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DOI: 10.1055/s-2001-14370
Drogenkonsum und Risikoeinschätzung in längsschnittlicher Perspektive
Drug Use and Risk Reception in a Longitudinal Perspective
Dr. H. Peter Tossmann
SPI-Forschung gGmbH
Kohlfurter Straße 41-43
10999 Berlin
Email: tossmann@web.de
Publication History
Publication Date:
31 December 2001 (online)
- Zusammenfassung
- Drug Use and Risk Reception in a Longitudinal Perspective
- Einleitung
- Methode
- Ergebnisse
- Zusammenfassende Diskussion
- Literatur
Zusammenfassung
Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit war es zum einen, den Substanzkonsum unter jugendlichen Besuchern von Techno-Parties aus längsschnittlicher Perspektive zu analysieren. Zum anderen galt es, den Zusammenhang zwischen Risikoeinschätzung und Drogenkonsum einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.
Hierzu wurden n = 290 jugendliche Techno-Partybesucher hinsichtlich ihres Drogenkonsumverhaltens und ihrer subjektiven Einschätzung gesundheitlicher Risiken des Drogenkonsums in einem Abstand von zwei Jahren (1996 und 1998) befragt.
Die Ergebnisse machen zum einen die hohe Variabilität individuellen Drogenkonsums im Jugendalter deutlich, zum anderen konnte ein enger Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsumverhalten und der Risikoeinschätzung herausgearbeitet werden.
#Drug Use and Risk Reception in a Longitudinal Perspective
Main objective of the research work presented here was to analyse drug use amongst juvenile visitors of Techno parties in a longitudinal perspective. Additionally analysed was the correlation between the risk perception and the drug use behaviour.
To achieve this, n = 290 visitors of Techno parties were asked twice within two years (1996 and 1998) about their drug use behaviour and their subjective assessment of health risks.
Results show a high variability of individual pattern of drug use during the age of youth on the one hand. On the other hand a significant correlation between the drug use behaviour and subjective risk assessment could be figured out.
#Einleitung
Das Jugendalter ist wie kein anderer Abschnitt des menschlichen Lebens mit Neugierde, Experimentierfreudigkeit und riskanten Verhaltensweisen in Verbindung zu bringen. Nach repräsentativen Untersuchungen der letzten Jahre [1] [2] ist davon auszugehen, dass etwa 15-20 % aller jungen Menschen Erfahrungen mit illegalen Drogen machen, wobei ein Großteil der Drogenkonsumenten den Substanzgebrauch nach einem ein- bis mehrmaligen Probierkonsum wieder einstellen [1]. Etwa 9 % aller Jugendlichen im Alter von 12 bis 24 Jahren in den alten (und ca. 1 % in den neuen) Bundesländern betreiben einen aktuellen Drogenkonsum [1]. Dabei handelt es sich insbesondere um den Konsum von Cannabisprodukten wie Haschisch oder Marihuana. Aktivierende Drogen wie Amphetamine und Ecstasy haben in den letzten Jahren allerdings hinsichtlich der Konsumbereitschaft, der Konsumprävalenz und der Zahl der Erstkonsumenten erheblich an Bedeutung gewonnen [1 3]. Nach heute vorliegenden Ergebnissen ist die Prävalenz illegalen Drogenkonsums insbesondere in der Techno-Party-Szene vergleichsweise weit verbreitet [4 6].
Nach gegenwärtigem Forschungsstand muss davon ausgegangen werden, dass vielfältige Faktoren an der Entwicklung spezifischer Drogenkonsummuster beteiligt sind. Jugendlicher Drogenkonsum dürfte insbesondere auf psychosoziale und soziokulturelle Einflüsse zurückzuführen sein [7 9]. Welche Variablen nun in welcher Weise Einfluss auf gesundheitlich relevantes Verhalten nehmen, ist Gegenstand gesundheitspsychologischer Forschung. Obgleich derzeit noch keine explizite gesundheitspsychologische Theorie des Drogenkonsums vorliegt, wurde eine Reihe theoretischer Konstrukte bzw. psychosozialer Einflussfaktoren benannt, die für das Verständnis menschlichen Gesundheits- und Risikoverhaltens von Bedeutung sein dürften [10] [11]. Betrachtet man jugendlichen Substanzgebrauch und die Frage nach möglichen drogenpräventiven Konzepten unter einer gesundheitspsychologischen Perspektive, so lässt sich sagen, dass insbesondere das Konzept der gesundheitlichen Risikowahrnehmung relevant sein dürfte. In der langen Tradition der Suchtprävention wird eine gute Risikosensibilisierung als protektiver Faktor für den Einstieg in den Drogenkonsum und für die Entwicklung riskanter Drogenkonsummuster gesehen. Drogenpräventive Strategien setzten daher auf die Vermittlung von Information und Aufklärung über objektive Risiken des Substanzgebrauchs sowie auf die Wirkung von Furchtappellen. Solche Appelle zur Verhaltensänderung bauen darauf auf, dass Menschen vor allem dann bereit sind, unerwünschte Verhaltensweisen abzustellen oder gewünschte Verhaltensweisen zu zeigen, wenn man ihnen klar macht, welche negativen Konsequenzen aus einem Nichtbefolgen von Geboten oder Verboten resultieren.
Nun zeigen aber einige Evaluationsstudien, dass eine reine Informationsvermittlung über psychotrope Substanzen ebenso wenig die Konsumbereitschaft der Jugendlichen zu reduzieren vermag wie abschreckende und warnende Hinweise. Solche Maßnahmen berücksichtigen auf der einen Seite nicht die Funktionalität, die das Konsumverhalten für viele Jugendliche hat [12] [13]. Auf der anderen Seite haben die Ergebnisse aus der Erforschung der Risikowahrnehmung große Relevanz. In vielen Untersuchungen zeigte sich wiederholt, dass Individuen ihr persönliches Risiko unterschätzen, [14] [15] spricht in diesem Zusammenhang von „unrealistischem Optimismus” in Bezug auf die persönliche Gefährdung. In seinen Untersuchungen fanden sich die größten Unterschätzungen des persönlichen Risikos für Drogenabhängigkeit, Suizid, Geschlechtskrankheiten, Epilepsie und Alkoholismus.
