Einführung
Einführung
Dass Alkoholbelastungen in der Familie ein Risiko für die
Entwicklung der Kinder der nächsten Generation darstellen, ist seit langem
bekannt. Dennoch wurde dieses Problem überwiegend ignoriert und geleugnet,
so dass die diesbezügliche Forschung am Anfang des 21. Jahrhunderts,
speziell in Deutschland, weit hinter den Notwendigkeiten zurückliegt. Der
vorliegende Beitrag vermittelt daher zunächst grundlegende Ergebnisse der
bisherigen Forschung, die überwiegend aus den USA kommt.
Abschließend werden Perspektiven für die weitere Forschung und die
Innovation der Praxis diskutiert.
Überblick
Überblick
Kinder alkoholabhängiger Eltern weisen insgesamt ein
erhöhtes Risiko in Bezug auf eine spätere Suchtstörung sowie
Verhaltens- und Erlebensstörungen in Kindheit und Jugend auf
[1]. Kinder von Suchtkranken wurden wiederholt in der
Forschung als die größte Risikogruppe bezüglich der Entwicklung
einer eigenen Suchterkrankung identifiziert und mit ihren Risikomerkmalen
ausführlich beschrieben [2]. Diese Gefährdung
naher Familienangehöriger im Umfeld von Suchtstörungen ist bereits
seit langem bekannt. Nachdem in der Antike Plutarch den Leitsatz
„Trinker zeugen Trinker” prägte, begann seit dem 18.
Jahrhundert, ausgelöst durch die Ginepidemie in England und wenig
später durch weitere Alkoholkrisen in den Ländern der frühen
industriellen Revolution, eine systematische Beschäftigung auch mit den
familiären Risiken des Alkoholismus [3]. In einem
für die damalige Zeit beeindruckenden Sammelreferat hat Oort
[4] den Stand der epidemiologischen und experimentellen
Forschung zum Einfluss elterlichen Alkoholmissbrauchs auf die folgende
Generation zusammengefasst. Dennoch gerieten die Probleme der Kinder in
suchtbelasteten Familien immer wieder in Vergessenheit. Erst seit den siebziger
Jahren des 20. Jahrhunderts ist eine nennenswerte empirische Forschung zu
diesem Thema zu verzeichnen, vorrangig in den USA und in Skandinavien. In einer
inzwischen klassischen Überblicksarbeit hatte Goodwin [5] zusammenfassend analysiert, dass 25 % der
Väter und Brüder alkoholabhängiger Patienten ebenfalls
alkoholabhängig sind. 80 % der engen biologischen Verwandten
klinisch behandelter Alkoholiker weisen eine Lebenszeitprävalenz für
Alkoholprobleme auf [6]. Das Zusammenleben mit einem
alkoholabhängigen Elternteil wird von den meisten Kindern als stresshafter
Zustand [7] empfunden. Für die Familie als Ganzes
besteht eine größere Exposition gegenüber Stressoren. Wenn
diese dauerhaft vorherrschen und als nicht veränderbar wahrgenommen
werden, kann von Duldungsstress [8], wenn es zu
krisenhaften, bisweilen traumatischen Ereignissen kommt, von Katastrophenstress
gesprochen werden.
Es gibt eine klare Evidenz dafür, dass Alkoholabhängige
überzufällig oft aus Familien stammen, in denen bereits Vater bzw.
Mutter oder beide Elternteile abhängig waren [1]
[9]
[10]. Eine oft zitierte
amerikanische Übersichtsstudie [11] zeigte, dass
von knapp 4000 alkoholabhängigen Personen 30,8 % einen
abhängigen Elternteil aufwiesen. Eine Langzeitstudie über einen
Zeitraum von 33 Jahren [12] brachte für erwachsene
Kinder aus Suchtfamilien in 28 % der Fälle eine Diagnose
für Alkoholabhängigkeit. Männer mit einem abhängigen Vater
hatten mehr als doppelt so häufig eine Alkoholabhängigkeit als
Männer ohne abhängigen Vater.
Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass Kinder von Alkoholikern
als größte Risikogruppe für die Entwicklung
von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit angesehen werden müssen.
Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass diese Kinder im Vergleich zu
Kindern nicht suchtkranker Eltern ein bis zu sechsfach
höheres Risiko haben, selber abhängig zu werden oder Alkohol zu
missbrauchen. Wie Lachner & Wittchen [10] in
einer bevölkerungsrepräsentativen epidemiologischen Studie zeigen
konnten, entwickeln Kinder von Eltern mit einer alkoholbezogenen Diagnose im
Alter zwischen 14 und 24 Jahren außerordentlich häufig
Störungen mit klinischer Relevanz. Im Falle einer elterlichen
Alkoholdiagnose, die sich für 15,1 % der Stichprobe ergab,
wiesen Söhne wie Töchter signifikant erhöhte Risiken für
Alkoholstörungen auf. Im Falle einer väterlichen Alkoholdiagnose
hatten die Söhne ein um das 2,01fache, die Töchter ein um das
8,69fache erhöhtes Risiko für Alkoholabhängigkeit. Im Falle
einer mütterlichen Alkoholdiagnose erhöhte sich bei den Söhnen
das Risiko um das 3,29fache und bei den Töchtern um das 15,94fache. Dass
die Risikoerhöhung bei den Söhnen nicht so deutlich wie bei den
Töchtern ausfällt, hängt u. a. mit der
größeren absoluten Zahl junger Männer zusammen, die ungeachtet
ihrer familialen Vorbelastung Alkoholprobleme entwickeln. Im Falle einer
Alkoholdiagnose für beide Elternteile ist das Risiko einer eigenen
Alkoholabhängigkeit bei den Söhnen um das 18,77fache, bei den
Töchtern um das 28fache erhöht. Im Falle elterlicher
Komorbidität sind diese Risiken nochmals erhöht [13].
