Gallensteine sind in den Industrieländern
ein häufiger Befund mit einer Prävalenz von etwa
10 %. Alleine in Deutschland ist also mit etwa
8 Millionen Gallensteinträgern zu rechnen. Wie aus mehreren
epidemiologischen Untersuchungen in europäischen Industrienationen
ersichtlich ist, steigt die Prävalenz altersabhängig
an und erreicht bei über 50-jährigen Frauen etwa
15 - 40 % [3]
[10] [16]
.
Gallensteine können nach Lokalisation und Zusammensetzung
des Steinmaterials eingeteilt werden. Je nach Steinlokalisation
wird zwischen Cholezystolithiasis, Choledocholithiasis (Stein in den extrahepatischen
Gallenwegen) und der in Europa seltenen - in bestimmten
Regionen Asiens hingegen endemischen - Hepatolithiasis (Steine
in den intrahepatischen Gallenwegen) unterschieden.
In unseren Breiten handelt es sich in etwa 80 % der
Fälle um so genannte Cholesterin- (genauer
cholesterinreiche) Steine. Braune und schwarze Pigment- (Bilirubin-) Steine
stehen demgegenüber
mit nur etwa 20 % deutlich zurück.
Cholezystolithiasis
Cholezystolithiasis
Pathogenese der Gallensteinbildung und Risikofaktoren
Die Pathogenese der Gallensteinbildung ist vielschichtig. Drei Faktoren
spielen eine entscheidende Rolle: eine erhöhte Lithogenität der Galle, pathologische Nukleationsmechanismen
und eine gestörte Motilität
der Gallenblase.
Insbesondere bei Patienten mit Gallenblasensteinen konnte ein erhöhter lithogener Index, definiert als Quotient aus den molaren
Konzentrationen von Cholesterin einerseits und Phospholipiden und
Gallensäuren andererseits, in der Galleflüssigkeit
nachgewiesen werden. Ein Index von über 1 bedeutet eine
Cholesterinübersättigung der Galle, damit indirekt
ein erhöhtes Risiko der Nukleation von Cholesterinkristallen
und zur Gallensteinbildung.
Bei der Entstehung von Pigmentsteinen scheint die Cholesterinübersättigung
der Galle keine Rolle zu spielen. Entscheidend ist hingegen ein
vermehrter Anfall von unkonjugiertem Bilirubin in der Galleflüssigkeit,
wie er bei chronischer Hämolyse und Gallenwegsinfektionen
(Dekonjugation von glukuronidiertem Bilirubin durch bakterielle β-Glukuronidase)
festgestellt werden kann.
In verschiedenen epidemiologischen Untersuchungen konnte eine
Vielzahl von Risikofaktoren für die Gallensteinbildung aufgezeigt
werden [Tab. 1]. Neben nicht beeinflussbaren
Faktoren (z. B. Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit) [2]
spielen auch eine ganze Reihe
sekundärer Faktoren, wie Adipositas und bestimmte medikamentöse
Therapien [2]
[4] [12]
, eine Rolle, deren Beeinflussung
prophylaktische Ansätze bieten könnte.
Tab. 1 Typische
Risikofaktoren der Cholezystolithiasis.
-
Lebensalter
(> 50 Jahre)
-
Geschlecht (weiblich : männlich ca. 2 : 1)
-
Familiäre Belastung (Mutter und/oder
Vater)
-
Ethnische Zugehörigkeit (z. B. Pima-Indianer
(USA))
-
Adipositas
-
Besondere Situationen: Schwangerschaft, rapider Gewichtsverlust,
längerdauernde parenterale Ernährung, postmenopausale Östrogensubstitution,
Therapie mit Fibraten
-
Andere Erkrankungen: Leberzirrhose, Erkrankungen des
terminalen Ileum (M. Crohn, Ileozoekalresektion), Diabetes mellitus
|
Klinische Symptomatik
Etwa 70-80 % der Gallensteinträger
sind bei Diagnosestellung asymptomatisch [6].
Bei etwa 20 % der Steinträger kommt es
zu Symptomen und nur in wenigen Prozent der symptomatischen Betroffenen
zu Komplikationen [Tab. 2] [6] [10]
[13]
.
