Einleitung
Das Jugendalter ist wie kein anderer Abschnitt des menschlichen
Lebens mit Neugierde, Experimentierfreudigkeit und riskanten Verhaltensweisen
in Verbindung zu bringen. Nach repräsentativen Untersuchungen der letzten
Jahre [1]
[2] ist davon
auszugehen, dass etwa 15-20 % aller jungen Menschen
Erfahrungen mit illegalen Drogen machen, wobei ein Großteil der
Drogenkonsumenten den Substanzgebrauch nach einem ein- bis mehrmaligen
Probierkonsum wieder einstellen [1]. Etwa
9 % aller Jugendlichen im Alter von 12 bis 24 Jahren in den alten
(und ca. 1 % in den neuen) Bundesländern betreiben einen
aktuellen Drogenkonsum
[1]. Dabei handelt es sich insbesondere um den Konsum
von Cannabisprodukten wie Haschisch oder Marihuana. Aktivierende Drogen wie
Amphetamine und Ecstasy haben in den letzten Jahren allerdings hinsichtlich der
Konsumbereitschaft, der Konsumprävalenz und der Zahl der Erstkonsumenten
erheblich an Bedeutung gewonnen [1 3]. Nach heute
vorliegenden Ergebnissen ist die Prävalenz illegalen Drogenkonsums
insbesondere in der Techno-Party-Szene vergleichsweise weit verbreitet
[4 6].
Nach gegenwärtigem Forschungsstand muss davon ausgegangen
werden, dass vielfältige Faktoren an der Entwicklung spezifischer
Drogenkonsummuster beteiligt sind. Jugendlicher Drogenkonsum dürfte
insbesondere auf psychosoziale und soziokulturelle Einflüsse zurückzuführen
sein [7 9]. Welche Variablen nun in welcher Weise
Einfluss auf gesundheitlich relevantes Verhalten nehmen, ist Gegenstand
gesundheitspsychologischer Forschung. Obgleich derzeit noch keine explizite
gesundheitspsychologische Theorie des Drogenkonsums vorliegt, wurde eine Reihe
theoretischer Konstrukte bzw. psychosozialer Einflussfaktoren benannt, die
für das Verständnis menschlichen Gesundheits- und Risikoverhaltens
von Bedeutung sein dürften [10]
[11]. Betrachtet man jugendlichen Substanzgebrauch und die
Frage nach möglichen drogenpräventiven Konzepten unter einer
gesundheitspsychologischen Perspektive, so lässt sich sagen, dass
insbesondere das Konzept der
gesundheitlichen Risikowahrnehmung relevant sein dürfte. In der langen
Tradition der Suchtprävention wird eine gute Risikosensibilisierung als
protektiver Faktor für den Einstieg in den Drogenkonsum und für die
Entwicklung riskanter Drogenkonsummuster gesehen. Drogenpräventive
Strategien setzten daher auf die Vermittlung von Information und
Aufklärung über objektive Risiken des Substanzgebrauchs sowie auf die
Wirkung von Furchtappellen. Solche Appelle zur
Verhaltensänderung bauen darauf auf, dass Menschen vor allem dann bereit
sind, unerwünschte Verhaltensweisen abzustellen oder gewünschte
Verhaltensweisen zu zeigen, wenn man ihnen klar macht, welche negativen
Konsequenzen aus einem Nichtbefolgen von Geboten oder Verboten resultieren.
Nun zeigen aber einige Evaluationsstudien, dass eine reine
Informationsvermittlung über psychotrope Substanzen ebenso wenig die
Konsumbereitschaft der Jugendlichen zu reduzieren vermag wie abschreckende und
warnende Hinweise. Solche Maßnahmen berücksichtigen auf der einen
Seite nicht die Funktionalität, die das Konsumverhalten für viele
Jugendliche hat [12]
[13]. Auf
der anderen Seite haben die Ergebnisse aus der Erforschung der
Risikowahrnehmung große Relevanz. In vielen Untersuchungen zeigte sich
wiederholt, dass Individuen ihr persönliches Risiko unterschätzen,
[14]
[15] spricht in diesem
Zusammenhang von „unrealistischem
Optimismus” in Bezug auf die persönliche
Gefährdung. In seinen Untersuchungen fanden sich die größten
Unterschätzungen des persönlichen Risikos für
Drogenabhängigkeit, Suizid, Geschlechtskrankheiten, Epilepsie und
Alkoholismus.
Im Rahmen der Ecstasy- und Partydrogenforschung finden sich
ebenfalls Ergebnisse zu den wahrgenommenen Risiken [5]
[16]. Hier wurde nachgewiesen,
dass aktive Drogenkonsumenten tendenziell eine niedrigere
Risikoeinschätzung abgeben als abstinente Personen und diese zudem auch
negativ mit der Anzahl der im letzten Monat konsumierten Drogen korreliert,
d. h., je mehr Substanzen konsumiert werden, desto weniger riskant wird
der Konsum eingeschätzt.
Obgleich ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen
Risikoeinschätzung einerseits und dem
Substanzkonsum andererseits nachgewiesen werden
konnte, ist bislang ungeklärt, welcher Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
zwischen diesen beiden Variablen besteht. So wäre denkbar, dass eine
spezifische Risikoeinschätzung (von heute) einen Einfluss auf den
Drogenkonsum von morgen hat (Hypothese 1). Vorstellbar wäre aber auch,
dass der Drogenkonsum (bzw. die Drogenabstinenz) und die damit verbundenen
Erfahrungen Einfluss auf die Risikoeinschätzung haben (Hypothese 2).
Mittels der im Rahmen einer Längsschnittsuntersuchung erhobenen
Daten [16] ist es möglich, die Relation zwischen
der Drogenaffinität und der subjektiven Risikoeinschätzung einer
genaueren Analyse zu unterziehen und zu überprüfen, welche der beiden
oben formulierten Hypothesen stärker zu gewichten ist.
