Pneumologie 2002; 56(3): 199-200
DOI: 10.1055/s-2002-20551
Auszeichnung
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Evolutionäre Qualitätskontrolle der Diagnostik und Therapie im Krankenhaus

Evolutionary Quality Control of Diagnostics and Therapy in HospitalsD.  Köhler1 , G.  Goeckenjan2
  • 1Krankenhaus Kloster Grafschaft, Zentrum für Pneumologie und Allergologie, Schmallenberg
  • 2Lungenfachklinik, Immenhausen
Further Information

Prof. Dr. med. D. Köhler

Krankenhaus Kloster Grafschaft · Zentrum für Pneumologie und Allergologie

57392 Schmallenberg

Prof. Dr. med. G. Goeckenjan

Lungenfachklinik

34376 Immenhausen

Publication History

Publication Date:
05 March 2002 (online)

Table of Contents #

Auszeichnung

Der Arbeitskreis pneumologischer Kliniken wurde für das Projekt „Evulotionäre Qualitätskontrolle der Diagnostik und Therapie im Krankenhaus” mit dem 1. Preis (5000 DM) des Gesundheitspreises Nordrhein-Westfalen 2001 ausgezeichnet. Anlässlich der Preisverleihung am 26. 11. 2001 wurde der Preis von der nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Frau Birgit Fischer an Prof. Dr. Dieter Köhler, Schmallenberg, als Vertreter der beteiligten Krankenhäuser überreicht. Ich freue mich, dass hiermit eine vorbildliche Eigeninitiative pneumologischer Krankenhäuser und Krankenhausabteilung mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung der pneumologischen Versorgung in Deutschland hohe Anerkennung gefunden hat. Die folgende Beschreibung dieses Qualitätssicherungsprojekts lag der Bewerbung um den Gesundheitspreis NRW 2001 zugrunde.Ulrich Costabel, Essen

Der Arbeitskreis Pneumologischer Kliniken hat als ein wesentliches Ziel, die Qualitätsverbesserung der pneumologischen Versorgung in Deutschland. Hierbei werden verschiedene Projekte durchgeführt wie Krankenhausbegehung und die Begutachtung von Krankenakten (einschl. der Röntgenbilder). Dieses Qualitätssicherungsverfahren hat jetzt drei Durchläufe hinter sich, was zu einer deutlichen Erfahrungszunahme im Bereich der Peer Review-Verfahren geführt hat. Nach unseren Informationen hat der Arbeitskreis Pneumologischer Kliniken hier eine Vorreiterfunktion, denn es ist das am weitest gediehene Projekt. Andere Fachgesellschaften (wie die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin) haben in etwas weniger stringenter Form dieses Verfahren jetzt übernommen.

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Am Projekt beteiligte Institutionen

Seit 1995 wird das Qualitätssicherungsverfahren des Arbeitskreises „Begutachtung von Krankenakten” durchgeführt. Anfangs waren es 38 und zuletzt 43 Kliniken, die daran teilgenommen haben. Diese 43 pneumologischen Kliniken oder Fachabteilungen stellen etwas mehr als die Hälfte der in Deutschland vorhandenen stationären pneumologischen Einrichtungen dar.

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Inhalt und Methode

Bei den ersten beiden Durchläufen des Qualitätssicherungsverfahrens „Begutachtung von Krankenakten” erfolgte eine Zertifizierung, ohne dass eine Korrektur der Mängelrügen nachgewiesen werden musste. Die beiden ersten Durchläufe dienten im Wesentlichen zur Erfahrungssammlung und um Ängste bei der Herausgabe von Krankenakten an Kollegen abzubauen. Aufgrund der sehr positiven Resonanz konnte nach eingehender Diskussion das dritte Verfahren wesentlich stringenter durchgeführt werden. Es wurde erstmalig ein feed back eingebaut mit einer krankenhausinternen Qualitätskommission der an der Krankenversorgung wesentlich Beteiligten, die einen Bericht über die erteilten Mängelrügen zu geben hatten. Dieser Bericht musste ggf. erforderliche Korrekturmaßnahmen enthalten.