Im Rahmen der Ecstasy- und Partydrogenforschung finden sich ebenfalls Ergebnisse zu den wahrgenommenen Risiken [5] [16]. Hier wurde nachgewiesen, dass aktive Drogenkonsumenten tendenziell eine niedrigere Risikoeinschätzung abgeben als abstinente Personen und diese zudem auch negativ mit der Anzahl der im letzten Monat konsumierten Drogen korreliert, d. h., je mehr Substanzen konsumiert werden, desto weniger riskant wird der Konsum eingeschätzt.
Obgleich ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen Risikoeinschätzung einerseits und dem Substanzkonsum andererseits nachgewiesen werden konnte, ist bislang ungeklärt, welcher Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen besteht. So wäre denkbar, dass eine spezifische Risikoeinschätzung (von heute) einen Einfluss auf den Drogenkonsum von morgen hat (Hypothese 1). Vorstellbar wäre aber auch, dass der Drogenkonsum (bzw. die Drogenabstinenz) und die damit verbundenen Erfahrungen Einfluss auf die Risikoeinschätzung haben (Hypothese 2).
Mittels der im Rahmen einer Längsschnittsuntersuchung erhobenen Daten [16] ist es möglich, die Relation zwischen der Drogenaffinität und der subjektiven Risikoeinschätzung einer genaueren Analyse zu unterziehen und zu überprüfen, welche der beiden oben formulierten Hypothesen stärker zu gewichten ist.
#Methode
Zur Bearbeitung dieser Fragestellung wurde ein eigens entwickeltes, teilstandardisiertes Erhebungsinstrument eingesetzt, das u. a. die Merkmalsbereiche Drogenkonsum, subjektive Risikoeinschätzung sowie sozidemografische Merkmale erfasst.
Die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA in Auftrag gegebene Studie zum „Drogenkonsum Jugendlicher in der Techno-Party-Szene” [6] bildet die empirische Grundlage dieser längsschnittlichen Untersuchung.
Im Rahmen dieser ersten Techno-Studie wurden im Zeitraum von Juni bis November 1996 insgesamt n = 1674 Techno-Party-Besucher befragt. Nach Abschluss der Datenerhebung 1996 lagen die vollständigen Adressen von insgesamt 497 Besuchern von Techno-Partys vor. Etwa zwei Jahre nach der Ersterhebung - im September 1998 - wurde diesen Personen auf dem Postweg ein Erhebungsbogen für die Nachbefragung zugesandt. Zu beiden Erhebungszeitpunkten liegen nunmehr die Daten von n = 290 Personen vor. Unter Berücksichtigung des Lebensalters der Zielgruppe (Wohnmobilität) und der Fragestellung der Studie (Drogenkonsumverhalten) kann die erzielte Ausschöpfungsquote von 58,4 % als durchaus erfolgreich eingeschätzt werden.
Von der im Rahmen der Wiederholungsbefragung untersuchten Population (n = 290) waren 37 % Frauen, das mittlere Alter lag bei knapp 22 Jahren, wobei die Frauen im Durchschnitt ein Jahr jünger waren als die Männer. Ungefähr zwei Drittel der Teilnehmer waren jünger als 22 Jahre.
absolute
Häufigkeiten (n) | relative Häufigkeiten
(%) |
||
Geschlecht | Frauen Männer | 108 182 | 37,2 62,8 |
Lebensalter M = 21,8 SD = 4,5 MD = 20,0 | < 18 Jahre 18-21 Jahre 22-25 Jahre > 25 Jahre | 20 156 54 60 | 6,9 53,8 18,6 20,7 |
Schulabschluss | Schule
abgebrochen Hauptschulabschluss mittlere Reife Abitur noch in Schulausbildung | 10 43 103 96 38 | 3,4 14,8 35,5 33,1 13,1 |
1 zum Zeitpunkt t2 |
Hinsichtlich des Bildungsstandes der hier untersuchten Jugendstichprobe ist festzustellen, dass 35 % der Teilnehmer die Schulausbildung mit der mittleren Reife abgeschlossen haben, 33 % mit Abitur und 15 % mit einem Hauptschulabschluss. Außerdem waren 13 % der Untersuchungsteilnehmer zum Zeitpunkt der Nachbefragung noch in der Schulausbildung und lediglich 3 % gaben an, die Schule abgebrochen zu haben.
#Ergebnisse
#Prävalenz des Drogenkonsums
Die im Folgenden dargestellten Konsumprävalenzen verschiedener Substanzen sollen einen Eindruck von der Drogenerfahrung und dem aktuellen Konsumverhalten der befragten Personen zu beiden Erhebungszeitpunkten vermitteln. Hierzu werden zunächst die Lebenszeitprävalenzen der Untersuchungsstichprobe den Daten einer aktuellen Repräsentativerhebung zur „Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 1997” von der BZgA [17] gegenübergestellt.[1]
Zum einem wird hier nochmals deutlich, dass die Drogenkonsumerfahrung in der Techno-Party-Szene um ein Vielfaches höher liegt als im altersentsprechenden Bevölkerungsdurchschnitt. Hat im Westteil Deutschlands immerhin jeder fünfte junge Erwachsene Erfahrung mit Cannabis, weist die Techno-Szene einen mindestens dreimal so hohen Anteil Cannabiserfahrener auf. Noch deutlicher zeigen sich die Unterschiede bei den psychoaktiven Substanzen Ecstasy, Speed, Halluzinogene und Kokain. Trotz der vergleichsweise höher liegenden Prävalenzrate für Opiate, scheint der Konsum dieser Substanz in der Techno-Party-Szene eine untergeordnete Rolle zu spielen. Zum anderen lässt sich erwartungsgemäß bei den Techno-Party-Besuchern über den Untersuchungszeitraum von zwei Jahren ein Zuwachs der Lebenszeitprävalenzen für verschiedene Substanzen beobachten.
