Die Fachdiskussion ist seit Anfang der 90er Jahre geprägt von
der Entzugsbehandlung und der Integration auch schlecht erreichbarer Subgruppen
Drogenabhängiger in qualifizierte Hilfsangebote. Die Erörterung
entsprechender Behandlungsangebote für Alkoholabhängige gewinnt erst
seit Ende der 90er Jahre an Bedeutung. Während zunächst
unterschiedliche Konzepte für die Entzugs- und Motivationsbehandlung
entwickelt wurden, konzentriert sich die aktuelle Diskussion zunehmend auf die
unmittelbare Verknüpfung von Entzugs- und motivierender Therapie innerhalb
einer Behandlung: der qualifizierten stationären Akutbehandlung -
analog zu den Erfahrungen bei Drogenabhängigen. Entsprechende Konzepte
sind in die regionale Pflichtversorgung zu integrieren, so dass alle
Patientengruppen erreicht und Brüche innerhalb des Hilfesystems verringert
werden können.
Ausgangssituation in NRW
Ausgangssituation in NRW
Im Februar 1999 wurde das NRW-Landesprogramm gegen Sucht
verabschiedet, das nach intensiver Diskussion mit Kosten- und
Leistungsträgern, Ärztekammer, Sozialhilfeträgern,
Beratungsstellen, Kliniken und Verbänden gemeinsam erarbeitet worden ist.
Die qualifizierte stationäre Akutbehandlung Alkoholabhängiger ist ein
eigenständiger Behandlungstyp im Sinne dieses Landesprogramms mit
folgender Aufgabenstellung:
-
Durch einen niederschwelligen Ansatz eine gemeindenahe
qualifizierte Behandlung auch derjenigen Alkoholabhängigen zu
gewährleisten, die von dem bisherigen stationären Angebot nicht
erreicht werden können und für deren Versorgung ambulante Angebote
nicht ausreichen,
-
durch direkte Einbeziehung in ein regionales Verbundsystem
unterschiedlicher psychosozialer Institutionen die Differenzierung und
Weiterentwicklung der Suchthilfe vor Ort zu unterstützen und
-
durch ein differenziertes und individuumzentriertes
Behandlungskonzept sowohl Früherkennung und -behandlung als auch
Sekundär- bzw. Tertiärprävention zu ermöglichen, die
Motivation zur Annahme weiterer spezifischer Hilfsangebote zu fördern und
dadurch zur Begrenzung der aus der Abhängigkeit von Alkohol entstandenen
Schäden beizutragen [1].
Die in NRW nahezu flächendeckende Umsetzung des Konzepts der
qualifizierten stationären Akutbehandlung für Drogenabhängige
hat zu einer deutlich verbesserten Integration vor allem jener
Drogenabhängiger in das Drogenhilfesystem geführt, die zuvor kaum
erreicht worden sind - chronisch intoxikierte, psychosozial
desintegrierte und psychiatrisch komorbide, aber auch junge
Drogenabhängige [2 4]. Aufgrund dieser
positiven praktischen Ergebnisse und der zahlenmäßig wesentlich
größeren Gruppe behandlungsbedürftiger Alkoholabhängiger
sollen qualifizierte akutstationäre Angebote, die auf diesem neuen
Behandlungsansatz für Alkoholabhängige basieren, flächendeckend
in NRW geschaffen und in die regionale Pflichtversorgung integriert werden.
Dabei gilt es festzuhalten, dass die bestehenden Alkoholakutstationen
vielerorts seit Jahren fachlich qualifizierte Arbeit leisten und weiterhin
dringend benötigt werden. Die Fachdiskussion über konzeptionelle
Anforderungen an qualifizierte und in ein differenziertes Netzwerk der
Suchthilfe eingebundene Akutstationen für Alkoholabhängige ist jedoch
bisher deutlich geringer entwickelt als jene über die Behandlung
Drogenabhängiger. Da aufgrund ökonomisch geprägter
Auseinandersetzungen über die Dauer einer Alkoholentzugsbehandlung
fachliche Aspekte zunehmend schwieriger zu vermitteln sind, andererseits
Einigkeit über die große Bedeutung der Suchtkrankenbehandlung
besteht, hat eine intensive Diskussion zwischen Kliniken, MDK, Kosten- und
Leistungsträgern mit gemeinsamen Arbeitstagungen und -gruppen eingesetzt,
beginnend in Nordrhein und inzwischen in beiden Landesteilen NRWs, die mit
Unterstützung des Landesgesundheitsministeriums zu einem Fachkongress im
März 2000 in Münster geführt hat.