In einer Langzeitstudie bezüglich differenzieller Risiken
wurden Kinder von ihrer Geburt bis zum 18. Lebensjahr wiederholt untersucht
[14]. Es zeigte sich, dass die Söhne aus
suchtbelasteten Familien mehr psychologische Probleme aufwiesen als die
Töchter und dass im Falle mütterlicher Abhängigkeit
stärkere Probleme entstanden als im Falle väterlicher
Abhängigkeit. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen vieler anderer
Studien [15]. Klar ist auch, dass für Kinder und
Jugendliche in suchtbelasteten Familien das Risiko für Erkrankungen an
anderen psychischen Störungen (neben den bereits erwähnten
Angststörungen insbesondere affektive Störungen und späterhin
Persönlichkeitsstörungen) deutlich - wenn auch nicht so stark
wie für Abhängigkeitserkrankungen - erhöht ist
[16]. Jedoch ist ausdrücklich nicht davon auszugehen, dass alle
Kinder von Alkoholikern eine eigene Abhängigkeit oder andere psychische
Störungen entwickeln müssen. Vielmehr gibt es eine Untergruppe
innerhalb der Kinder alkoholkranker Eltern, die trotz großer Belastungen
psychisch gesund und belastbar bleiben. Dieses Phänomen wurde als
Resilienz (Stressresistenz) bekannt [14].
Die Zahl der Kinder, die im Laufe ihrer Entwicklung einer
elterlichen Alkoholstörung exponiert sind, ist in den modernen
Gesellschaften außerordentlich hoch. Grant [17]
konnte auf der Basis des National Longitudinal Alcohol Epidemiology Sample, in
dem die Daten von 42 862 repräsentativ ausgewählten Personen
im Alter von mehr als 18 Jahren gesammelt wurden, zeigen, dass jedes 2,3. Kind
in einer Familie aufwächst, in der ein Elternteil eine
Lebenszeitprävalenz für eine Alkoholstörung aufweist. Jedes 6,6.
Kind wächst in einer Familie auf, in der ein Elternteil im letzten Jahr
eine alkoholbezogene Diagnose aufwies. „... it can conservatively be
estimated that approximately 1 in every 4 (28.6 %) children in
the United States is exposed to alcohol abuse or dependence in the
family” [17]. Da die epidemiologischen Daten
für die Bundesrepublik höhere Pro-Kopf-Verbrauchsquoten liefern, ist
davon auszugehen, dass die Verhältnisse hierzulande mindestens denen der
USA entsprechen.
Klinische Studien
Klinische Studien
Am Anfang der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der
Situation der Kinder von Alkoholikern standen klinische Studien, bei denen
mittels Interviews oder Spieltherapie Situations- oder Erlebensbeschreibungen
von betroffenen Kindern erhoben wurden. Später kamen ausführliche
Fragebogenstudien hinzu. Zu den von Kindern alkoholkranker Eltern in Interviews
und Fragebogenstudien insgesamt am häufigsten genannten Erfahrungen
[7]
[18] gehören
die familiale Instabilität, eine starke Disharmonie
zwischen den Eltern und die Unberechenbarkeit des elterlichen Verhaltens.
Die familiären Abläufe sind genauso wie die Familienatmosphäre
von einer sehr starken Varianz einzelner Merkmale
geprägt. Dies macht den Kindern eine antizipative Anpassung und
selbstwertdienliche Bewältigung besonders schwer. Inkonsistentes
Belohnungs- und Bestrafungsverhalten herrschen in der Erziehung vor. Generell
werden sehr viele Ambivalenzerfahrungen und
Loyalitätskonflikte berichtet (z. B.
manchmal übermäßig verwöhnt und manchmal
übermäßig bestraft zu werden; den alkoholabhängigen
Elternteil extrem zu verachten und zu hassen, ihn aber auch sehr zu mögen
und zu umsorgen; den alkoholabhängigen Elternteil auch im Erwachsenenalter
noch kontrollieren zu müssen). In manchen Fällen wird deutlich, dass
Kinder das süchtige Trinken ihrer Eltern schuldhaft auf sich selbst
attribuieren, z. B. wegen spezifischer eigener Fehlverhaltensweisen oder
- im Extremfall - wegen ihrer bloßen Existenz.