#Aktuelles Drogenkonsumverhalten
Im Folgenden wird die Entwicklung des Drogenkonsumverhaltens der Untersuchungsteilnehmer der Längsschnittsstudie über die beiden Messzeitpunkte dargestellt. Dabei wird in Tab. [3] zwischen dem Konsum innerhalb der letzten 12 Monate (Jahresprävalenz) und der Monatsprävalenz unterschieden. Im Wesentlichen lassen sich anhand der hier vorliegenden Daten drei Aussagen machen: Der Konsum von Alkohol und Nikotin erweist sich innerhalb der Teilnehmergruppe (n = 290) zwischen den Untersuchungszeitpunkten 1996 und 1998 als relativ stabil. Ein etwas anderes Bild ergibt sich hinsichtlich des Konsums illegaler Substanzen. Eine geringfügige Abnahme des aktuellen Drogenkonsums findet sich hier für die klassischen Party-Drogen Ecstasy und Speed. Haben im 2. Halbjahr 1996 noch 27,7 % der hier Befragten innerhalb der vergangenen 30 Tage Ecstasy konsumiert, so lag dieser Anteil aktueller Ecstasykonsumenten zwei Jahre später „nur” noch bei 19,7 % innerhalb der untersuchten Gruppe. Dagegen ist sowohl der aktuelle Konsum von Cannabis als auch der Kokainkonsum innerhalb der vorliegenden Teilstichprobe angestiegen. 1996 gaben noch 39,3 % der Befragten an, im letzten Monat Cannabis konsumiert zu haben, und im Jahr 1998 lag dieser Anteil bei 44,5 %.
[*] | Jahresprävalenz | Monatsprävalenz | |||
t1 | t2 | t1 | t2 | ||
Zigaretten | 93,4 | 94,1 | 86,9 | 86,2 | |
Alkohol | 78,1 | 78,3 | 72,5 | 73,8 | |
Cannabis | 54,9 | 62,8 | 39,3 | 44,5 | |
Ecstasy | 36,3 | 32,1 | 27,7 | 19,7 | |
Speed | 28,2 | 27,2 | 19,2 | 16,2 | |
Halluzinogene | 24,1 | 23,1 | 12,4 | 12,1 | |
Kokain | 17,8 | 23,4 | 8,4 | 11,0 | |
Opiate | 1,8 | 1,8 | 0,3 | 0,6 | |
*Angaben in Prozent |
Die Jahresprävalenz des Kokainkonsums stieg innerhalb der beiden Messzeitpunkte in der untersuchten Population von 17,8 % auf 23,4 % und aktuell gibt etwa jeder zehnte Befragte (11 %) an, im zurückliegenden Monat Kokain konsumiert zu haben.
#Aktuelle Konsummuster
Ein wesentliches Maß für die Erfassung des Drogenkonsumverhaltens ist die Konsumfrequenz, erfasst über die Konsumtage des zurückliegenden Monats. Die Messwerte für den Konsum von Zigaretten, Alkohol und Cannabis liegen erwartungsgemäß zwischen 0 und 30. Hinsichtlich der Veränderungen bezogen auf den Konsum dieser „Alltagsdrogen” ist festzustellen, dass der vergleichsweise hohe Anteil von Rauchern in der Untersuchungsstichprobe zwischen 1996 und 1998 nochmals geringfügig gestiegen ist. Darüber hinaus wird deutlich, dass die untersuchte Population im Durchschnitt einen Konsumtag pro Monat häufiger Cannabis konsumiert (von 4,7 auf 5,6 Tage) und der Anteil täglicher Konsumenten in dieser Gruppe von 7,8 % auf 9,6 % gestiegen ist.
Um die Veränderungen des Konsums anderer Substanzen darzustellen, muss anders vorgegangen werden. Geht man zum einen von einer Monatsprävalenz von unter 25-30 % für den Konsum anderer Substanzen in der Techno-Party-Szene aus (siehe Prävalenz des Drogenkonsums) und zum anderen von einer eher niedrigen Konsumfrequenz, sind die Stichprobenkennwerte „Prävalenz täglichen Konsums” und „durchschnittliche Konsumtage” zur Beschreibung des Konsumverhaltens der untersuchten Gruppe wenig aussagekräftig. Daher wird nachfolgend nur die Konsumfrequenz aktueller Konsumenten dargestellt. Auf den Konsum von Opiaten wird angesichts der niedrigen Monatsprävalenz (0,3 % bzw. n = 1 bei t1) nicht eingegangen.
Die aus Tab. [2] zu entnehmenden Ergebnisse zeigen, dass die mittlere Konsumfrequenz der „Party-Drogen” Ecstasy und Speed ebenso wie der Substanzen Halluzinogene und Kokain innerhalb des Untersuchungszeitraumes gesunken ist. Obgleich - wie oben beschrieben - eine steigende Prävalenz des Kokainkonsums in der untersuchten Population von Techno-Party-Besuchern zu verzeichnen ist, ist die mittlere Konsumfrequenz dabei nicht gestiegen. Angesichts der hier doch recht kleinen Stichprobe und einer Streuung von SD = 7,1 können jedoch keine schlüssigen Aussagen zur Veränderung der Konsumfrequenz von Kokain in der Untersuchungsstichprobe gemacht werden.
Geht man davon aus, dass die Risiken des Drogenkonsums mit der Anzahl der konsumierten Substanzen steigen, so wäre zu fragen, welche Veränderungen hinsichtlich dieses Merkmals des Drogenkonsumverhaltens innerhalb von zwei Jahren eingetreten sind. Wie aus Abb. [1] hervorgeht, erweist sich die Gesamtstichprobe hinsichtlich dieses Maßes des Drogenkonsums vergleichsweise konstant. Etwa jeder zweite Untersuchungsteilnehmer weist innerhalb des Monats vor der Befragung keinen illegalen Drogenkonsum auf. Im Jahr 1996 haben 22,1 % eine und 7,5 % der untersuchten Gruppe zwei illegale Drogen innerhalb des zurückliegenden Monats konsumiert, bei der Nachbefragung im Jahr 1998 gaben 25,2 % an, eine Droge konsumiert zu haben und 9,1 % der Befragten hatten 2 illegale Substanzen konsumiert. Der Konsum von mehr als zwei illegalen Substanzen war in dem untersuchten Kollektiv im Jahr der Erstbefragung weiter verbreitet als im Jahr 1998.
