Pneumologie 2001; 55(9): 445-446
DOI: 10.1055/s-2001-16951
STANDPUNKT
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Screening für Bronchialkarzinom - immer noch nicht empfohlen

Screening for Bronchial Carcinoma Still Not RecommendedR. Merget1 , K. Straif1,2
  • 1Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin an der Ruhr-Universität, Bochum (BGFA)
  • 2Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Universität Münster
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Prof. Dr. med. R. Merget

Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut
für Arbeitsmedizin (BGFA)

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

Email: merget@bgfa.de

Publication History

Publication Date:
05 September 2001 (online)

Table of Contents

Im Early Lung Cancer Action Project (ELCAP) [1] wird die Überlegenheit der low-dose-Computertomographie (CT) über die konventionelle Röntgenaufnahme des Thorax hinsichtlich der Detektion von Bronchialkarzinomen eindrucksvoll dokumentiert. Ziel des Projektes war die Etablierung eines Screeningprogrammes mittels low-dose-CT des Thorax bei Personen mit erhöhtem Lungenkrebsrisiko. Es handelt sich bei dieser Studie bislang um die Ergebnisse des „Prävalenzscreenings”. Bronchialkarzinome des Stadiums I wurden in einem Raucher-Kollektiv sechsmal häufiger entdeckt als mit konventioneller Technik (23 vs. 4 Karzinome).

Die kontrollierten randomisierten Längsschnittstudien aus den 70er Jahren bei insgesamt fast 40 000 Rauchern umfassten Sputumzytologie und konventionelle Röntgenaufnahme des Thorax in zum Teil kurzen Zeitintervallen (bis zu vier Monaten) [2] [3]. Das Ergebnis zeigte zwar einen scheinbaren Überlebensdauervorteil der gescreenten Gruppen, die Lungenkrebsmortalität war aber in der gescreenten Gruppe nicht günstiger als in der Kontrollgruppe. Verschiedene Analysen neueren Datums haben versucht, dieses Ergebnis zu erklären und den „survival benefit” als Folge verschiedener Selektionsmechanismen (z. B. lead und length time bias) dargestellt (Übersichten bei [4] [5] [6] [7]).

Wie ist zu erklären, dass die Lungenkrebs-Mortalität bei gescreenten Personen in den älteren Studien nicht besser war? Folgende Punkte werden diskutiert:

  1. manche Tumoren wiesen ein sehr schnelles Wachstum auf und eine Intervention war deshalb als wenig erfolgreich einzuschätzen,

  2. viele Personen hatten bei der Erstdiagnose bereits Metastasen und

  3. bei der Erstdiagnose wurden zwar in der gescreenten Gruppe mehr niedrige Tumorstadien entdeckt, aber die Zahl der fortgeschrittenen Tumoren war bei gescreenten und nicht gescreenten Personen annähernd gleich, d. h. es wurde kein „stage shift” (Rückgang hoher Tumorstadien) in der gescreenten Gruppe gesehen.

Da kein Vorteil hinsichtlich der Mortalität resultierte, wird angenommen, dass es sich bei den in der gescreenten Gruppe häufiger entdeckten kleinen Tumoren um klinisch nicht relevante oder bereits okkult metastasierte Tumoren gehandelt haben könnte.

Auf der Grundlage der großen Screeninguntersuchungen der 70er Jahre und deren erneuter Analyse empfehlen die US Preventive Services Task Force, die Canadian Task Force on the Periodic Health Examination, die American Cancer Society, das American College of Physicians, die American Academy of Family Physicians, das American College of Radiology und die American Thoracic Society noch kein allgemeines Screening für Bronchialkrebs. Ist nach den ELCAP-Ergebnissen Zeit für ein erneutes Nachdenken über ein Screening beim Bronchialkarzinom? Können neue Methoden zu einer anderen Empfehlung veranlassen? Nicht nur bildgebend sind Fortschritte erzielt worden, auch die automatisierte Sputumzytologie könnte die Früherkennung verbessern. Wir sind noch skeptisch, denn wir wissen nichts über die Bedeutung der zusätzlich entdeckten kleinen Tumoren für die Mortalität. Eine kürzlich publizierte Studie zeigte keine Assoziation zwischen Tumorgröße beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom < 3 cm Durchmesser bei Erstdiagnose und Mortalität [8]. Schon länger bekannte Studien über Mikrometastasen in Lymphknoten auch bei geringer Tumorgröße [9] werden durch Studien ergänzt, die mittels sensitiver Methoden Tumorzellen im Blut und Knochenmark bei einem hohen Prozentsatz von Personen mit operablem Lungenkrebs nachweisen [10] [11]. Weder dürfen technische Errungenschaften zu Hybris noch darf Skepsis zu Nihilismus führen. Unseres Erachtens sind aber bis zum Vorliegen mindestens einer positiven Studie mit dem Zielparameter Mortalität Screening-Maßnahmen beim Bronchialkarzinom außerhalb kontrollierter Studien problematisch - diese Aussage halten wir auch für berufliche Risikokollektive zutreffend. Bei dieser vielleicht konservativ erscheinenden Wertung sollte bedacht werden, dass sich der Kliniker in einer grundsätzlich anderen Situation befindet als der „Screener”: Er muss den individuellen Patienten mit seiner klinischen Symptomatik behandeln. Für den Kliniker gilt weiterhin bis zum Vorliegen gegenteiliger Daten, dass durch eine frühe Operation die Heilungschancen möglicherweise zu vergrößern sind.

