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DOI: 10.1055/s-2002-25163
Allergien
AllergiesKorrespondenz
Prof. Dr. Torsten Schäfer, MPH
Institut für Sozialmedizin,
Universitätsklinikum Lübeck
Beckergrube 43-47
23552 Lübeck
Email: torsten.schaefer@sozmed.mu-luebeck.de
Publication History
Publication Date:
12 April 2002 (online)
- Rauchen und Luftschadstoffe
- Stillen, Nahrungsmittelallergenkarenz und Beikost
- Hausstaubmilben und Haustiere
- Wohnraumklima
- Präventive Pharmakotherapie und Immunmodulation
Summary: Prevention is crucial in order to counteract the rising trend of allergies. General recommendations, as promoted also in Germany, include the avoidance of tobacco smoke. High risk children may benefit from exclusive breast feeding (alternatively hydrolyzed formulas), delayed introduction of solid food and a reduction of exposure to house dust mite. The meaning of pets is discussed controversially at the moment and new promising candidates for prevention emerge (e.g. probiotics). There is a need for a systematic development of evidence-based recommendations.
Allergien gehören zu den häufigsten Erkrankungen. Es wird geschätzt, dass mindestens jeder fünfte in Deutschland an einer atopischen Erkrankung leidet. Während bei Kindern mit ca. 10% das atopische Ekzem als Manifestationsform dominiert, sind bei Erwachsenen insbesondere respiratorische Allergien zu beobachten (ca. 15% allergische Rhinitis, ca. 5% Asthma). Zu Kontaktallergien liegen aus Deutschland nur wenig Daten aus bevölkerungsbezogenen Studien vor. Nach neueren Schätzungen ist wahrscheinlich auch jeder fünfte Erwachsene gegenüber Kontaktallergenen sensibilisiert und dabei vor allem gegenüber Duftstoffen und Nickel.
Unstrittig ist die Zunahme der atopischen Erkrankungen in den westlichen Industrienationen innerhalb der letzten Dekaden. [Abb. 1] verdeutlicht diese Entwicklung in der Zusammenschau entsprechender Studien am Beispiel des atopischen Ekzems. Entsprechende Veränderungen wurden auch für respiratorische atopische Erkrankungen beobachtet. Die Ursachen für diese Zunahme sind allerdings weiterhin unklar (Curr Opin Immunol 2001; 13: 701-708). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Fehlens einer kausalen Therapie (von Allergenkarenz und Hyposensibilisierung einmal abgesehen) erscheint es umso nötiger, durch geeignete Präventionsmaßnahmen diesem Trend entgegen zu wirken. Im Aktionsbündnis Allergieprävention (abap) werden in Deutschland derzeit entsprechende Anstrengungen zusammengeführt. Nachfolgend werden die bestehenden Empfehlungen im Hinblick auf die zugrundeliegende Evidenz besprochen.
#Rauchen und Luftschadstoffe
Aus verständlichen Gründen stehen zur Beurteilung des Einflusses der Passivrauchexposition auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen keine randomisierten kontrollierten Studien zur Verfügung. Es liegen allerdings zahlreiche experimentelle und epidemiologische Studien vor, die einen klaren Zusammenhang zwischen Passivrauchexposition (auch schon in der intrauterinen Phase) und verschiedenen Atopiemanifestationen belegen. Nach einer Metaanalyse von Strachan et al. ist das Asthmarisiko für Kinder unter Passivrauchexposition um 30% erhöht, wobei dies eher den extrinsischen Typ zu betreffen scheint (Thorax 1998; 53: 204-212). Passivrauch begünstigt möglicherweise auch die allergische Sensibilisierung (Allergy 1999; 54: 220-228) und die Entwicklung eines atopischen Ekzems (J Am Acad Dermatol 1997; 36: 550-556). Insgesamt sind die Hinweise bezüglich dieser Zielgrößen noch widersprüchlich (Thorax 1998; 53: 117-123). Angesichts der vorliegenden Daten muss nicht nur im Hinblick auf die Allergieprävention, sondern auch aus Gründen eines umfassenden Gesundheitsschutzes auf eine tabakrauchfreie Umwelt für Kinder (auch ungeborene) hingewirkt werden.