Tab. 2 Mögliche
Komplikationen der Cholecystolithiasis.
-
Akute Cholezystitis
-
Chronische Cholezystitis
-
Gallenblasenhydrops bei Zystikusverschlussstein
-
Gallenblasenempyem
-
Gallenblasenperforation
-
Steinabgang mit biliärer Pankreatitis
-
Steinpenetration mit Gallensteinileus oder Bouveret-Syndrom
(Impaktation im Bulbus duodeni)
-
Mirizzi-Syndrom (Verschlussikterus durch Gallengangskompression
bei Zystikusstein)
|
Die klassische Symptomatik der Cholezystolithiasis - die »Gallenkolik«-
manifestiert sich durch wellenförmige Schmerzen im rechten
Oberbauch, die insbesondere durch Zufuhr fettreicher Speisen und
Getränke ausgelöst werden. Gallenkoliken treten
aber nur in einem geringen Teil der Gallensteinträger auf.
Aus verschiedenen epidemiologischen Untersuchungen geht hervor,
dass gut erinnerliche Schmerzattacken mit einer Dauer über
15 Minuten im rechten und mittleren Oberbauch mit Ausstrahlung in
den Rücken und/oder die rechte Schulter als typisch für
die symptomatische Cholezystolithiasis gelten können [2]
[13].
Häufiger werden von Gallensteinträgern unspezifische
Symptome (z. B. Druck- und Völlegefühl
im Ober- und Mittelbauch, Inappetenz für fette Speisen,
Meteorismus etc.) angegeben, die auf das Vorliegen einer funktionellen
Störung im Sinne eines Reizdarms oder eines Reizmagens
hinweisen und nicht mit der Prävalenz
der Cholezystolithiasis assoziiert sind [5] [10]
[13]
[16]
.
Das Auftreten eines Ikterus oder einer akuten biliären
Pankreatitis sind Hinweise für einen Steinabgang aus der
Gallenblase in den Ductus choledochus und erfordern gegebenenfalls
eine weiterführende Diagnostik (s. auch Choledocholithiasis).
Diagnostik
Diagnostik
Die klinische Untersuchung ist
beim asymptomatischen Patienten wie beim symptomatischen Patienten
ohne Komplikationen meist unergiebig.
Bei akuter Cholezystitis hingegen sind oft eine Abwehrspannung
im rechten Oberbauch, Fieber und Schmerzen nachweisbar. Die schmerzbedingte
Inspirationshemmung bei Palpation im rechten Oberbauch (Murphy’s sign)
ist typisch.
Das Verfahren der Wahl zur bildgebenden Diagnostik von Gallenblasensteinen
ist die abdominelle Sonographie [13]
[17]
.
Mit 3,5 MHz- bis 5 MHz-Schallköpfen gelingt die Steindetektion
in über 95 %[17].
Zusätzlich erhält man bei dieser weit verfügbaren und
kostengünstigen Technik Informationen über die
Gallenblasenmorphologie (Cholezystitis? Tumor?) und die Gallenwege
(Choledocholithiasis?). Die sonographische Messung der Gallenblasenfunktion
nach einer definierten Reizmahlzeit kann zur Therapieplanung hilfreich
sein [13].
Radiologische Untersuchungen sind
beschränkt auf spezielle Fragestellungen, wie z. B.
den Ausschluss von Steinverkalkungen vor oraler Litholyse oder extrakorporaler
Stoßwellenlithotripsie. Die Röntgenzielaufnahme
ist meist unergiebig, da etwa 70 % der Gallenblasensteine
keine Verkalkungen aufweisen und somit nicht zur Darstellung kommen.
Die Computertomographie kann neben der Frage nach Steinverkalkungen
Zusatzinformationen zur Gallenblasenmorphologie und umliegenden Strukturen
geben, ist aber meist nicht erforderlich. Die intravenöse
Cholangiographie ist wegen der beschränkten Aussagekraft
und den möglichen Kontrastmittelnebenwirkungen (z. B. Allergie,
Hyperthyreose) im Zeitalter von Ultraschall und Kernspintomographie
nicht mehr zeitgemäß [7] [17]
.
