durchgeführt werden, da sonst rezidivierend Schmerzen und Entzündungen fortbestehen. Dies verlangt die zusätzliche Mobilisation zumindest der zentralen Anteile des Fazialis-Fächers in dem oft fibrös umgewandelten Parenchym, was ebenfalls die höhere Rate an postoperativen Paresen erklärt. Diese sind zwar meistens reversibel, führen aber dennoch vereinzelt zu Defektheilungen mit Synkinesien und autoparalytischem Syndrom.
Infolgedessen ist sowohl die Operation der chronischen Sialadenitis als auch häufig die Wundheilung bedeutend zeitaufwendiger als die der benignen und manchmal auch malignen Tumoren.
2.5Chirurgie der Parotistumoren
2.5.1Missbildungen
Missbildungen des 1. Kiemengangs wurden von Arnot und Work klassifiziert [5]
[171]. Sie können ohne oder mit anderen Symptomen vergesellschaftet auftreten und sind im Vergleich zu Missbildungen des 2. Kiemengangs recht selten.
Während Typ-I-Missbildungen rein ektodermalen Ursprungs sind und eine Duplikatur des häutigen Gehörgangs darstellen, haben Typ-II-Missbildungen zusätzlich mesodermale Anteile in Form von Ohrknorpel.
Typischerweise findet sich die Öffnung von Typ-I-Duplikaturen ventral und kaudal des Tragus und endet nach einem zum echten Gehörgang parallelen Verlauf weit oberhalb und dorsal des Fazialisfächers blind auf einer Knochenplatte vor dem Mesotympanon des Ohres. Diese Typ-I-Duplikatur kann entweder reseziert oder mit dem Gehörgang marsupialisiert werden und bereitet weder diagnostisch noch operativ Probleme, fehlt doch die differenzialdiagnostische Alternative und die Nähe zum N. facialis.
Typ-II-Duplikaturen bereiten dagegen mitunter große Schwierigkeiten aus mehreren Gründen:
-
sie enden nicht blind, sondern haben im Übergang knorpeliger/knöcherner Gehörgang Anschluss an den letzteren,
-
und außerdem durchziehen sie gewöhnlich die Gl. Parotis im Niveau des Fazialisfächers.
Wir haben sowohl zystische Gänge unter dem Pes anserinus des Nervens, aber auch darüber im Parotisgewebe identifizieren können, und in vielen Fällen kreuzt die Duplikatur die einzelnen Äste des Fächers (Abb. [18]) [141]. Die distale Öffnung des Ganges findet sich ventral des M. sternocleidomastoideus im oberen Drittel des Halses, weshalb die Fehlbildung zunächst als laterale Halsfistel fehlgedeutet wird, obwohl sie eigentlich für letztere viel zu weit kranial gelegen ist. Die Fehlinterpretation führt zur unvollständigen Resektion mit nachfolgend sicherem Rezidiv und manchmal direkt zu einer Verletzung des N. facialis. Bei den meisten Patienten kommt es aber spätestens bei der Rezidivoperation der vermeintlichen „lateralen Halsfistel” durch massive entzündliche Veränderungen und Vernarbungen zur Fazialisverletzung.
Richtungweisend ist neben der Anamnese die Lokalisation der distalen Öffnung der Duplikatur. Bei den meisten Patienten sind seit frühester Kindheit rezidivierende Infektionen im Bereich des Halses, des Kieferwinkels und der Gl. parotis mit Therapie durch Inzision und Drainage zu erfragen. In der Studie von Triglia et al. (39 Patienten) wird zurecht auf die große Anzahl nicht angemessener Operationen und Verletzungen des N. facialis hierdurch hingewiesen [154].
Zur Therapie erforderlich ist bei der Typ-II-Missbildung die komplette Darstellung des Fistelganges und seine restlose Resektion, da sonst immer wieder Infektionen über das offene Lumen zum Gehörgang entstehen. Die vollständige Entfernung der Duplikatur erfordert wiederum durch ihre komplizierte Lagebeziehung zum Fazialisfächer in der Regel die laterale Parotidektomie [141].
Abb. 18Zweijähriges Mädchen, Zustand nach Voroperation einer Gehörgangsduplikatur Typ II. Die Pinzette markiert den Verlauf der exstirpierten Fistel. Der gesamte zervikofaziale Anteil des N. facialis ist bei Z. n. Voroperation ausgedünnt und vernarbt (Pfeile).
2.5.2Benigne Tumoren
2.5.2.1Das pleomorphe Adenom
Inzidenz. Das pleomorphe Adenom ist die häufigste Neoplasie der Speicheldrüsen und klinisch auch der bedeutsamste Tumor mit den häufigsten Komplikationen in der gesamten Parotischirurgie. 54 % aller Parotistumoren (benigne und maligne) sind pleomorphe Adenome. Unter den gutartigen Parotistumoren sind die pleomorphen Adenome mit 65 % die am häufigsten vorkommenden Neoplasien [37]
[132]. Die Inzidenz liegt in Europa bei etwa 1,5 pro 100.000 Einwohner [47]. Im eigenen Krankengut fanden sich unter 998 Parotistumoren 424 pleomorphe Adenome, das entspricht einer Inzidenz von 42 %.
Das mittlere Alter der Patienten beträgt bei Diagnosestellung 45 Jahre und zeigt eine Dominanz des weiblichen Geschlechts gegenüber dem männlichen im Verhältnis 1,6:1.
Histopathologie. Histopathologisch handelt es sich bei diesem Tumor um epitheliales Gewebe, gemischt mit einem mukoid, myxoid oder chondroid anmutenden Gewebe, was zum Begriff Speicheldrüsen-„Mischtumor” geführt hat. Der Tumor leitet sich somit von Zellen ab, deren Zytoskelett sowohl epitheliale als auch mesenchymale Anteile aufweist. Die Parotistumoren können zellreich mit wenig myxochondroidem Stroma bis zellarm mit viel Stroma sein [96]. Molekulargenetisch weisen pleomorphe Adenome wie andere gutartige Speicheldrüsentumoren häufig Anomalien auf dem langen Arm von Chromosom 12 auf (12q14 - 15). Spezifischer sind Translokationen von Chromosom 8 (8q12 - 13) [2]
[12].
Kapselstruktur. Patey und Thackerey haben erstmals darauf hingewiesen, dass pleomorphe Adenome ihre Kapsel penetrieren oder perforieren können [109].
Nach neuesten Untersuchungen von Arnold und Mitarbeitern zeigen zellarme, stromareiche Tumoren deutlich öfter einen Kapseldurchbruch als zellreiche, stromaarme Tumoren [4]. Die Autoren fanden weiterhin bei 90 konsekutiven, komplett eingebetteten pleomorphen Adenomen in 86/90 (95 %) Areale mit sehr dünner Kapsel (< 20 Micrometer), die nur aus wenigen Lagen eines zarten Bindegewebes bestehen. Darüber hinaus fanden sich bei 48/90 (53 %) Areale, in denen überhaupt keine Kapselstruktur nachweisbar war (Abb. [2]) [4].
Rezidivtumoren sind deshalb überwiegend stromareich [96].
Dieses Untersuchungsmaterial gibt Hinweise darauf, dass der Tumor nicht über eine Kapsel im eigentlichen Sinne verfügt, sondern lediglich während seiner Größenzunahme intraparotideales Bindegewebe vor sich herschiebt, so dass man besser von einer Pseudokapsel sprechen sollte.
Ein weiteres Problem stellt die maligne Entartung pleomorpher Adenome dar. Offensichtlich begünstigen eine Zunahme des Alters und der Größe die Entstehung eines malignen Tumors im pleomorphen Adenom. Stromaarme Adenome zeigen häufiger maligne Entartungstendenzen als stromareiche [124]. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig darauf hinzuweisen, dass die stromaarme Variante des pleomorphen Adenoms sich nicht selten in der weiteren histologischen Aufarbeitung als Malignom (- meist Adenokarzinom -) entpuppt.