Für Kinder in Suchtfamilien gelten nach Meinung der meisten
Kliniker [19] besondere Regeln, z. B. dass
Gefühlskontrolle, Rigidität, Schweigen, Verleugnung und Isolation
geeignete Problembewältigungsverhaltensweisen sind. Es herrschen auch oft
extreme Belastungssituationen vor. Diese sind zusammenfassend für die
Kinder dadurch gekennzeichnet, dass
-
sie mehr Streit, konflikthafte Auseinandersetzungen und
Disharmonie zwischen den Eltern erleben als andere Kinder;
-
sie extremeren Stimmungsschwankungen und Unberechenbarkeiten im
Elternverhalten ausgesetzt sind;
-
sie häufiger in Loyalitätskonflikte zwischen den
Elternteilen gebracht werden;
-
Verlässlichkeiten und Klarheiten im familiären Ablauf
weniger gegeben sind sowie Versprechungen eher gebrochen werden;
-
sie häufiger Opfer von Misshandlungen (physisch, psychisch,
sexuell) und Vernachlässigung werden.
Epidemiologie
Epidemiologie
Die Anzahl der Kinder von Suchtkranken ist nicht automatisch
identisch mit der Anzahl der Kinder, die aktuell mit einem suchtkranken
Elternteil in einem Haushalt zusammenleben oder dies jemals taten. Bei
älteren Alkoholkranken mögen die Kinder bis zum Ausbruch der
Störung den Haushalt bereits verlassen haben. Auch können
Fremdunterbringungen (z. B. bei Pflegeeltern oder in Heimen) geschehen.
Die Zahl dieser Fremdplatzierungen ist bei Kindern von Alkoholabhängigen
mit 13,3 % zwar höher als in der Normalbevölkerung,
aber deutlich geringer als bei Kindern drogenabhängiger Eltern, wo oft
Quoten von um oder über 50 % erreicht werden
[25].
Die Zahl der aktuell mit suchtkranken Eltern(teilen)
zusammenlebenden Kinder und Jugendlichen interessiert wegen der potenziellen
Gefahren einer dauerhaften Exposition besonders. Der Anteil der
alkoholabhängigen Eltern, die mit Kindern in einem Haushalt zusammenleben,
betrug nach den Ergebnissen der Statistik der ambulanten Suchtberatungsstellen
in Deutschland EBIS [20] für das Jahr 1998
45 % bei Frauen und 32 % bei Männern. Sehr
viel höher sind die Zahlen der Abhängigen, die jemals Kinder hatten.
75 % der alkoholabhängigen Frauen und 63 % der
alkoholabhängigen Männer, sind wenigstens in einem Fall Mutter bzw.
Vater eines Kindes. Werden die einzelnen genannten Zahlen mit dem Ergebnis
kontrastiert, dass nur 10 % aller
Beratungsstellen in Deutschland überhaupt ein Angebot - gleich
welchen Umfangs und welcher Qualität - für Kinder von
Suchtkranken vorhalten, so wird deutlich, dass von den mehr als 22 000
Kindern, deren Eltern jährlich in ambulanter Suchtbehandlung sind, nur gut
2000 überhaupt die Chance haben, ein familienbezogenes adäquates
Angebot aus der Suchthilfe zu erhalten. Die Kinder alkoholkranker Eltern
außerhalb der Suchthilfe dürften kaum eine Chance auf ein
fachgerechtes Versorgungs- und Präventionsangebot haben.
Ein besonders kritischer Punkt bezüglich der Situation der von
familialen Suchtstörungen betroffenen Kinder ist, dass von den
alkoholabhängigen Klientinnen 11 % alleine mit einem Kind
leben [20]. Hier dürfte die
Überforderungsschwelle für die Mütter und Kinder sehr schnell
erreicht sein und für die Kinder ein besonderes Risiko bestehen, wenn die
unvollständige Familie nicht adäquate psychosoziale Hilfe und
Unterstützung erfährt. Die aus der Entwicklungspsychopathologie
bekannte Kompensation der malignen Effekte eines Elternteils
(„buffering”) kann durch das Fehlen eines nicht betroffenen
Elternteils nicht geschehen. „Aus diesen Zahlen wird ersichtlich, dass
zum einen spezielle Angebote für die Kinder von Abhängigen vermehrt
bereitgestellt werden müssten, um in dieser Risikogruppe möglichst
auch präventiv ansetzen zu können. Zum anderen ist auch der Situation
der suchtkranken Eltern Rechnung zu tragen, die oft allein ihre Kinder
großzuziehen versuchen, und das Angebot entsprechend zu erweitern”
[20].