Ergebnisse
Prävalenz des Drogenkonsums
Die im Folgenden dargestellten Konsumprävalenzen
verschiedener Substanzen sollen einen Eindruck von der Drogenerfahrung und dem
aktuellen Konsumverhalten der befragten Personen zu beiden Erhebungszeitpunkten
vermitteln. Hierzu werden zunächst die Lebenszeitprävalenzen der
Untersuchungsstichprobe den Daten einer aktuellen Repräsentativerhebung
zur „Drogenaffinität Jugendlicher in
der Bundesrepublik
Deutschland 1997” von
der BZgA [17] gegenübergestellt.[1]
Tab. 2 Lebenszeitprävalenz
des Drogenkonsums im Vergleich (Angaben in
Prozent)
| Techno-Studie zum Zeitpunkt t1
n = 250 | Techno-Studie zum Zeitpunkt t2
n = 242 | Repräsentativerhebung*[] (Ost)
n = 1 000 | Repräsentativerhebung* (West)
n = 2 000 |
Cannabis | 58,5 | 73,1 | 12 | 21 |
Ecstasy | 34,5 | 45,9 | 4 | 5 |
Speed | 28,7 | 42,6 | 5 | 3 |
Halluzinogene | 23,0 | 36,8 | 2 | 2 |
Kokain | 17,7 | 31,0 | < 0,5 | 2 |
Opiate | 2,8 | 4,1 | < 0,5 | < 0,5 |
*Drogenaffinität Jugendlicher in der
Bundesrepublik Deutschland (BZgA, 1998)
|
Zum einem wird hier nochmals deutlich, dass die
Drogenkonsumerfahrung in der Techno-Party-Szene um ein Vielfaches höher
liegt als im altersentsprechenden Bevölkerungsdurchschnitt. Hat im
Westteil Deutschlands immerhin jeder fünfte junge Erwachsene Erfahrung mit
Cannabis, weist die Techno-Szene einen mindestens dreimal so hohen Anteil
Cannabiserfahrener auf. Noch deutlicher zeigen sich die Unterschiede bei den
psychoaktiven Substanzen Ecstasy, Speed, Halluzinogene und Kokain. Trotz der
vergleichsweise höher liegenden Prävalenzrate für Opiate,
scheint der Konsum dieser Substanz in der Techno-Party-Szene eine
untergeordnete Rolle zu spielen. Zum anderen lässt sich
erwartungsgemäß bei den Techno-Party-Besuchern über den
Untersuchungszeitraum von zwei Jahren ein Zuwachs der
Lebenszeitprävalenzen für verschiedene Substanzen beobachten.
Aktuelles Drogenkonsumverhalten
Im Folgenden wird die Entwicklung des Drogenkonsumverhaltens der
Untersuchungsteilnehmer der Längsschnittsstudie über die beiden
Messzeitpunkte dargestellt. Dabei wird in Tab. [3] zwischen dem Konsum innerhalb der letzten 12 Monate
(Jahresprävalenz) und der Monatsprävalenz unterschieden. Im
Wesentlichen lassen sich anhand der hier vorliegenden Daten drei Aussagen
machen: Der Konsum von Alkohol und Nikotin erweist sich innerhalb der
Teilnehmergruppe (n = 290) zwischen den
Untersuchungszeitpunkten 1996 und 1998 als relativ stabil. Ein etwas anderes
Bild ergibt sich hinsichtlich des Konsums illegaler Substanzen. Eine
geringfügige Abnahme des aktuellen Drogenkonsums findet sich hier für
die klassischen Party-Drogen Ecstasy und Speed. Haben im 2. Halbjahr 1996 noch
27,7 % der hier Befragten innerhalb der vergangenen 30 Tage
Ecstasy konsumiert, so lag dieser Anteil aktueller Ecstasykonsumenten zwei
Jahre später „nur” noch bei 19,7 % innerhalb
der untersuchten Gruppe. Dagegen ist sowohl der aktuelle Konsum von Cannabis
als auch der Kokainkonsum innerhalb der vorliegenden Teilstichprobe
angestiegen. 1996 gaben noch 39,3 % der Befragten an, im letzten
Monat Cannabis konsumiert zu haben, und im Jahr 1998 lag dieser Anteil bei
44,5 %.
Tab. 3 Jahres- und
Monatsprävalenz des Substanzgebrauchs
(n = 290)
[*]
| Jahresprävalenz | | Monatsprävalenz |
| t1
| t2
| | t1
| t2
|
Zigaretten | 93,4 | 94,1 | | 86,9 | 86,2 |
Alkohol | 78,1 | 78,3 | | 72,5 | 73,8 |
Cannabis | 54,9 | 62,8 | | 39,3 | 44,5 |
Ecstasy | 36,3 | 32,1 | | 27,7 | 19,7 |
Speed | 28,2 | 27,2 | | 19,2 | 16,2 |
Halluzinogene | 24,1 | 23,1 | | 12,4 | 12,1 |
Kokain | 17,8 | 23,4 | | 8,4 | 11,0 |
Opiate | 1,8 | 1,8 | | 0,3 | 0,6 |
*Angaben in Prozent
|
Die Jahresprävalenz des Kokainkonsums stieg innerhalb der
beiden Messzeitpunkte in der untersuchten Population von 17,8 %
auf 23,4 % und aktuell gibt etwa jeder zehnte Befragte
(11 %) an, im zurückliegenden Monat Kokain konsumiert zu
haben.
Aktuelle Konsummuster
Ein wesentliches Maß für die Erfassung des
Drogenkonsumverhaltens ist die Konsumfrequenz, erfasst
über die Konsumtage des zurückliegenden Monats. Die Messwerte
für den Konsum von Zigaretten, Alkohol und Cannabis liegen
erwartungsgemäß zwischen 0 und 30. Hinsichtlich der
Veränderungen bezogen auf den Konsum dieser „Alltagsdrogen”
ist festzustellen, dass der vergleichsweise hohe Anteil von Rauchern in der
Untersuchungsstichprobe zwischen 1996 und 1998 nochmals geringfügig
gestiegen ist. Darüber hinaus wird deutlich, dass die untersuchte
Population im Durchschnitt einen Konsumtag pro Monat häufiger Cannabis
konsumiert (von 4,7 auf 5,6 Tage) und der Anteil täglicher Konsumenten in
dieser Gruppe von 7,8 % auf 9,6 % gestiegen
ist.