Die Häufigkeit für das Karzinom im pleomorphen Adenom wird in den großen Studien von Spiro, Eneroth und Seifert mit circa 10 % angegeben [36]
[124]
[132]. Vom klinischen Standpunkt aus gesehen ist es ohne Bedeutung, ob es sich dabei um eine maligne Transformation oder um eine echte Zweitneoplasie handelt.
Diagnostik. Die Patienten beschreiben anamnestisch zumeist ein langsames Tumorwachstum, dass sich in der Regel über mehrere Jahre erstreckt. Palpatorisch sind die Knoten derb und indolent. Diagnostisch entscheidend sind die Sonographie und die Feinnadelpunktionszytologie. Eine weiterführende Bildgebung ist nur bei Tumoren erforderlich, deren Ausdehnung nach retromandibulär mit Hilfe der Sonographie nicht erfasst werden kann (Einzelheiten siehe unter 1.3).
Therapie. Die einzig sinnvolle Therapie ist die operative Entfernung des Tumors.
Eine abwartende Haltung auch bei noch kleinen pleomorphen Adenomen kann fatale Folgen haben, denn mit zunehmendem Tumorvolumen nehmen auch die für das pleomorphe Adenom typischen Risiken zu:
-
neben der schon erwähnten Gefahr der malignen Entartung gerät
-
das Adenom durch die Zunahme seines Volumens zwangsläufig in immer engeren Kontakt zum N. facialis und seinem Fächer. Je größer der Tumor ist, desto schwieriger gestaltet sich das Ablösen des oft elongierten und ausgewalzten Fazialisfächers von der Pseudokapsel des Adenoms. Damit wächst nicht nur die Gefahr der iatrogenen Schädigung des Nerven sondern,
-
vor allem die Gefahr der Kapselruptur mit Aussaat von Tumorzellen in das Wundgebiet (Abb. [19]).
Abb. 19„Miliare” Aussaat eines pleomorphen Adenoms nach unsachgemäßer Voroperation. Die Wange, der Hals, die Haut und die darunter liegenden Muskeln sind durch multiple Adenomknoten infiltriert.
Enukleation. Vor Einführung der Operationstechniken mit dem Operationsmikroskop lag nach einer Tumor-Enukleation die Rezidivrate bei 20 - 45 % der Fälle [93]. Mit Einführung der mikrochirurgischen Technik und der lateralen Parotidektomie für lateral gelegene pleomorphe Adenome sanken die Rezidivzahlen auf 2 % bei einer Nachbeobachtungszeit von über 10 Jahren [55]
[94].
Erstaunlicherweise wird das Entstehen von Rezidiven als direkte Folge einer „Kapsel”-Ruptur von einigen Autoren in Frage gestellt. So berichten Natvig et al., dass es bei einem Kollektiv von 238 an einem pleomorphen Adenom operierten Patienten in 26 Fällen intraoperativ zu einer Ruptur der Kapsel kam, diese Patienten aber innerhalb einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 18 Jahren nur in 8 % (= 2,08 Patienten) ein Rezidiv entwickelten [97].
Wir können in unserem Kollektiv solche Zahlen nicht bestätigen. In unserem Krankengut kam es bei 360 an einem pleomorphen Adenom operierten Patienten innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von 1 - 15 Jahren (Mittelwert 7 Jahre) bei insgesamt 3 Patienten zu einem Rezidiv - das entspricht 0,8 %. Diese vergleichsweise niedrige Rezidivquote führen wir auf die bei uns üblichen Standards der Operationstechnik zurück (siehe Kapitel 2).
Ist es erst zu einer Aussaat von Zellkomplexen des pleomorphen Adenoms gekommen, so kommt es in der Folge zu multiplen Rezidiven des pleomorphen Adenoms, die aus einem bisher nicht geklärten Grund mitunter zu einer geradezu miliaren Aussaat in die gesamten Gesichts- und Halsweichteile führen können. Bezüglich der Rezidivneigung verhält sich das pleomorphe Adenom dann wie ein maligner Tumor (Abb. [19]).
Bereits die primäre Operation bewirkt eine massive Narbenbildung im gesamten Operationsgebiet, die nicht nur die Resektion der Rezidivtumoren erheblich erschwert, sondern die gleichzeitig die erneute Freilegung der Fazialisäste extrem erschwert und dadurch ein hohes Risiko für die Fazialisfunktion darstellt. Bei Patienten mit ausgedehnter Aussaat muss im späteren Verlauf als Ultima Ratio der Nervus facialis zugunsten einer radikal sanierenden Chirurgie reseziert werden, wobei in dieser Hinsicht eine Endsituation wie bei einem malignen Tumor entsteht.
Deshalb halten wir gewisse Standards in der Chirurgie der pleomorphen Adenome für obligat:
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die weite Aufdeckung des Operationssitus ist essenziell; der kleinste Eingriff zur Entfernung eines pleomorphen Adenoms ist die laterale Parotidektomie. Zur Entfernung großer Eisbergtumoren empfiehlt sich ein kombinierter Eingriff von lateral und via passagerer medianer Mandibulotomie;
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die Präparation mit visueller Hilfe (binokulares Mikroskop oder wenigstens Lupenbrille);
-
die chirurgische Präparation des Adenoms im Drüsengewebe so weit wie möglich entfernt von der Tumorkapsel; letztere sollte möglichst von gesundem Gewebe bedeckt bleiben („no touch therapy”); im günstigsten Fall kommt der Tumor dem Operateur nicht zur Ansicht;
-
die „Enukleation” des Adenoms ist strikt zu vermeiden; sie hat bei einer Erstoperation als Kunstfehler zu gelten!
Eine Enukleation ist nur dann zulässig, wenn es sich um einen kleinen solitären Rezidivknoten in einem vernarbten Operationssitus handelt.
Bei einem Ersteingriff gibt es nur eine Ausnahmesituation, die es rechtfertigt, die Kapsel des pleomorphen Adenoms darzustellen: das ist der Fall, wenn der N. facialis unmittelbar über die „Kapsel” des Adenoms verläuft und möglicherweise von ihm verlagert und flachgewalzt ist (Abb. [20]). Da in dieser Situation prinzipiell die Gefahr der Kapselruptur besteht, sollte man sich rechtzeitig auf diese Komplikation vorbereiten. Folgendes Vorgehen hat sich in unserer Klinik bewährt:
Kommt es nun tatsächlich zu einer Kapselverletzung, so wird an der Stelle der Verletzung sofort Fibrinkleber aufgebracht, um zunächst das Leck zu verschließen.
Die Läsion muss danach vom Operateur stets im Auge behalten werden, um möglicherweise austretende Zellverbände sofort mit dem Sauger entfernen zu können, bevor sie in die Umgebung gelangen. Keinesfalls darf in dieser Situation Blut durch Abtupfen mit Kompressen entfernt werden, weil dies zur Verschleppung von Tumorzellen führt. Am Ende der Resektion wird schließlich die Wunde mit 3 %igem H2O2 gespült.
Abb. 20Von einem pleomorphen Adenom ausgewalzter Fazialisfächer. a Z. n. lateraler Lobektomie. b Ablösen zweier Rami zygomatici von der Pseudokapsel des Adenoms.
2.5.2.2Das Zystadenolymphom
Inzidenz. In Übereinstimmung mit der internationalen Literatur stellt der erstmals von Hildebrand (1895) erwähnte Warthin-Tumor oder das Zystadenolymphom in unserem Krankengut mit 24 % (235/998) den zweithäufigsten gutartigen, parenchymalen Tumor der Speicheldrüsen dar [53]
[172]. Der glatt begrenzte Tumor ist häufig im dorso-lateralen Anteil der Parotis lokalisiert und kann dort in seltenen Fällen mit lateralen Halszysten verwechselt werden [123].
Das Vorkommen außerhalb der großen Kopfspeicheldrüsen, z. B. im Nasenrachenraum oder in Lymphknoten, stellt eine Rarität dar [6]
[172].