Auch für verschiedene Parameter verkehrsbedingter Emissionen sind experimentelle und epidemiologische Studien vorhanden, die einen Zusammenhang mit allergischer Sensibilisierung und anderen Atopiemanifestationen nahe legen. Dies gilt für Dieselruß (Allergy 1997; 52: 52-56; Ann Allergy 1987; 58: 265-270), aber auch NO2 und andere verkehrsbedingte Emissionen (Epidemiol 2000; 11: 64-70; Progr Allergy Clin Immunol 1995; 83-89). Von besonderer Bedeutung ist dabei nicht nur die Adjuvanswirkung der Schadstoffe, sondern ihre direkte Interaktion mit Allergenträgern, z. B. Pollen (Allergy Clin Immunol Int 2001; 13: 127). Unter ähnlichen Gesichtspunkten wie beim Tabakrauch ist eine Empfehlung zur Minimierung der Luftschadstoffexposition nicht nur aus Gründen der Allergieprävention angebracht.
#Stillen, Nahrungsmittelallergenkarenz und Beikost
Brustmilchernährung muss im Kontext vielfältiger und nicht nur auf Allergieprävention gerichteter Effekte gewertet werden. Dass durch Stillen die Allergierate günstig beeinflusst werden kann, zeigte u. a. eine Metaanalyse von zehn Studien, nach der bei Risikokindern die Asthmainzidenz signifikant gesenkt wird (OR 0,80; KI 0,66-0,97; J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 1-10). Aus methodischen Gründen muss die meist fehlende Randomisierung dabei kritisch gewertet werden. Ähnlich günstige Effekte wurden für das atopische Ekzem beobachtet - und dies in jüngster Zeit auch populationsbezogen und in einer randomisierten Studie ( J Amer Med Ass 2001; 285: 413-420).
Nach einer systematischen Übersichtsarbeit gibt es derzeit keinen Anhalt, dass eine allergenarme Diät der Mutter in der Schwangerschaft die Atopieentwicklung beim Kind signifikant beeinflussen könnte (The Cochrane Library, 2001). Dagegen gibt es deutliche Hinweise, dass bei Hochrisikokindern eine allergenarme Diät (Verzicht auf z. B. Milch, Ei, Fisch, Erdnuss, Soja) der Mutter in der Stillzeit die Inzidenz insbesondere des atopischen Ekzems senken kann (The Cochrane Library, 2001). Die verzögerte (nach dem 4. Monat) und schrittweise Einführung von Beikost hat sich bei Risikokindern ebenfalls günstig auf die Ekzemrate ausgewirkt (Pediatr Allergy Immunol 1994; 5 (Supp 1): 44-47).
Einzelne Studien konnten zeigen, dass hypoallergene Hydrolysatnahrung einen ähnlichen Präventionseffekt wie ausschließliches Stillen hat (Brit Med J 1989; 299: 228-230).
Die bisher vorliegenden prospektiven Studien zum Vergleich von partiell und stark hydrolysierter Säuglingsnahrung liefern noch kontroverse Ergebnisse, so dass für Risikokinder die Gabe von stark hydrolysierten Zubereitungen empfohlen wird (Arch Dis Child 1999; 81: 80-84; Pediatrics 2000; 106: 346-349; Pediatr Allergy Immunol 2001; 12 (supp 14): 78-84). Die ersten Ergebnisse der GINI(German Infant Nutritional Intervention)-Studie deuten ebenfalls auf einen, gegenüber Kuhmilch-Zubereitungen überlegenen, präventiven Effekt der Hydrolysat-Nahrung, insbesondere Casein, bei Risikokindern hin.
