Im Folgenden berichten wir anhand zweier Fallbeispiele die
häufigsten Verläufe von Trinkmengenentwicklungen und Zielanpassungen
im Rahmen des „Ambulanten Gruppenprogramms zum kontrollierten Trinken
(AkT)” (vergleiche zur allgemeinen Charakterisierung des AkT den Beitrag
von Körkel et al., in diesem Heft).
Fall 1: Kontrolliertes Trinken als Weg und als Ziel
Fall 1: Kontrolliertes Trinken als Weg und als Ziel
Hans B. wendet sich auf Drängen seiner Lebenspartnerin, die
über einen Zeitungsartikel auf das AkT gestoßen ist, an uns,
d. h. die Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle für
Suchtkranke des Caritasverbandes Nürnberg. Hans B. ist 60 Jahre alt und
hat drei außer Haus lebende erwachsene Kinder, die der Ehe mit seiner vor
längerer Zeit verstorbenen Frau entstammen und mit denen er weiterhin in
regelmäßigem Kontakt steht. Er ist inzwischen wieder mit einer
Lebenspartnerin liiert, die ihre eigene Wohnung bewohnt. Beruflich ist er als
Hausmeister für eine größere Wohnanlage zuständig.
In den beiden dem AkT vorgeschalteten diagnostischen Gesprächen
äußert Herr B. ausschließliches Interesse an einem Programm
zum reduzierten Alkoholkonsum (wie dem AkT). Rein abstinenzorientierte
Behandlungsangebote - über die als Alternativen zum kontrollierten
Trinken gesprochen wird - lehnt er ab. Suchtbezogene Hilfe hat er bis zu
diesem Zeitpunkt nicht beansprucht. Er erhofft sich durch das AkT eine
deutliche Reduktion seines Alkoholkonsums, um weitere, auf sein Trinkverhalten
zurückzuführende Spannungen innerhalb seiner Beziehung zu vermeiden
(z. B. Vorwürfe und heftiger Streit wegen alkoholbedingter
Ausfälligkeiten, Trennungsandrohungen usw.). Außerdem bereitet ihm
seit geraumer Zeit das besonders im Rahmen seiner Hausmeistertätigkeit
spürbare Nachlassen seiner Leistungsfähigkeit (früh einsetzende
Abgespanntheit und häufige Unkonzentriertheit), das er ebenfalls mit
seinem hohen Alkoholkonsum in Verbindung bringt, immer mehr Sorgen.
In den diagnostischen Vorgesprächen beziffert er die Menge an
wöchentlich konsumiertem Bier, Wein und Schnaps - allen drei
Alkoholika spricht er zu - auf umgerechnet 740 Gramm Alkohol
(= 37 Standardeinheiten [SE]; 1
SE = 0,5 l Bier oder 0,2 l Wein oder 3
Schnäpse). Er nimmt jeden Tag Alkohol zu sich, abstinente Tage kommen
nicht vor. Gemäß der ICD-10 ist er als (eher leicht)
alkoholabhängig einzustufen (3 ICD-10-Kriterien erfüllt), eine
körperliche Entzugssymptomatik wird nicht berichtet. Drei der 4 CAGE-Items
werden mit „ja” beantwortet (ab 2 Zustimmungen: Alkoholproblem
wahrscheinlich), der AUDIT ergibt 12 Punkte (ab 8 Punkten: problematischer
Alkoholkonsum wahrscheinlich). Alkoholbedingte Folgeerkrankungen somatischer,
psychischer oder sozialer Art liegen nicht vor, wie die ärztliche
Untersuchung, der EuropASI und andere diagnostische Verfahren (z. B.
GABS) ergeben.
Herrn B. wird nach den diagnostischen Vorgesprächen eine Zusage
für die AkT-Teilnahme gegeben. Mangels eines freien Platzes in der ersten
AkT-Gruppe (beginnend im Oktober 1999) wird er der Wartekontrollgruppe
zugeteilt. Während der 3œ-monatigen Wartezeit bis zum Beginn seiner
AkT-Gruppe verringert sich sein wöchentlicher Alkoholkonsum nur
geringfügig von 37 auf 35 SE.
Ab Anfang Februar 2000 nimmt er regelmäßig an den 12
wöchentlich stattfindenden AkT-Gruppenabenden teil (in dieser AkT-Gruppe
erstreckte sich das AkT auf 12 Sitzungen, in allen folgenden auf 10 Sitzungen).