Histopathologie. Der Warthin-Tumor scheint aus einer initialen adenomatösen Proliferation der Gangepithelien, gefolgt von einer lymphozytären Infiltration, auszugehen [1]. Frühere Arbeiten gehen von Parenchymeinschlüssen in Lymphknoten aus, was als Argument für das häufige multilokuläre und insbesondere auch bilaterale Auftreten herangezogen wurde. Histologisch erkennt man neben lymphoidem Stroma doppelreihig angeordnete Tumorzellen, die die Zysten begrenzen, bzw. papilläre Erhebungen bilden [123].
Die Histogenese des Warthin-Tumor wird kontrovers diskutiert. Das vereinzelt als Verursacher postulierte Epstein-Barr-Virus konnte experimentell nicht nachgewiesen werden [160]. Allerdings scheinen immunmodulierende Prozesse eine gewisse Rolle zu spielen [42]. Die in der Literatur als Auslöser vermuteten metaplastischen Veränderungen im Stroma des Tumors nach Feinnadelaspiration [28]
[42] halten wir für wenig wahrscheinlich. Epidemiologische Untersuchungen ergaben eine erhöhte Inzidenz für Raucher. Definitive Ursachen hierfür sind nicht bekannt [42]
[172]
[173].
Diagnostik. Diagnostisch sollte neben der Ultraschalluntersuchung immer auch eine Punktionszytologie durchgeführt werden. Diese liefert jedoch nur dann reliable Ergebnisse, wenn die Punktion aus den Randbereichen des Tumors erfolgt. Dies ist zuverlässig nur unter Ultraschallkontrolle möglich.
Auf die Durchführung einer NMR-Untersuchung kann auch bei Tumoren in der Pars profunda oder bei multiplen Tumoren in einer Drüse verzichtet werden (Abb. [21]).
Therapie. Therapeutisch kommt nur die chirurgische Entfernung der Drüse in Frage. Wegen der prinzipiellen Tendenz von Zystadenolymphomen zum multilokulären Auftreten sollte immer eine subtotale Parotidektomie angestrebt werden. Auffällig ist intraoperativ die gleichzeitige Präsenz von Venektasien bzw. Gefäßmissbildungen, die zu einer erhöhten intraoperativen Blutungsneigung führen. Bei der bipolaren Koagulation dieser intraparenchymalen Gefäße muss sorgfältig auf die Vermeidung von hitzebedingten Läsionen des Nerven geachtet werden. Im Übrigen entspricht das Vorgehen den Ausführungen in Kap. 2.
Abb. 21Zystadenolymphom mit großem zystischen Anteil in der Sonographie und Niederschlag von Zelldetritus in der hochauflösenden MRT.
2.5.2.3Angiome
In der Gl. parotis sind Hämangiome, Lymphangiome, oder Lymph-Hämangiome besonders häufig; ihre Inzidenz beträgt nach Seifert circa 5 % aller Parotistumoren. Im Neugeborenen- und Kleinkindesalter stellen diese nichtepithelialen Tumoren mit fast 50 % sogar die häufigste gutartige Tumorform im Bereich der Gl. parotis dar [77]. Die Hälfte der betroffenen Kinder leiden bereits von Geburt an unter der Tumorerkrankung [46]. Die lokale Beschränkung auf die Gl. parotis scheint die Ausnahme zu sein. Ein ausgedehnter Befall der benachbarten zervikalen, pharyngealen oder bukkalen Strukturen wird häufig beschrieben [118].
Klinisch imponieren diese Tumoren unterschiedlich. Typisch ist der palpatorisch sehr weiche, teilweise sogar schwammige Charakter. Überwiegen die hämangiomatösen Anteile, scheint der Tumor oftmals bläulich durch die Haut. Bei Befall der pharyngealen Strukturen ist dieses Bild auch im Bereich der Mukosa zu sehen. Ausgedehnte Tumoren können zu Sprech-, Schluck- und Atemschwierigkeiten führen. Ggf. ist eine Tracheostomie erforderlich (Abb. [22]) [108].
Abb. 22Ausgedehntes Lymphangiom des Gesichtes, Halses und der Gl. parotis rechts ohne klare Abgrenzung gegen die Gesichtsweichteile.
Histologie. Histologisch handelt es sich um eine Infiltration des Gesichts- und Halsweichteilgewebes durch Blut- oder/und Lymphkapillaren ohne Respektierung von Organgrenzen. Die kavernösen Formen dieser Tumorentität sind durch eine zystische Aufweitung der Kapillaren charakterisiert. Eine maligne Entartung ist nicht beschrieben.
Diagnostik. Sie basiert auf dem klinischen Bild sowie primär auf Ultraschalluntersuchungen. Größere Tumoren müssen vor Durchführung therapeutischer Schritte kernspintomographisch abgeklärt werden. Die Feinnadelpunktionszytologie bleibt bei den Angiomen oft unspezifisch.
Therapie. Die Therapie und damit die Prognose dieser Tumoren hängt entscheidend von der Ausdehnung ab. Folgt man den Angaben in der Literatur, wird im Wesentlichen folgendes Vorgehen empfohlen: während umschriebene, auf die Gl. parotis lokalisierte Tumoren operativ mit dem umliegenden Drüsengewebe in Form einer lateralen oder totalen Parotidektomie reseziert werden sollten, ist die komplette Entfernung bei ausgedehnteren Tumoren häufig extrem schwierig [18]
[34]
[88]
[126]
[164].
Die Einschätzung der Therapierbarkeit und die Empfehlung des „strategischen Vorgehens” aufgrund eigener Erfahrung müssen unter Vorbehalt gegeben werden, weil die Zahl der behandelten Patienten statistisch abgesicherte Konzepte nicht erlaubt.
Kleine sowie erst im Verlauf des Kindesalters auftretende Angiome rechtfertigen eine abwartende, beobachtende Haltung.
Umschriebene, im Erwachsenenalter auftretende Angiome können je nach Lagebeziehung zum Fazialis entweder reseziert oder durch Injektion von Fibrinkleber, Ethiblock sowie andere fibrosierende, sklerosierende oder thrombosierende Substanzen obliteriert werden [158].
Im Folgenden soll die Rede von den großen, angeborenen Angiomen sein, von denen die Parotis mitbefallen ist, weil ihre Therapie extrem problembehaftet ist und die operative Sanierung unter allen Neoplasien die größte Herausforderung darstellt. Während in der Malignomchirurgie jedes „zuwenig” in der Katastrophe enden kann, gilt dies bei den Angiomen für jedes „zuviel”.
Hämangiome. Sie sind durch ihr klinisches Erscheinungsbild und die Bildgebung - vornehmlich MRT - bezüglich ihrer Ausdehnung in der Regel besser abgrenzbar als Lymphangiome. Dies gilt auch intraoperativ im Hinblick auf ihre Tumorgrenzen gegenüber den angrenzenden Weichteilen (Abb. [23]).
Wird der Tumor für resezierbar gehalten - was im Ermessen des einzelnen Operateurs liegt - so sollte der MRT eine Angiographie folgen, die ihrerseits dem interventionell erfahrenen Radiologen Auskunft über die Option zur Embolisation gibt.
Die Operation muss danach so geplant sein, dass sie innerhalb von maximal drei Tagen nach durchgeführter Embolisation erfolgt.
Soweit die Tumorresektion im Parotisbereich erfolgt, ist zusätzlich zum „optischen Monitoring” (siehe Kapitel 2.3.2) ein elektrisches Monitoring in Form eines EMG aus der Zielmuskulatur jener Nervenäste empfehlenswert, die es zu präparieren gilt. Dabei kann ein Wechsel der Elektroden während der Operation erforderlich werden.