Behandlungsansatz (Behandlungsparadigma)
Behandlungsansatz (Behandlungsparadigma)
Die Alkoholabhängigkeit ist eine schwere chronische Erkrankung,
die einer fachgerechten Behandlung mit angemessener Berücksichtigung der
biopsychosozialen Dimension dieser Krankheit bedarf [5]
[6]. Eine adäquate Behandlung
im Sinne der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention setzt
voraus, dass sowohl die Störungen als auch Ressourcen der Betroffenen, die
sich auf der psychischen, somatischen und sozialen Ebene diagnostizieren
lassen, in die Behandlungsstrategie einbezogen werden. Eine enge Kooperation
zwischen ambulanten und teil- bzw. vollstationären Behandlungs- und
Betreuungsangeboten ist Voraussetzung sowohl zur Sicherung des
Behandlungserfolgs als auch zur Annahme notwendiger Behandlungsangebote.
Die bis Anfang der 90er Jahre zu konstatierende vorherrschende
Orientierung der Suchthilfe in Deutschland auf die KOMM-Struktur und das
Abstinenzparadigma ist im Grundsatz zwar nach wie vor ein wesentliches Element
jeglicher Behandlung, in ihrer ursprünglichen Starrheit jedoch nicht als
dem Krankheitsbild angemessen zu betrachten:
Eine enge Kooperation der einzelnen Glieder der regionalen
Suchthilfe und die unmittelbare Verzahnung an den jeweiligen
Übergängen, vor allem bzgl. Beratungsstellen, qualifizierter
Akutbehandlung, Entwöhnungsbehandlung und Selbsthilfegruppen, ist
Voraussetzung für den Behandlungserfolg und die Akzeptanz notwendiger und
möglichst wohnortnaher Hilfsangebote. Um die heterogene Gruppe
Alkoholabhängiger zu erreichen, ist es entscheidend, unter
Berücksichtigung bestehender Störungen die vorhandenen Ressourcen zu
aktivieren und jede therapeutische Kontaktmöglichkeit zu nutzen, um das
Fortschreiten der chronischen Erkrankung zumindest zu lindern und die mit der
Abhängigkeit von Alkohol verbundenen seelischen, körperlichen und
sozialen Störungen und Schäden zu überwinden oder zu begrenzen
unter aktiver Einbeziehung des Patienten in allen Behandlungsphasen. Die
Kooperation mit den therapeutischen Fachdisziplinen und allen Einrichtungen der
Suchthilfe und psychosozialen Diensten ist anzustreben. Entsprechend der
Heterogenität der Alkoholabhängigen sind diese Ziele weder
ausschließlich über ambulante noch über hochschwellige
stationäre Angebote zu erreichen [4]
[7 11].
Zielgruppen
Zielgruppen
Die wichtigsten Zielgruppen können wie folgt skizziert
werden:
-
Einstieg in den Ausstieg: Diese Zielgruppe hatte in der Regel
aufgrund permanenter Intoxikation, psychosozialer Desintegration und
körperlicher Schäden kaum stabile Kontakte zum Hilfssystem. Deshalb
sind Fähigkeit und Motivation zu suchtmittelfreiem Leben Fokus der
Behandlung, jedoch keine Voraussetzung zur stationären Aufnahme.
-
Ambivalente Ausstiegswillige: Diese Zielgruppe ist
charakterisiert durch eine ausgeprägtere Abstinenzorientierung bei noch
zwiespältiger innerer Einstellung und entsprechend im Rahmen der
Behandlung gezielt in ihrer Motivationsbildung zu unterstützen mit dem
Ziel der Einbindung in weiterführende ambulante Betreuungs- und
Behandlungsangebote.