Die Daten der stationären Suchtbehandlung in Deutschland werden
im Rahmen des SEDOS-Systems (stationäres einrichtungsbezogenes
Dokumentationssystem) dokumentiert. Der entsprechende Jahresbericht für
1998 basiert auf fast 16 000 Behandlungsfällen [21]. Die Angaben zur Familiensituation sind leider weniger
aussagekräftig als im EBIS-System, da nur das Zusammenleben in einem
gemeinsamen Haushalt dokumentiert wird. Im Jahr 1998 lagen diesbezüglich
die auswertbaren Daten von 10 706 Männern und 2390 Frauen vor. Von
den Männern lebten bei Behandlungsanfang 1393 (13 %) mit
Partner und Kind(ern) und weitere 316 (3 %) nur mit Kindern
zusammen. Bei den Frauen sind es 387 (16,2 %) bzw. 321
(13,4 %). Es zeigt sich somit vor allem, dass die Zahl der allein
erziehenden Frauen als recht hoch einzuschätzen ist. Allerdings ist die
Interpretierbarkeit der Daten durch das Vorhandensein einer weiteren Kategorie
„nur mit Partner/in oder Kind/ern und anderen” (372 Männer
und 92 Frauen) erschwert. Es wäre auf jeden Fall dringend erforderlich,
dass sich dieses für den Suchthilfebereich wichtige Dokumentationssystem
in differenzierterer Weise der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen im
Umfeld elterlicher Suchterkrankungen widmet.
In einer weiteren deutschen Untersuchung, speziell mit suchtkranken
Frauen [22], zeigte sich, dass gut die Hälfte der
Frauen, die in der ambulanten Suchtberatung um Hilfe nachsuchten, Mütter
waren. Zu 21 Kindern im Alter von 4 bis 16 Jahren lagen bei Abschluss der
Studie Angaben der Mütter im Elternfragebogen über das Verhalten von
Kindern und Jugendlichen vor. Diese waren mittels der deutschen Form der Child
Behavior Checklist (CBCL) erhoben worden. Fast ein Drittel der Kinder
(29 %) wurde von ihren Müttern als verhaltensauffällig
beschrieben. Soziale Probleme zeigten 10 % der Kinder. Je ein
Sechstel der Kinder zeigten aggressives bzw. delinquentes Verhalten. Ein
Zehntel der Kinder litt in auffallendem Maß an körperlichen
Beschwerden. 43 % der Kinder tendierten zu
übermäßigem Essen, 19 % essen häufig,
24 % manchmal zu viel. 14 % der Kinder nässten
tagsüber ein. Ein Fünftel zeigte ausgeprägtes ängstliches,
depressives Verhalten. Bei 29 % der Kinder geben die Mütter
an, dass sie dazu tendieren, sich ungewollt zu verletzen. Bei der Hälfte
dieser Kinder soll dies häufig vorkommen.
In einer amerikanischen Gesundheitsstudie [23] wurde untersucht, wie viele Krankenhausaufenthalte
Kinder alkoholkranker Eltern im Vergleich zu Kindern aus unbelasteten Familien
aufwiesen, wie lange diese im Durchschnitt dauerten und welche Indikationen
dabei im Vordergrund standen. Während des dreijährigen
Beobachtungszeitraums wurden die Gesundheitsstatistiken von insgesamt 1,6
Millionen Versicherten berücksichtigt. Diejenigen erwachsenen Personen,
die während der drei Beobachtungsjahre wegen einer alkoholismusbezogenen
Diagnose stationär behandelt wurden, galten für diese Studie als
alkoholabhängig. Bezüglich ihrer Kinder im Alter bis zu 19 Jahren
(bei Studenten und Behinderten wurde der Altersspielraum bis 23 Jahre
erweitert) wurden dann die stationären Krankenbehandlungen im gleichen
Beobachtungszeitraum analysiert. Es lagen dadurch Daten für 595 Kinder
alkoholkranker Eltern vor, denen eine Vergleichsgruppe von 633 Kontrollkindern
gegenübergestellt wurde. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte für die
Risikogruppe ist um 24,3 % höher als für die
Kontrollgruppe. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt um
61,7 % höher. Die auf diese Behandlungen bezogenen Kosten
liegen für die Kinder der Risikogruppe um 36,2 % höher
als für die anderen Kinder. Von besonderem Interesse sind die Indikationen
für die stationären Krankenhausaufenthalte: Für psychische
Störungen (insbesondere depressive Reaktionen) liegt die Aufnahmequote der
Risikokinder 1,5-mal höher als für Kontrollkinder
(9,5 % im Vergleich zu 6,3 % aller
Aufnahmegründe), für Substanzmissbrauch mehr als 2-mal so hoch
(3,5 % im Vergleich zu 1,5 %) und für
Verletzungen und Vergiftungen noch um 1,25-mal höher als für die
Kontrollkinder (19,4 % im Vergleich zu 15,4 %).
Direkte und indirekte Transmission der Alkoholstörungen der
Eltern
Direkte und indirekte Transmission der Alkoholstörungen der
Eltern
Im Folgenden wird ein Überblick über die
direkten und indirekten Auswirkungen elterlichen
Alkoholmissbrauchs auf die Entwicklung von Kindern gegeben. Bei den direkten
Auswirkungen handelt es sich um Formen offener Transmission (Schädigung
von Kindern durch den Alkohol selbst). Im Gegensatz dazu stehen indirekte
Auswirkungen (Schädigung von Kindern durch die Verhaltenskonsequenzen des
Alkoholmissbrauchs der Eltern) als Formen verdeckter Transmission. Wegen der
epidemiologisch größeren Bedeutsamkeit beginnt die Darstellung mit
den indirekten Auswirkungen. Dies sind solche, die in
Interaktion mit Umwelt- und Familienvariablen ihre Pathogenität
entfalten.