Gestaltet sich die Neurolyse von funktionell besonders wichtigen Anteilen des Nervenfächers als zu riskant oder unmöglich, sollte man sich auf eine partielle Resektion und damit auf eine Verkleinerung des Tumors beschränken. Die anschließend einsetzende Vernarbung vermindert zusätzlich die Blutversorgung des zurückbleibenden Tumorgewebes. Die Resektion gelingt im Hinblick auf den Erhalt der Nervenfunktion am besten durch schrittweise und behutsame Koagulation mit bipolaren Pinzetten und/oder Koagulation mit dem Argon-Plasma.
In die Therapieplanung sollte von Anfang an der pädiatrische Onkologe einbezogen werden. Unter seiner Verantwortung kann die Kombination von niedrig dosiertem Kortison und einer - allerdings kontrovers diskutierten - Low-Dose-Strahlentherapie zumindest ein weiteres Wachstum des Angioms verhindern oder sogar zur partiellen Remission führen [34]
[126].
Abb. 23Hämangiom des M. masseter mit unmittelbarem Kontakt zur Gl. parotis. T1-Wichtung, Gadolinium-DTPA, T2-Wichtung: Das Angiom ist gut abgegrenzt und deutlich septiert.
Lymphangiome. Ihre Behandlung ist ungleich problematischer. Schon die verlässliche Bestimmung ihrer Ausdehnung durch die Bildgebung (MRT) ist kaum möglich, weil sich die Missbildung in der Peripherie in den unzähligen abführenden Lymphspalten verliert, und weil deren Darstellung im MRT abhängig ist von ihrem Füllungszustand. Lediglich die größeren Kavernen kommen zur Darstellung. Das Lymphangiom ist kein solider Tumor mit klar definierten Grenzen.
Dieses Phänomen zeigt sich intraoperativ bei den großen Lymphangiomen noch verstärkt: es hält sich an keine Organgrenzen und mündet in seiner Peripherie wie in einem nicht übersehbaren Flussdelta mit unzähligen Wasserarmen. Die Manifestation der Missbildung ist deshalb intraoperativ meistens ausgedehnter als nach dem MRT erwartet. Versuche einer kompletten Resektion im Kopf-, Halsbereich, enden deshalb meistens - wie auch bei den großen Hämangiomen - in einer „destruktiven Chirurgie”.
Ist dabei die Parotis subtotal oder total vom Lymphangiom durchsetzt, findet sich intraoperativ eine besonders fatale Situation in doppelter Hinsicht:
-
Die Nervenäste verlaufen innerhalb der Trabekelwände, die das einzige Gewebesubstrat des Tumors darstellen und genau dieses reseziert werden muss um den Tumor zu eliminieren.
-
Die Farbe und die dünne strangartige Form der Trabekel entspricht exakt jener der Nervenäste, so dass sich nur selten die Fazialisäste überhaupt identifizieren lassen.
Die Resektion des Tumors im Parotisbereich bedeutet deshalb praktisch immer die gleichzeitige Resektion des Fazialisfächers ohne eine Chance auf eine Rekonstruktion!
Wir möchten deshalb aufgrund er eigenen Erfahrung folgendes therapeutisches Vorgehen empfehlen:
-
Konsultation des pädiatrischen Onkologen, um mit konservativen Mitteln das weitere Wachstum zu kontrollieren oder sogar eine Teilremission zu erreichen.
-
Zwingt das Ausmaß des Tumors aus funktionellen Gründen zu einer operativen Intervention im Parotisbereich, so sollte
a)die Parotis von einem Resektionsversuch ausgespart bleiben
b)die Resektion des Tumors in mehreren Einzelsitzungen geplant werden, um in längeren Pausen (jeweils etwa 3 - 6 Monate) die funktionellen Konsequenzen und das weitere Tumorverhalten beurteilen zu können.
Diverse andere Therapiemodalitäten werden in der Literatur diskutiert, ohne dass hier eine abschließende Beurteilung möglich ist [82]
[165]
[174].
Bei den großkammerigen Lymphangiomen haben wir gute Erfahrungen mit der sonographisch gesteuerten Instillation eines Streptokokken-Antigens (OK-432) gemacht. Insbesondere bei großzystischen kavernösen Lymphangiomen hat sich seit einigen Jahren eine Sklerosierungstherapie mit dem Streptokokkenlyophilisat Picibanil bewährt [103].
2.5.2.4Andere benigne Tumoren
Neben den Zystadenolymphomen sind die monomorphen Adenome wie Speichel- und Basalzelladenome sowie das Onkozytom bevorzugt in der Gl. parotis lokalisiert. Sie gehören ebenfalls zu den epithelialen Tumoren. Eine maligne Entartung wird nicht beschrieben. Auch hier ist je nach Lokalisation die Tumorentfernung im Sinne einer lateralen oder subtotalen Parotidektomie zu empfehlen.
Die selten vorkommenden Lipome lassen sich durch die MRT eindeutig identifizieren; ihre klar strukturierte bindegewebige Abgrenzung gegen das übrige Parotisgewebe erlaubt hier ausnahmsweise die Enukleation. Neurinome und Neurofibrome des N. facialis werden in Kap. 2.5.4 behandelt.
2.5.3Primäre Tumoren des N. facialis
Primäre, d. h. vom N. facialis selbst ausgehende Tumoren sind sehr selten. In der Literatur sind bislang etwa 250 Fälle beschrieben. Histopathologisch handelt es sich dabei in 90 % der Fälle um gutartige Neurinome (Schwannome), die von den Schwannzellen des Nervs ausgehen. Unter die restlichen 10 % der bisher beschriebenen 250 Fälle fallen das ebenfalls gutartige Neurofibrom, der Granularzelltumor und das neurogene Sarkom.
2.5.3.1Fazialisneurinome
Inzidenz. Nach Untersuchungen an Felsenbeinen liegt die Inzidenz asymptomatischer Neurinome des Nervus facialis bei 0,1 - 0,8 % [119].
Diagnostik. Das führende Symptom der Tumoren ist die Fazialisparese. Tumoren des Nervus facialis sind für etwa 5 % aller Fälle von tumorbedingten Fazialisparesen verantwortlich. Zunächst werden die durch diese Tumoren verursachten Paresen häufig als idiopathische Fazialisparesen fehlgedeutet [58].
Weitere Symptome von Fazialisneurinomen sind eine Hörminderung und Schwindel [102].
Die meisten Fazialisneurinome liegen im intratemporalen Abschnitt des Nervs. Im mastoidalen Segment des Nervs finden sich 59 % der Fälle. 20 % finden sich im labyrinthären oder intrameatalen Segment, 11 % im tympanalen Segment. 5 % der Tumoren liegen im extratemporalen Abschnitt und werden als Raumforderungen in der Ohrspeicheldrüse auffällig (Tab. [1]).
Tab. 1Lokalisation der Fazialisneurinome (nach Liliequist, Wigand und Kim [71]
[81]
[166])
rein intrakraniell | ca. 21 - 25 % |
intratemporal | ca. 8 - 90 % |
rein extratemporal | ca. 5 % |
Die wenigen Untersuchungen, die zu diesem Thema durchgeführt wurden, divergieren in ihren Ergebnissen erheblich. Ein entscheidender Grund hierfür ist, dass sich die Tumoren nicht an topographische Grenzen halten, sondern übergreifend verschiedene Segmente des N. facialis betreffen. Letztlich wird das operative Vorgehen von den Ergebnissen der individuellen Bildgebung bestimmt. Bei jeder idiopathischen Fazialisparese ohne Erholungszeichen binnen 6 Monaten und bei jeder unklaren intratympanalen Raumforderung muss auch an das Vorliegen eines primären Fazialistumors gedacht werden. Dann sollte neben der audiologischen und elektromyographischen Standarddiagnostik eine Kernspintomographie des Schädels vorgenommen werden, da die Neurinome eine charakteristische Gadoliniumanreicherung aufweisen [147].