-
Therapiemotivierte mit Abstinenzwunsch: Bei dieser Zielgruppe
ist eine gezielte Vorbereitung auf bereits geplante und vom
Leistungsträger bewilligte Entwöhnungsbehandlung durchzuführen,
welche bereits zumeist über die Suchtberatungsstellen ambulant vorbereitet
worden sind.
Die Mitbehandlung allgemeinpsychiatrischer Störungen bei
manifester Alkoholabhängigkeit ist Fokus der Behandlung und Voraussetzung
zur Integration und psychosozialen Stabilisierung dieser von Ausgrenzung
bedrohten Patientengruppe, sofern das Ausmaß allgemeinpsychiatrischer
Störungen nicht in den Vordergrund rückt [12].
Auch die konkrete Einbeziehung wichtiger Bezugspersonen aus dem
sozialen Umfeld und die unmittelbare Auseinandersetzung mit Selbsthilfegruppen
sind wesentliche Bestandteile der qualifizierten Akutbehandlung und erfordern
einen gemeindenahen Kontext.
Manifeste Alkoholabhängigkeit entwickelt sich stets im
Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren im Sinnes des 3-Faktoren-Modells nach
Feuerlein, deren konkrete Ausprägung jedoch von Patient zu Patient
erheblich differieren kann. Die therapeutische Grundhaltung dieses skizzierten
Behandlungsansatzes ist geprägt von sozialpsychiatrisch orientierter
Arbeit und basiert auf dem Leitgedanken der psychodynamisch orientierten,
tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie bzw. integrierenden
verhaltensmodifizierenden wissenschaftlich anerkannten Therapieformen
[10]
[11]
[13 15].
Behandlungsziele
Behandlungsziele
Die qualifizierte stationäre Akutbehandlung
Alkoholabhängiger umfasst die somatischen und psychischen Aspekte der
Suchterkrankung in ihrer besonderer Ausprägung am einzelnen Patienten.
Aufgabe der Behandlung ist die Motivierung und Unterstützung des Patienten
in seiner Fähigkeit, die eigene Abhängigkeitserkrankung in ihrer
Ausprägung und Funktion zu erkennen und zumindest in Ansätzen
alternative Krisenbewältigungsstrategien und ein persönliches
Abstinenzkonzept zu entwickeln.
Dies erfordert, Eigen- und soziale Verantwortung zu übernehmen,
die subjektiven Belastungsgrenzen zu realisieren und vermehrt einzuhalten, die
soziale Realität differenziert wahrzunehmen und sich mit Frustration und
Bedürfnisbefriedigung auseinander zu setzen.
Ziel der Behandlung ist die Überwindung der manifesten
Alkoholabhängigkeit mit der grundsätzlichen Perspektive der Abstinenz
und die psychische, physische und psychosoziale Stabilisierung des Patienten.
Aufgrund der Rückfallgefährdung als immanentem Bestandteil der
chronischen Alkoholabhängigkeit ist die Entwicklung tragfähiger
therapeutischer Kontakte auch zu sozial desintegrierten, psychisch labilen und
somatisch mehrfach erkrankten chronisch Alkoholabhängigen notwendig.
Wiederaufnahmen bei Rückfällen mit bestehender stationärer
Behandlungsbedürftigkeit sind nicht nur möglich, sondern
gewünscht [4]
[8]
[11]
[16]
[17].
Indikationen
Indikationen
Aufgenommen werden Patienten mit manifester
Alkoholabhängigkeit, mehrfachem Suchtmittelkonsum bei vorrangiger
Alkoholabhängigkeit und schädlichem Gebrauch von Alkohol mit
zunehmender Tendenz im Sinne von Frühbehandlung.
Voraussetzung für die Aufnahme ist bestehende
Behandlungsnotwendigkeit inklusive PsychKG bzw. Betreuungsrecht und die
Bereitschaft, aktuell auf Suchtmittel und Konsumgewohnheiten zu verzichten mit
dem Ziel der umfassenden Stabilisierung. Bestehende Kontakte zu psychosozialen
Diensten, dem Verbundsystem der Suchthilfe und niedergelassenen Ärzten
werden angestrebt und gefördert.