Die Indikation zur endoskopischen retrograden Cholangio-Pankreatikographie (ERCP) in der Diagnostik der Cholecystolithiasis
beschränkt sich wegen des potenziellen Risikos dieser Untersuchung
auf die Patienten, bei denen nach diagnostischen Parametern eine
interventionsbedürftige Choledocholithiasis wahrscheinlich
ist.
kurzgefasst: Die
Prävalenz der Cholezystolithiasis wird
in Deutschland auf etwa 10 % geschätzt.
Nur etwa zwanzig Prozent der Gallensteinträger sind symptomatisch.
Typische Symptome sind Schmerzattacken (über 15 min. Dauer)
im rechten und mittleren Oberbauch, mit Ausstrahlung in den Rücken
und/oder die rechte Schulter. Die abdominelle Sonographie
ist das Verfahren der Wahl
zur Diagnostik der Cholezystolithiasis und erlaubt zudem die Beurteilung,
ob Komplikationen wie eine akute Cholezystitis oder Choledocholithiasis
vorliegen. Radiologische Verfahren sind meist verzichtbar, bzw.
auf spezielle Fragestellungen (z. B. Ausschluss verkalkter Steine
vor oraler Lysetherapie) beschränkt.
Cholangiolithiasis
In den westlichen Industrienationen werden bei etwa 15 % der Patienten
zum Zeitpunkt Cholezystektomie Gallengangssteine vorgefunden [18]. Es findet sich eine altersabhängige
Zunahme der Prävalenz auf bis zu 50 % bei über
80-jährigen Patienten. In unseren Breiten sind diese Steine
meist in den extrahepatischen Gallenwegen, als sogenannte Choledocholithiasis vorzufinden. In den
meisten Fällen ist dabei eine Migration von Steinen aus
der Gallenblase anzunehmen (sogenannte sekundäre Gallengangssteine).
Primär intrahepatische Steine (Hepatolithiasis)
sind in westlichen Ländern selten, in bestimmten ostasiatischen
Regionen hingegen endemisch. So wird die Prävalenz intrahepatischer Steine
in Taiwan aus einer epidemiologischen Langzeitbeobachtung an 17 182
Patienten auf 20,3 % der Patienten zum Zeitpunkt
der Cholezystektomie beziffert [19].
Andere Studiengruppen beziffern die Prävalenz auf bis
zu 45 % zum Zeitpunkt der CHE [11]. Prädisponierende Faktoren
für die primäre Hepatolithiasis scheinen biliäre
Infektionen, genetische Disposition und möglicherweise
auch nutritive Elemente zu sein [9]
[20].
Klinische Symptomatik
Das klinische Beschwerdebild der Patienten mit Cholangiolithiasis
ist variabel. Etwa 10 - 20 % der
Patienten scheinen im Verlauf asymptomatisch zu bleiben [13].
Typische Zeichen der Choledocholithiasis sind biliäre
Koliken, biliäre Pankreatitis und Ikterus - bedingt
durch eine steinbedingte Abflussbehinderung aus den Gallenwegen.
Seltener manifestiert sich ein Gallengangstein durch eine eitrige
Cholangitis mit der typischen Charcot-Trias (Oberbauchschmerzen,
Fieber, Ikterus).
Die Symptomatik der Hepatikolithiasis ist komplexer [Tab. 3] [9]
[11]
.
Oft stehen rezidivierende Fieberschübe im Vordergrund,
im Einzelfalle kann es zur Ausbildung einer sekundären
biliären Zirrhose mit ihren konsekutiven Veränderungen
kommen. Das gehäufte Auftreten intrahepatischer Gallengangskarzinome
bei asiatischen Patienten mit Hepatolithiasis wird diskutiert.
Diagnostik
Diagnostik
Die klinische Untersuchung ist im Intervall oft unergiebig, bei akuter
Cholangitis sind Fieber, Ikterus und ein Druckschmerz im rechten
Oberbauch wegweisend.
Tab. 3 Typische
Komplikationen der primären Hepatolithiasis.