Tab. 4 Durchschnittliche Zahl
der Konsumtage und Prävalenz des täglichen Konsums von Zigaretten,
Alkohol und Cannabis
(n = 290)
Konsumtage im letzten
Monat | Prävalenz
täglichen Konsums*[]
|
| | t1
| t2
| | t1
| t2
|
Zigaretten | M | 18,2 | 19,0 | Zigaretten | 55,0 | 58,2 |
| SD | 13,7 | 14,0 | | | |
Alkohol | M | 7,5 | 7,4 | Alkohol | 5,0 | 2,7 |
| SD | 7,6 | 7,1 | | | |
Cannabis | M | 4,7 | 5,6 | Cannabis | 7,8 | 9,6 |
| SD | 9,1 | 9,8 | | | |
*Angaben in Prozent
|
Um die Veränderungen des Konsums anderer Substanzen
darzustellen, muss anders vorgegangen werden. Geht man zum einen von einer
Monatsprävalenz von unter 25-30 % für den Konsum
anderer Substanzen in der Techno-Party-Szene aus (siehe Prävalenz des
Drogenkonsums) und zum anderen von einer eher niedrigen Konsumfrequenz, sind
die Stichprobenkennwerte „Prävalenz täglichen Konsums”
und „durchschnittliche Konsumtage” zur Beschreibung des
Konsumverhaltens der untersuchten Gruppe wenig aussagekräftig. Daher wird
nachfolgend nur die Konsumfrequenz aktueller
Konsumenten dargestellt. Auf den Konsum von Opiaten
wird angesichts der niedrigen Monatsprävalenz (0,3 % bzw.
n = 1 bei t1) nicht eingegangen.
Die aus Tab. [2] zu entnehmenden
Ergebnisse zeigen, dass die mittlere Konsumfrequenz der
„Party-Drogen” Ecstasy und Speed ebenso wie der Substanzen
Halluzinogene und Kokain innerhalb des Untersuchungszeitraumes gesunken ist.
Obgleich - wie oben beschrieben - eine steigende Prävalenz des
Kokainkonsums in der untersuchten Population von Techno-Party-Besuchern zu
verzeichnen ist, ist die mittlere Konsumfrequenz dabei nicht gestiegen.
Angesichts der hier doch recht kleinen Stichprobe und einer Streuung von
SD = 7,1 können jedoch keine schlüssigen
Aussagen zur Veränderung der Konsumfrequenz von Kokain in der
Untersuchungsstichprobe gemacht werden.
Tab. 5 Durchschnittliche Anzahl
der Konsumtage von Ecstasy, Speed, Halluzinogenen und Kokain*[]
Konsumtage im letzten
Monat | t1
| t2
|
Ecstasy | M | 4,3 | 3,3 |
| SD | 3,8 | 3,7 |
| | n = 79 | n = 57 |
Speed | M | 5,5 | 3,9 |
| SD | 5,5 | 3,8 |
| | n = 55 | n = 47 |
Halluzinogene | M | 2,7 | 2,1 |
| SD | 3,0 | 2,2 |
| | n = 36 | n = 35 |
Kokain | M | 4,3 | 2,8 |
| SD | 7,1 | 3,2 |
| | n = 24 | n = 32 |
*Es wurden nur zum jeweiligen Zeitpunkt
aktuelle Konsumenten (Konsum im letzten Monat) berücksichtigt.
|
Geht man davon aus, dass die Risiken des Drogenkonsums mit der
Anzahl der
konsumierten Substanzen
steigen, so wäre zu fragen, welche Veränderungen hinsichtlich dieses
Merkmals des Drogenkonsumverhaltens innerhalb von zwei Jahren eingetreten sind.
Wie aus Abb. [1] hervorgeht, erweist sich die
Gesamtstichprobe hinsichtlich dieses Maßes des Drogenkonsums
vergleichsweise konstant. Etwa jeder zweite Untersuchungsteilnehmer weist
innerhalb des Monats vor der Befragung keinen illegalen Drogenkonsum auf. Im
Jahr 1996 haben 22,1 % eine und 7,5 % der
untersuchten Gruppe zwei illegale Drogen innerhalb des zurückliegenden
Monats konsumiert, bei der Nachbefragung im Jahr 1998 gaben
25,2 % an, eine Droge konsumiert zu haben und 9,1 %
der Befragten hatten 2 illegale Substanzen konsumiert. Der Konsum von mehr als
zwei illegalen Substanzen war in dem untersuchten Kollektiv im Jahr der
Erstbefragung weiter verbreitet als im Jahr 1998.
Abb. 1 Anzahl der im letzten
Monat konsumierten illegalen Drogen (n = 290)*.
Betrachtet man die Veränderungen des Drogenkonsumverhaltens
innerhalb der Untersuchungspopulation zusammenfassend, so können drei
Hypothesen formuliert werden: Zum einen scheint der Konsum von Cannabis und
Kokain in der untersuchten Gruppe zwei Jahre nach der Erstbefragung weiter
verbreitet zu sein als zuvor und zum anderen zeigt sich, dass die
Prävalenz des Konsums von Partydrogen (Ecstasy und Speed) im gleichen
Zeitraum zurückgegangen ist. Hinsichtlich der Konsumfrequenz und der
Anzahl der aktuell konsumierten Substanzen zeigt sich die untersuchte
Population im Jahr 1998 geringfügig moderater, im Wesentlichen aber
stabil. Dies könnte dafür sprechen, dass der Konsum von Ecstasy und
anderen Partydrogen nicht zu einer befürchteten
Eskalation von Konsummustern mit epidemiologischer Relevanz geführt hat.
Obgleich die hier vorliegenden Daten ein Beleg dafür sind, dass der
Gebrauch von Ecstasy und Amphetaminen innerhalb des untersuchten Kollektivs mit
der Zeit an Bedeutung verloren hat, sprechen die hier vorliegenden Gesamtdaten
(Prävalenz, Anzahl der konsumierten Substanzen) dennoch dafür, dass
die Affinität zum Drogenkonsum - innerhalb dieses
Populationssegments - erhalten bleibt.
