Infektionskrankheiten sind das Ergebnis einer Interaktion zwischen
Mikroorganismus und Patient. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit hängt
damit einerseits von der Art, der Anzahl und der Eintrittspforte
der beteiligten Mikroorganismen, anderseits von der Fähigkeit
des Patienten zur unspezifischen und spezifischen Infektabwehr ab.
Nicht nur bei Heilpraktikern ist Immunschwäche eine
beliebte Diagnose. Die therapeutischen Möglichkeiten, von
Akupunktur über Phytotherapeutika und Spurenelemente bis
zu den Vitaminen (A bis E) sind schnell zur Hand und sowohl preiswert
als auch beliebt. Im Folgenden Artikel geht es dagegen nicht um
Befindlichkeitsstörungen, sondern um signifikante Funktionsdefizite
des Immunsystems, und es sollen konkrete Hinweise zur Diagnostik
und Behandlung dieser Patienten gegeben werden.
Das Leitsymptom der Immunschwäche ist die Infektanfälligkeit.
Viele Infektionskrankheiten begründen schon deshalb nie
den Verdacht einer Immunschwäche, weil nach einer ausreichenden
Erstexposition die meisten Menschen erkranken.
Beispiel: Masern. Wer nicht durch Impfung,
Vorerkrankung oder passiv (z. B. »Nestschutz«,
d. h. mütterliche, plazentar übertragene
Immunglobuline) geschützt ist, wird nach Exposition an
Masern erkranken. Die Masernerkrankung eines Nichtimmunen weist
also nicht auf eine Immunschwäche hin, sondern ist die
normale Auseinandersetzung mit dem Virus.
Gegenbeispiel: Pneumocystis-carinii-Pneumonie.
Pneumocystis-carinii-Infektionen finden ständig statt und
bleiben normalerweise symptomlos. Eine von diesem Keim ausgelöste
Pneumonie ist immer dringend verdächtig auf eine Immunschwäche.
In Europa und Nordamerika war die Pneumocystis-carinii-Pneumonie
früher (ohne Prophylaxe) bei etwa der Hälfte aller
HIV-Patienten die Erstmanifestation von AIDS.
Die meisten Infektionskrankheiten liegen zwischen diesen beiden
Extremen. Damit erfordern sie ein kritisches Abwägen, ob
die Erkrankung als Hinweis auf eine Immunschwäche gewertet
werden kann oder nicht.
Definition: Immunschwäche ist
eine angeborene oder erworbene relative Infektanfälligkeit.
Relativ heißt hierbei, im Verhältnis zu einer
sorgfältig gewählten Referenzgruppe. Bei 80- jährigen
Kettenrauchern ist eine Pneumokokken-Pneumonie selbst nach wiederholtem
Auftreten anders zu beurteilen (nämlich nicht als Hinweis
auf eine Immunschwäche) als bei Kindern oder jungen Erwachsenen.
Dagegen sind sechs bis acht (komplikationslose) Erkältungen
im Jahr bei Kleinkindern normal. Neben dem Alter und der Immunisierungs-Anamese
gibt es zahlreiche weitere Parameter, die die Wahrscheinlichkeit
von Infektionskrankheiten beeinflussen. Die immer wieder zitierte
Ernährung wird sicher oft überschätzt, spielt
aber zumindest beim Eiweißmangel (z. B. bei Anorexia nervosa)
eine gut dokumentierte Rolle. Weit häufiger sind in den
Industrieländern Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus
oder Emphysem für eine nicht immunologisch bedingte Infektanfälligkeit
verantwortlich. Eine erhebliche Rolle spielen Vorerkrankungen der
Atemwege, aber auch der ableitenden Harnwege. Die Schwangerschaft
beeinflusst die Infektabwehr sowohl nichtimmunologisch als auch über
das Immunsystem. Oft wird vernachlässigt, dass die arbeitsteilige
Gesellschaft eine sehr unterschiedliche Exposition gegenüber
weit verbreiteten Krankheitserregern zur Folge hat. Wir müssen erwarten,
dass Lehrerinnen oder Supermarkt-Kassiererinnen wegen der hohen
Expositionswahrscheinlichkeit häufiger erkältet
sind als zum Beispiel Programmiererinnen.
Abb. 1 Interstitielle
Pneumonie: Pneumocystis-carinii-Infektion bei zellulärer
Immunschwäche (zur Verfügung gestellt von Dr.
G. Sötje, Städtisches Krankenhaus Kiel).
Symptomatik
Symptomatik
Der Krankheitserreger und die klinische Symptomatik weisen auf
die Natur der Immunschwäche hin. Immunschwächen,
die Antikörper, Komplement (vor allem C3) oder neutrophile
Granulozyten betreffen, fallen durch rekurrente bakterielle Infekte
häufig zunächst der Atemwege auf. Für
die Granulozytendefekte sind orale Ulzerationen und die Peridontitis
charakteristisch. Die Patienten sind durch die mögliche
Invasion der Bakterien in die Blutbahn und in das ZNS vital bedroht.