-
rekurrierende
eitrige Cholangitis
-
biliäre Sepsis
-
Leberabszess
-
Thrombophlebitis des Pfortadersystems
-
Fibrosierung der intrahepatischen Gallenwege
-
Lebersegmentatrophie
-
Leberzirrhose
-
Cholangiozelluläres Karzinom (?)
|
Laborchemische Hinweise auf das Vorliegen
von Gallengangssteinen ergeben die cholestaseanzeigenden Enzyme [1]
[15].
Die höchste Sensitivität scheint eine erhöhte γ-GT [15]
oder die alkalische Phosphatase
zu haben. Eine Hyperbilirubinämie findet sich klassischerweise
beim Verschlussikterus.
Bildgebendes Verfahren der Wahl ist die abdominelle Sonographie [13]
[17]
. Gallensteine lassen sich dabei
in Abhängigkeit von Größe und Lokalisation
bei etwa 50 - 80 % der Patienten nachweisen [Abb. 1]
.
Oft ist auch nur eine Dilatation der extra- und oder intrahepatischen
Gallenwege oder eine begleitende Cholezystolithiasis als indirekter
Hinweis auf eine Cholangiolithiasis darstellbar.
Abb. 1 Typisches
sonographisches Bild der Choledocholithiasis. Echoreiche Struktur
im Gallengang mit angedeutetem Schallschatten.
Abb. 2 Endoskopischer
Aspekt der Steinpapille.
Der Goldstandard in der bildgebenden Diagnostik ist nach wie vor
die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) [13]. Vorteile der ERCP sind die
genaue Identifikation auch kleiner Steine und die Option zur Therapie
in gleicher Sitzung [Abb. 2]. Wegen der potenziellen Komplikationen
der diagnostischen ERCP, insbesondere dem Risiko der akuten Pankreatitis,
ist bei unklaren Konstellation in Labor- und Ultraschalluntersuchung
der primäre Einsatz non-, bzw. semiinvasiver Verfahren
wie der MRCP oder der Endosonographie sinnvoll.
Durch die Optimierung der Bildgebungssoftware in den letzten
Jahren können Steine mit der Magnetresonanzcholangiographie mit
einem Durchmesser über 5 mm mit großer
Sicherheit nachgewiesen werden [Abb. 3]
. Zusätzlich sind per MRT
Informationen über die intrahepatischen Gallenwege und
begleitende Gallengangsveränderungen, z. B. Stenosen, periduktale
Tumoren verfügbar [8]
[21].
Abb. 3 Magnetresonanzcholangiopankreatikographie
(MRCP) eines Patienten mit Choledocholithiasis.
Die Endosonographie ist nach wie vor
sehr eingeschränkt verfügbar, erreicht bei entsprechender
Kenntnis des Anwenders eine Sensitivität von mehr als 95 % für
die Detektion auch kleinster extrahepatischer Gallengangssteine [14], bietet aber derzeit keine Therapiemöglichkeit.
Andere Verfahren wie die Intraduktale Sonographie, die intravenöse
Cholangiographie oder szintigraphische Methoden sind nur begrenzt
verfügbar, bzw. heute wegen der eingeschränkten
Aussagekraft nicht mehr vorbehaltlos zu empfehlen [7].
kurzgefasst: Die
höchste Sensitivität in der laborchemischen Diagnostik
der Cholangiolithiasis hat die Erhöhung der
cholestaseanzeigenden Enzyme γ-GT und alkalische Phosphatase.
Die abdominelle Sonographie kann
in etwa 70 % der Fälle die Gallengangssteine
nachweisen oder zeigt zumindest indirekte Hinweise, wie eine Erweiterung
des Gallenganges. Ist die Diagnose einer Choledocholithiasis sehr wahrscheinlich,
ist die endoskopisch retograde Cholangio-Pankreatographie (ERCP) nach wie vor der Goldstandard in
der Sicherung der Diagnose, da sie die Möglichkeit der
gleichzeitigen Intervention bietet. Ist die Diagnose einer Choledocholithiasis
weniger wahrscheinlich oder besteht keine Möglichkeit zur
interventionellen ERCP sind die Magnetresonanzcholangiographie (MRC)
oder die Endosonographie mittlerweile
diagnostisches Verfahren der Wahl.