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Literatur

  • 1 Henschke C I, McCauley D I, Yankelevitz D F. et al . Early Lung Cancer Action Project: Overall design and findings from baseline screening.  Lancet. 1999;  354 99-105
  • 2 Flehinger B J, Melamed M R, Zaman M B. et al . Early lung cancer detection: results of the initial (prevalence) radiologic and cytologic screening in Memorial Sloan-Kettering study.  Am Rev Respir Dis. 1984;  130 555-560
  • 3 Frost J K, Ball Jr W C, Levin M L. et al . Early lung cancer detection: results of the initial (prevalence) radiologic and cytologic screening in the Johns Hopkins study.  Am Rev Respir Dis. 1984;  130 549-554
  • 4 Patz Jr E F, Goodman P C, Bepler G. Screening for lung cancer.  New Engl J Med. 2000;  343 1627-1633
  • 5 Jett J R. Spiral computed tomography screening for lung cancer is ready for prime time.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  163 812 - 813
  • 6 Patz Jr E F, Goodman P C. Low-dose spiral computed tomography screening for lung cancer: not ready for prime time.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  163 813-814
  • 7 Straif K, Woitowitz H J. Ansätze zu Interventionsstrategien bei Lungenkrebs-gefährdeten ehemaligen Beschäftigten der SDAG Wismut. In: Kreutz R, Piekarski C (Hrsg). Dokumentationsband über die 32. Jahrestagung der DGAUM Fulda: Druckerei Rindt 1992: 413-414
  • 8 Patz Jr E F, Rossi S, Harpole Jr D H. et al . Correlation of tumor size and survival in patients with stage IA non-small cell lung cancer.  Chest. 2000;  117 1568-1571
  • 9 Passlick B, Izbicki J R, Kubuschok B. et al . Immunohistochemical assessment of individual tumor cells in lymph nodes of patients with non-small cell lung cancer.  J Clin Oncol. 1994;  12 1827-1832
  • 10 Peck K, Sher Y P, Shih J Y. et al . Detection and quantitation of circulating cancer cells in the peripheral blood of lung cancer patients.  Cancer Res. 1998;  58 2761-2765
  • 11 Cote R J, Beattie E J, Chaiwun B. et al . Detection of occult bone marrow micrometastases in patients with operable lung carcinoma.  Ann Surg. 1995;  222 415-425

Prof. Dr. med. R. Merget

Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut
für Arbeitsmedizin (BGFA)

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

Email: merget@bgfa.de

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Literatur

  • 1 Henschke C I, McCauley D I, Yankelevitz D F. et al . Early Lung Cancer Action Project: Overall design and findings from baseline screening.  Lancet. 1999;  354 99-105
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  • 5 Jett J R. Spiral computed tomography screening for lung cancer is ready for prime time.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  163 812 - 813
  • 6 Patz Jr E F, Goodman P C. Low-dose spiral computed tomography screening for lung cancer: not ready for prime time.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  163 813-814
  • 7 Straif K, Woitowitz H J. Ansätze zu Interventionsstrategien bei Lungenkrebs-gefährdeten ehemaligen Beschäftigten der SDAG Wismut. In: Kreutz R, Piekarski C (Hrsg). Dokumentationsband über die 32. Jahrestagung der DGAUM Fulda: Druckerei Rindt 1992: 413-414
  • 8 Patz Jr E F, Rossi S, Harpole Jr D H. et al . Correlation of tumor size and survival in patients with stage IA non-small cell lung cancer.  Chest. 2000;  117 1568-1571
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  • 11 Cote R J, Beattie E J, Chaiwun B. et al . Detection of occult bone marrow micrometastases in patients with operable lung carcinoma.  Ann Surg. 1995;  222 415-425

Prof. Dr. med. R. Merget

Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut
für Arbeitsmedizin (BGFA)

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

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