Empfehlungen zur Allergieprävention* |
Allgemein - Verzicht auf Passivrauchexposition (auch in der Schwangerschaft) |
Risikokinder - ausschließliches Stillen über 4-6 Monate; ggf. Verzicht auf potente Nahrungsmittel- allergene in der mütterlichen Ernährung; ersatzweise hypoallergene Säuglingsnahrung - verzögerte (nach dem 4. Monat) und schrittweise Einführung von Beikost - Wohnraumsanierung (insbes. Reduktion des Hausstaubmilbengehaltes) - Verzicht auf felltragende Haustiere - Hautschutz und Hautpflege (Verzicht auf irritierende und sensibilisierende Stoffe; z. B. Ohrlochstich und Tragen von Modeschmuck) |
*In Anlehnung an Weißbuch Allergie in Deutschland (Hrsg. J. Ring und J. Wenning für DGAI, ÄDA, DAAU; Urban & Vogel, München, 2000), und Frankfurter Thesen zur Prävention von Allergien bei Kindern und Jugendlichen |
Hausstaubmilben und Haustiere
Die Exposition gegenüber Aeroallergenen ist die notwendige Voraussetzung für eine allergische Sensibilisierung und nachfolgende Entwicklung allergischer Symptome. Am Beispiel der Hausstaubmilbe ist gezeigt worden, dass eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen der Allergenexposition und der Sensibilisierungshäufigkeit bzw. Symptomschwere bei Asthma besteht (J Allergy Clin Immunol 1997; 100: 177-181; Clin Exp Allergy 1997; 28: 261-266; J Allergy Clin Immunol 1997; 99: 763-769). Zu den wirksamsten Mitteln der Hausstaubsanierung gehört neben einem Staubsauger mit Mikrofilter, glatten Böden und einer ¿staubarmen¿ Einrichtung vor allem der milbendichte Matratzenüberzug (encasement). Im Sinne eines therapeutischen Effekts gibt es beim Asthma einige vielversprechende Hinweise (J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 1-10), auch wenn die Gesamtschau der Daten noch keine eindeutigen Schlüsse zulässt (The Cochrane Library, 2001). Für das atopische Ekzem sind einzelne randomisierte, klinische Studien durchgeführt worden, von denen die meisten einen positiven Effekt auf die Ekzemschwere durch die Hausstaubreduktion zeigten (National Coordinating Centre for HTA, 2000. Health Technology Assessment; Vol 4). Als Primärpräventionsmaßnahme ist die Hausstaubsanierung als alleinige Intervention kaum untersucht. Randomisierte Studien, die ein Bündel von Präventionsmaßnahmen bei Risikokindern untersuchten, konnten aber eine günstige Beeinflussung der Allergiehäufigkeit zeigen (Allergy 1996; 5: 89-93; Arch Pediatr Adolesc Med 2000; 154: 657-663). Eine jüngere randomisierte Studie, die auf Hausstaubsanierungsmaßnahmen fokussiert, findet eine signifikante Reduktion von Asthmasymptomen (Lancet 2001; 358: 188-193).
Die Bedeutung des Kontakts mit felltragenden Tieren für die Manifestation atopischer Erkrankungen ist in jüngster Zeit in die Diskussion geraten. Grundsätzlich wird die Haltung von felltragenden Tieren und entsprechende Allergenexposition als Risikofaktor für eine allergische Sensibilisierung und nachfolgende Erkrankung angesehen (J Allergy Clin Immunol 1997; 99: 763-769). Nach einer Metaanalyse von 32 Studien besteht durch Haustierhaltung ein kleines, aber z.T. signifikant erhöhtes Risiko für Asthma (OR = 1,11) bzw. pfeifende Atemgeräusche (OR = 1,19; J Allergy Clin Immunol 2001; 107: 455-460). Die Häufigkeit eines atopischen Ekzems scheint eher bei Anwesenheit eines kleineren Nagetiers erhöht zu sein (Env Res 1999; 81: 151-158).
Auch ein präventiver Effekt durch Haustierhaltung wird derzeit diskutiert (J Allergy Clin Immunol 2001; 108: 499-501). Insbesondere bei Katzenallergie sind präventive Effekte bei Risikokindern durch entsprechende Haustierhaltung beschrieben worden. Bezüglich entsprechender epidemiologischer Querschnittstudien muss diskutiert werden, ob selektives Verhalten (verminderte Haustierhaltung) einer Risikopopulation zu einer systematischen Verzerrung der Ergebnisse geführt hat (¿reverse causality¿).
Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, leiden offensichtlich seltener unter (inhalativen) atopischen Erkrankungen. Dies haben zahlreiche Studien übereinstimmend festgestellt (J Allergy Clin Immunol 2001; 108: 499-501). Die ursächlichen Faktoren, unter denen auch die Endotoxinbelastung diskutiert wird, sind allerdings noch weitgehend unklar.
Ungeachtet der Empfehlung, dass Tierallergiker entsprechende Allergenexposition minimieren sollten, müssen die primären Präventionsempfehlungen im Licht der jüngeren Studien überdacht werden. Sicherlich ist es aber noch nicht gerechtfertigt, die Anschaffung von Haustieren als Präventionsmaßnahme zu empfehlen.