Die wichtigsten Krankheitserreger bei Antikörpermangel
sind Streptokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae. Staphylokokken
und gram-negative Bakterien finden sich typischerweise bei Phagozytosedefekten
der Granulozyten und die Neisserien sind für die Komplementdefekte
charakteristisch. Angeborener Antikörpermangel manifestiert
sich meistens nicht im ersten Lebenshalbjahr, weil der Säugling
zunächst durch die plazentar übertragenen mütterlichen
Antikörper geschützt ist. Erwachsene Patienten
mit einem Antikörpermangel leiden typischerweise unter
einer Konjunktivitis.
Eine weitere häufige und manchmal richtungweisende Infektion
bei Antikörper-defizienten Patienten ist die durch Giardia
lamblia induzierte Diarrhoe. Antikörper-defiziente Patienten
mit intakter zellulärer Immunantwort können einen
Teil der viralen Infekte (z. B. Röteln, Windpocken)
zunächst gut beherrschen, allerdings ist das Risiko einer
bakteriellen Sekundärinfektion erheblich erhöht.
Außerdem funktioniert der Langzeitschutz ohne Antikörper
bei den genannten Virusinfektionen nicht, so dass die Patienten
wiederholt erkranken. Andere Viren wie Adenoviren, Echoviren oder
Hepatitis-B-Virus sind ohne Antikörper nur schwer oder
gar nicht vom Immunsystem zu kontrollieren.
Während die rezidivierende bakterielle Infektion das
Leitsymptom für die humorale Immunschwäche ist,
sind unkontrollierte Herpesvirus-Infektionen (Verursacher vor allem
Herpes simplex, Varicella zoster, Epstein-Barr- und Cytomegalievirus)
Indikatoren einer zellulären Immunschwäche. Weitere Hinweise
sind die Candida-Infektion der Schleimhäute, systemische
Pilzerkrankungen und die schon erwähnte Pneumocystis-carinii-Pneumonie [Abb. 1]
.
Der Nachweis von Candida im Stuhl, vielerorts mit religiösem
Eifer betrieben, hat nur in den seltensten Fällen (Neutrozytopenie)
klinische Relevanz. Ein diagnostischer Algorithmus ist in [Tab. 1] aufgezeichnet.
Tab. 1 Diagnostik
bei Immunschwäche.
Klinik, Anamese,
Familienanamese
|
↓
|
Screening:
Großes Blutbild, Serumproteinelektropherese, IgM-, IgG-
und IgA-Bestimmung
|
↓
|
Verdacht auf
Defekt der
|
B-Lymphozyten
|
T-Lymphozyten
|
Granulozyten
|
Komplement- faktoren
|
↓
|
↓
|
↓
|
↓
|
Isoagglutinin- Titer
|
T-Lymphozyten, (CD3,4,8) quan titativ
|
Granulozytenfär bung für
Myelo peroxidase, Alkalische Phos phatase und Esterase
|
Serum C3, C4
|
IgG-Subklassen, IgE, IgD
|
DTH-Hauttest (ab 3. Lebens jahr)
|
|
Komplementak tivität
|
Impftiter
|
Lymphozyten proliferation
|
IgE
|
C1-Inhibitor
|
B-Lymphozyten, (CD19) quantita tiv
|
Zytokinproduk tion
|
NBT-Test
( = Formazan-
Test)
|
C3-Inhibitor
|
B-Lymphozyten- Aktivierungs marker (CD80)
|
Zytotoxizität
|
Migration
|
|
|
HLA-Expression
|
Phagozytose
|
|
|
T-Lymphozyten- Aktivierungs marker (CD25,
HLA-DR)
|
Oxidation
|
|
|
|
Proteindefekte
|
|
↓
|
Nachgewiesene
Immundefekte sollten auch genetisch abgeklärt wer den.
Der Gendefekt kann mittels molekularbiologischer Methoden auf
DNA-Ebene nachgewiesen werden, manchmal ist es erforderlich die
Genexpression auf mRNA-Ebene oder durch Proteinnachweis zu über
prüfen.
|
Weil die Reifung der B-Lymphozyten zu Antikörper-produzierenden
Plasmazellen T-Zell-abhängig erfolgt, führen Fehler
in der T-Zell-Funktion immer auch zu Störungen der Antikörperbildung.
Dies gilt auch dann, wenn eine Hypogammaglobulinämie nicht
oder noch nicht nachzuweisen ist und erklärt, warum Patienten
mit gestörter T-Lymphozyten-Funktion nach längerem
Verlauf häufig Opfer bakterieller Infekte werden. Zur Untersuchung
der Qualität der Antikörper des Patienten eignen
sich der Nachweis von Blutgruppen-Isoagglutininen sowie auch Tetanus-,
Diphtherie- und Virusantikörper (nach Impfung).