Schon die Verschiedenartigkeit der von den
Eltern missbrauchten Substanzen kann Anlass zu einer ätiologisch
sinnvollen Unterscheidung sein. So können die Kinder von Eltern, die nicht
von Alkohol, sondern von illegalen Drogen (wie z. B. Heroin, Kokain),
von psychotrop wirkenden Medikamenten (wie z. B. Benzodiazepinen,
Barbituraten) oder Kombinationen verschiedener Substanzen abhängig sind
[24], unterschiedliche Erfahrungen machen und
differierende Störungen entwickeln. Kinder drogenabhängiger Eltern
erfahren häufiger eine Fremdplatzierung, leiden stärker unter der
Strafverfolgung der Eltern, erfahren häufiger Vernachlässigung und
leben häufiger mit nur einem Elternteil zusammen [25].
Aber auch die konkrete Familienrealität, das
Ausmaß an ehelicher Disharmonie und
intrafamiliärem Stress sind gerade in Verbindung
mit Alkoholmissbrauch als Trigger ein potenter Risikofaktor für in der
Kindheit beginnende Fehlentwicklungen. Insbesondere frühe
Verhaltensauffälligkeiten sind bei Kindern von Alkoholikern festzustellen
[16]. Es ist dabei davon auszugehen, dass wegen der
weitgehenden Unspezifität vieler kindlicher Symptome der ätiologische
Hintergrund einer Suchtfamilie bei kindlichen Verhaltensauffälligkeiten
oft unberücksichtigt bleibt.
Elterliche Komorbidität
[1]
[26], die Abhängigkeit beider Elternteile [27] sowie mehrgenerationale
Suchtstörungen in Familien („high density families”)
[1]
[28] beeinflussen die
Schweregrade kindlicher Psychopathologie negativ. Weitere Faktoren, die
vermittelnd auf das Ausmaß kindlicher Schädigungen einwirken, sind
der Zeitpunkt des Beginns und die Persistenz der
elterlichen Abhängigkeit („age of onset”),
das Ausmaß und die Stärke der elterlichen
Abhängigkeit, das konkrete elterliche Erziehungsverhalten
(z. B. parental monitoring), das Ausmaß der
familiären Desorganisation und die Häufigkeit und Intensität der
ehelichen Trennungsszenarien, der sozioökonomische Status, die
Familiengröße, die Beziehung des Kindes zu dem nichtabhängigen
Elternteil, Kriminalität eines Elternteils und das Vorhandensein
alternativer Unterstützungssysteme im Umfeld des Kindes
[9]. Auch die mehr oder weniger starke
Exposition mit alkoholisierten und dadurch in ihrem
Verhalten veränderten (z. B. gewalttätigen)
Vätern und/oder Müttern ist eine für
entwicklungspsychopathologische Fragestellungen wichtige Variable und
prognostisch eindeutig negativ. So zeigte sich, dass Kinder in Familien, in
denen die Väter in der Zeit des frühen Abends („prime
time”) zu Hause exzessiv tranken, die stärksten Schädigungen
davontrugen [29]. Ebenso konnten Wolin et al.
[30] eruieren, dass die
Aufrechterhaltung von Familienritualen aus der Zeit vor der manifesten
Suchterkrankung eines Elternteils in Suchtfamilien prognostisch günstig
für die Entwicklung der Kinder war. Auch Kinder aus süchtigen Multiproblemkontexten weisen stärkere
und auffälligere Störungen im Kindesalter auf als andere Kinder aus
Suchtfamilien.
Bei den indirekten und langfristigen Effekten auf Kinder in
Suchtfamilien scheinen diese eher von Familienstress
und von der negativen Familienatmosphäre
herzurühren als vom Alkoholkonsum einzelner Familienmitglieder selbst
[31]. Zu den durch den Familienstress und die chronisch
negative Familienatmosphäre transportierten Effekten zählen vor allem
ein erhöhtes Konfliktniveau (zwischen den Eltern,
aber auch zwischen Eltern und Kindern), eine stärkere
familiäre Desorganisation bzw. eine geringere
intrafamiliale Stabilität sowie eine schlechtere
Berechenbarkeit und Vorhersagbarkeit familiärer Prozesse, was zu
einer geringeren Kontrollüberzeugung und schlechteren
Selbstwirksamkeitserwartung führen kann. Aber auch elterliche Trennungen
und Todesfälle sind in alkoholbelasteten Familien häufiger
[32], was sich ebenfalls negativ auf die psychische
Gesundheit der heranwachsenden Kinder auswirken kann.