#Wohnraumklima
Ein ungünstiges Wohnraumklima mit hoher Feuchtigkeit und Temperatur begünstigt die Verbreitung von Innenraumallergenen (Hausstaubmilben, Schimmelpilze) und führt neben einer erhöhten Allergenbelastung auch zu einer höheren Rate an Sensibilisierungen (Allergy Asthma Proc 1998; 20: 23-27) und allergischen Erkrankungen. Nach einer Metaanalyse von elf Studien ist das Risiko für pfeifende Atemgeräusche unter diesen Wohnbedingungen rund verdoppelt (J Allergy Clin Immunol 1999; 103: 1-10). Dementsprechend wird empfohlen, Wohnräume nicht zu überheizen und auf eine normale Luftfeuchtigkeit (ca. 55%) zu achten.
#Präventive Pharmakotherapie und Immunmodulation
Antihistaminika: Erste Ergebnisse der ETAC(Early Treatment of the Atopic Child)-Studie konnten zeigen, dass bei Kindern mit atopischem Ekzem und Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen die regelmäßige Gabe von Cetirizin die Inzidenz von Asthma und akuter Urtikaria senkt (Pediatr Allergy Immunol 1998; 9: 116-124; J Allergy Clin Immunol 2001; 107: 703-706). Weitere Ergebnisse und Studien müssen folgen, um die prophylaktische Gabe von Antihistaminika als Empfehlung zu diskutieren. In diesem Zusammenhang muss auch die Bedeutung von Histamin als Immunregulator diskutiert werden.
Spezifische Hyposensibilisierung (Immuntherapie): Im Sinne der Tertiärprävention wird die spezifische Immuntherapie bei inhalativen Allergien seit langem erfolgreich eingesetzt. Eine jüngere Studie bei Kindern mit allergischer Rhinitis konnte zeigen, dass die spezifische Immuntherapie im Sinne einer sekundärpräventiven Maßnahme die Inzidenz von allergischem Asthma senken kann (Allergologie 1997; 20: 359).
Probiotika: Die Bedeutung einer frühkindlichen und vielfältigen Darmflora für die Verhinderung von (Nahrungsmittel-) Allergien ist länger bekannt. Der aktive Einsatz von Probiotika (z. B. Lactobacillus) führt bei Kindern mit atopischem Ekzem bereits nach zweimonatiger Anwendung zu einer signifikanten Reduktion der Ekzemschwere (Clin Exp Allergy 2000; 30: 1604-1610). Wie kürzlich berichtet wurde, konnte durch die präventive Gabe von Lactobacillus bei Risikokindern die Ekzeminzidenz bis zum 2. Lebensjahr halbiert werden (Lancet 2001; 357: 1076-1079). Auch wenn hier noch weitere Studien folgen müssen, wird der Einsatz unter Berücksichtigung der geringen Kosten und Nebenwirkungen eher zu diskutieren sein.
Nützliche Adressen |
www.allergiepraevention.de ab[a]p Aktionsbündnis Allergieprävention (des Bundesministeriums für Gesundheit) |
www.adiz.de Online-Informationsverbund Uminfo-ADIZ-Allinfo: - ADIZ (Allergie-Dokumentations- und Informationszentrum) - uminfo (Umweltmedizinisches Informationsforum der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Kinderärzte, DISU) - allinfo (Allergieinformationsforum der Dokumentations- und Informationsstelle für Allergiefragen im Kindesalter, DISA) |
www.allergien.com Wissenswertes von Betroffenen für Laien |
www.stopptdieallergie.de Initiative der Deutschen Akademie für Allergologie und Umweltmedizin |
www.aak.de Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind e.V. |
www.daab.de Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. |
www.dnb-ev.de Deutscher Neurodermitiker Bund e.V. |
Fachliche Betreuung der Serie:
Prof. Dr. Dr. h. c. Peter C. Scriba, München
Prof. Dr. Friedrich W. Schwartz, Hannover
#Korrespondenz
Prof. Dr. Torsten Schäfer, MPH
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Beckergrube 43-47
23552 Lübeck
Email: torsten.schaefer@sozmed.mu-luebeck.de
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