Kontraindikationen
Kontraindikationen
Nicht aufgenommen bzw. in andere Institutionen verlegt bzw.
entlassen werden Patienten, deren somatische Erkrankungen vorrangig sind
(z. B. dekompensierte alkoholtoxische Kardiomyopathie etc.) oder deren
allgemeinpsychiatrische Erkrankungen Behandlungspriorität (z. B.
exazerbierte akute Psychosen) haben. Entscheidend ist die Gesamtkonstellation
des Einzelfalls.
Behandlungsdauer
Behandlungsdauer
Die qualifizierte stationäre Akutbehandlung erfordert die
Einbeziehung sowohl der somatischen als auch psychischen Probleme des Entzugs
und die therapeutische Bearbeitung der bisherigen Entwicklung der
Suchterkrankung. Die Motivierung der Patienten zur selbstkritischen
Auseinandersetzung mit der eigenen Abhängigkeit, dem Wiederentdecken
eigener Ressourcen und zur Annahme weitergehender Hilfsangebote erfordert die
Einbeziehung psychischer Störungen nach Abklingen somatischer
Entzugssymptome in die Behandlung. Ausmaß der Intoxikation,
Konsumverhalten vor Aufnahme, Entzugsverlauf und Auftreten somatischer und
psychischer Komplikationen prägen den Behandlungsverlauf entscheidend und
individuell unterschiedlich und erfordern durchschnittlich eine stationäre
Behandlungsmöglichkeit von bis zu drei Wochen zur Restitution der
Kognitionsfähigkeit [18]. Dieser zeitliche Rahmen
ist indikationsabhängig.
Diagnostik
Diagnostik
Die fachgerechte Abklärung des Ausmaßes der
Abhängigkeitserkrankung und ihrer individuellen Ausprägung erfordert
differenzierte diagnostische Maßnahmen:
-
allgemeinmedizinische Untersuchung,
-
ärztliches Gespräch inkl. psychiatrischer Diagnostik
und Erhebung der Suchtanamnese,
-
Eigen-, Sozial- und Pflegeanamnese,
-
Labordiagnostik einschließlich Drogenscreening sowie bei
Bedarf apparativer Zusatzdiagnostik (Röntgenthorax, EKG, EEG, Sonographie
etc.),
-
nach Indikation und Zustand des Patienten weitere
Diagnostik,
-
bei Bedarf psychologische Testuntersuchungen
-
im weiteren Verlauf stichprobenartige Drogenscreenings
(Urinabgabe unter Sicht, Atemalkohol),
-
bei Bedarf konsiliarärztliche Untersuchungen
[7].
Behandlungsplanung und -verlauf
Behandlungsplanung und -verlauf
Nach den Ergebnissen der Aufnahmeuntersuchungen wird ein
individueller Behandlungsplan im Rahmen des therapeutischen Standardprogramms
erstellt und mit dem Patienten auf dem Hintergrund einer umfassenden und
differenzierten Anamnese eine Zielhierarchie vereinbart, die im
Behandlungsverlauf überprüft und weiterentwickelt wird.
Unverzichtbare Grundlage der Behandlung ist einerseits die Abstinenz von
Alkohol und anderen psychotropen Substanzen, andererseits die Einbeziehung in
das regionale Netzwerk der Suchthilfe einschließlich regionaler
Pflichtversorgung. Die aktive Teilnahme des Patienten an der Behandlung
hängt wesentlich vom Ausmaß der Intoxikation, dem
Detoxikationsverlauf und den somatischen und psychischen Störungen ab. Der
Behandlungsplan umfasst:
-
die Überwindung somatischer Intoxikations- und
Entzugssymptome einschließlich diagnostischer Abklärung somatischer
und psychischer Störungen,
-
die therapeutische Bearbeitung im Einzelkontakt und der Gruppe
(psychiatrisch-psychotherapeutisch, pflegerisch, sport- und
kreativtherapeutisch) bei vorrangiger Binnenorientierung und
-
die Vertiefung des therapeutischen Prozesses mit zunehmender
Außenorientierung, Vorbereitung möglicher Anschlussbehandlungen und
Einbeziehung des sozialen Umfeldes während der Behandlung
[3]
[4]
[7]
[9]
[16]
[18 21].