Abb. 2 CD4+ T-Lymphozyten
(rot Bildmitte) in der Durchflusszytometrie. Die Blutprobe links
enthält nur 20 CD4+ T-Lymphozyten pro µl,
der Patient hat einen schweren Immundefekt und benötigt
eine antimikrobielle Prophylaxe. Rechts zum Vergleich ein Normalbefund.
Die lila Partikel oben rechts in den Abbildungen sind Eichpartikel
zur Bestimmung der absoluten Zellzahl. Direkt unter den CD4+ T-Lymphozyten
stellen sich in blau die CD4- T-Lymphozyten dar.
kurzgefasst: Immunschwäche
fällt durch Infektionen auf. Der Erreger weist dabei die
Richtung auf die Diagnose hin. Invasive oder rezidivierende Infektionen
mit bekapselten Bakterien sprechen für Defizite bei der
Antikörperbildung, im Komplementsystem oder den Granulozyten,
während sich Störungen der T- Lymphozyten durch
Pilz- und Herpesvirus-Infektionen manifestieren.
Erworbene Immunschwäche
Erworbene Immunschwäche
Milzverlust
Posttraumatisch, vor allem aber bei zahlreichen hämatologischen
Erkrankungen ist oftmals eine Splenektomie indiziert. Damit verliert
der Patient nicht nur einen erheblichen Teil seiner B-Lymphozyten,
sondern auch seiner retikuloendothelialen Kapazität. Er
wird dadurch anfällig für Protozoen, vor allem
aber für bekapselte Bakterien, und muss nach den Empfehlungen
der Ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) [25]
durch Impfungen gegen Pneumokokken, Haemophilus
influenzae Typ B (HIB) und Meningokokken geschützt werden.
Ferner wird die jährliche Grippeimpfung dringend angeraten,
weil die Grippe den Weg für die bakterielle Superinfektion
der Atemwege ebnet.
Chronische Nierenerkrankungen
Eine erhöhte Belastung mit harnpflichtigen Substanzen
schädigt die antigenpräsentierenden Zellen und
führt zu einer verminderten Antigenpräsentation [16]. Die äußert
sich vor allem in einer verminderten Antikörperantwort.
Daher kommt es bei diesen Patienten häufiger zu bakteriellen
Infekten (Pneumokokken) und zu einer schlechteren Immunantwort auf
Impfstoffe (Hepatitis B). Neben der Therapie der Primärerkrankung
bzw. der Qualität der Dialyse zählen Impfungen
zu den entscheidenen ärztlichen Maßnahmen (s. u.).
Virusinduzierte Immunschwäche
HIV ist die weitaus häufigste Ursache für Immunschwäche. Bei
jedem Verdacht auf Immunschwäche, auch bei Kindern, ist
eine HIV-Infektion auszuschließen. Das Thema AIDS ist komplex
und von überragender Bedeutung: Es sprengt den Rahmen dieses
Aufsatzes, so dass wir uns mit zwei Literaturhinweisen auf aktuelle
deutschsprachige Übersichten begnügen müssen [4]
[14]
.
Die Viren und das Immunsystem haben sich in einem über Millionen
von Jahren andauernden Konflikt gemeinsam entwickelt. Es ist daher
nicht verwunderlich, dass Viren zahlreiche Strategien ausgebildet
haben, um dem Immunsystem zu entkommen bzw. um es zu unterdrücken.
Dass HIV durch die Depletion der CD4+-Lymphozyten zu AIDS
führt [Abb. 2], lernt man heute in der Schule,
aber auch viele andere Viren verfügen über immunsuppressive
Mechanismen. 1908 beschrieb von Pirquet erstmals, dass die Tuberkulin-Reaktion bei
zuvor Tuberkulin-Test-positiven Kindern während oder nach
Masern negativ ausfallen kann [23].
Diese Beobachtung des immunsuppressiven Effektes einer Virusinfektion
ist seit Jahrzehnten das Wichtigste Argument für die Einhaltung
von in der Regel vierwöchigen Abständen zwischen
Lebendimpfungen. Karp et al. berichteten 1996 über die
Aufklärung des immunsuppressiven Mechanismus des Masernvirus [11]
. Das Virus bindet an das Zelloberflächenmolekül
CD46 und supprimiert damit die Produktion von Interleukin 12 in
antigenpräsentierenden Zellen. Interleukin 12 ist ein wichtiges
Zytokin für das Wachstum und die Differenzierung von diversen
Lymphozytenpopulationen und damit für die Ausbildung einer Immunantwort.
Diese neue Erkenntnis erklärt, warum von Pirquet vor 90
Jahren die negative Tuberkulinreaktion bei an Masern erkrankten
Kindern fand. Es wird auch besser verständlich, warum Infektionen
mit dem gleichen Virus in den Tropen vielfach häufiger
zum Tode führen als bei uns: Kinder unter schlechten hygienischen
Bedingungen, die sich beispielsweise mit Malaria und Tuberkulose
auseinandersetzen müssen, können sich keine Schwächung
des Immunsystems leisten. Die WHO rechnet mit einer Million Maserntoten
pro Jahr [27], die meisten Kinder sterben
aufgrund der virusinduzierten Immunsuppression an Sekundärinfektionen.