Betrachtet man die Veränderungen des Drogenkonsumverhaltens innerhalb der Untersuchungspopulation zusammenfassend, so können drei Hypothesen formuliert werden: Zum einen scheint der Konsum von Cannabis und Kokain in der untersuchten Gruppe zwei Jahre nach der Erstbefragung weiter verbreitet zu sein als zuvor und zum anderen zeigt sich, dass die Prävalenz des Konsums von Partydrogen (Ecstasy und Speed) im gleichen Zeitraum zurückgegangen ist. Hinsichtlich der Konsumfrequenz und der Anzahl der aktuell konsumierten Substanzen zeigt sich die untersuchte Population im Jahr 1998 geringfügig moderater, im Wesentlichen aber stabil. Dies könnte dafür sprechen, dass der Konsum von Ecstasy und anderen Partydrogen nicht zu einer befürchteten Eskalation von Konsummustern mit epidemiologischer Relevanz geführt hat. Obgleich die hier vorliegenden Daten ein Beleg dafür sind, dass der Gebrauch von Ecstasy und Amphetaminen innerhalb des untersuchten Kollektivs mit der Zeit an Bedeutung verloren hat, sprechen die hier vorliegenden Gesamtdaten (Prävalenz, Anzahl der konsumierten Substanzen) dennoch dafür, dass die Affinität zum Drogenkonsum - innerhalb dieses Populationssegments - erhalten bleibt.
#Risiken des Drogenkonsums
Gesundheitspsychologischen Modellen zufolge scheint die Aufrechterhaltung riskanter Verhaltensweisen wie dem Drogenkonsum davon abhängig zu sein, ob Personen diesen Substanzen eine „Gefährlichkeit” zuschreiben. Deshalb wird im Folgenden der Frage nachgegangen, als wie riskant der Konsum psychoaktiver Substanzen eingeschätzt wird und von welchen soziodemografischen Merkmalen die Risikowahrnehmung beeinflusst wird.
#Risikoeinschätzung des Drogenkonsums
Zu beiden Erhebungszeitpunkten wurden alle Teilnehmer - unabhängig von der eigenen Konsumerfahrung - nach ihrer Einschätzung der Risiken bezüglich des Konsums verschiedener Substanzen befragt. Dabei wurde zwischen einer körperlichen und einer psychischen Gefährdung unterschieden. Der Vergleich der Mittelwerte (range 0-3) der Einschätzung körperlicher und psychischer Gefahren des Substanzkonsums macht zum einen deutlich, dass sich die mittleren subjektiven Risikoeinschätzungen der befragten Personen zu den beiden Erhebungszeitpunkten t1 und t2 nicht signifikant unterscheiden, weshalb aus Gründen der Übersichtlichkeit bei der weiteren Darstellung der Risikowahrnehmung des Drogenkonsums nur der Messzeitpunkt t2 berücksichtigt wird. Interessanterweise scheint die subjektive Risikowahrnehmung bezüglich des Substanzkonsums im arithmetischen Mittel eine stabile Kognition in der hier untersuchten Stichprobe zu sein.
[*] | körperliche Risiken (M) | psychische Risiken (M) | ||||
t1 | t2 | p | t1 | t2 | p | |
Zigaretten | 2,0 | 2,0 | n. s. | 0,7 | 0,7 | n. s. |
Alkohol | 2,1 | 2,1 | n. s. | 1,8 | 1,9 | n. s. |
Cannabis | 1,5 | 1,4 | n. s. | 1,6 | 1,5 | n. s. |
Ecstasy | 2,5 | 2,5 | n. s. | 2,5 | 2,4 | n. s. |
Speed | 2,6 | 2,6 | n. s. | 2,4 | 2,4 | n. s. |
Halluzinogene | 2,5 | 2,5 | n. s. | 2,8 | 2,8 | n. s. |
Kokain | 2,8 | 2,7 | n. s. | 2,8 | 2,8 | n. s. |
Opiate | 2,9 | 3,0 | n. s. | 2,9 | 2,9 | n. s. |
n.s. = nicht signifikant |
Zum anderen ist bei diesem Vergleich der Mittelwerte die leichte Tendenz festzustellen, die Risiken des Drogenkonsums eher im körperlichen Bereich zu sehen. Dies gilt insbesondere für die legalen Drogen Alkohol und Zigaretten. Außerdem wird auch eine „Risiko-Rangreihe” ersichtlich, nach der die verschiedenen Substanzen eingeschätzt werden. Die beurteilte Gefährdung von Cannabis wird in der untersuchten Population vergleichsweise gering eingeschätzt.
Dagegen wird den Party-Drogen Ecstasy und Speed, aber vor allem auch Halluzinogenen und Opiaten von einem Großteil der Befragten ein großes Risiko zugeschrieben, körperlichen bzw. psychischen Schaden zu nehmen. Cannabis nimmt folglich unter den illegalen Substanzen hinsichtlich der Einschätzung gesundheitlicher Gefährdung eine Sonderstellung ein.
Wie unterschiedlich die verschiedenen Substanzen in Bezug auf ihre körperliche und psychische Gefährdung beurteilt werden, soll anhand der Abb. [2] und [3] noch einmal verdeutlicht werden. Nach den vorliegenden Daten zur Einschätzung körperlicher Risiken des Drogenkonsums wird der Konsum von Alkohol und Zigaretten als deutlich riskanter eingeschätzt als der Cannabiskonsum: Mehr als die Hälfte der Befragten (60 %) sieht im Konsum dieser Droge kein oder nur ein leichtes Risiko für die körperliche Gesundheit, während etwa jeder Dritte im Konsum von Alkohol bzw. Zigaretten ein großes Gefährdungsrisiko wahrnimmt.