Therapie. Die Therapie der Wahl ist die komplette mikrochirurgische Tumorexstirpation und die sofortige Rekonstruktion des Nervus facialis. Vanden et al. vertreten die Meinung, das bei Kindern und bei langsamem Tumorwachstum eine abwartende Haltung bei regelmäßigen klinischen und radiologischen Kontrollen favorisiert werden kann [159]. Diese Haltung ist in unseren Augen abzulehnen, da der Tumor letztlich doch operiert werden muss. Mit zunehmender Tumorgröße steigt zudem die Komplikationsrate, und die funktionellen Ergebnisse werden möglicherweise schlechter. Vor der Rekonstruktion muss durch Schnellschnittdiagnostik sicher gestellt werden, dass der Tumor komplett entfernt wurde.
Eine Beschreibung der Zugangswege - transmastoidal, transtemporal, kombiniert mit einer Parotidektomie - findet sich bei Pulec [114]. Wigand und Wolf [166] empfehlen bei kleineren Tumoren, die weniger als 50 % des Nervendurchmessers erfassen und nicht größer als 1,5 cm sind, eine partielle Nervenresektion mit Kontinuitätserhalt des restlichen Nerven. Die Autoren weisen jedoch auch darauf hin, dass es selbst unter dem Mikroskop schwierig ist, solche Neurinome gegenüber gesundem Nervengewebe abzugrenzen. Aus diesem Grund plädieren wir für eine komplette Resektion des jeweiligen Nervenabschnittes [142]. In den überwiegenden Fällen müssen solche Defekte durch ein freies Interponat (N. auricularis magnus) überbrückt werden. In seltenen Fällen gelingt eine End-zu-End-Nervenanastomose durch Rerouting. Ist ein ausgedehntes Rerouting notwendig, so sind die Ergebnisse nicht besser als mit einem Nerventransplantat [17]. Im Falle von ausgedehnten Tumoren oder einer Lokalisation der Tumorresektion proximal des Ganglion geniculi stellt die Hypoglossus-Fazialis-Anastomose häufig eine sinnvolle Rekonstruktionsmethode zur Rehabilitation der Gesichtsmuskulatur dar [110]
[136].
2.5.4Maligne Tumoren der Gl. parotis
Die insgesamt seltenen malignen Tumoren der Glandula parotis (circa 20 % der Neoplasien der Glandula parotis, circa 2 % aller maligner Tumoren des Körpers) werden häufig in ihrer Bösartigkeit unterschätzt. Sie sind durch ihre außerordentliche histologische Vielfalt gekennzeichnet, so dass sich die zytologische und histologische Zuordnung auch für erfahrene Pathologen manchmal als schwierig erweist. Die Analyse unseres Krankengutes der letzten 10 Jahre zeigte folgende Häufigkeitsverteilung dieser Malignome (Tab. [2]):
Tab. 2Parotismalignome: Inzidenz
Histologie | n | % |
Metastasen | 26 | 14 |
adenoidzystisches Karzinom | 23 | 13 |
Adenokarzinom | 20 | 11 |
Mukoepidermoidkarzinom | 18 | 10 |
Azinuszellkarzinom | 17 | 9 |
undifferenziertes Plattenepithelkarzinom | 17 | 9 |
Non-Hodgkin-Lymphom | 16 | 9 |
differenziertes Plattenepithelkarzinom | 13 | 7 |
epithelial-myoepitheliales Karzinom | 9 | 5 |
lymphoepitheliales Karzinom | 8 | 4 |
onkozytäres Karzinom | 3 | 2 |
Karzinom im pleom. Adenom | 3 | 2 |
Basalzelladenokarzinom | 2 | 1 |
andere | 9 | 5 |
gesamt | 184 | 100 |
Diese deckt sich - bis auf zwei Einschränkungen - mit anderen größeren Studien und dürfte daher einem repräsentativen Querschnitt entsprechen. Die Ausnahmen in unserem Krankengut sind die hohe Anzahl an Metastasen anderer Tumoren in der Parotis und die geringe Anzahl von Karzinomen in pleomorphen Adenomen.
Leitsymptome der malignen Tumoren der Glandula parotis sind in absteigender Reihenfolge: Schwellung, Schmerzen und die Lähmung des N. facialis.
Die Chirurgie der malignen Tumoren der Parotis hat folgende Ziele:
-
Tumor-Eradikation und lokale Kontrolle,
-
Therapie des Lymphabflusses,
-
Erhalt der mimischen Funktion.
Primär sollte stets versucht werden, den N. facialis zu erhalten. Ist eine Resektion unumgänglich, muss die Rekonstruktion einzeitig erfolgen.
Vor diesem Hintergrund sollen nun die unterschiedlichen Tumoren und eine sinnvolle Therapie diskutiert werden. Grundsätzlich gilt für alle Malignome, unabhängig von ihrer Histologie und Subklassifikation, die Regel, den N. facialis zu erhalten, solange zwei Kriterien erfüllt sind:
-
Wenn keine präoperative Parese besteht und sich auch elektromyographisch keine De- und Regenerationszeichen finden.
-
Wenn sich bei der streng unter dem Mikroskop durchzuführenden Resektion kein unmittelbarer Kontakt des Tumors zum Nerven bzw. einem seiner Äste ergibt.
2.5.4.1Adenoidzystisches Karzinom
Inzidenz und Histopathologie. Das adenoidzystische Karzinom (ACC) stellt nach dem Mukoepidermoidkarzinom, dem Adenokarzinom und dem malignen Mischtumor den vierthäufigsten malignen Tumor der Parotis dar. Es hebt sich von den anderen Parotismalignomen durch sein außergewöhnlich langsames und dennoch höchst aggressives Tumorwachstum ab. Die extrem hohe Aggressivität wird vor allem durch das frühzeitige Wachstum entlang von Nerven und Gefäßen und die frühe Invasion ossärer Strukturen bedingt. Die Einschätzung der Aggressivität anhand der histologischen Subtypisierung des ACC in tubuläre, cribriforme und solide Wachstumsformen mit schlechtester Prognose bei den soliden ACC ist durch viele Untersuchungen bestätigt worden [59]
[62].
Diagnostik. Oft hat die perineurale und -vaskuläre Infiltration bereits vor der Entwicklung einer palpatorisch oder mittels Bildgebung nachweisbaren Raumforderung stattgefunden [25], so dass zum Beispiel die periphere Fazialisparese als Erstsymptom bei sonst klinisch unauffälliger Glandula parotis nicht selten ist [60]. Zudem führt dieses primär infiltrative Wachstum dazu, dass der Tumor die in der Bildgebung und makroskopisch erkennbaren Tumorgrenzen oft weit überschreitet.
Therapie. Gerade bei den oft jungen Patienten mit ACC wird die Therapieplanung mit kritischer Abschätzung der Prognose immer individuell erfolgen:
Wie oben betont, bedeutet auch bei der soliden Variante mit ihrer prinzipiell schlechteren Prognose die Resektion des N. facialis keine Notwendigkeit, solange der Tumor keinen unmittelbaren Kontakt mit ihm hat.
Vor allem beim ACC, bei dem die ausreichende Radikalität des Ersteingriffs von besonderer Bedeutung ist, aber auch bei allen anderen Parotismalignomen muss bei der totalen Parotidektomie nicht nur das medial des Nervus facialis auf dem Unterkiefer gelegene Speicheldrüsengewebe entfernt werden. Besondere Sorgfalt erfordert die Resektion der Pars profunda parotis in der Fossa mediomandibularis. Zur kompletten Ausräumung dieser Region ist die Absetzung der Arteria carotis externa oberhalb der Arteria thyroidea superior und die Resektion des hinteren Bauches des M. digastricus empfehlenswert. Diese Resektion stellt dann bereits den kontinuierlichen Übergang zur angrenzenden Neck-dissection dar.