Leider bindet nicht nur das von Karp et al. verwendete Wildvirus
an CD46 und wirkt damit immunsuppressiv; auch die zur Verfügung
stehenden Impfviren supprimieren das Immunsystem für einige
Wochen [6]
[9] [10]
.
Immunschwäche als Folge maligner Erkrankungen
Jeder Arzt hat beim Anblick einer Gürtelrose, also der
Reaktivierung von Varizella zoster Virus, den Malignomverdacht im Hinterkopf.
Tatsächlich ist die Malignomwahrscheinlichkeit bei diesen
Patienten nur geringfügig größer als
bei der Referenzgruppe [19]. Dennoch
ist die Immunsuppression durch Malignome gut dokumentiert. Man unterscheidet
zwei Phasen der tumorinduzierten Immunsuppression [13]. Schon recht früh in
der Tumorentwicklung entwickelt sich eine Toleranz für
die tumoreigenen Antigene. In dieser Phase ist die Immunantwort
auf alle anderen Stimuli unauffällig, der Patient also immunkompetent
(und somit die Gürtelrose im Allgemeinen kein frühes
Tumorzeichen). Erst in der Spätphase des Tumorleidens dekompensiert
das Immunsystem insgesamt. Dabei gibt es je nach Tumorart erhebliche
Unterschiede. Die Immundysfunktion ist bei einigen hämatologischen
sowie bei einem Teil der ZNS-Tumoren besonders ausgeprägt.
Es finden sich zahlreiche Hinweise auf einen Zusammenbruch der T-Lymphozytenfunktion:
DTH-Hauttests werden negativ, die Interferon-γ- und Interleukin-2-Produktion
lässt nach, zytotoxische T-Lymphozyten gegen Virusantigene
werden nicht mehr gebildet. Eine biochemische Untersuchung der T-Lymphozyten
zeigt vor allem die Herabregulation der zeta-Kette des T-Zell-Rezeptorkomplexes.
Damit wird der Antigenrezeptor der T-Lymphozyten funktionslos.
Iatrogene Immunschwäche
Der Einsatz immunsuppressiver Medikamente ist heute alltäglich.
Hierbei ist die Immunsuppression manchmal gewollt (Behandlung allergischer
oder autoimmuner Erkrankungen, Prophylaxe oder Therapie der Transplantatabstoßung
bzw. der Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung nach allogener Transplantation
hämatopoetischer Stammzellen), häufig nicht gewollt,
aber unvermeidbar (vor allem in der Onkologie). Vor allem Zytostatika,
Bestrahlung und (monoklonale) Antikörper gegen Lymphozyten
können monatelange schwere Schäden der Immunantwort
verursachen. Dies ist insbesondere für die Antithymozytenglobuline
(ATG) beschrieben, die in der Transplantationsmedizin immer noch
häufig eingesetzt werden. Depletierende monoklonale T-Zellantikörper (z. B.
OKT-3) sind, was die anhaltende Immundysfunktion angeht, nicht ganz
so problematisch, Interleukin-2-Rezeptorantikörper (z. B.
Basiliximab) sind deutlich mildere und besser steuerbare Immunsuppressiva.
Monoklonale Antikörper gegen das B-Lymphozytenantigen CD20
(Rituximab) gewinnen in der Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen rasch
an Bedeutung und werden in Zukunft voraussichtlich auch für
die Therapie von Autoimmunerkrankungen zugelassen. Rituximab zerstört
alle B-Lymphozyten innerhalb von wenigen Tagen, die Erholung der
B-Lymphozytenzahl von der Therapie dauert etwa ein Jahr.
Die am häufigsten eingesetzte immunsuppressive Medikamentengruppe
sind nach wie vor die Corticosteroide. Wo immer möglich
(Haut- und Lungenerkrankungen) sollen sie lokal eingesetzt werden.
Der systemische Einsatz sollte auch aus immunologischer Sicht möglichst
kurz sein. Beide Forderungen sind vor allem bei Autoimmunerkrankungen
und in der Transplantationsmedizin häufig nicht zu erfüllen.
Nichtsteroidale Antiphlogistika, von Acetylsalicylsäure
bis hin zu den rekombinanten TNFα-Antagonisten (z. B.
Etanercept) haben einen erstaunlich geringen immunsuppressiven Effekt, erscheinen
also in diesem Zusammenhang weniger problematisch. Dennoch ist die
Störung der T-Lymphozytenfunktion durch TNFα-Antagonisten
signifikant und kann sich z. B. in einer Tuberkulose-Reaktiverung äußern.
Zytostatika hemmen u. a. die Hämatopoese, die
Lymphozytenproliferation und oft die Proteinsynthese und haben schon deshalb
immer einen immunsuppressiven Effekt. Das Ausmaß der Immunsuppression
ist bei einigen Zytostatika (Azathioprin, Cyclophosphamid, Methotrexat)
besonders groß und daher therapeutisch nutzbar.