Aufgrund von Disziplinmängeln mancher teilnehmender Kliniken wurde außerdem ein bindender Vertrag eingebaut, der Konventionalstrafen enthielt. Hier eine kurze Zusammenfassung des Verfahrens: Am Anfang werden alle stationären pneumologischen Einrichtungen Deutschlands angeschrieben, mit der Frage, ob sie an dem Qualitätssicherungsprojekt teilnehmen wollen. Bereits im Anschreiben wird die genaue Struktur des Projektes erläutert. Die interessierten Kliniken erhalten anschließend den Vertrag zugeschickt. Aus den zurückgesandten verbindlichen Verträgen wird dann die Randomisierungsliste erstellt, die eine Zuordnung der einzelnen Kliniken bezüglich Versendung und Empfang von Krankenakten regelt. Bevor dies erfolgt, erhalten aber die teilnehmenden Kliniken eine Adressenliste, aus der sie Kliniken (max. 10 % der Gesamtteilnehmerzahl, im letzten Falle bis zu 4 Kliniken) streichen können, die für sie aus dem Zufallsverfahren ausgeschlossen werden (dieser Zwischenschritt verhindert, dass Kollegen/Kolleginnen Akten der Kliniken bekommen, zu denen ein gestörtes Vertrauensverhältnis besteht; es ist übrigens im Verlauf kaum angewendet worden).

Ein ebenfalls zufällig gewählter Stichtag bestimmt dann den Zeitpunkt, ab dem die Krankenakten ausgesucht werden. Damit die Auswahl nicht manipuliert werden kann, ist die Patientenaufnahmeliste (wie sie an die Kostenträger übermittelt wird) beizulegen. Es werden Krankenakten in konsekutiver Reihenfolge ausgewählt, deren Hauptdiagnose pneumologischen Ursprungs ist. Diese Akten werden dann paarweise an ausgewählte Kliniken wechselseitig versandt (Bäumlein-wechsel-Dich-Spiel). Die Begutachtung erfolgt anhand von vorgegebenen Items zusammengefasst nach Arztbrief, Krankenakte und Funktionsuntersuchung. Die einzelnen Items werden begutachtet, wobei die Schweregrade von „keine Mängel” über „leichte Mängel” und „erhebliche Mängel” bis „unakzeptabel” existieren. Im Falle einer Mängelrüge muss diese schriftlich begründet werden. Die Gutachter sind die jeweiligen leitenden Ärzte oder Oberärzte der beteiligten Kliniken. Nach erfolgter Begutachtung erfolgt die Rücksendung, wobei der Dialog zwischen Begutachter und Begutachtetem noch möglich ist. Dieser kommt ebenfalls zu den Akten. Im Institut für Qualitätskontrolle werden die eingegangenen Gutachten quantitativ ausgewertet. Die Auswertung geht an alle teilnehmenden Kliniken zurück, wobei dann die Rangfolge der Kliniken anonymisiert ist. Nur die eigene Klinik wird im Verhältnis zu den anderen dargestellt. Es erfolgen Einzelanalyse sowie eine zusammenfassende statistische Analyse der Mängelrügen im Vergleich zu den anderen Häusern.

Ebenfalls kontrolliert wird das Begutachtungsverhalten der Gutachter, d. h. wie sehr sie vom Mittelwert abweichen. Gutachter, die mit ihrem Bewertungsverhalten aus einem vorgegebenen Konfidenzintervall ausscheren, werden gezielt angeschrieben.

Nach Rücksendung der Krankenakten und der Gutachten müssen in den beteiligten Kliniken Qualitätskommissionen tagen, die sich mit den Mängelrügen beschäftigen. Daraus ist ein detailliertes Protokoll zu erstellen, das an das Institut zurückgesandt wird. Im Falle der kompletten Durchführung des Projektes sowie des Erreichens einer bestimmten Mindestpunktzahl erfolgt die Erstellung eines Zertifikates. Die Mindestpunktanzahl errechnet sich aus einem gewichteten Mängelindex.

