Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36(10): 655-656
DOI: 10.1055/s-2001-17693-2
LESERBRIEF
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stellungnahme

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Publication Date:
13 May 2004 (online)

Wir sind den Autoren dankbar für ihre kritischen Bemerkungen zu unserem Artikel: „Erfolgreiche kardiopulmonale Reanimation durch hochdosierte Bolusinjektion von rt-PA bei fulminanter Lungenembolie”.

Wir nehmen zu den einzelnen Punkten wie folgt Stellung:

zu a)
Bis heute ist - im Gegensatz zum Myokardinfarkt - ein Effekt der Thrombolysetherapie auf das Überleben der Lungenemboliepatienten nicht eindeutig belegt [1]. Die sog. „großen” amerikanischen Studien der 70er-Jahre (UPET [2], USPET [3] ) waren nicht auf Letalität als Endpunkt angelegt und hatten dafür auch zu wenig Patienten rekrutiert.

Wir veröffentlichten unsere Kasuistik, da es nur wenige prospektive Studien gibt, die die Thrombolyse mit rt-PA bei fulminanter Lungenembolie und unter laufender Reanimation beschreiben.

Die von den Autoren des Leserbriefes zitierten „umfangreichen Erfahrungen” auf diesem Gebiet beruhen lediglich auf Untersuchungen mit Patientenzahlen zwischen 5 und 14, von denen nicht alle Patienten reanimationsbedürftig waren. Die Autoren des Leserbriefes widerlegen somit ihre Argumente mit der von ihnen selbst zitierten Literatur [4] [5] [6].

zu b)
Wir sind mit den Autoren einig, dass das EKG kein sicheres Diagnostikum bei einer Lungenembolie ist und wurde von uns auch nicht als solches dargestellt. Möglicherweise ist den Autoren dieses entgangen.

Sicherlich stellt die Katheterfragmentation eine Therapiealternative dar, die wir bei fehlendem Therapieerfolg auch in Erwägung gezogen hätten.

Die Indikation zur Vollheparinisierung nach Lyse mit rt-PA ist gegeben, um eine Rethrombosierung und damit ein Embolierezidiv zu verhindern.

zu c)
Die Reduzierung des „no-reflow”-Phänomens und konsekutiv die damit verbundene Reduzierung einer zerebralen Schädigung durch eine systemische Thrombolyse konnte bereits in Tierversuchen unter kontrollierten Bedingungen nachgewiesen werden [7].

Der entsprechende Nachweis konnte beim Menschen in der Tat bisher noch nicht geführt werden.

Dennoch gibt es in einer kürzlich veröffentlichten Studie Hinweise darauf, dass die Thrombolyse eine hypoxische Enzephalopathie beim Menschen reduzieren kann [8]. Die Autoren fanden in einer retrospektiven Studie eine signifikant geringere Inzidenz von hypoxischen Enzephalopathien, wenn Patienten mit Myokardinfarkt und erfolgreicher kardiopulmonaler Reanimation nach Kreislaufstabilisierung lysiert wurden. Patienten ohne Thrombolyse wiesen in 39,89 % der Fälle einen hypoxischen Hirnschaden auf, verglichen mit nur 8,62 % bei Patienten, die Thrombolytika erhielten.

Diese positiven Ergebnisse müssen vorsichtig interpretiert werden, da es sich nicht um eine prospektive und randomisierte Studie handelt.

zu d)
Wir bedauern die Probleme der Verfasser des Leserbriefes mit der „Sinnhaftigkeit der thrombolytischen Intervention ...” und empfehlen ihnen die Lektüre der einschlägigen Literatur.

Ein zur Zeit diskutierter neuer Therapieansatz ist der Einsatz der Thrombolyse bei Patienten, die trotz prolongierter Reanimationsmaßnahmen nicht zu stabilisieren sind.

Böttiger und Mitarbeiter [9] konnten in einer kürzlich veröffentlichten prospektiven Studie zeigen, dass Patienten, die außerhalb des Krankenhauses einen Kreislaufstillstand erlitten und nach 15 min nicht durch erweiterte Maßnahmen zu stabilisieren waren, von einer präklinischen Thrombolysetherapie profitierten.

Die Krankenhausaufnahmerate nach erfolgreicher Reanimation betrug bei Einsatz der Lyse 58 % vs. 30 % in der Gruppe ohne Lysetherapie (p = 0.009). Ebenfalls war die Krankenhausentlassrate bei lysierten Patienten höher (15 % vs. 8 %). Es kam bei keinem der lysierten Patienten zu reanimations-assoziierten Blutungen.

Weitere prospektive und randomisierte Studien werden nötig sein, um ein Auswirken dieses Therapieprinzips auf die Überlebensrate zu verifizieren.

Die Therapie mit Thrombolytika unter den Bedingungen der kardiopulmonalen Reanimation bleibt weiterhin Gegenstand der Diskussion.

Wir werden weitere Untersuchungen abwarten müssen, bevor dieses Verfahren als Standard zur „good clinical practice” wird.

Literatur

  • 1 Meissner E, Fabel H. Lungenembolie. In: Intensivmedizin. Burchardi H, Larsen R, Schuster H-P, Suter PM (Hrsg) Kapitel 35, 8. Aufl., Springer Berlin Heidelberg New York; 2001
  • 2 Urokinase Pulmonary Embolism Trial Study Group. Urokinase pulmonary embolism trial Phase 1. Results (A cooperative study). JAMA 1970 214: 2163-2172
  • 3 Urokinase Streptokinase Pulmonary Embolism Trial Study Group. Urokinase-streptokinase embolism trial Phase 2. Results (A cooperative study). JAMA 1974 229: 1606-1613
  • 4 Borst R H. Erste Ergebnisse der Notfallbehandlung bei massiver, fulminanter Lungenembolie mit einer rasch injizierten hohen Initialdosis von Streptokinase.  Anaesthesist. 1980;  29 39-45
  • 5 Petipretz P, Simmoneau G, Cerrina J, Musset D, Dreyfus M, Vandenbroek M D, Duroux P. Effects of a single bolus of urokinase in patients with life-threatening pulmonary emboli: a descriptive trial.  Circulation. 1984;  70 861-866
  • 6 Hopf H B, Flossdorf T, Breulmann M. Rekombinanter Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) zur Thrombolyse lebensbedrohlicher Lungenembolien in der perioperativen Phase.  Intensivmed. 1992;  29 281-287
  • 7 Fischer M, Böttiger B W, Popov-Cenic S, Hossmann K A. Thrombolysis using plasminogen activator and heparin reduces cerebral no-reflow after resuscitation from cardiac arrest: an experimental study in the cat.  Intensive Care Med. 1996;  22 214-23
  • 8 Ruiz-Bailen M, Aguayo de Hoyos E, Serrano-Corcoles M C, Diaz-Castellanos M A, Ramos-Cuadra J A, Reina-Toral A. Efficacy of thrombolysis in patients with acute myocardial infarction requiring cardiopulmonary resuscitation.  Intensive Care Med. 2001;  27 1050-1057
  • 9 Böttiger B W, Bode C, Kern S, Gries A, Gust R, Glätzer R, Bauer H, Motsch J, Martin E. Efficacy and safety of thrombolytic therapy after initially unsuccessful cardiopulmonary resuscitation: a prospective clinical trial.  Lancet. 2001;  357 1583-85

Dr. med. Christian Grabner

Abt. f. Anästhesiologie und
Op. Intensivmedizin
Karl-Olga-Krankenhaus

Schwarenbergstraße 7

70190 Stuttgart

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