Das elterliche Erziehungsverhalten kann stark gestört und
desorganisiert sein. Dies trifft, wie zahlreiche Untersuchungen [33; Lieb
et al., in diesem Heft] zeigen, besonders für Familien mit zwei
suchtkranken Elternteilen zu. Im Einzelnen führt dies zu weniger
Eltern-Kind-Interaktionen, schlechterem elterlichem Beaufsichtigungsverhalten
(„poor monitoring”) und dem Versagen, den Kindern adäquate
Entwicklungsstrukturen zu bieten [34]. Eine in diesem
Zusammenhang durchgeführte Untersuchung zum Fernsehkonsum von Kindern
alkoholabhängiger Väter im Verhältnis zu Kindern aus
Normalfamilien [35] erbrachte ein interessantes
Ergebnis: Der Vergleich wurde für Kinder der ersten bis sechsten
Schulklasse durchgeführt. Insgesamt waren 278 Kinder beteiligt, von denen
60 einen alkoholabhängigen Vater, 99 einen mäßig trinkenden
Vater und 119 einen abstinenten Vater hatten. Die 60 Kinder der
alkoholabhängigen Väter hatten - unabhängig vom
sozioökonomischen Status - einen deutlich erhöhten
Fernsehkonsum. Im Einzelnen hatten sie einen bis zu doppelt so häufigen
Fernsehkonsum wie die Vergleichskinder. Die Kinder alkoholabhängiger
Väter verfolgten durchschnittlich 31 von 72 möglichen Sendungen
(meistens Shows) pro Woche im Abendprogramm zwischen 20.00 und 23.00 Uhr
(„prime time”). Die Vergleichszahlen für die beiden anderen
Kindergruppen liegen bei 25 (Kinder mäßig trinkender Väter) und
21 (Kinder abstinenter Väter). Die Autoren interpretieren den
erhöhten Fernsehkonsum der familiär suchtbelasteten Kinder zum einen
mit dem Versuch der Kinder, den erlebten intrafamilialen Stress durch
exzessiven Fernsehkonsum zu kompensieren. Zum anderen sehen sie die
erhöhten Konsumquoten als eine Konsequenz mangelnder elterlicher
Beaufsichtigung und Konsequenz. Als ein weiterer Aspekt ergibt sich, dass die
Kinder der alkoholabhängigen Väter in den Shows und Filmen auch
wesentlich mehr alkoholbezogene Episoden sahen. Da in solchen Sendungen der
Alkoholkonsum selten problematisiert, sondern eher funktional positiv
dargestellt wird, könnte dies einen nachteiligen Effekt auf die sich
entwickelnden kognitiven Strukturen bezüglich Alkohol,
Alkoholwirkungserwartungen und Folgen des Alkoholtrinkens haben. Die Kinder der
alkoholabhängigen Väter hatten diesbezüglich durchschnittlich
193 alkoholbezogene Episoden gesehen im Vergleich zu 114 bei den Kindern der
abstinenten und 123 bei den Kindern der mäßig trinkenden Väter.
Die maximale Gesamtzahl der alkoholbezogenen Episoden lag im
Beobachtungszeitraum einer Woche bei 282.
Die Stimmung von Erwachsenen in Suchtfamilien kann sich schlagartig
ändern. Aufgrund des wechselhaften Verhaltens der Eltern lernen Kinder
sehr früh, sich vor den eigenen Eltern in Acht zu nehmen. Dadurch
entwickeln die Kinder oft eine sehr scharfe Beobachtungsgabe, damit sie auf die
Zeichen eines Verhaltenswechsels frühzeitig und sehr schnell reagieren
können. „Kinder in Suchtfamilien werden zu Reagierenden: Sie
müssen auf Verhaltensweisen ihrer Eltern sofort anspringen”
[36].
Meist sind die Risikofaktoren elterlicher Verhaltensweisen in
Kombination aus Familienstress und den
alkoholbedingten Verhaltensveränderungen
anzutreffen und sie wirken sich negativ auf die Kinder aus. Für die
Forschung hat dies den Effekt, dass die Analyse rein alkoholkonsumbezogener
Transmissionsfaktoren nur sehr schwer möglich ist und dass darüber
hinaus die verschiedenen konsumbegleitenden und -konsekutiven Aspekte mehr in
den Vordergrund rücken. So zeigt sich in vielen Studien, dass ein enger
Zusammenhang zwischen trinkbezogenen Problemen der Eltern und dem
intrafamilialen Stress und der elterlichen Disharmonie besteht
[16]. Deshalb ist auch davon auszugehen, dass viele
Kinder in suchtbelasteten Familien einer Doppel- bzw. Mehrfachbelastung
ausgesetzt sind, bestehend z. B. aus intrafamilialem Stress, elterlicher
Disharmonie, Trennungs- und Scheidungsszenarien, Gewalthandlungen usw. Sowohl
Gewalt erfahren zu haben als auch Zeuge von Gewalthandlungen in der Familie
gewesen zu sein, gehört für erwachsene Kinder Suchtkranker
häufiger zu den Familienerinnerungen als für Vergleichsprobanden aus
normalen Familien [37]. Zu Recht kann daher für
Kinder von Suchtkranken die Rede von einer Risikoumwelt sein, die sich im
Wesentlichen aus einem Multiproblemkontext zusammenfügt.