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Zielsetzung

Wesentliches Ziel dieses Projektes ist die Qualitätsverbesserung im Bereich der Pneumologie. Das Projekt hat den großen Vorteil der wirklichen Endpunktkontrolle der medizinischen Leistung. Die meisten anderen Qualitätsmanagementverfahren prüfen Strukturqualität bzw. Prozessqualität in Ansätzen. Die eigentliche Durchführung der Leistung bzw. ob diese z. B. überhaupt indiziert war, wird gar nicht oder oft nur auszugsweise geprüft. Das Projekt setzt genau dort an, wo die anderen Qualitätsmanagementverfahren wie ISO-9000 oder Qualitätsmessverfahren wie EFQM aufhören. Es stellt damit eine Ergänzung dar zu den z. Z. zahlreichen in Entwicklung und Anwendung befindlichen Qualitätsmanagementverfahren, deren wesentlicher Inhalt ist, Organisationsabläufe zu kontrollieren bzw. zu optimieren. Das Verfahren ist für alle Disziplinen relativ rasch einsetzbar und vergleichsweise sehr kostengünstig.

Es hat den Nachteil eines fehlenden Bezugspunktes. Natürlich erfolgt die Begutachtung von Krankenakten nach gängigen medizinischen Empfehlungen und Leitlinien. Eine genauere Vorgabe auf bestimmte Leitlinien ist aber aufgrund der Komplexität der Krankenfälle häufig nicht möglich. Die Patienten sind in der Regel multimorbide, d. h. sie haben mehrere Diagnosen, so dass nur eine Kombination von Leitlinien bzw. Empfehlungen in Frage käme. Eine solch geartete Überprüfung der medizinischen Ergebnisqualität würde sofort an methodische Grenzen stoßen (diese methodologische Limitation ist übrigens auch der Grund, warum die Forschung über die künstliche Intelligenz stockt). Um diesem ganzen Problemkomplex aus dem Wege zu gehen, wurde das Prinzip der Evolution angewendet. Die jeweils im System vorhandenen besten Strukturen (Leiter der Fachabteilungen bzw. Fachkliniken) begutachten sich gegenseitig. Es ist damit etwas dem Begutachtungsverfahren beim Schieds- oder Kunstfehlerprozess verwandt. Auch hier stellen die Gutachter die höchste Instanz dar. Es mag im Einzelfall nicht bekannt sein, was die beste Behandlungsmethode ist, aber es fällt immer sofort auf, wenn gegen etablierte Diagnostik und Therapie verstoßen wird. Es zeigt sich unmittelbar, was zu verbessern ist, ohne dass man das Endziel kennt (das Bessere ist der Feind des Guten). Dieser evolutionäre Prozess bestimmt z. B. auch die Entwicklung von Produkten in der Industrie. Es wird bei diesem Verfahren also immer Mängelrügen geben, obwohl Kliniken sich permanent in ihrer Qualität verbessern. Insofern bleibt immer ein Anreiz erhalten, der für einen Progress erforderlich ist.

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NRW-Ziel

Ziel dieses Projektes ist die Verbesserung der Krankenhausversorgung (Nr. 7 der 10 vorrangigen Gesundheitsziele für NRW). Dieses Verfahren erlaubt eine direkte Verbesserung der medizinischen Qualität unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Limitationen. Dieses wird erreicht durch Items, die in den Begutachtungsprozess eingebaut sind, wie z. B. überflüssige Untersuchung, kostengerechte Therapie usw. Nur durch die optimale Ausnutzung der vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen ist eine weitere Optimierung der Krankenversorgung möglich. Dieses, obwohl die Schere zwischen Leistungszunahme und Bezahlbarkeit immer größer wird.

Prof. Dr. med. D. Köhler

Krankenhaus Kloster Grafschaft · Zentrum für Pneumologie und Allergologie

57392 Schmallenberg

Prof. Dr. med. G. Goeckenjan

Lungenfachklinik

34376 Immenhausen

Prof. Dr. med. D. Köhler

Krankenhaus Kloster Grafschaft · Zentrum für Pneumologie und Allergologie

57392 Schmallenberg

Prof. Dr. med. G. Goeckenjan

Lungenfachklinik

34376 Immenhausen