Risiken des Drogenkonsums
Gesundheitspsychologischen Modellen zufolge scheint die
Aufrechterhaltung riskanter Verhaltensweisen wie dem Drogenkonsum davon
abhängig zu sein, ob Personen diesen Substanzen eine
„Gefährlichkeit” zuschreiben. Deshalb wird im Folgenden der
Frage nachgegangen, als wie riskant der Konsum psychoaktiver Substanzen
eingeschätzt wird und von welchen soziodemografischen Merkmalen die
Risikowahrnehmung beeinflusst wird.
Risikoeinschätzung des Drogenkonsums
Zu beiden Erhebungszeitpunkten wurden alle Teilnehmer -
unabhängig von der eigenen Konsumerfahrung - nach ihrer
Einschätzung der Risiken bezüglich des Konsums verschiedener
Substanzen befragt. Dabei wurde zwischen einer körperlichen und einer psychischen Gefährdung unterschieden. Der Vergleich
der Mittelwerte (range 0-3) der Einschätzung körperlicher und
psychischer Gefahren des Substanzkonsums macht zum einen deutlich, dass sich
die mittleren subjektiven Risikoeinschätzungen der befragten Personen zu
den beiden Erhebungszeitpunkten t1 und t2 nicht
signifikant unterscheiden, weshalb aus Gründen der Übersichtlichkeit
bei der weiteren Darstellung der Risikowahrnehmung des Drogenkonsums nur der
Messzeitpunkt t2 berücksichtigt wird. Interessanterweise
scheint die subjektive Risikowahrnehmung bezüglich des Substanzkonsums im
arithmetischen Mittel eine stabile Kognition in der hier untersuchten
Stichprobe zu sein.
Tab. 6 Mittleres subjektives
Risiko des Drogenkonsums
(n = 290)
[*]
| körperliche Risiken
(M) | psychische Risiken
(M) |
| t1
| t2
| p | t1
| t2
| p |
Zigaretten | 2,0 | 2,0 | n. s. | 0,7 | 0,7 | n. s. |
Alkohol | 2,1 | 2,1 | n. s. | 1,8 | 1,9 | n. s. |
Cannabis | 1,5 | 1,4 | n. s. | 1,6 | 1,5 | n. s. |
Ecstasy | 2,5 | 2,5 | n. s. | 2,5 | 2,4 | n. s. |
Speed | 2,6 | 2,6 | n. s. | 2,4 | 2,4 | n. s. |
Halluzinogene | 2,5 | 2,5 | n. s. | 2,8 | 2,8 | n. s. |
Kokain | 2,8 | 2,7 | n. s. | 2,8 | 2,8 | n. s. |
Opiate | 2,9 | 3,0 | n. s. | 2,9 | 2,9 | n. s. |
n.s. = nicht signifikant
|
Zum anderen ist bei diesem Vergleich der Mittelwerte die leichte
Tendenz festzustellen, die Risiken des Drogenkonsums eher im körperlichen
Bereich zu sehen. Dies gilt insbesondere für die legalen Drogen Alkohol
und Zigaretten. Außerdem wird auch eine „Risiko-Rangreihe”
ersichtlich, nach der die verschiedenen Substanzen eingeschätzt werden.
Die beurteilte Gefährdung von Cannabis wird in der untersuchten Population
vergleichsweise gering eingeschätzt.
Dagegen wird den Party-Drogen Ecstasy und Speed, aber vor allem
auch Halluzinogenen und Opiaten von einem Großteil der Befragten ein
großes Risiko zugeschrieben, körperlichen bzw. psychischen Schaden
zu nehmen. Cannabis nimmt folglich unter den illegalen Substanzen hinsichtlich
der Einschätzung gesundheitlicher Gefährdung eine Sonderstellung
ein.
Wie unterschiedlich die verschiedenen Substanzen in Bezug auf
ihre körperliche und psychische Gefährdung beurteilt werden, soll
anhand der Abb. [2] und [3] noch einmal verdeutlicht werden. Nach den vorliegenden
Daten zur Einschätzung körperlicher Risiken des Drogenkonsums wird
der Konsum von Alkohol und Zigaretten als deutlich riskanter eingeschätzt
als der Cannabiskonsum: Mehr als die Hälfte der Befragten
(60 %) sieht im Konsum dieser Droge kein oder nur ein leichtes
Risiko für die körperliche Gesundheit, während etwa jeder Dritte
im Konsum von Alkohol bzw. Zigaretten ein großes Gefährdungsrisiko
wahrnimmt.
Abb. 2 Einschätzung des
Risikos, durch den Drogenkonsum körperlich Schaden zu nehmen.
Der Konsum von Ecstasy wird von 57 % des befragten
Techno-Publikums mit einem großen Risiko für die körperliche
Gesundheit assoziiert und mindestens zwei von drei der Befragten sehen auch
große Gefahren im Zusammenhang mit dem Konsum von Speed, Halluzinogenen,
Kokain und Opiaten.
Auch hinsichtlich des Risikos, psychisch Schaden zu nehmen, wird der Konsum von Cannabis
als vergleichsweise wenig riskant eingeschätzt.
So geht etwa jeder zehnte Teilnehmer (12 %) davon
aus, dass mit dem Gebrauch von Cannabis kein Risiko für die psychische
Gesundheit verbunden ist, und weitere 42 % sehen ein leichtes
Risiko. Interessanterweise wird dem Konsum von Alkohol ein größeres
Risiko für eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit
zugeschrieben als dem Cannabiskonsum. So wird von zwei Drittel der Teilnehmer
(65 %) dem Alkohol, aber nur von knapp der Hälfte der
Befragten (47 %) der Droge Cannabis ein mittleres bis
großes Risikopotenzial zugeschrieben. Bezogen auf die Partydrogen Ecstasy
und Speed geht etwa jeder Vierte von einem mittleren und mehr als jeder Zweite
von einem großen Risiko für die psychische Gesundheit aus. Der
Konsum von Halluzinogenen (83 %), Kokain (80 %) und
Opiaten (95 %) wird von der überwiegenden Mehrheit der
Teilnehmer als riskant für die psychische Gesundheit betrachtet.