Nach Abschluss der ersten beiden Teilbereiche werden diejenigen
entlassen bzw. verlegt, deren Perspektive bereits vor Behandlungsbeginn
sichergestellt war (z. B. Entwöhnungsbehandlung, ambulante
Nachbetreuung etc.) oder die einer Intensivierung des „Einstiegs in den
Ausstieg” noch nicht zugänglich sind und eines anderen Settings
bedürfen.
Jene Suchtkranken, die aufgrund psychischer Labilität,
somatischer Erkrankungen, sozialer Desintegration oder ausgeprägter
Ambivalenz gegenüber einer bevorstehenden Entwöhnungsbehandlung im
besonderen Maße gefährdet sind, bedürfen einer weitergehenden,
im dritten Teilbereich skizzierten stationären Behandlung. Dabei wird
besonderes Gewicht gelegt auf die Förderung selbstkritischer Reflexion
suchttypischer Verhaltensweisen, die Übernahme von mehr Eigen- und
sozialer Verantwortung und erste Umsetzungsschritte zur alternativen
Bewältigung krisenhafter Situationen.
Grundlage der Behandlung sind das gruppenorientierte therapeutische
Programm im Tages- und Wochenablauf und der therapeutische Einzelkontakt mit
den Mitarbeitern des multiprofessionellen Teams. Die Teilnahme am gesamten
Behandlungsangebot ist verpflichtend. Aufgrund der Komplexität der zu
behandelnden Störungen und Krankheitsbilder ist die Notwendigkeit der
Teilnahme an den einzelnen Behandlungsangeboten stets von neuem zu prüfen
unter Berücksichtigung sowohl der Dynamik der Patientengruppe als auch der
besonderen Situation des einzelnen Patienten.
Wesentliche therapeutische Problemstellungen werden in der Regel
erst mit Abklingen des körperlichen Entzugssyndroms deutlich, wenn die
Patienten ihre innere Zerrissenheit und somatische Beeinträchtigung als
qualvoll und bedrohlich wahrnehmen und die eigene Hilfsbedürftigkeit nur
schwer zu akzeptieren vermögen. In dieser noch sehr labilen
Behandlungsphase sind die Kontinuität des Behandlungsrahmens und ein
Behandlungssetting erforderlich, welches die Ängste, Widerstände und
intrapsychischen Konflikte dieser Zielgruppe berücksichtigt und
motivationsfördernde therapeutische Angebote vorhält
[8]
[12]
[18]. Während des psychopathologischen
Postdetoxikationssyndroms bedürfen die Patienten besonderer Zuwendung,
klarer Strukturen und eines Behandlungsrahmens, in dem sie ihre inneren
Spannungen, jedoch auch ihre psychosozialen Schwierigkeiten und physischen
Probleme wahrnehmen, ausagieren und bearbeiten können. Die Motivation zur
Annahme weiterführender Hilfsangebote wie z. B. ambulante oder
stationäre Entwöhnungstherapie wird in dieser Behandlungsphase
wesentlich geprägt und gefördert, die bewusste Wahrnehmung und
Auseinandersetzung mit den somatischen und psychischen Aspekten des Entzugs
begünstigt die Akzeptanz der eigenen Hilfsbedürftigkeit und die
Bereitschaft zu suchtmittelfreiem Leben [15]
[21]. Eine starre, fachlich nicht zu rechtfertigende
Begrenzung der Behandlungsdauer verhindert die Überwindung dieser von
psychischer Instabilität geprägten Phase, erhöht die
Rückfallneigung durch vorzeitigen Behandlungsabbruch und erschwert die
Akzeptanz zur Annahme weiterführender Hilfsangebote [7]
[11]
[15]
[16]
[21].
Die Behandlung kann vollstationär, je nach individuellem
Verlauf jedoch auch teilstationär durchgeführt oder beendet und
ambulant fortgesetzt werden.