Je radikaler bis verstümmelnder operative Eingriffe in der Vergangenheit durchgeführt wurden, desto sicherer war die lokale Kontrolle und die Länge des rezidivfreien Intervalls [131]. Allerdings führte die hohe Rate an Fernmetastasen zu keiner Verbesserung des Überlebens [146]. Auf der anderen Seite traten Fernmetastasen überdurchschnittlich häufig bei Patienten mit locoregionärem Rezidiv auf, und der Nachweis von tumorfreien Resektionsrändern war signifikant häufiger mit einem langen tumorfreien Überleben verbunden [16]
[48]. Dies weißt auf die therapeutische Bedeutung einer initial radikalen Resektion hin.
Ist es zu einer meist pulmonalen Fernmetastasierung gekommen (Abb. [24]), wird die palliative Resektion von lokalen Rezidiven trotzdem befürwortet, da das ACC bekanntermaßen langsam wächst, und mehrjährige Überlebenszeiten nach Fernmetastasierung die Regel sind.Weiterhin ist das ACC durch sein langsames und zum Teil unvorhersehbares Wachstum charakterisiert. Wenn schon bei den anderen Parotismalignomen die Erhebung einer 5-Jahres-Überlebenszeit nicht ausreicht, um eine sichere Prognose für den definitiven Verlauf zu geben, so gilt dies in noch größerem Maße für das ACC. Bei dem ACC scheint ein Plateau in der Überlebenskurve nicht erreichbar zu sein, da auch nach mehr als 10 Jahren noch Tumorrezidive auftreten.
Bereits im Stadium T1 sollte beim ACC immer eine totale Parotidektomie mitsamt einer dem N-Stadium angepassten (supraomohyoidalen) Neck-dissection durchgeführt werden. Lässt sich der präoperativ intakte Nervus facialis intraoperativ mikroskopisch mit einer Schicht gesunden Gewebes vom Tumor lösen, kann er erhalten werden. Bei präoperativer Fazialisparese und bei mikroskopischer Infiltration des Nervus facialis sollte er reseziert und möglichst in gleicher Sitzung bei schnellschnitthistologisch tumorfreien Nervenenden rekonstruiert werden. Die Nervenresektion muss sicher im Gesunden erfolgen, da gerade beim ACC diskontinuierliches Tumorwachstum innerhalb der Nervenscheide, sogenannte ‘skip lesions’, beschrieben wurden [74]. Geschieht dies nicht, kommt es zu perineural wachsenden Rezidiven entlang der rekonstruierten Nerven bis hin zur Schädelbasis mit konsekutiver Inkurabilität.
Selbst bei Patienten, bei denen eine beginnende pulmonale Metastasierung nachgewiesen ist, halten wir eine Tumorresektion nach den oben genannten Kriterien für indiziert, weil erfahrungsgemäß die pulmonalen Metastasen eine sehr langsame Progression zeigen. Nur bei weit fortgeschrittener Metastasierung ist individuell zu entscheiden, ob auf eine lokale Kontrolle zugunsten einer guten Funktion des N. facialis verzichtet werden soll [89]
[153].
Das ACC scheint auf eine postoperative Radiatio besser anzusprechen als Adenokarzinome [52], so dass die postoperative Radiatio in der Therapie des ACC empfohlen wird. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die noch immer häufig propagierte „Neutronentherapie” hinsichtlich ihrer Wirksamkeit keine Vorteile im Vergleich zur konventionellen Radiotherapie aufweist, dafür aber mit höheren strahlenbedingten Komplikationen belastet ist.
Abb. 24Röntgen-Thorax einer 43-jährigen Patientin mit adenoidzystischem Karzinom bei guter lokaler Kontrolle und subjektivem Wohlbefinden: die Lunge zeigt multiple Metastasen.
2.5.4.2„Low-grade”-Azinuszellkarzinom und Mukoepidermoidkarzinom
Inzidenz und Histopathologie. Sowohl das Mukoepidermoidkarzinom (10 % der malignen Tumoren), als auch das Adenokarzinom (9 % der malignen Tumoren) und das Azinuszellkarzinom (9 % der malignen Tumoren) werden anhand ihrer histologischen Differenzierung noch einmal in „low-” und „high-grade malignancy”-Formen (hoch bzw. niedrig maligne Tumoren) subtypisiert. Diese histologische Subtypisierung korreliert mit den unterschiedlichen Prognosen dieser Tumorerkrankungen [79]. Die beste Prognose haben das hochdifferenzierte Azinuszellkarzinom und das „Low-grade”-Mukoepidermoidkarzinom.
Therapie. Selbst bei einem auf den Außenlappen beschränkten hoch differenzierten Azinuszellkarzinom oder „Low-grade”-Mukoepidermoidkarzinom sollte unserer Meinung nach immer eine totale Parotidektomie durchgeführt werden, und die in der Literatur oft vertretene Meinung, dass eine laterale Parotidektomie ausreiche, halten wir eindeutig für falsch. In diesem Sinne berichtet auch Oliveira über 15 Patienten mit niedrig-malignem Azinuszellkarzinom, von denen nur 5 Patienten initial mit einer totalen Parotidektomie therapiert worden waren. Sechs der sieben Rezidive waren im Ersteingriff nur enukleiert oder lateral parotidektomiert worden [104]. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass eine primär inadäquate Therapie auch bei Parotistumoren mit histologisch relativ guter Prognose zu unvertretbar hohen Rezidivraten führt.
2.5.4.3„High-grade”-Azinuszellkarzinom und Mukoepidermoidkarzinom
Während das „Low-grade”-Mukoepidermoidkarzinom eine der besten Prognosen aller Parotismalignome aufweist, hat das „High-grade”-Mukoepidermoidkarzinom je nach lokaler Tumorausbreitung eine mittelmäßige bis sehr schlechte Prognose. Bis zu 44 % der Patienten mit „High-grade”-Mukoepidermoidkarzinom haben bereits bei der Erstmanifestation Lymphknotenmetastasen [112]. Entsprechend häufig treten lokoregionäre Rezidive auf mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von lediglich 25 %! Hier ist also ebenfalls primär eine großzügige Resektion in Form einer totalen oder radikalen Parotidektomie mit gleichzeitiger Neck-dissection und postoperativer Radiatio unbedingt indiziert.
Beim gering differenzierten Azinuszellkarzinom ist wegen seines lokal infiltrierenden Wachstums und seiner Neigung zu lokalen Rezidiven die totale Parotidektomie mit Neck-dissection ebenfalls die Therapie der Wahl. Es deutet sich an, dass bei der beschriebenen Radikalität der Primär-Resektion deutlich bessere 10-Jahres-Überlebensraten als die in der Literatur beschriebenen von 30 % erzielt werden können [79].
Auch für diese Tumorentität wird die Durchführung einer postoperativen Radiatio empfohlen [52]
[99]
[111]
[155].
2.5.4.4Adenokarzinome
Inzidenz und Histopathologie. Die Adenokarzinome sind nach dem Mukoepidermoidkarzinom die zweithäufigsten malignen Tumoren der Glandula parotis. Sie werden histologisch in solide, papilläre und tubuläre Wachstumsformen unterteilt.
Im Gegensatz zum ACC und zum Mukoepidermoidkarzinom korreliert die histologische Subtypisierung beim Adenokarzinom nicht mit einer unterschiedlichen Prognose. Die Prognose aller Adenokarzinome der Glandula parotis ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 40 % schlecht.
Die Diagnostik erfolgt in der Regel mittels Schnittbildverfahren und Feinnadelpunktionszytologie.
Therapie. Wegen der schlechten Prognose sollte die Therapie dieser Tumoren ebenfalls so radikal wie möglich erfolgen: totale Parotidektomie und Neck-dissection sind ebenso zu fordern wie die Nachbestrahlung.
Trotz der relativ geringen Strahlensensibilität der Adenokarzinome besteht auch hierfür in der Literatur Konsens [43]
[52]
[99]
[111]
[155].