Strahlentherapie wirkt wie die Zytostatika über die
Hemmung der Hämatopoese und der Lymphozytenproliferation immunsuppressiv.
Hohe Dosen induzieren ähnlich wie einige Zytostatika die
Apoptose, d. h. den programmierten Zelltod von Lymphozyten.
Das Ausmaß der Immunsuppression hängt von der
Dosis und vom Bestrahlungsfeld ab, also davon, in welchem Umfang
das Immunsystem betroffen ist. Mit der Vorbeugung, Diagnostik und
Behandlung therapiebedingter Abwehrschwäche beschäftigt
sich die Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie
und Onkologie, die ihre Leitlinien in der Deutschen Medizinischen
Wochenschrift [18] und im Internet
veröffentlicht haben [24].
kurzgefasst: Virusinfektionen, Medikamente
mit immunsuppressiver Wirkung oder Nebenwirkung, Bestrahlung und
maligne Erkrankungen und sind häufige Ursachen für
die akute und chronische Schädigung des Immunsystems.
Angeborene Immunschwäche (Immundefekte)
Angeborene Immunschwäche (Immundefekte)
Angeborene, genetisch determinierte Immunschwächen manifestieren
sich im frühen Kindesalter. Es ist schon deshalb im Allgemeinen
nicht sinnvoll, bei Erwachsenen nach Immundefekten zu suchen.
Die Immundefekte definieren sich über einen Defekt in
Genen des Immunsystems selbst (z. B. des Interleukin-2-Rezeptors) oder über
Gendefekte, in deren Folge dann das Immunsystem mitbetroffen ist
(z. B. DiGeorge Syndrom s. u.). Syndrome aus Immundefekt,
Autoimmunerkrankung und maligner Erkrankung des lymphoretikulären
Systems kommen vor allem bei Gendefekten im Immunsystem selbst vor
(z. B. beim X-chromosomalen Hyper-IgM-Syndrom, einem Defekt
des CD40-Liganden). Es sind mehr als 70 Gendefekte im Immunsystem [5] und vielfach mehr Defekte, die sich
letztlich auch auf das Immunsystem auswirken, beschrieben. Diese
Trennung ist nicht immer ganz eindeutig, weil die Zuordnung von
Zellen und erst recht von Genen zum Immunsystem manchmal nicht ohne
Willkür ist. Die genetischen Daten werden in der OMIM™ (Online
Mendelian Inheritance in Man) Datenbank des National Center for
Biotechnology Information gesammelt und veröffentlicht [25]. Die meisten Immundefekte sind seltene
Erkrankungen, die häufigste angeborene Immunschwäche
in Mitteleuropa ist die selektive IgA-Defizienz mit einem Defekt
auf 500 Geburten.
Selektive IgA-Defizienz
Es handelt sich um eine Störung der terminalen B-Lymphozytendifferenzierung,
die fast immer IgA1 und IgA2 betrifft. Die meistens familiäre
Erkrankung kann auch in Folge intrauteriner Infektionen (CMV, Röteln,
Toxoplasmose) oder Medikamenten-induziert (Penicillamin, Phenytoin)
auftreten. Typischerweise sind auch IgG2 und IgG4 reduziert. Es
gibt eine Assoziation mit atopischen Erkrankungen (vor allem Asthma) und
rheumatoider Arthritis.
Die meisten Patienten sind klinisch gesund. Klinische Komplikationen
können Atemwegserkrankungen, in seltenen Fällen rezidivierende
Pneumonien mit der Ausbildung von Bronchiektasen und Durchfallerkrankungen
sein. Ein Teil der Patienten entwickelt Anti-IgA-Antikörper
und kann auf die Gabe von IgA-haltigen Blutprodukten mit einen anaphylaktischen Schock
reagieren. IgA kann durch exogenes Immunglobulin nicht ersetzt werden.
Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken, HIB und Menningokokken
sind sinnvoll, weil hohe IgG-Titer die Schwere und Ausbreitung der
Infektion begrenzen.
Die Therapie des selektiven IgA-Mangels ist rein symptomatisch,
d. h. sie besteht aus der Antibiotikatherapie der Infektionen.
Common Variable Immunodeficiency (CVID)
CVID ist eine klinisch heterogene, genetisch unklare Erkrankung,
die durch eine Hypogammaglobulinämie und eine mehr oder
weniger ausgeprägte T-Lymphozyten-Dysfunktion gekennzeichnet
ist. Die Krankheit manifestiert sich üblicherweise im 2.
oder 3. Lebensjahrzehnt mit rekurrenten oder chronischen Infektionen
der Atemwege oder des Gastrointestinaltraktes. Eine hämatologische
oder rheumatologische Begleitsymptomatik ist häufig. Die
Therapie besteht aus der Immunglobulinsubstitution und dem aggressiven
Einsatz von Antibiotika.