Der Konsum von Ecstasy wird von 57 % des befragten Techno-Publikums mit einem großen Risiko für die körperliche Gesundheit assoziiert und mindestens zwei von drei der Befragten sehen auch große Gefahren im Zusammenhang mit dem Konsum von Speed, Halluzinogenen, Kokain und Opiaten.
Auch hinsichtlich des Risikos, psychisch Schaden zu nehmen, wird der Konsum von Cannabis als vergleichsweise wenig riskant eingeschätzt.
So geht etwa jeder zehnte Teilnehmer (12 %) davon aus, dass mit dem Gebrauch von Cannabis kein Risiko für die psychische Gesundheit verbunden ist, und weitere 42 % sehen ein leichtes Risiko. Interessanterweise wird dem Konsum von Alkohol ein größeres Risiko für eine Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit zugeschrieben als dem Cannabiskonsum. So wird von zwei Drittel der Teilnehmer (65 %) dem Alkohol, aber nur von knapp der Hälfte der Befragten (47 %) der Droge Cannabis ein mittleres bis großes Risikopotenzial zugeschrieben. Bezogen auf die Partydrogen Ecstasy und Speed geht etwa jeder Vierte von einem mittleren und mehr als jeder Zweite von einem großen Risiko für die psychische Gesundheit aus. Der Konsum von Halluzinogenen (83 %), Kokain (80 %) und Opiaten (95 %) wird von der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer als riskant für die psychische Gesundheit betrachtet.
Zusammenfassend ergibt sich ein Gesamtbild hinsichtlich der Risiken des Drogenkonsums, wonach der Konsum von Zigaretten und Cannabis als vergleichsweise harmlos eingeschätzt wird. Das Gefährdungspotenzial von Alkohol wird im Vergleich hierzu als riskanter beurteilt. Mit dem Konsum der Partydrogen Ecstasy und Speed verbindet die untersuchte Population insgesamt ein höheres Gesundheitsrisiko, wobei die Substanzen Halluzinogene, Kokain und Opiate mit vergleichsweise großen körperlichen und psychischen Risiken assoziiert werden.
Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob es Unterschiede bezüglich der Einschätzung der Risiken des Drogenkonsums in Abhängigkeit von soziodemografischen Merkmalen und der eigenen Drogenerfahrung gibt. Wenn man die Risikoeinschätzungen der befragten Frauen und Männer vergleicht, so zeigen sich keine statistisch bedeutsamen Unterschiede.
Jedoch können durchaus interessante Tendenzen beobachtet werden: Die männlichen Untersuchungsteilnehmer beurteilen fast alle Substanzen tendenziell als weniger gefährlich. Eine Ausnahme bilden hier jedoch die Drogen Speed und Kokain: Diese werden in Bezug auf mögliche körperliche Gefahren von den Männern als leicht riskanter eingeschätzt im Vergleich zu den weiblichen Teilnehmern.
Für die Entwicklung präventiver Maßnahmen dürfte von Bedeutung sein, ob der Konsum von Drogen hinsichtlich gesundheitlicher Risiken in Abhängigkeit vom Lebensalter unterschiedlich bewertet wird. In Tab. [8] sind zunächst die Daten bezüglich der Beurteilung körperlicher Risiken dargestellt. Hier werden in Abhängigkeit vom Lebensalter zwei unterschiedliche Tendenzen deutlich: Auf der einen Seite lässt sich mit zunehmendem Alter ein signifikant geringer werdender Anteil von Personen konstatieren, die den Konsum illegaler Drogen wie Cannabis und Halluzinogene als riskant einschätzen. So wird von mehr als der Hälfte der unter 18-jährigen Personen (59 %) Cannabis mit einem mittleren bis großen Risiko assoziiert, wogegen nur noch 23 % der über 25-Jährigen diese Meinung teilen.
Auch für die Partydroge Ecstasy werden signifikante Altersunterschiede in der Wahrnehmung körperlicher Gefahren sichtbar. Jedoch wird hier von der Gruppe der 18- bis 25-Jährigen der Konsum von Ecstasy deutlich riskanter beurteilt als von den jüngeren wie auch von den älteren Untersuchungsteilnehmern.
Auf der anderen Seite scheint die Einschätzung körperlicher Risiken für die legalen Drogen Zigaretten und Alkohol wie auch für die Substanzen Speed, Kokain und Opiate vom Lebensalter unabhängig zu sein. Wobei auch hier aber wieder ein leichter Trend festzustellen ist, nach dem die legalen Drogen mit zunehmenden Alter riskanter, Speed und Kokain aber weniger gefährlich eingeschätzt werden.
Aus Tab. [9] wird ersichtlich, dass die Risikowahrnehmung hinsichtlich psychischer Gefahren des Drogenkonsums für alle Substanzen unabhängig vom Lebensalter der Untersuchungsteilnehmer ist. Sehr deutlich werden Zigaretten am harmlosesten beurteilt, gefolgt von der Droge Cannabis, die etwa jeder Zweite der Befragten über alle Altersgruppen hinweg mit einem mittleren bis großen Risiko für die psychische Gesundheit in Verbindung bringt. Alkohol wird zudem wieder riskanter eingeschätzt als Cannabis und in Bezug auf die Partydrogen Ecstasy und Speed sowie für Halluzinogene, Kokain und Opiate zeigt sich, dass die Mehrheit der Untersuchungsteilnehmer (83 % bis 100 %) ein mittleres bis großes psychisches Risiko annimmt.
Nun ist zu vermuten, dass die Einstellung zu Drogen bzw. die subjektive Einschätzung der Risiken, die mit dem Drogenkonsum verbunden sein können, von der eigenen Drogenerfahrung abhängig ist. Tab. [10] ist ein Vergleich der Risikoeinschätzungen der drogenabstinenten und der drogenerfahrenen Untersuchungsteilnehmer zu entnehmen. Sehr deutlich unterscheiden sich drogenabstinente und drogenerfahrene Teilnehmer in ihrer Risikoeinschätzung hinsichtlich der Droge Cannabis. Mehr als die Hälfte der abstinenten Personen (60 %) beurteilen den Konsum von Cannabis hinsichtlich körperlicher Schäden als riskant, im Gegensatz zu 34 % der Drogenerfahrenen.