In der Gruppe beteiligt sich Herr B. rege und thematisiert u. a. seine
Schwierigkeit, Trinkaufforderungen bei seiner beruflichen Tätigkeit als
Hausmeister abzulehnen. Als für ihn besonders riskant erweist sich hierbei
das Heizungsablesen, bei dem er - jahrelanger Gewohnheit folgend -
von einigen Mietern bereits mit alkoholischen Getränken erwartet und zum
Konsum aufgefordert wird („ein Schnäpschen in
Ehren ...”). Auch nach diversen im AkT durchgeführten
Ablehnungsrollenspielen und der Hinterfragung seiner
„Ja-Sage-Tendenz” sieht er in Trinkanimationen während
seiner Arbeitstätigkeit auch am Ende der Gruppensitzungen das
größte Gefährdungspotenzial für seine Trinkkontrolle.
Insbesondere bei beharrlichen Trinkverführungen stelle sich bei ihm ein
„ungutes Gefühl” ein, sofern er bei seiner Ablehnung bleibe.
Letztlich erweist sich seine Befürchtung, bei konsequenter Ablehnung von
Trinkeinladungen sein Gegenüber bleibend verstimmen zu können, als
Auslöser dafür, „klein beizugeben” und doch
mitzutrinken - wenn auch lange nicht so viel wie in früheren
Zeiten.
Sein Ausgangskonsum von 35 SE/Woche ist bis Ende des AkT auf 13
SE/Woche gesunken (vgl. Abb. [1]). Im Durchschnitt
legt er 1 - 2 abstinente Tage pro Woche ein. Der GGT-Wert
reduzierte sich von 44,8 (vor AkT) auf 15,0 (nach Beendigung des
Programms).
Abb. 1 Trinkmengenentwicklung
bei Herrn B. (in Standardeinheiten pro Woche)
In der 6-Monats-Katamnese ist eine Verringerung der abstinenten Tage
zu verzeichnen, die wöchentliche Trinkmenge bleibt demgegenüber
stabil (13 SE/Woche, 1 abstinenter Tag alle 2 Wochen). Auch der GGT-Wert zeigt
sich mit 15,8 kaum verändert. Die Zurückweisung von Trinkangeboten im
Kontext seiner Hausmeistertätigkeit ist im Halbjahr nach Abschluss des AkT
weiterhin sein neuralgischer Punkt. So überschreitet er mehrmals in
o. g. Situationen das von ihm gesetzte Tageslimit (von
2 - 3 SE), kompensiert diese Überschreitung allerdings
durch verringerten Konsum in den folgenden Tagen, um sein Wochenlimit
einzuhalten. Bei dieser Stabilisierung seines Wochenkonsums spielt die
Unterstützung durch seine Lebensgefährtin eine bedeutsame Rolle
(Ermutigung, das Wochenmaximum an SE nicht zu überschreiten;
Unterstützung beim gemeinsamen Einlegen alkoholfreier Abende usw.).
Zum Zeitpunkt der 1-Jahres-Nacherhebung ist der wöchentliche
Konsum leicht von 13 auf 15 SE angestiegen, der GGT-Wert hat sich auf 19,9
erhöht. Umgekehrt hat er die Anzahl der abstinenten Tage auf drei
innerhalb von zwei Wochen erhöht, was sein Bemühen, den leicht
erhöhten Alkoholkonsum mancher Trinktage zu kompensieren, zum Ausdruck
bringt.
Etwa zum Zeitpunkt der 1-Jahres-Nachbefragung beginnt Herr B., die
aus dem AkT hervorgegangene Selbsthilfegruppe, die sich einmal pro Monat
trifft, zu besuchen. Dort bringt er erneut die Problematik der unzureichenden
Ablehnung von Trinkaufforderungen im beruflichen Umfeld ein. Obwohl ihm dieses
Problemfeld zeitweise zu schaffen macht, ist er insgesamt mit seinem
Trinkverhalten zufrieden und sieht momentan weder Bedarf nach weitergehender
Behandlung noch nach weiterer Trinkmengenreduzierung. Die vor dem AkT
angespannte Paarsituation ist einem weitgehend harmonischen Miteinander
gewichen - vor allem infolge des deutlich reduzierten Trinkverhaltens.