DiGeorge-Syndrom
Ein genetischer Defekt (ca. 1 auf 5000 Geburten) auf Chromosom
22q11 führt zu einem Entwicklungsdefekt der 3. und 4. Schlundtasche.
Es kommt zu einer Hypo- oder Aplasie des Thymus und damit zum T-Zelldefekt.
Zum Bild gehört eine Hypoplasie der Parathyreoideae, Herzfehler
(überwiegend konotrunkale Defekte) und charakteristische
faziale Dysmorphien. Die Serumimmunglobuline sind häufig
normal, aber die T-Zell-abhängige Immunantwort, messbar
als antigenspezifisches IgG oder IgA, ist gestört bzw.
nicht nachweisbar. Die T-Lymphozytenzahl ist bei normaler B-Lymphozytenzahl
erniedrigt. Der Immundefekt ist sehr unterschiedlich stark ausgeprägt.
Entsprechend reichen die therapeutischen Maßnahmen von
Abwarten bis zur Transplantation von Thymus oder T-Lymphozyten.
Weil für die Entwicklung immunkompetenter T-Lymphozyten
im Thymus die Übereinstimmung der HLA-Antigene von Thymus
und T-Lymphozyten voraussetzt (MHC-Restriktion), kommt für
eine Therapie nur ein HLA- kompatibler Thymus in Betracht. Ergebnisse
aus den 80er Jahren z. T. mit fetalem Thymus sollten sehr
kritisch hinterfragt werden. Die hämatopoetische Stammzelltransplantation
geht am Problem vorbei, denn der Schaden liegt nicht in der Stammzelle,
sondern im Organ der T-Zell-Differenzierung. Daher ist die Übertragung
reifer T-Zellen von einem HLA- identischen Geschwister plausibler
und wurde in Einzelfällen erfolgreich praktiziert. Diese
Maßnahme ist durch die Gefahren der Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung
limitiert und sollte ausschließlich in pädiatrischen
Transplantationszentren erfolgen.
Primäre Lymphozytendefekte
Betroffen sind Gene der B- oder T-Lymphozytendifferenzierung.
Alle Defekte zusammen haben eine Prävalenz von 1 : 10 000.
Sie fallen in der durchflusszytometrischen Lymphozytendifferenzierung
durch die Verminderung der betroffenen Subpopulation auf. Am häufigsten
werden Defekte in der Signaltransduktion der Zytokinrezeptoren gefunden,
vor allem der Verlust der gemeinsamen Zytokinrezeptor-γ-Kette oder
des nachgeschalteten ZAP-70-Moleküls. Unterschiedliche
Gendefekte können den gleichen Phänotyp hervorrufen [5]
. So verbergen sich hinter der Bezeichnung
SCID (severe combined immundeficiency) diverse genetische Defekte,
die zum Teil autosomal-rezessiv, zum Teil X-chromosomal vererbt werden.
kurzgefasst: Genetisch determinierte
Immundefekte sind selten und manifestieren sich im Allgemeinen im
ersten Lebensjahr. Eine Ausnahme ist die selektive IgA-Defizienz,
die mit 1 : 500 in Mitteleuropa recht häufig
ist und meistens klinisch unauffällig bleibt.
Therapie
Therapie
Solange die Gentherapie keine klinisch verwertbaren Lösungen
liefert, bleiben für genetisch determinierte Immundefekte
die Transplantation hämatologischer Stammzellen und, in seltenen
Fällen, die Lymphozytentransfusion als einzige Heilungsmöglichkeiten.
Beide Maßnahmen werden durch die Gefahr der Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung
(engl. Graft versus host disease, GvHD) eingeschränkt.
Die GvHD selbst geht übrigens ihrerseits mit einer schweren
Immunschwäche einher. Beide Maßnahmen sind auf
die Therapie seltener und äußerst schwerer Immundefekte
beschränkt. Alle anderen therapeutischen Ansätze
sind palliativ auf die Beherrschung der infektiologischen Probleme
ausgerichtet.
Expositionsprophylaxe
In Abhängigkeit von der Schwere und Art des Immundefekts sind
dem Patienten geeignete Vorsichtsmaßnahmen zu empfehlen.
Der Verzicht auf Haustiere kann genauso erforderlich sein wie steriles
Essen und eine Pilzsporen-arme Wohnung (Blumenerde) sowie der Verzicht
auf Gartenarbeit. Ein Mundschutz beugt Tröpfcheninfektionen
vor. Geschützer Geschlechtsverkehr reduziert die Übertragungswahrscheinlichlkeit
für diverse Viren (z. B. Herpes- und Papillomaviren).
Sorgfältig ausgearbeitete Patientenmerkblätter
zur Minderung des Infektionsrisikos durch Hygienemaßnahmen
werden u. a. von den hämatologischen Transplantationszentren
zur Verfügung gestellt.