Es ist zur Zeit noch nicht ausreichend klar, wie genau die Tatsache, dass ein schweres Alkoholproblem
in der Elterngeneration vorliegt, bei den Kindern Verhaltensprobleme und
psychische Auffälligkeiten erzeugt. Klarer hingegen sind die Wirkungen
eines früh einsetzenden Alkoholmissbrauchs in einer Familie zu verstehen:
Im Sinne einer komplexen Modelllernkultur bildet sich
für die Kinder - insbesondere wenn es keine schützenden
suchtfreien Familienrituale gibt - eine Familienidentität heraus, die süchtiges Trinken
zur Normalität der Konfliktlösung oder gar des Alltags werden
lässt. Auf diese Weise können die relativ hohen Quoten für die
ab der frühen Adoleszenz einsetzenden Missbrauchs- und
Abhängigkeitsprobleme bei Kindern von Alkoholikern verstanden werden.
Wilson & Orford [38] betonen die
Spannung, die in einer Familie entstehen kann, wenn die Mitglieder die
Stimmungen des möglicherweise schwer betrunkenen suchtkranken Elternteils
antizipieren. Zu diesen gehören Aggressivität, Ärger,
Verwirrtheit und Depression. Exzessives Trinken kann in Familien für eine
stark angespannte Stimmung sorgen, die dann wiederum den Kommunikationsprozess
unterbricht oder verdirbt. Dass gerade Familienfeste wie Weihnachten, Ostern,
andere hohe Feiertage und Geburtstage in der Familienritualforschung
[39] als besonders sensibel für stark belastete
Familien gefunden wurden, mag zu einem großen Teil auch an den
Veränderungen der intrafamilialen Kommunikation zu solch wichtigen
Anlässen liegen, wenn ein Elternteil unter starker Alkoholintoxikation
steht. Aber auch Gewalthandlungen treten im Kontext familialen Alkoholismus
häufiger auf. Junge Erwachsene, die in einer Familie mit einem
alkoholabhängigen Vater aufgewachsen sind, erinnern sich sowohl
häufiger daran, selbst physische Gewalt erfahren zu haben, als auch Zeuge
von Gewalthandlungen an anderen Familienangehörigen durch den Vater
geworden zu sein [37].
Resilienzen
Resilienzen
Gerade in jüngster Zeit fokussiert die Forschung auf Kinder,
die trotz stressreicher und teilweise traumatisierender Lebenserfahrungen
völlig oder weitgehend psychisch gesund geblieben sind
[14]
[38]. Gemäß dem
vorherrschenden pathologieorientierten Forschungsparadigma war bislang bei
erwachsenen Kindern aus Familien mit einem Abhängigen meist die
psychopathologische und weniger die salutogenetische Entwicklung untersucht
worden. Dem gängigen Störungsmodell, das Kinder aus gestörten
Familien in erster Linie ebenfalls als gestört und
behandlungsbedürftig ansieht, wird das Resilienz- und
Stressresistenzmodell gegenübergestellt, das Raum für positive
Entwicklung lässt. Die stressreiche Lebenssituation wird dabei als eine
spezifische Herausforderung begriffen, an die sich bestimmte Kinder besonders
gut und flexibel anpassen können. Unter Resilienz wird eine besonders hohe
Stressresistenz bei starker Entwicklungsplastizität verstanden. Es handelt
sich also um Kinder, die auf der einen Seite eine hohe Toleranz für
stressreiche widrige Ökologien und auf der anderen Seite eine gute
Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Lebensbedingungen aufweisen.
Wolin & Wolin [40] identifizieren aufgrund
klinischer Interviews insgesamt sieben Resilienzen,
die vor den Folgen der krankmachenden Familienumwelt schützen
können:
-
Einsicht, z. B. dass mit dem
alkoholabhängigen Vater etwas nicht stimmt;
-
Unabhängigkeit, z. B. sich von den
Stimmungen in der Familie nicht mehr beeinflussen zu lassen;
-
Beziehungsfähigkeit, z. B. in eigener
Initiative Bindungen zu psychisch gesunden und stabilen Menschen
aufzubauen;
-
Initiative, z. B. in Form von sportlichen und
sozialen Aktivitäten;
-
Kreativität, z. B. in Form von
künstlerischem Ausdruck;
-
Humor, z. B. in Form von Sarkasmus und Ironie als
Methode der Distanzierung;
-
Moral, z. B. in Form eines von den Eltern
unabhängigen stabilen Wertesystems.
Bereits wesentlich früher war eine erste Langzeitstudie zur
psychischen Entwicklung der Kinder alkoholkranker Eltern unter dem
Resilienzaspekt durchgeführt worden [14]. Diese
Langzeitstudie aus Hawaii lieferte differenzierte Ergebnisse zu Resilienz und
protektiven Faktoren für Kinder aus Alkoholismusfamilien. Im Einzelnen
ergaben sich folgende individuell wichtige protektive Faktoren:
-
ein Temperament des Kindes, das positive Aufmerksamkeit
hervorruft
-
durchschnittliche Intelligenz und ausreichende
Kommunikationsfähigkeit, auch im Schreiben
-
stärkere allgemeine Leistungsorientierung
-
eine verantwortliche, sorgende Einstellung
-
positives Selbstwertgefühl
-
internale Kontrollüberzeugung (internal locus of
control)
-
Glaube an die Möglichkeit, sich selbst helfen zu
können (positive Selbstwirksamkeitserwartung).