Auch der Konsum von Kokain wird in Abhängigkeit von der eigenen Drogenerfahrung als weniger gefährlich für die körperliche Gesundheit bewertet. Ähnliche Tendenzen können auch für die anderen illegalen Substanzen beobachtet werden, wobei sich allerdings für die hier untersuchte Population keine statistisch bedeutsamen Unterschiede feststellen lassen.
In verschiedenen Studien konnte belegt werden, dass die subjektive Einschätzung der Risiken des Drogenkonsums mit spezifischen Konsummustern verbunden ist, weshalb für die hier untersuchte Stichprobe der Zusammenhang zwischen der Drogenaffinität und der Risikoeinschätzung des Substanzgebrauchs analysiert werden soll. Als Maß für die Drogenaffinität wird die Anzahl der im letzten Monat konsumierten illegalen Drogen bestimmt.
Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass ein Konsum mehrerer Substanzen mit einer geringeren Risikoeinschätzung des Drogenkonsums einhergeht, da ein hohes Risikobewusstsein ein Vermeiden von subjektiv riskanten Verhaltensweisen zur Folge haben müsste. Bezogen auf die Einschätzung des Risikos, körperlich Schaden zu nehmen, zeigen sich für die am häufigsten konsumierten Substanzen Alkohol, Zigaretten und Cannabis ganz unterschiedliche Tendenzen in Abhängigkeit von der Drogenaffinität.
So liegt ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsummuster und der Bewertung körperlicher Risiken des Alkoholkonsums (χ2 = 24,13; df = 12; p < 0,05) und ein hochsignifikanter Zusammenhang bezüglich des Cannabisgebrauchs (χ2 = 33,69; df = 12; p < 0,01) vor. Während jedoch der Alkoholkonsum von Teilnehmern mit einer hohen Drogenaffinität als riskanter bewertet wird, nimmt die Risikoeinschätzung des Cannabiskonsums mit der Anzahl aktuell konsumierter Drogen deutlich ab. Die Einschätzung der Gefährlichkeit des Zigarettenkonsums hingegen scheint unabhängig von der Drogenaffinität zu sein und wird etwa von jedem Dritten mit einem hohen Risiko assoziiert. Ein weiteres auffälliges Ergebnis betrifft die Risikoeinschätzung derjenigen Personen, die keine illegalen Drogen im letzten Monat konsumierten: Sie bewerten diese drei Substanzen bezüglich des körperlichen Risikos als ungefähr gleich riskant.
Hinsichtlich der Risikoeinschätzung des Konsums illegaler Drogen ergibt sich ein ganz eindeutiges Bild. Hier gilt: Je mehr illegale Drogen aktuell konsumiert werden, desto signifikant geringer ist der Anteil derjenigen, die den Konsum von Ecstasy, Speed, Halluzinogenen und Kokain als ein großes Gesundheitsrisiko einschätzen. Eine Ausnahme scheint hier die Einschätzung des Opiatkonsums zu sein. Dieser wird - unabhängig von der Drogenaffinität - von mehr als 91 % der Stichprobe mit großen körperlichen Risiken assoziiert.
Im Gegensatz zu den körperlichen Risiken des Drogenkonsums werden die möglichen psychischen Schäden in Abhängigkeit von der Anzahl konsumierter Substanzen sehr heterogen eingeschätzt. Zunächst kann festgehalten werden, dass der Zigarettenkonsum - unabhängig von der Anzahl konsumierter Substanzen - als vergleichsweise ungefährlich beurteilt wird. Alle anderen Drogen werden signifikant unterschiedlich eingeschätzt.
Generell gilt hier, dass Personen, die einen aktuellen Konsum mehrerer Substanzen aufweisen, das psychische Risiko von Ecstasy, Speed, Halluzinogenen, Kokain und Opiaten als weniger gefährlich beurteilen als Personen ohne aktuellen Drogenkonsum. Die Risikoeinschätzung des Alkoholkonsums bildet hier wieder eine Ausnahme: Wie schon bei der Einschätzung körperlicher Gefahren wird das Risiko durch den Alkoholkonsum mit steigender Anzahl konsumierter Drogen signifikant größer eingeschätzt.
#Über den Zusammenhang von subjektiver Risikowahrnehmung und Drogenkonsum
Die gefundenen statistisch bedeutsamen Zusammenhänge zwischen der subjektiven Risikoeinschätzung einerseits und dem Drogenkonsumverhalten der hier untersuchten Jugendlichen andererseits werfen die Frage auf, ob die Entwicklung riskanter Drogenkonsummuster im Jugendalter durch eine antezedent geringere Risikowahrnehmung des Drogenkonsums begünstigt wird. So könnte man annehmen, dass es drogenabstinenten Jugendlichen aufgrund ihrer guten Risikosensibilisierung gelingt, ihre Abstinenz in einem hoch drogenaffinen Milieu wie dem der Techno-Party-Szene aufrechtzuerhalten. Dieses Ergebnis wäre für die Rechtfertigung drogenpräventiver Maßnahmen, wie zum Beispiel der Aufklärung über Risiken in den Massenmedien oder dem Einsatz von Furchtappellen, von geradezu herausragender Bedeutung. Jedoch sollte dieser Sachverhalt mit großer Sorgfalt interpretiert werden. Das hier angeschnittene Problem betrifft die Frage der Kausalität von Variablenbeziehungen.
Im Rahmen der vorliegenden längsschnittlich konzipierten Arbeit sollen die hier skizzierten Fragen zum Verhältnis zwischen der subjektiven Risikowahrnehmung einerseits und dem Konsum von illegalen Substanzen andererseits aufgegriffen werden. Es soll eine Entscheidung über die Richtung der Beeinflussung der Variablenbeziehung herbeigeführt werden: ob eine spezifische Risikoeinschätzung einen Einfluss auf das Ausmaß des Drogenkonsums (bzw. auf die Aufrechterhaltung der Abstinenz) hat oder ob (erst) die eigene Erfahrung mit Substanzen eine Risikosensibilisierung generiert. Zur Überprüfung dieser konkurrierenden Kausalmodelle des Drogenkonsums werden die hierfür relevanten Daten analog des „Cross-lagged Panel Designs” von Campell [18] analysiert.