Impfungen
Impfungen sind nach der Expositionsprophylaxe (»Hygiene«) generell
die wichtigsten Maßnahmen gegen pathogene Mikroorganismen.
Besonderes Gewicht bekommen die Impfungen bei Patienten mit Immunschwäche,
da diese bei Infektionen schneller als andere vital gefährdet
sind. Es kommt dabei darauf an, die vorhandenen Möglichkeiten
der Immunantwort optimal zu nutzen. In Deutschland gelten die Empfehlungen
STIKO als Stand der ärztlichen Kunst [26].
Dort werden die Indikationen für die in Deutschland zugelassenen
Impfstoffe festgelegt. Folgende Impfungen werden für Patienten mit
Immunschwäche empfohlen [Tab. 2]).
Tab. 2 Impfungen
bei Immunschwäche.
Impfung gegen
|
Anwendung
|
Indikation
|
Influenza
|
jährlich eine Dosis im Herbst,
Kinderimpfung nach Packungsbeilage
|
|
Varizellen
|
Einmalige Impfung bei Kindern < 13 Jahre,
sonst 2 Impfungen mit wenigstens 6 Wochen Abstand
|
Seronegative Patienten, insbesondere vor
Chemotherapie
|
Haemophilus influ enzae Typ B (HiB)
|
Einmalige Impfung
|
Asplenie
|
Meningokokken (A,C,W135, Y)
|
Bei Kindern < 2 Jahre C- Konjugatimpfstoff
|
Asplenie, Komplement- und Immunglobulin-
defekte
|
Pneumokokken
|
Säuglinge > 2 Monate
|
weite Indikationsstellung
|
Schwere Immundefekte sind eine Kontraindikation für
Lebendimpfstoffe, Totimpfstoffe sind dagegen dringend indiziert, solange
funktionelle Teile des Immunsystems vorhanden sind. Bei Patienten
mit Immunschwäche sollte eine serologische Kontrolle des
Impferfolgs erfolgen.
Exogene Immunglobuline werden seit über 100 Jahren eingesetzt
und in ihrer Wirksamkeit nach wie vor häufig überschätzt.
Nicht nur wegen der hohen Kosten ist die Indikation sehr kritisch
zu stellen. Voraussetzung des Einsatzes von i. v. Immunglobulinen
sollte der Nachweis des globalen oder antigenspezifischen Mangels
sein. Für diese Patienten sind exogene Immunglobuline essentiell.
Grundsätzlich lassen sich nur IgG und IgM ersetzen, wobei
IgG4 keine klinische Bedeutung hat. Selbst wenn der Immunglobulinmangel
nachweisbar ist und der Zusammenhang mit der Gefährdung
klar zu sein scheint, muss die Indikation nicht gegeben sein. So
haben zum Beispiel frühgeborene Kinder mit niedrigen IgG-Spiegeln ein
erhöhtes Sepsisrisiko. Dennoch profitieren sie nicht von einer
Immunglobulingabe [8]
[19].
Immunmodulatoren
Unter Immunmodulatoren versteht man Immunsuppressiva und Immunstimulanzien.
Während der klinische Wert der Immunsuppressiva unbestritten
ist, haben die Immunstimulanzien den Weg in die wissenschaftlich
begründete Medizin nur vereinzelt gefunden. Vitamine und
Spurenelemente haben keinerlei immunstimulierenden Effekt. Eine
Substitution ist nur bei tatsächlichem Mangel indiziert.
Vitamin C hilft gegen Erkältungskrankheiten genauso wenig
wie Vitamin E gegen Lungenkarzinom [28] [29]
.
Die Rote Liste→ 2001 führt 98 Immunstimulanzien.
35 dieser Medikamenten sind als Homöopathika einsortiert
und sollen hier nicht diskutiert werden. Weitere Immunstimulanzien werden
in der Roten Liste in anderen Kapitel, vor allem unter der Überschrift »andere
antineoplasmatische Mittel und Protektiva« gelistet. Die
Gruppe der Immunstimulanzien wird angeführt durch Extrakte
aus dem Blassfarbenen und dem Purpursonnenhut (Echinacea pallida
und purpurea). Daneben findet man bei den pflanzlichen Präparaten
noch Ginseng(Eleutherococci senticosi)-Präparate und ein
paar mehr oder weniger fantasievolle Kombinationen.
Es gibt inzwischen Hunderte von Wirksamkeitsstudien, die jedoch,
wenn sie überhaupt auf einem wahrnehmbaren Niveau publiziert
werden, meistens erhebliche Schwächen aufweisen [17]. Allerdings scheint die Forderung
nach harten wissenschaftlichen Daten auch im Bereich der alternativen
Medizin (engl. complementary medicine) zunehmend Akzeptanz zu finden,
und Studien, die sich zumindest um die elementaren systematischen
Voraussetzungen von wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn bemühen,
werden zunehmend publiziert [17]
[21].