Als protektive Faktoren aus dem interaktionalen Bereich kommen
hinzu:
-
ein hohes Ausmaß an Aufmerksamkeit und keine längeren
Trennungen während des Kleinkindalters
-
keine weiteren Geburten in den beiden ersten Lebensjahren
-
keine schweren elterlichen Konflikte bis zum zweiten
Lebensjahr.
Resiliente Kinder haben ein Gefühl für die
persönliche Kontrolle ihrer Umwelt (Selbstwirksamkeitserwartung). Dies
steht in scharfem Widerspruch zu den Gefühlen von Hilflosigkeit und
Ohnmacht, die bei vielen anderen betroffenen Kindern vorherrschen. „The
child’s ability to understand that the pain and suffering in the family
is unjust and is not his or her fault is an important step in overcoming such a
past. The cost of this realization is isolation, but the prize is being freed
to think and act independently of the family pathology”
[41].
Ganz allgemein wird die schwierige Situation der Kinder in
suchtbelasteten Familien bisweilen auch unter dem Blickwinkel einer
Entwicklungsherausforderung („Challenge-Modell”) betrachtet
[42]. Darunter ist zu verstehen, dass die schwierige
psychosoziale Ökologie der Suchtfamilie für manche Kinder offenbar
eine besonders starke Stimulation darstellt, welche sie unter geeigneten
intrapsychischen und interaktionalen Bedingungen zu stabilen, belastbaren und
anpassungsfähigen Menschen heranreifen lässt. Empirische Belege
kommen neben den bereits erwähnten Langzeitstudien aus Hawaii
[14] auch aus einer Langzeitstudie aus Island
[43]. Die Lebensläufe der Verwandten einer
großen Zahl von Männern, die zwischen 1881 und 1940 wegen
Alkoholismus stationär behandelt worden waren, wurden untersucht. Für
die Söhne alkoholabhängiger Väter war das Risiko, wegen
„Alkoholsucht” behandelt zu werden, zwar fünf- bis sechsmal
höher als für die Söhne unbelasteter Väter. Allerdings fand
Karlsson [43] auch eine substanzielle Zahl von
Nachfahren, die erfolgreich und angesehen waren: Professoren,
Rechtsanwälte, Pfarrer und Parlamentsabgeordnete. Als gemeinsamen Faktor
bei diesen erfolgreichen Biografien sieht er „... a drive to get things
done, to make one’s influence felt, or to convert others to one’s
opinion” [43].
Hilfen
Hilfen
Aus dem gesamten Forschungsstand [1]
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[16] ist abzuleiten, dass entscheidend für die
Pathogenisierung des Kindes in der alkoholbelasteten Familie
die Dauer, Art und Häufigkeit der Exposition
gegenüber den Folgen des süchtigen Verhaltens eines oder beider
Elternteile ist. Für die Frage, in welchen Fällen es also zur
Transmission einer Störung kommt, sind vor allem Qualität und
Quantität der Exposition gegenüber den negativen Folgen der
Alkoholabhängigkeit der Eltern entscheidend. Daher sind dies auch die
für Prävention und Intervention bedeutsamsten Aspekte.
Prävention und Intervention sollten zur Vermeidung maligner
Entwicklungen früh und umfassend erfolgen. Diese Hilfen sind im
Optimalfall im Einverständnis mit den Eltern durchzuführen,
können jedoch auch bei bestehender Abhängigkeit eines Elternteils
notwendig werden. Gerade die Kinder unbehandelter
suchtkranker Eltern gelten als besondere Risikogruppe [1].
Die meisten generalpräventiven Programme zur
Suchtprävention gehen an den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der
Kinder von Suchtkranken vorbei, da sie nicht deren spezielle Lebenssituation,
ihre Erfahrungen und ihre speziellen Entwicklungsrisiken berücksichtigen,
sondern vom gesunden oder wenig gefährdeten Kind ausgehen. Deshalb
müssen verbesserte, d. h. zielgenauere, primär- und vor allem
sekundärpräventive Programme für diese größte
bekannte Risikogruppe bezüglich einer Suchtentstehung entwickelt werden.
Hinsichtlich der Effektivität risikogruppenorientierter Prävention ist auf jeden
Fall anzumerken, dass diese schneller und mit geringerem finanziellen Aufwand
größere Effekte erzielen kann, da sie überall dort ansetzt, wo
ungünstige biopsychosoziale Entwicklungen mit hoher Wahrscheinlichkeit
unmittelbar bevorstehen (Primärprävention) oder schon begonnen haben
(Sekundärprävention).
Eine ausführliche Darstellung der Hilfen für Kinder
alkoholabhängiger Eltern liefern Robinson & Rhoden
[41]. In Deutschland sind Hilfen für Kinder
alkoholkranker Eltern nur punktuell vorhanden und sie scheitern oft an den
strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen. Um eine umfassende,
frühe Prävention für diese Risikogruppe zu erreichen, ist jedoch
die baldige Überwindung dieser Barrieren unerlässlich.