Abb. 3 Einschätzung des
Risikos, durch den Drogenkonsum psychisch Schaden zu nehmen.
Zusammenfassend ergibt sich ein Gesamtbild hinsichtlich der
Risiken des Drogenkonsums, wonach der Konsum von Zigaretten und Cannabis als
vergleichsweise harmlos eingeschätzt wird. Das Gefährdungspotenzial
von Alkohol wird im Vergleich hierzu als riskanter beurteilt. Mit dem Konsum
der Partydrogen Ecstasy und Speed verbindet die untersuchte Population
insgesamt ein höheres Gesundheitsrisiko, wobei die Substanzen
Halluzinogene, Kokain und Opiate mit vergleichsweise großen
körperlichen und psychischen Risiken assoziiert werden.
Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob es Unterschiede
bezüglich der Einschätzung der Risiken des Drogenkonsums in
Abhängigkeit von soziodemografischen Merkmalen und der eigenen
Drogenerfahrung gibt. Wenn man die Risikoeinschätzungen der befragten
Frauen und Männer vergleicht, so zeigen sich keine statistisch bedeutsamen
Unterschiede.
Tab. 7 Einschätzung
körperlicher und psychischer Risiken in Abhängigkeit vom
Geschlecht*[]
| körperliche Risiken | psychische Risiken |
Es besteht ein mittleres/großes Risiko durch
den Konsum von ... körperlich Schaden zu
nehmen | Frauen
(n = 108) | Männer
(n = 182) | p | Frauen
(n = 108) | Männer
(n = 182) | p |
Zigaretten | 78,3 | 74,7 | n. s. | 18,9 | 13,5 | n. s. |
Alkohol | 82,9 | 79,1 | n. s. | 69,5 | 61,7 | n. s. |
Cannabis | 41,0 | 38,9 | n. s. | 48,0 | 46,4 | n. s. |
Ecstasy | 92,2 | 89,9 | n. s. | 91,2 | 83,9 | n. s. |
Speed | 89,5 | 94,2 | n. s. | 86,2 | 83,5 | n. s. |
Halluzinogene | 89,8 | 84,8 | n. s. | 96,9 | 92,1 | n. s. |
Kokain | 92,0 | 95,2 | n. s. | 96,9 | 97,0 | n. s. |
Opiate | 99,0 | 100 | n. s. | 100 | 98,7 | n. s. |
*Angaben in Prozent; n.s. = nicht
signifikant
|
Jedoch können durchaus interessante Tendenzen beobachtet
werden: Die männlichen Untersuchungsteilnehmer beurteilen fast alle
Substanzen tendenziell als weniger gefährlich. Eine Ausnahme bilden hier
jedoch die Drogen Speed und Kokain: Diese werden in Bezug auf mögliche
körperliche Gefahren von den Männern als
leicht riskanter eingeschätzt im Vergleich zu den weiblichen
Teilnehmern.
Für die Entwicklung präventiver Maßnahmen
dürfte von Bedeutung sein, ob der Konsum von Drogen hinsichtlich
gesundheitlicher Risiken in Abhängigkeit vom Lebensalter unterschiedlich bewertet wird. In
Tab. [8] sind zunächst die Daten
bezüglich der Beurteilung körperlicher
Risiken dargestellt. Hier werden in Abhängigkeit vom Lebensalter zwei
unterschiedliche Tendenzen deutlich: Auf der einen Seite lässt sich mit
zunehmendem Alter ein signifikant geringer werdender Anteil von Personen
konstatieren, die den Konsum illegaler Drogen wie Cannabis und Halluzinogene
als riskant einschätzen. So wird von mehr als der Hälfte der unter
18-jährigen Personen (59 %) Cannabis mit einem mittleren bis
großen Risiko assoziiert, wogegen nur noch 23 % der
über 25-Jährigen diese Meinung teilen.
Auch für die Partydroge Ecstasy werden signifikante
Altersunterschiede in der Wahrnehmung körperlicher Gefahren sichtbar.
Jedoch wird hier von der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen der Konsum von
Ecstasy deutlich riskanter beurteilt als von den jüngeren wie auch von den
älteren Untersuchungsteilnehmern.
Tab. 8 Einschätzung des
körperlichen Risikos des Konsums verschiedener Substanzen in
Abhängigkeit vom
Lebensalter
| Altersgruppen |
Es besteht ein mittleres/großes Risiko durch den Konsum von
... körperlich Schaden zu
nehmen | <18
n = 20 | 18-21
n = 156 | 22-25
n = 54 | >25 n = 60 | p |
Zigaretten | 57,9 | 76,8 | 74,1 | 81,7 | n. s. |
Alkohol | 78,9 | 77,9 | 83,3 | 85,0 | n. s. |
Cannabis | 58,8 | 44,4 | 37,7 | 22,8 |
[]* |
Ecstasy | 88,2 | 94,7 | 94,2 | 78,3 | ** |
Speed | 93,3 | 93,8 | 92,0 | 89,3 | n. s. |
Halluzinogene | 100 | 92,8 | 80,8 | 74,1 | ** |
Kokain | 100 | 96,5 | 88,5 | 91,5 | n. s. |
Opiate | 100 | 99,3 | 100 | 100 | n. s. |
n.s. = nicht signifikant; * p
< 0,05; ** p < 0,01; *** p
< 0,001
|
Auf der anderen Seite scheint die Einschätzung
körperlicher Risiken für die legalen Drogen Zigaretten und Alkohol
wie auch für die Substanzen Speed, Kokain und Opiate vom Lebensalter
unabhängig zu sein. Wobei auch hier aber wieder ein leichter Trend
festzustellen ist, nach dem die legalen Drogen mit zunehmenden Alter riskanter,
Speed und Kokain aber weniger gefährlich eingeschätzt werden.
Aus Tab. [9] wird ersichtlich,
dass die Risikowahrnehmung hinsichtlich psychischer
Gefahren des Drogenkonsums für alle Substanzen unabhängig vom
Lebensalter der Untersuchungsteilnehmer ist. Sehr deutlich werden Zigaretten am
harmlosesten beurteilt, gefolgt von der Droge Cannabis, die etwa jeder Zweite
der Befragten über alle Altersgruppen hinweg mit einem mittleren bis
großen Risiko für die psychische Gesundheit in Verbindung bringt.