2.5.4.5Maligne Mischtumoren; Karzinom im pleomorphen Adenom
Inzidenz und Histopathologie. Nach den Adenokarzinomen ist das Karzinom im pleomorphen Adenom zumindest in der Literatur das dritthäufigste Malignom der Glandula parotis [131]. Hinsichtlich seiner Ätiologie gibt es in der Literatur Unstimmigkeiten, die sich in den verschiedenen Synonymen
-
Karzinom ex pleomorphem Adenom,
-
Karzinom im pleomorphen Adenom oder
-
primär maligner Mischtumor
widerspiegeln.
Zur histologischen Diagnose führt der Nachweis von Karzinomzellen neben Anteilen eines pleomorphen Adenoms, wobei überdurchschnittlich häufig ein stromaarmes pleomorphes Adenom vorliegt. Seifert weist darauf hin, dass Patienten mit stromaarmen pleomorphen Adenomen dementsprechend sorgfältig auf das gleichzeitige Vorliegen eines Karzinoms untersucht und nachkontrolliert werden sollten [124]. Häufig wird ein maligner Mischtumor erst beim wiederholten Rezidiv eines pleomorphen Adenoms diagnostiziert [20].
Therapie. Der maligne Mischtumor weist in 47 - 50 % der Patienten bereits bei der Erstdiagnose Lymphknotenmetastasen und in bis zu 36 % initial eine Fazialisparese auf und besitzt dementsprechend ebenfalls eine schlechte Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von nur circa 25 % [124]. Liegen die Karzinomzellen ausschließlich innerhalb des pleomorphen Adenoms (‘Karzinom im pleomorphen Adenom’ oder ‘Carcinoma in situ’) und kann histologisch keine Infiltration des Speicheldrüsengewebes außerhalb des pleomorphen Adenoms nachgewiesen werden, sind neben der totalen Parotidektomie mit vollständiger Entfernung des Tumors keine weiteren Maßnahmen indiziert. Bei allen infiltrativ wachsenden malignen Mischtumoren aber ist aufgrund der schlechten Prognose eine totale Parotidektomie mit gleichzeitiger Neck-dissection und postoperativer Radiatio geboten.
2.5.4.6Undifferenzierte Karzinome
Inzidenz und Histopathologie. Die undifferenzierten Karzinome weisen die höchste Rate an präoperativ bereits bestehender Fazialisparese (58 - 60 % der Patienten) auf, gefolgt von den Plattenepithelkarzinomen und den adenoidzystischen Karzinomen.
In unserem Krankengut machen die undifferenzierten Karzinome etwa 10 % aus; diese Angaben finden sich auch in der Literatur [36]
[131]. Die undifferenzierten Karzinome haben neben dem Plattenepithelkarzinom und dem malignen Mischtumor mit 5-Jahres-Überlebensraten von circa 25 % die schlechteste Prognose überhaupt. Lediglich die Langzeitprognose der ACC, unabhängig von ihrer Subtypisierung, ist noch schlechter.
Therapie. Da bei 64 % der Patienten mit undifferenzierten Parotiskarzinomen bereits bei Erstdiagnose Lymphknotenmetastasen bestehen [124] und präoperative Fazialisparesen überwiegen, besteht die Notwendigkeit zur radikalen Parotidektomie mit Neck-dissection. Anzustreben ist in solchen Fällen immer eine primäre mimische Rehabilitation durch eine einzeitige Nervenrekonstruktion, und zwar in absteigender Präferenz:
Nur in seltenen Ausnahmesituationen wird man gezwungen sein, durch
-
dynamische oder
-
statische Zügelplastik
eine Rehabilitation zu schaffen.
Nicht selten ist es sinnvoll, zwei Rekonstruktions-Techniken miteinander zu kombinieren („duale Technik nach M. May” [91]). Dies gilt im Übrigen für alle malignen Tumoren der Glandula parotis.
2.5.4.7Plattenepithelkarzinome
Inzidenz und Histopathologie. Die Inzidenz der primären Plattenepithelkarzinome der Gl. parotis liegt in der Literatur zwischen 2 und 10 %, wobei sich nicht selten der zunächst als primäres Parotiskarzinom angesehene Tumor als Metastase entpuppt [40]
[143].
Die hohe Aggressivität der primären Plattenepithelkarzinome spiegelt sich in der großen Frequenz von Fazialisparesen (bis zu 58 %) und Lymphknotenmetastasen (11 - 40 %) zum Zeitpunkt der Erstdiagnose wider [40]
[44]. Entsprechend schlecht sind die 5 -Jahres-Überlebensraten mit 40 - 50 % [44]. Therapeutisch gelten die für Malignome angeführten chirurgischen Prinzipien. Auch hier wird die postoperative Radiatio empfohlen [44].
2.5.4.8Seltenere Malignome
Seltenere Tumoren sind unter anderen:
-
das duktale Karzinom (Speichelgangkarzinom),
-
das myoepitheliale Karzinom,
-
die maligne lymphoepitheliale Läsion,
-
das klarzellige Karzinom,
-
das onkozytäre Karzinom,
-
das Basalzelladenokarzinom,
-
das intraduktale Karzinom.
(Siehe hierzu auch Donath et al., S. 1)
Die Prognose dieser Karzinome ist besser als die der Adenokarzinome und Mukoepidermoidkarzinome, so dass in der Regel eine totale Parotidektomie mit Neck-dissection ausreicht [134]. Aufgrund der Seltenheit dieser Tumoren existieren in der Literatur kaum schlüssige Angaben zur postoperativen Radiatio [130]. Wir führen sie neuerdings bei diesen Tumoren wie bei allen Malignomen der Speicheldrüsen durch.
2.5.4.9Maligne Lymphome
Inzidenz und Histopathologie. Maligne Lymphome kommen in der Glandula parotis wie auch in allen anderen Organen mit lymphatischem Gewebe vor. Sowohl der M. Hodgkin als auch die Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) der Glandula parotis unterscheiden sich in ihrem Auftreten, ihrer Therapie und ihrem Verlauf nicht von den Manifestationen in anderen Organen, lediglich der operative Zugang zur Histologiegewinnung ist komplizierter [163].
Therapie. Die Feinnadelaspirationszytologie erbringt in der Regel den ersten Hinweis auf ein NHL oder einen M. Hodgkin. Zur immunhistochemischen Subklassifizierung ist dann das Gewinnen einer unfixierten Biopsie erforderlich.
Hierfür reicht aber häufig die Entnahme eines nicht-parotidealen, zervikalen Lymphknotens aus. Bei Nachweis eines malignen Lymphoms wird dann ganz auf die Parotidektomie und die damit verbundene Gefährdung des N. facialis verzichtet, weil die Standardtherapie der malignen Lymphome heute ausschließlich in einer Radio- (Chemo)- Therapie besteht.
Eine Besonderheit stellen maligne Lymphome dar, die sich auf dem Boden eines Sjögren-Syndroms entwickeln. Bei bis zu 25 % der Patienten mit der meist beide Glandulae parotideae betreffenden myoepithelialen Sialadenitis kommt es zu einem diffus oder solide wachsenden Lymphom, das operativ und bei Nachweis größerer Proliferationsherde auch strahlentherapeutisch behandelt werden sollte [72]
[144]. Dabei kommen neben dem MALT-Lymphom (Mukosa-assoziiertes T-Zell-Lymphom) sowohl niedrigmaligne Lymphome wie das lympho-plasmazytoide Immunozytom als auch hochmaligne B-Zell-Lymphome vor.
Eine immunhistologische Analyse aller Parotispräparate mit myoepithelialer Sialadenitis ist daher empfehlenswert.
Rasch auftretende Parotisschwellungen bei am Sjögren-Syndrom leidenden Patienten sind suspekt auf die Entwicklung eines solchen NHL und sollten schon aus diagnostischen Gründen operativ behandelt werden. Eine besondere Radikalität ist hierbei allerdings nicht von Nöten, da ein NHL weder sicher vollständig entfernt werden kann noch muss, weil eine kurative Radio(chemo)therapie obligat zu folgen hat [72]
[144].