Dennoch muss man feststellen, dass die Wirksamkeit pflanzlicher
Immunstimulanzien (noch) nicht ausreichend gezeigt ist. Eine Verordnung
kann daher hier nicht empfohlen werden. Die Frage, ob bzw. wann
es medizinisch sinnvoll sein kann, Placebos zu verordnen, ist ohne
Zweifel wichtig, sprengt aber den Rahmen dieses Artikels. Auf jeden
Fall gilt die vom Pharmakologen Heinz Lüllmann geprägte
Richtlinie: »Sie können machen, was Sie wollen,
aber Sie sollten wissen, was Sie tun.«
Es sei darauf hingewiesen, dass die Stimulation des Immunsystems
das Wohlbefinden nicht steigert, sondern ganz im Gegenteil dazu
führt, dass der Patient sich krank fühlt. Müdigkeit,
Abgeschlagenheit, Muskel- und Gelenkschmerzen signalisieren ein
aktiviertes Immunsystem. Diese Symptome sind daher nicht nur mit
allen systemischen Infektions- und Autoimmunkrankheiten, sondern
auch mit wirksamer exogener Immunstimulation z. B. durch
rekombinante Zytokine assoziiert. In der Roten Liste finden sich
aus dieser Stoffgruppe die Interferone, hämatopoetische
Wachstumsfaktoren und ein Interleukin-2-Derivat. Es handelt sich
um hochwirksame Medikamente mit eng umschriebener Indikation meistens
in der Hämatologie und Onkologie. Für den Bereich
der Infektionskrankheiten hat Interferon-α seinen Platz
in der Therapie der chronischen Hepatitis C und B. Interferon-γ-Ib
wird als supportive Maßnahme bei der familiären
septischen Granulomatose eingesetzt. Kein Zytokin ist geeignet,
Immundefekte oder erworbene Immunschwäche zu heilen. Die
Indikationsstellung hat streng durch den spezialisierten Arzt zu
erfolgen.
Als chemisch definierte immunstimulatorische Einzelsubstanzen
führt die Rote Liste Inosinderivate und ein Levamisol- Präparat.
Die Inosinderivate werden bei diversen viralen Erkrankungen eingesetzt,
ohne dass es dafür eine wissenschaftliche Basis gibt. Der
Einsatz sollte zumindest außerhalb von klinischen Studien
unterbleiben. Levamisol ist eigentlich ein Anthelminthikum und wird
bei verschiedensten Indikationen, vom rezidivierenden nephrotischen
Syndrom im Kindesalter [12] bis zum
Dickdarmkarzinom als Immunstimulanz eingesetzt. Hierfür
ist die Wirksamkeit nicht gezeigt. Auch Levamisol sollte für
diese Indikation nur in kontrollierten klinischen Studien eingesetzt
werden.
Die Rote Liste führt diverse angeblich immunstimulatorische Präparationen
aus Organen, z. T. als Einzelpräparate, z. T.
als Kombinationen. Diese Präparate sind schlicht Unfug.
Grundsätzlich anders sind die bakteriellen Immunstimulanzien
zu beurteilen. Bakterien und Bakterienbestandteile stimulieren über
gut untersuchte Mechanismen das Immunsystem. Vermehrungsfähige
Tuberkelbakterien (BCG) verursachen nach Einbringung in die Harnblase
eine lokale Entzündung, die einen dokumentierten Beitrag
zur Therapie des oberflächlich wachsenden Blasenkarzinoms
leistet [22]. Bei allen anderen bakteriellen
Immunstimulanzien ist die klinische Datenlage so dünn,
dass eine Anwendung trotz des unbezweifelten proinflammatorischen
Effekts nicht empfohlen werden kann. Abgetötete Bakterien
oder Lysatfraktionen sind (im Gegensatz zu Toxoiden) problematische
Impfstoffe. Die Verträglichkeit ist schlecht: Eine starke
Entzündungsreaktion ist gepaart mit einer schwachen spezifischen
Immunantwort. Die Entzündungsreaktion ist manchmal hilfreich,
seit über hundert Jahren wird Fieberinduktion auf diesem
Wege vor allem in der Onkologie eingesetzt. Aber das Verhältnis
von Wirkung zu Nebenwirkung ist unvertretbar schlecht.
Dennoch sieht die Zukunft der Immunstimulation mit bakteriellen
Produkten durchaus vielversprechend aus. Es hat sich nämlich
herausgestellt, das sich Toxizität und Stimulation weitgehend
trennen lassen. Der das Immunsystem am stärksten stimulierende
Bestandteil der Bakterien ist die bakterielle DNA , genauer die
so genannten CpG- Motive [7]. Mit dieser
Art der Immunstimulation beschäftigt sich ein aktueller
DMW-Artikel [15].
kurzgefasst: Alle Maßnahmen
sind auf die Vermeidung der Infektionskrankheiten gerichtet: Expositionsprophylaxe
und aktive Impfungen spielen die zentrale Rolle. Exogene Immunglobuline
und Immunstimulanzien sind nur selten indiziert.