Alkohol wird zudem wieder riskanter eingeschätzt als Cannabis und in Bezug
auf die Partydrogen Ecstasy und Speed sowie für Halluzinogene, Kokain und
Opiate zeigt sich, dass die Mehrheit der Untersuchungsteilnehmer
(83 % bis 100 %) ein mittleres bis großes
psychisches Risiko annimmt.
Tab. 9 Einschätzung des
psychischen Risikos des Konsums verschiedener Substanzen in Abhängigkeit
vom
Lebensalter
[]
| Altersgruppen |
Es besteht ein mittleres/großes Risiko durch den Konsum
von ... psychisch Schaden zu
nehmen | < 18
n = 20 | 18-21
n = 156 | 22-25
n = 54 | > 25
n = 60 | p |
Zigaretten | 16,7 | 15,7 | 18,5 | 11,9 | n. s. |
Alkohol | 65,0 | 61,6 | 66,7 | 70,0 | n. s. |
Cannabis | 43,8 | 46,1 | 48,1 | 49,2 | n. s. |
Ecstasy | 83,3 | 86,2 | 86,8 | 88,3 | n. s. |
Speed | 100 | 84,3 | 82,7 | 82,5 | n. s. |
Halluzinogene | 100 | 96,4 | 90,2 | 89,7 | n. s. |
Kokain | 100 | 98,5 | 96,0 | 94,8 | n. s. |
Opiate | 100 | 100 | 98,0 | 98,1 | n. s. |
n.s. = nicht signifikant; * p
< 0,05; ** p < 0,01; *** p
< 0,001
|
Nun ist zu vermuten, dass die Einstellung zu Drogen bzw.
die subjektive Einschätzung der Risiken, die mit dem Drogenkonsum
verbunden sein können, von der eigenen Drogenerfahrung abhängig ist. Tab. [10] ist ein Vergleich der Risikoeinschätzungen der
drogenabstinenten und der drogenerfahrenen Untersuchungsteilnehmer zu
entnehmen. Sehr deutlich unterscheiden sich drogenabstinente und
drogenerfahrene Teilnehmer in ihrer Risikoeinschätzung hinsichtlich der
Droge Cannabis. Mehr als die Hälfte der abstinenten Personen
(60 %) beurteilen den Konsum von Cannabis hinsichtlich
körperlicher Schäden als riskant, im Gegensatz zu 34 %
der Drogenerfahrenen.
Tab. 10 Einschätzung
körperlicher und psychischer Risiken in Abhängigkeit von der
Drogenerfahrung*
| körperliche Risiken | psychische Risiken |
| Abstinente
(n = 64) | Erfahrene
(n = 226) | p | Abstinente
(n = 64) | Erfahrene
(n = 226) | p |
Zigaretten | 76,2 | 76,0 | n. s. | 18,7 | 14,5 | n. s. |
Alkohol | 84,1 | 79,5 | n. s. | 64,1 | 64,7 | n. s. |
Cannabis | 60,3 | 34,2 | ** | 64,3 | 42,6 | ** |
Ecstasy | 93,2 | 90,1 | n. s. | 89,7 | 85,8 | |
Speed | 94,6 | 91,9 | | 91,1 | 82,7 | n. s. |
Halluzinogene | 92,6 | 85,2 | n. s. | 96,1 | 93,2 | n. s. |
Kokain | 100 | 92,4 | *[]
| 100 | 96,1 | n. s. |
Opiate | 100 | 99,5 | n. s. | 100 | 99,0 | n. s. |
* Angaben in Prozent; n.s. = nicht
signifikant; * p < 0,05; ** p < 0,01;
*** p < 0,001
|
Auch der Konsum von Kokain wird in Abhängigkeit von der
eigenen Drogenerfahrung als weniger gefährlich für die
körperliche Gesundheit bewertet. Ähnliche Tendenzen können auch
für die anderen illegalen Substanzen beobachtet werden, wobei sich
allerdings für die hier untersuchte Population keine statistisch
bedeutsamen Unterschiede feststellen lassen.
In verschiedenen Studien konnte belegt werden, dass die
subjektive Einschätzung der Risiken des Drogenkonsums mit spezifischen
Konsummustern verbunden ist, weshalb für die hier
untersuchte Stichprobe der Zusammenhang zwischen der Drogenaffinität und
der Risikoeinschätzung des Substanzgebrauchs analysiert werden soll. Als
Maß für die Drogenaffinität wird die Anzahl der im letzten
Monat konsumierten illegalen Drogen bestimmt.
Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass ein Konsum mehrerer
Substanzen mit einer geringeren Risikoeinschätzung des Drogenkonsums
einhergeht, da ein hohes Risikobewusstsein ein Vermeiden von subjektiv
riskanten Verhaltensweisen zur Folge haben müsste. Bezogen auf die
Einschätzung des Risikos, körperlich Schaden
zu nehmen, zeigen sich für die am häufigsten konsumierten Substanzen
Alkohol, Zigaretten und Cannabis ganz unterschiedliche Tendenzen in
Abhängigkeit von der Drogenaffinität.
Abb. 4 Einschätzung
körperlicher Risiken des Konsums von Alkohol, Zigaretten und Cannabis in
Abhängigkeit von der Anzahl konsumierter illegaler Drogen im letzten
Monat.
So liegt ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem
Drogenkonsummuster und der Bewertung körperlicher Risiken des
Alkoholkonsums (χ2 = 24,13;
df = 12; p < 0,05) und ein hochsignifikanter
Zusammenhang bezüglich des Cannabisgebrauchs
(χ2 = 33,69; df = 12;
p < 0,01) vor. Während jedoch der Alkoholkonsum von Teilnehmern
mit einer hohen Drogenaffinität als riskanter bewertet wird, nimmt die
Risikoeinschätzung des Cannabiskonsums mit der Anzahl aktuell konsumierter
Drogen deutlich ab. Die Einschätzung der Gefährlichkeit des
Zigarettenkonsums hingegen scheint unabhängig von der Drogenaffinität
zu sein und wird etwa von jedem Dritten mit einem hohen Risiko assoziiert. Ein
weiteres auffälliges Ergebnis betrifft die Risikoeinschätzung
derjenigen Personen, die keine illegalen Drogen im letzten Monat konsumierten:
Sie bewerten diese drei Substanzen bezüglich des körperlichen Risikos
als ungefähr gleich riskant.