2.5.4.10Metastasen anderer Malignome in der Glandula parotis
Meistens handelt es sich hierbei um intraparotideale Lymphknoten-Metastasen. In circa 80 % der Fälle liegt als Primärtumor ein Plattenepithelkarzinom oder ein malignes Melanom der Kopfhaut vor [85]. In unserem Krankengut fanden sich in absteigender Häufigkeit Metastasen von
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malignen Melanomen (8/26),
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Plattenepithelkarzinomen (7/26)
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Nephroblastomen (4/26),
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Mammakarzinomen (4/26),
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Bronchialkarzinomen (2/26)
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Prostatakarzinomen (1/26).
Therapie. Sie beinhaltet ebenfalls eine totale Parotidektomie mit Neck-dissection und einer postoperativen Radiatio [27]
[149].
Bei metastasierenden malignen Melanomen ist die Radiotherapie aufgrund derer Strahlenresistenz umstritten.
An dieser Stelle ist uns ein Querverweis wichtig: bereits T2- Melanome und Plattenepithelkarzinome des Skalps und der Ohrmuschel zeigen bis zu 94 % „Sentinel”-Lymphknoten in der Glandula parotis
[105], so dass wir auch bei Vorliegen solcher Tumoren eine totale Parotidektomie und Neck-dissection für obligat halten.
Die Prognose von Patienten mit intraparotidealen Metastasen kutaner Karzinome ist ähnlich schlecht wie die der undifferenzierten und die der Plattenepithelkarzinome [69].
2.5.5Maligne Tumoren der Gl. parotis: Zusammenfassung
Maligne Tumoren der Glandula parotis des Stadiums I und II unterscheiden sich meistens weder radiomorphologisch noch klinisch von benignen Tumoren der Drüse.
Einzig die Feinnadelpunktionszytologie (siehe dort) kann bei solchen Tumoren präoperativ eine Dignitätszuordnung ermöglichen und eine Revisionsoperation mit allen ihren Nachteilen vermeiden. Die laterale Parotidektomie ist unserer Auffassung nach bei keinem der malignen Tumoren ausreichend.
Während das immer wieder beschworene Risiko der Tumorzellverschleppung und Tumoraussaat bisher in der wissenschaftlichen Literatur und im eigenen Krankengut nicht nachweisbar war, liegen die Vorteile der Feinnadelaspirationszytologie klar auf der Hand:
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neben einer genaueren Therapieplanung erlaubt sie eine
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adäquate Aufklärung des Patienten bezüglich Operationserweiterungen wie
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Neck-dissection,
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zu erwartender passagerer Fazialisparese
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und gegebenenfalls Nervenplastik.
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Beim Nachweis einer lymphoproliferativen Erkrankung erspart sie außerdem dem Patienten die Operation [122].
Trotz Feinnadelpunktionszytologie kommt es nicht selten vor, dass sich die endgültige histologische Diagnose erst aus der Aufarbeitung des Operationspräparates ergibt. Dieses Ergebnis liegt in der Regel 1 Woche nach dem Primäreingriff vor. Es sollte dann umgehend eine Revision nach den oben genannten Kriterien der Radikalität angestrebt werden, weil sich innerhalb sehr kurzer Zeit eine schnell progrediente Fibrosierung des Operationsgebietes entwickelt, die eine erneute Freilegung des Fazialisfächers massiv erschwert und schon nach circa 3 Wochen fast unmöglich macht.
Die Schnellschnitt-Diagnostik erbringt im Vergleich zu der Feinnadelpunktionszytologie im Übrigen keinen Vorteil: es findet sich kein Unterschied zwischen Sensitivität oder Spezifität hinsichtlich der Dignitätseinschätzung einer Raumforderung der Glandula parotis [15].
Die Therapieergebnisse der Parotismalignome zeigen, dass die Chirurgie der alleinigen Radiatio gegenüber weit überlegen ist. Letztere kommt nur in palliativer Absicht bei primär inoperablen Patienten in Frage [43]
[153].
Mehrere Autoren konnten aber nachweisen, dass eine postoperative Radiatio die lokoregionale Tumorkontrolle im Vergleich zur alleinigen Resektion erhöht. Überlebensvorteile wiederum konnten für Patienten mit Parotismalignomen des Stadiums III und IV auch nach kombiniert chirurgisch-strahlentherapeutischer Therapie aufgrund der hohen Inzidenz von Fernmetastasen nicht erzielt werden [145] (vergleiche hierzu auch Krüll et al., S. 137).
Die Therapie der Wahl ist daher zunächst die Resektion des Tumors, wobei die Bedeutung der initial ausreichenden Radikalität nicht stark genug hervorgehoben werden kann.
Bei jedem Tumor
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mittleren oder hohen Malignitätsgrades,
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mit bereits eingesetzter lymphogenen Metastasierung,
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mit Infiltration von Nerven oder angrenzenden Organen
gehört die postoperative Radiatio zur Standardtherapie.
Wegen der hohen Inzidenz der das Überleben begrenzenden Fernmetastasen sind als systemischer Therapieansatz Chemotherapien durchgeführt worden. Obwohl einzelne Substanzen (wie z. B. Adriamycin [11] oder Tamoxifen [125]) eine gewisse Wirkung gezeigt haben, haben sie sich in der Therapie der Parotismalignome bisher nicht durchgesetzt.
2.5.5.1Prognostische Faktoren, die die Therapie beeinflussen
Die Aggressivität des Tumors wird in erster Linie von der histologischen (Sub-) Typisierung des Malignoms widergespiegelt.
Diese wiederum korreliert häufig mit einer bereits eingesetzten Lymphknotenmetastasierung oder tumorbedingten Fazialisparese, wodurch die Prognose verschlechtert wird [9]
[13]. Bei allen Malignomen sollte nach unserer Auffassung die totale Parotidektomie mit gleichzeitiger selektiver Neck-dissection die chirurgische Standardtherapie darstellen.
Während in früheren Arbeiten bei den hochmalignen Tumoren noch die Resektion des Nervus facialis zur Erzielung einer ausreichenden Radikalität und damit verbesserten Prognose Standard war [124],
Diese Meinung wird auch von anderen Gruppen vertreten [8]
[15]
[84]
[132].
2.5.5.2Therapie der lymphatischen Abflussgebiete
Bei Patienten mit einem primären Parotismalignom und klinisch metastasensuspekten Lymphknoten besteht eine weitgehende Einigkeit über die Indikation zur Neck-dissection und zur postoperativen Radiatio. Die Indikation zur Neck-dissection des klinischen N0-Halses dagegen wird sehr kontrovers beurteilt. Die Mehrheit der Autoren sieht eine elektive Neck-dissection in der Standardtherapie der primären Parotismalignome als nicht gerechtfertigt an [68]
[85]. Manche Autoren vor allem des angloamerikanischen Sprachraumes empfehlen stattdessen die Radiatio der locoregionären Abflussgebiete im Anschluss an die Parotidektomie anstelle der Neck-dissection des N0-Halses [113]. Lediglich bei Parotismalignomen mit sehr hohem Malignitätsgrad oder Risikofaktoren, die mit einem hohen Risiko der locoregionären Metastasierung einhergehen, wie z. B. einer primären tumorbedingten Fazialisparese, halten sie eine elektive Neck-dissection für indiziert [68].
2.5.5.2.1Rate der lokoregionären Lymphknotenmetastasen
In unserem eigenen Krankengut fanden wir, nimmt man alle malignen Parotistumoren zusammen, insgesamt bei 81 von 142 Patienten (57 %) befallene Lymphknoten in den Neck-dissection-Präparaten; bei den Azinuszellkarzinomen (n = 17) fanden sich bei 59 % Halslymphknotenmetastasen, bei den Mukoepidermoidkarzinomen (n = 18) insgesamt bei 33 % positive Lymphknoten. Deswegen führen wir - entgegen der häufig im Schrifttum vertretenen Meinung - zumindest eine selektive Neck-dissection beim N0-Hals und eine modifiziert radikale Neck-dissection beim N1- bis N3-Hals durch.