Entsprechend dieser Konzeption wurden die Parameter „Risikoeinschätzung” und „Drogenkonsum” zu den beiden Messzeitpunkten (Techno-Studie 1996, Nachbefragung 1998) erfasst und die entsprechenden Korrelationen analysiert. Die Ergebnisse der Zusammenhangsanalysen sind in Abb. [5] zusammengefasst dargestellt.
Zunächst bestätigen die errechneten Korrelationen den negativen Zusammenhang zwischen der Drogenaffinität und der Einschätzung des Drogenrisikos zu den jeweiligen Messzeitpunkten. Demnach sinkt mit höherer Involviertheit in den Drogenkonsum die subjektive Einschätzung der Risiken. Aufgrund der vergleichsweise hohen Korrelation (r = 0,40**) zwischen der Risikowahrnehmung zu den Messzeitpunkten t1 und t2 kann weiterhin für die untersuchte Population die Hypothese angenommen werden, dass die subjektive Risikoeinschätzung des Drogenkonsums eine stabile Kognition im Jugendalter - zumindest für den hier untersuchten Zeitraum von zwei Jahren - zu sein scheint. Das zweite Ergebnis betrifft die Überprüfung der konkurrierenden Kausalhypothesen: Zuerst einmal muss festgehalten werden, dass auf der Grundlage der hier vorliegenden Ergebnisse ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Drogenaffinität zum Zeitpunkt t1 und der Risikoeinschätzung zum Zeitpunkt der Nachbefragung zwei Jahre später bestätigt werden kann. Im Gegensatz dazu liegt zwischen der subjektiven Risikowahrnehmung t1 und dem Drogenkonsumverhalten t2 kein statistisch bedeutsamer Zusammenhang vor.
Obgleich die gefundenen Korrelationen mit r = 0,16* bzw. 0,11 vergleichsweise klein ausfallen, könnte im direkten Vergleich vorerst die Hypothese favorisiert werden, wonach der Drogenkonsum (bzw. die Drogenabstinenz) von heute einen signifikanten Einfluss auf die Risikowahrnehmung von morgen hat. Dagegen scheint eine antezedente Risikoeinschätzung des Drogenkonsums kein bedeutsamer Schutz gegen (späteren) Drogenkonsum darzustellen.
Soll nun aber eine statistisch abgesicherte Entscheidung zugunsten einer der konkurrierenden Kausalhypothesen getroffen werden, so muss angesichts der gegebenen eher schwachen Korrelationen (0,16 bzw. 0,11) überprüft werden, ob sich die beiden Korrelationen signifikant voneinander unterscheiden. Mit dem von Steiger [19] angegebenen Test resultiert ein z-Wert von 0,0620, der sich im Annahmebereich der H0 befindet. Demnach muss festgehalten werden, dass die vorliegenden Korrelationen sich nicht signifikant unterscheiden, womit keine der beiden Hypothesen über den Zusammenhang zwischen subjektiver Risikowahrnehmung und dem Konsum von Substanzen favorisiert werden kann.
#Zusammenfassende Diskussion
Im Rahmen der vorliegenden längsschnittlichen Untersuchung wurde der Konsum von Substanzen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen über einen Zeitraum von zwei Jahren analysiert. Die Ergebnisse ergeben ein differenziertes Bild hinsichtlich der Veränderungen von Drogenkonsummustern.
Bezogen auf die Prävalenz des Substanzkonsums kann zwischen den beiden Messzeitpunkten eine relative Stabilität im Konsum von Alkohol und Zigaretten festgestellt werden. Dagegen scheint der Konsum von Ecstasy und Amphetaminen zum Zeitpunkt der Nachbefragung in der untersuchten Szenepopulation weniger weit verbreitet zu sein als zwei Jahre zuvor. Höhere Prävalenzraten finden sich jedoch hinsichtlich des Konsums von Cannabis und Kokain. Eine durchschnittlich höhere Konsumfrequenz lässt sich nicht für Kokain, wohl aber für Cannabis feststellen. Insgesamt scheint die untersuchte Gruppe nach wie vor eine vergleichsweise hohe Drogenaffinität aufzuweisen, auch wenn die Konsummuster im Mittel etwas moderater erscheinen mögen.
Betrachtet man individuelle Veränderungen des Drogenkonsums, so fällt zuallererst die hohe Variabilität des Konsums von Drogen auf. So konnte zum einen gezeigt werden, dass etwa ein Drittel aller zum Zeitpunkt der Ersterhebung drogenunerfahrener Besucher von Techno-Partys innerhalb des Untersuchungszeitraums mit zumindest einer illegalen Substanz in Berührung gekommen ist. Es konnte aber auch festgestellt werden, dass mehr als ein Drittel aller Ecstasykonsumenten zu t1 zum Zeitpunkt der Nachbefragung den Konsum dieser Substanz wieder eingestellt hatte. Zu der Frage nach der Prävalenz des Drogeneinstiegs und der Beendigung des Drogenkonsums lassen die hier vorliegenden Längsschnittsdaten zusammengefasst folgende Hypothese zu:
Je „härter” eine Droge, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit des Einstiegs und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit des Ausstiegs. Erwartungsgemäß korrespondiert die Prävalenz für Einstieg und Ausstieg mit dem Lebensalter, d. h., Personen, die im Zeitraum zwischen Erst- und Nachbefragung erstmals illegale Substanzen konsumiert haben, waren im Mittel um mehr als zwei Jahre jünger (M = 20,7; MD = 20) als die Gruppe derjenigen, die den Drogenkonsum eingestellt hat (M = 23,0; MD = 21).
Bezogen auf die subjektive Einschätzung der Risiken des Drogenkonsums kann analog zu den hier vorliegenden Daten konstatiert werden, dass die Einschätzung von gesundheitlichen Risiken in einem reziproken Verhältnis zur Prävalenz und zum Ausmaß des Drogenkonsums steht. Je „gefährlicher” Jugendliche und junge Erwachsene den Konsum von Substanzen einschätzen, desto seltener konsumieren sie Drogen. Und umgekehrt gilt auch, dass mit der Anzahl der konsumierten Substanzen die Einschätzung der gesundheitlichen Risiken des Drogenkonsums abnimmt.