Personelle Ausstattung/Behandlungsplan
Personelle Ausstattung/Behandlungsplan
Die qualifizierte Akutbehandlung alkoholbedingter Erkrankung ist
Bestandteil der psychiatrischen Versorgung und bedarf eines
multidisziplinären Teams und eines differenzierten Behandlungsplans,
der:
-
allgemeinmedizinische und psychiatrische Behandlung inklusive
Gesundheitserziehung,
-
psychotherapeutische Interventionen mit Einzel- und
Gruppensitzungen,
-
pflegerische und sozialarbeiterische Interventionen,
-
Entspannungstraining, Bewegungs- und Sporttherapie,
-
Beschäftigungs- und Kreativtherapie,
-
Stationsversammlung und bei Bedarf Krisensitzungen,
-
Übernahme von Eigen- und sozialer Verantwortung der
Patienten in allen Lebensbereichen und
-
rückfallbezogene Interventionen umfasst.
Die Einbeziehung in die regionale Pflichtversorgung im Rahmen
differenzierter regionaler Verbundnetze ist anzustreben. Die Akutstation selbst
bedarf eines äußeren Rahmens, der kontrollierte
Behandlungsbedingungen (z. B. Kontrolle wegen Suchtmittelmissbrauch)
sicherstellt: je nach konkreten Bedingungen vor Ort offen, geschlossen oder
z. B. fakultativ offen. Die personelle Besetzung richtet sich qualitativ
und quantitativ nach der PsychPV (je 50 % Fallgruppe S1 und S2).
Für eine 20-Betten-Station mit einer Durchschnittsbelegung von
18 Patienten ergibt sich z. B.
-
12 pflegerische Mitarbeiter/-innen,
-
2,5 Ärzte einschließlich Oberarzt (mit
psychiatrisch-psychotherapeutischer FA-Qualifikation),
-
0,5 Dipl.-Psychologen,
-
1,5 Sozialarbeiter/-innen,
-
0,5 Ergotherapeuten/-innen,
-
0,5 Bewegungstherapeuten/-innen.
Kontinuierliche externe Supervision für alle klinischen
Mitarbeiter sowie kontinuierlicher Erfahrungsaustausch und Wissensvermittlung
neben den notwendigen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind
unverzichtbar.
Kostenträgerschaft
Kostenträgerschaft
Die qualifizierte stationäre Akutbehandlung
Alkoholabhängiger dient der Überwindung der manifesten
Alkoholabhängigkeit bzw. der Besserung oder Linderung des Ausmaßes
der Alkoholabhängigkeit. Kostenträger dieser Behandlung sind die
Krankenkassen.
Qualitätssicherung
Qualitätssicherung
Die fachgerechte und patientenorientierte Durchführung der
qualifizierten stationären Akutbehandlung erfordert einen ständigen
innerklinischen Prozess zur Überprüfung der erreichten Qualität
und Weiterentwicklung des Behandlungskonzepts entsprechend den sich
verändernden Bedingungen des Gesundheits- und Sozialsystems und den
Veränderungen der Patienten.
Die Strukturqualität wird über die Basisdokumentation
sichergestellt und über die Dokumentation der
-
eingehenden psychiatrischen Diagnostik und Anamnese,
-
körperlichen Untersuchung und Labor- sowie
konsiliarärztlichen Befunde,
-
pflegerischen und sozialarbeiterischen Befunde,
-
Krankenblattführung einschließlich Dokumentation der
Einzel- und Gruppenkontakte.
Die Prozesskategorie der Qualitätssicherung umfasst alle den
Behandlungsverlauf eines Patienten betreffenden Maßnahmen. Sicherstellung
und Weiterentwicklung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität
erfordern enge, interdisziplinäre und patientenorientierte Zusammenarbeit
aller Mitarbeiter und Berufsgruppen des einzelnen Teams, aber auch der gesamten
Klinik.
Stellung im Suchthilfenetz
Stellung im Suchthilfenetz
Die Stationen zur qualifizierten Akutbehandlung
Alkoholabhängiger müssen in differenzierte regionale Verbundnetze der
Suchthilfe eingebunden werden; eine enge Kooperation mit allen Institutionen
des Gesundheitswesens (psychiatrische Fachkrankenhäuser, somatische
Fachdisziplinen und niedergelassene Ärzte) ist dringend erforderlich.
Unter diesen Voraussetzungen ist die Einbeziehung dieser Stationen
in die regionale Pflichtversorgung Alkoholabhängiger unabdingbar. Dabei
sind entsprechende Regelungen vor Ort einschließlich
Berücksichtigung regionaler Besonderheiten erforderlich.