Beruflich erlebt er sich wieder „fit” und so gut wie nie durch
seinen Alkoholkonsum gehandicapt - selbst wenn er Mietern bisweilen
„auf ein Schnäpschen” einwilligt (es dann aber auch bei
diesem einen belässt). Stolz macht ihn, dass er Tage, an denen er seine
selbst gesetzte Konsumobergrenze (nämlich 2 SE, bei einem abstinenten Tag
pro Woche überschreitet), durch vermehrte abstinente Tage zu kompensieren
versteht und auf diese Weise sein Wochenlimit weitgehend einhält. Das wird
dadurch begünstigt, dass er die Überschreitungen seines selbst
gesetzten Tageslimits nicht als Drama mit damit einhergehenden Scham- und
Schuldgefühlen verbucht, sondern konstruktiv als Anlass zum Ergreifen von
Gegensteuerungsmaßnahmen zu nutzen versteht. Die Tatsache, dass sein
Alkoholkonsum auch 1 Jahr nach Ende des AkT um ca. 60 % niedriger
ist als in den davor liegenden Jahren, führt er auf ein durch das AkT
geschaffenes Bewusstsein über die getrunkene Menge zurück. Er
beschreibt dies als das Empfinden „so, jetzt langt's”, das
nach 2 - 4 SE/Tag einsetzt. Mit anderen Worten hat er einen
inneren Gradmesser für die getrunkene Alkoholmenge als
selbststeuerungsrelevante Größe entwickelt.
Bei einer telefonischen Nachbefragung im März 2002, also 2
Jahre nach Beendigung des AkT, gibt Herr B. seine Trinkmenge mit weiterhin
durchschnittlich 15 SE pro Woche an. Weiter berichtet er von einigen wenigen
„Ausrutscher-Wochen” mit 20 - 25 SE/Woche, zu
denen es zwischen dem ersten und zweiten Jahr nach AkT gekommen ist. Diese
Erhöhungen traten jeweils in den bereits bekannten problematischen
Hausmeistersituationen (z. B. nach dem Ablesen der Wasseruhren), aber
auch bei zwei Festen (u. a. seiner Geburtstagsfeier) auf.
Um die Anzahl der abstinenten Tage wieder zu steigern und sich in
Situationen mit bedrängenden Trinkanimationen achtsamer zu verhalten, hat
er sich zum erneuten Führen des Trinktagebuchs, das er kurz nach Ende der
AkT-Teilnahme aufgegeben hatte, entschlossen. Insgesamt ist er jedoch mit der
erreichten Reduktion seiner Trinkmenge zufrieden. In der AkT-Selbsthilfegruppe
fühlt er sich wohl und möchte diese weiterhin besuchen.
Fall 2: Kontrolliertes Trinken - auch ein Weg zur
Abstinenz
Fall 2: Kontrolliertes Trinken - auch ein Weg zur
Abstinenz
Der 56-jährige Franz A. stellt sich in unserer Beratungsstelle
mit dem Wunsch nach Teilnahme am AkT vor, auf das er durch einen
Zeitungsbericht aufmerksam geworden ist. Suchtbezogene Hilfe hat er bislang
noch nie gesucht. Herr A. lebt zusammen mit seiner Ehefrau in finanziell
gesicherten Verhältnissen. Zu den zwei erwachsenen Kindern, die nicht mehr
im Haus wohnen, besteht regelmäßiger Kontakt. Über die Familie
hinaus unterhält er soziale Kontakte zu einer Reihe von Freunden und
Verwandten. Beruflich ist er ganztägig als Software-Berater
beschäftigt. Seinen Alkoholkonsum möchte er besser kontrollieren
können, da es durch die nach höheren Alkoholmengen eintretende
Unansprechbarkeit, zuweilen auch Reizbarkeit zu massiven verbalen und auch
schon körperlichen Auseinandersetzungen mit seiner Ehefrau gekommen ist.
Darüber hinaus machen ihm die seit etwa 2 Jahren aufgetretenen
Konzentrationsstörungen beruflich sehr zu schaffen. Auf der anderen Seite
wolle er den Alkohol nicht missen. Insbesondere unmittelbar nach Arbeitsende
empfinde er die als Folge des rasch konsumierten Cognacs eintretende
Entspannung und angenehme Schwere als sehr angenehm.