Die Frage jedoch, ob eine (antezedent) gegebene Risikoeinschätzung tatsächlich als ein protektiver Faktor des Drogenkonsums betrachtet werden kann oder ob vielmehr der Drogenkonsum (bzw. die Drogenabstinenz) eine spezifische subjektive Einschätzung der Risiken nach sich zieht, konnte auch im Rahmen des hier realisierten längsschnittlichen Untersuchungsdesigns nicht entschieden werden. Ganz offensichtlich besteht jedoch ein wechselseitiges Verhältnis zwischen gesundheitsbezogenen Einstellungen einerseits und dem Konsum von Substanzen andererseits. Deutlich geworden ist nicht nur, dass das (Drogenkonsum-)Verhalten durch antezedente gesundheitsbezogene Einstellungen beeinflusst werden kann, sondern dass spezifische drogenbezogene Einstellungen bzw. die Risikoeinschätzung des Drogenkonsums durch das Konsumverhalten und die entsprechenden Erfahrungen beeinflusst wird.
#Literatur
- 1 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung .Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland. Wiederholungsbefragung 1993/1994. Köln; 1994
- 2 Herbst K, Kraus L, Scherer K. Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland. München; IFT 1996
- 3 Bundeskriminalamt .Rauschmitteljahresbericht 1994. Wiesbaden; 1995
- 4 Ayer S, Gmel G, Schmid H. Ecstasy und Techno. Eine Befragung in der französisch-sprachigen Schweiz. Sucht. 1997; 3 182-190
- 5 Künzel J, Kröger C h, Bühringer G, Tauscher M, Walden K. Repräsentative Befragung von Mitgliedern der Techno-Szene in Bayern. Ergebnisbericht. Köln; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 1997
- 6 Tossmann H P, Heckmann W. Drogenkonsum Jugendlicher in der Techno-Party-Szene. Ergebnisbericht Köln; BzgA 1997
- 7 Reuband K H. Vom Haschisch zum Heroin? Soziokulturelle Determinanten der Drogenwahl. Suchtgefahren. 1990; 36 1-17 (1)
- 8 Reuband K H. Soziale Determinanten des Drogengebrauchs. Opladen; 1994
- 9 Zimmermann M A, Maton K I. Life-style and substance use among male African urban adolescents: A cluster analytic approach. American Journal of Community Psychology. 1992; 20 121-131 (1)
- 10 Bengel J. Gesundheit, Risikowahrnehmung und Vorsorgeverhalten. Göttingen; Hogrefe 1993
- 11 Schwarzer R. Gesundheitspsychologie - Ein Lehrbuch. Göttingen; Hogrefe 1990
- 12 Freitag M. Gesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen ist mehr als nur (Sucht-) Prävention. Kind, Jugend und Gesellschaft. 1994; 39 79-87
- 13 Freitag M. Kinder, Jugendliche und Drogen - oder: Vom Sinn vielerlei Unsinns. Wegehaupt W, Wieland N Kinder - Drogen - Jugendliche - Pädagogen. In Kontakt bleiben. Dokumentation des 1. Europäischen Drogenkongresses in Münster 1996 Münster; Votum 1996: 141-146
- 14 Slovic P, Fischhoff B, Lichtenstein S. Cognitive processes and societal risk taking. Caroll JS, Payne JW Cognition and social behavior Hillsdale 1976: 165-184
- 15 Weinstein N D. Why it won’t happen to me. Perceptions of risk factors and susceptibility. Healthy Psychology. 1984; 3 431-437
- 16 Tossmann H P, Boldt S, Tensil M. Variabilität und Stabilität des Drogenkonsums in der Techno-Party-Szene. Ergebnisbericht Köln; BzgA 1999
- 17 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung .Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 1997. Eine Wiederholungsbefragung der BzgA. Köln; 1998
- 18 Campell D T. From description to experimentation: Interpreting trends as quasi-experiments. Harris CW Problems in measuring change Madison; University of Wisconsin Press 1963
- 19 Steiger J H. Tests for comparing elements of a correlation matrix. Psychology Bulletin. 1980; 87 245-251
2 Da in diese Repräsentativerhebung zur „Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 1997” nur die 12- bis 25-Jährigen einbezogen wurden, mussten die älteren Teilnehmer der Techno-Studie aus dem Vergleich ausgeschlossen werden.
Dr. H. Peter Tossmann
SPI-Forschung gGmbH
Kohlfurter Straße 41-43
10999 Berlin
Email: tossmann@web.de
Literatur
- 1 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung .Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland. Wiederholungsbefragung 1993/1994. Köln; 1994
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- 9 Zimmermann M A, Maton K I. Life-style and substance use among male African urban adolescents: A cluster analytic approach. American Journal of Community Psychology. 1992; 20 121-131 (1)
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- 13 Freitag M. Kinder, Jugendliche und Drogen - oder: Vom Sinn vielerlei Unsinns. Wegehaupt W, Wieland N Kinder - Drogen - Jugendliche - Pädagogen. In Kontakt bleiben. Dokumentation des 1. Europäischen Drogenkongresses in Münster 1996 Münster; Votum 1996: 141-146
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- 18 Campell D T. From description to experimentation: Interpreting trends as quasi-experiments. Harris CW Problems in measuring change Madison; University of Wisconsin Press 1963
- 19 Steiger J H. Tests for comparing elements of a correlation matrix. Psychology Bulletin. 1980; 87 245-251
2 Da in diese Repräsentativerhebung zur „Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 1997” nur die 12- bis 25-Jährigen einbezogen wurden, mussten die älteren Teilnehmer der Techno-Studie aus dem Vergleich ausgeschlossen werden.
Dr. H. Peter Tossmann
SPI-Forschung gGmbH
Kohlfurter Straße 41-43
10999 Berlin
Email: tossmann@web.de