Hinsichtlich der Risikoeinschätzung des Konsums illegaler
Drogen ergibt sich ein ganz eindeutiges Bild. Hier gilt: Je mehr illegale
Drogen aktuell konsumiert werden, desto signifikant geringer ist der Anteil
derjenigen, die den Konsum von Ecstasy, Speed, Halluzinogenen und Kokain als
ein großes Gesundheitsrisiko einschätzen. Eine Ausnahme scheint hier
die Einschätzung des Opiatkonsums zu sein. Dieser wird -
unabhängig von der Drogenaffinität - von mehr als
91 % der Stichprobe mit großen körperlichen Risiken
assoziiert.
Im Gegensatz zu den körperlichen Risiken des Drogenkonsums
werden die möglichen psychischen Schäden in Abhängigkeit von der
Anzahl konsumierter Substanzen sehr heterogen eingeschätzt. Zunächst
kann festgehalten werden, dass der Zigarettenkonsum - unabhängig von
der Anzahl konsumierter Substanzen - als vergleichsweise
ungefährlich beurteilt wird. Alle anderen Drogen werden signifikant
unterschiedlich eingeschätzt.
Generell gilt hier, dass Personen, die einen aktuellen Konsum
mehrerer Substanzen aufweisen, das psychische Risiko von Ecstasy, Speed,
Halluzinogenen, Kokain und Opiaten als weniger gefährlich beurteilen als
Personen ohne aktuellen Drogenkonsum. Die Risikoeinschätzung des
Alkoholkonsums bildet hier wieder eine Ausnahme: Wie schon bei der
Einschätzung körperlicher Gefahren wird das Risiko durch den
Alkoholkonsum mit steigender Anzahl konsumierter Drogen signifikant
größer eingeschätzt.
Über den Zusammenhang von subjektiver Risikowahrnehmung
und Drogenkonsum
Die gefundenen statistisch bedeutsamen Zusammenhänge zwischen
der subjektiven Risikoeinschätzung einerseits und dem
Drogenkonsumverhalten der hier untersuchten Jugendlichen andererseits werfen
die Frage auf, ob die Entwicklung riskanter Drogenkonsummuster im Jugendalter
durch eine antezedent geringere Risikowahrnehmung des Drogenkonsums
begünstigt wird. So könnte man annehmen, dass es drogenabstinenten
Jugendlichen aufgrund ihrer guten Risikosensibilisierung gelingt, ihre
Abstinenz in einem hoch drogenaffinen Milieu wie dem der Techno-Party-Szene
aufrechtzuerhalten. Dieses Ergebnis wäre für die Rechtfertigung
drogenpräventiver Maßnahmen, wie zum Beispiel der Aufklärung
über Risiken in den Massenmedien oder dem Einsatz von Furchtappellen, von
geradezu herausragender Bedeutung. Jedoch sollte dieser Sachverhalt mit
großer Sorgfalt interpretiert werden. Das hier angeschnittene Problem
betrifft die Frage der Kausalität von Variablenbeziehungen.
Im Rahmen der vorliegenden längsschnittlich konzipierten
Arbeit sollen die hier skizzierten Fragen zum Verhältnis zwischen der
subjektiven Risikowahrnehmung einerseits und dem Konsum von illegalen
Substanzen andererseits aufgegriffen werden. Es soll eine Entscheidung
über die Richtung der Beeinflussung der Variablenbeziehung
herbeigeführt werden: ob eine spezifische Risikoeinschätzung einen
Einfluss auf das Ausmaß des Drogenkonsums (bzw. auf die Aufrechterhaltung
der Abstinenz) hat oder ob (erst) die eigene Erfahrung
mit Substanzen eine Risikosensibilisierung generiert. Zur Überprüfung
dieser konkurrierenden Kausalmodelle des Drogenkonsums werden die hierfür
relevanten Daten analog des „Cross-lagged
Panel Designs” von
Campell [18] analysiert.
Entsprechend dieser Konzeption wurden die Parameter „Risikoeinschätzung” und „Drogenkonsum” zu den beiden Messzeitpunkten
(Techno-Studie 1996, Nachbefragung 1998) erfasst und die entsprechenden
Korrelationen analysiert. Die Ergebnisse der Zusammenhangsanalysen sind in
Abb. [5] zusammengefasst dargestellt.
Abb. 5 Einschätzung
körperlicher Risiken des Konsums anderer Drogen in Abhängigkeit von
der Anzahl konsumierter illegaler Drogen im letzten Monat.
Zunächst bestätigen die errechneten Korrelationen den
negativen Zusammenhang zwischen der Drogenaffinität und der
Einschätzung des Drogenrisikos zu den jeweiligen Messzeitpunkten. Demnach
sinkt mit höherer Involviertheit in den Drogenkonsum die subjektive
Einschätzung der Risiken. Aufgrund der vergleichsweise hohen Korrelation
(r = 0,40**) zwischen der Risikowahrnehmung zu den
Messzeitpunkten t1 und t2 kann weiterhin für die
untersuchte Population die Hypothese angenommen werden, dass die subjektive
Risikoeinschätzung des Drogenkonsums eine stabile Kognition im Jugendalter
- zumindest für den hier untersuchten Zeitraum von zwei Jahren
- zu sein scheint. Das zweite Ergebnis betrifft die Überprüfung
der konkurrierenden Kausalhypothesen: Zuerst einmal muss festgehalten werden,
dass auf der Grundlage der hier vorliegenden Ergebnisse ein signifikanter
Zusammenhang zwischen der Drogenaffinität zum Zeitpunkt t1 und
der Risikoeinschätzung zum Zeitpunkt der Nachbefragung zwei Jahre
später bestätigt werden kann. Im Gegensatz dazu liegt zwischen der
subjektiven Risikowahrnehmung t1 und dem Drogenkonsumverhalten
t2
kein statistisch bedeutsamer Zusammenhang
vor.
Abb. 6 Zusammenhang zwischen
Risikoeinschätzung und Drogenkonsum zu den Messzeitpunkten t1
und t2 (n = 290).
Obgleich die gefundenen Korrelationen mit
r = 0,16* bzw. 0,11 vergleichsweise klein ausfallen,
könnte im direkten Vergleich vorerst die Hypothese favorisiert werden,
wonach der Drogenkonsum (bzw. die Drogenabstinenz) von heute einen
signifikanten Einfluss auf die Risikowahrnehmung von morgen hat. Dagegen
scheint eine antezedente Risikoeinschätzung des Drogenkonsums kein
bedeutsamer Schutz gegen (späteren) Drogenkonsum darzustellen.
Soll nun aber eine statistisch abgesicherte Entscheidung zugunsten
einer der konkurrierenden Kausalhypothesen getroffen werden, so muss angesichts
der gegebenen eher schwachen Korrelationen (0,16 bzw. 0,11) überprüft
werden, ob sich die beiden Korrelationen signifikant voneinander unterscheiden.
Mit dem von Steiger [19] angegebenen Test resultiert
ein z-Wert von 0,0620, der sich im Annahmebereich der H0 befindet.
Demnach muss festgehalten werden, dass die vorliegenden Korrelationen sich
nicht signifikant unterscheiden, womit
keine der beiden Hypothesen über den Zusammenhang
zwischen subjektiver Risikowahrnehmung und dem Konsum von Substanzen
favorisiert werden kann.
Zusammenfassende Diskussion
Im Rahmen der vorliegenden längsschnittlichen Untersuchung
wurde der Konsum von Substanzen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen
über einen Zeitraum von zwei Jahren analysiert. Die Ergebnisse ergeben ein
differenziertes Bild hinsichtlich der Veränderungen von
Drogenkonsummustern.
Bezogen auf die Prävalenz des
Substanzkonsums kann zwischen den beiden Messzeitpunkten eine relative
Stabilität im Konsum von Alkohol und Zigaretten festgestellt werden.
Dagegen scheint der Konsum von Ecstasy und Amphetaminen zum Zeitpunkt der
Nachbefragung in der untersuchten Szenepopulation weniger weit verbreitet zu
sein als zwei Jahre zuvor. Höhere Prävalenzraten finden sich jedoch
hinsichtlich des Konsums von Cannabis und Kokain. Eine durchschnittlich
höhere Konsumfrequenz lässt sich nicht
für Kokain, wohl aber für Cannabis feststellen. Insgesamt scheint die
untersuchte Gruppe nach wie vor eine vergleichsweise hohe Drogenaffinität
aufzuweisen, auch wenn die Konsummuster im Mittel etwas moderater erscheinen
mögen.
Betrachtet man individuelle Veränderungen des Drogenkonsums, so
fällt zuallererst die hohe Variabilität des Konsums von Drogen auf.
So konnte zum einen gezeigt werden, dass etwa ein Drittel aller zum Zeitpunkt
der Ersterhebung drogenunerfahrener Besucher von Techno-Partys innerhalb des
Untersuchungszeitraums mit zumindest einer illegalen Substanz in Berührung
gekommen ist. Es konnte aber auch festgestellt werden, dass mehr als ein
Drittel aller Ecstasykonsumenten zu t1 zum Zeitpunkt der Nachbefragung den
Konsum dieser Substanz wieder eingestellt hatte. Zu der Frage nach der
Prävalenz des Drogeneinstiegs und der Beendigung des Drogenkonsums lassen
die hier vorliegenden Längsschnittsdaten zusammengefasst folgende
Hypothese zu:
Je „härter” eine Droge, desto kleiner ist die
Wahrscheinlichkeit des Einstiegs und desto größer ist die
Wahrscheinlichkeit des Ausstiegs. Erwartungsgemäß korrespondiert die
Prävalenz für Einstieg und Ausstieg mit dem Lebensalter,
d. h., Personen, die im Zeitraum zwischen Erst- und Nachbefragung
erstmals illegale Substanzen konsumiert haben, waren im Mittel um mehr als zwei
Jahre jünger (M = 20,7; MD = 20)
als die Gruppe derjenigen, die den Drogenkonsum eingestellt hat
(M = 23,0; MD = 21).
Bezogen auf die subjektive Einschätzung der Risiken des
Drogenkonsums kann analog zu den hier vorliegenden Daten konstatiert werden,
dass die Einschätzung von gesundheitlichen Risiken in einem reziproken
Verhältnis zur Prävalenz und zum Ausmaß des Drogenkonsums
steht. Je „gefährlicher” Jugendliche und junge Erwachsene
den Konsum von Substanzen einschätzen, desto seltener konsumieren sie
Drogen. Und umgekehrt gilt auch, dass mit der Anzahl der konsumierten
Substanzen die Einschätzung der gesundheitlichen Risiken des Drogenkonsums
abnimmt.
Die Frage jedoch, ob eine (antezedent) gegebene
Risikoeinschätzung tatsächlich als ein protektiver Faktor des
Drogenkonsums betrachtet werden kann oder ob vielmehr der Drogenkonsum (bzw.
die Drogenabstinenz) eine spezifische subjektive Einschätzung der Risiken
nach sich zieht, konnte auch im Rahmen des hier realisierten
längsschnittlichen Untersuchungsdesigns nicht entschieden werden. Ganz
offensichtlich besteht jedoch ein wechselseitiges Verhältnis zwischen
gesundheitsbezogenen Einstellungen einerseits und dem Konsum von Substanzen
andererseits. Deutlich geworden ist nicht nur, dass das
(Drogenkonsum-)Verhalten durch antezedente gesundheitsbezogene Einstellungen
beeinflusst werden kann, sondern dass spezifische drogenbezogene Einstellungen
bzw. die Risikoeinschätzung des Drogenkonsums durch das Konsumverhalten
und die entsprechenden Erfahrungen beeinflusst wird.