Nach Angabe in den beiden diagnostischen Einzelgesprächen vor
dem AkT, in denen er ebenso wie in den ersten Gruppensitzungen gehemmt und
unsicher wirkt, trinkt er bereits seit längerer Zeit relativ hohe
Alkoholmengen: in der Regel ca. 1,5 l Bier und 0,4 l Weinbrand an
den Arbeitstagen (beginnend mittags, den Großteil am Abend), an den
Wochenenden etwas weniger (im Wochendurchschnitt etwa 8,8 SE/Tag, 61,6
SE/Woche; keine abstinenten Tage). Nach der ICD-10-Diagnostik ergibt sich eine
Alkoholabhängigkeit (4 ICD-10-Kriterien erfüllt). Im CAGE werden alle
4 Fragen mit „ja” beantwortet. Im AUDIT kommt er auf 25 Punkte.
Daneben ist sein Nikotinkonsum beachtlich (15 Zigaretten/Tag). Körperliche
Folgeerkrankungen des Alkoholkonsums sind bisher nicht aufgetreten, die
Transaminasen liegen im Normbereich.
Im rechtlichen Bereich und anderen, per EuropASI abgeklärten
potenziellen Problemfeldern sind keine Auffälligkeiten zu
konstatieren.
Von Oktober bis Dezember 1999 (sowie einem weiteren Termin im Januar
2000) nimmt Herr A. sehr zuverlässig und engagiert an der ersten
AkT-Gruppe teil. Schon nach den ersten 4 AkT-Abenden gelingt ihm eine deutliche
Konsumreduktion von anfangs täglich 8,8 SE auf 4,5 SE pro Trinktag. An den
Wochenenden fällt ihm ein Übergang zur Abstinenz meist erstaunlich
leicht. Trotz weiterer Reduktionsbemühungen und vielfältiger
Anregungen dazu aus der Gruppe gelingt ihm keine weitere Trinkmengenreduktion
während der Arbeitswoche. Auch Einsicht in die Funktionen seines Konsums
(u. a. Stressbewältigung und Entspannung nach und zum Teil auch
schon während der Arbeit) und die Erarbeitung von Strategien zum Umgang
mit beruflichen Belastungen und zur Vermeidung von Risikosituationen
(z. B. Nichtaufsuchen des Kiosks, an dem er seinen Cognac bezieht)
verändern daran nichts. Von therapeutischer Seite wird ihm in einigen
Sitzungen rückgemeldet, dass man erstaunt sei, mit welcher Energie er am
kontrollierten Trinken festhalte, obwohl es ihm viel Kraft abverlange und
letztlich nicht so gelinge, wie er es sich wünsche und er sich an den
abstinenten Tagen offenbar sehr wohl fühle.
Am Ende des AkT liegt Herr A. bei einem Konsum von 4,5 SE/Tag und 3
abstinenten Tagen/Woche und somit bei einem Wochenkonsum von 18 SE (vgl. Abb.
[2]). Als Ziel äußert er, weiterhin
kontrolliert trinken und die Trinkmenge zunehmend reduzieren zu wollen (auf
2 - 3 SE/Tag).
Abb. 2 Trinkmengenententwicklung bei
Herrn A. (in Standardeinheiten pro Woche)
Sechs Monate nach Ende des AkT ist die tägliche Trinkmenge im
Vergleich zum Programmende um 0,5 SE/Tag auf 5 SE/Tag leicht angestiegen. Im
Wochenkonsum ergibt sich aber fast eine Verdoppelung der Menge auf 35 SE, da
ihm keine abstinenten Tage mehr gelingen. Er ist nun - 6 Monate nach
AkT-Ende - der festen Überzeugung, kontrolliertes Trinken ohne den
regelmäßigen Rückhalt der AkT-Gruppe auf Dauer nicht mehr zu
schaffen. Die erneut aufgeflammten ehelichen Streitigkeiten angesichts seines
wieder aufgenommenen Wochenendkonsums sowie der Wunsch, wieder alkoholfreie
Arbeitstage einzulegen, bewegen ihn dazu, eine fortlaufende Einzelberatung in
unserer Beratungsstelle wahrzunehmen.
Bereits zum ersten Beratungsgespräch kommt Herr A. mit der
Vorstellung, zukünftig vielleicht besser „die Finger ganz vom
Alkohol zu lassen”. Zu dieser Überlegung sei er durch die positiven
Erfahrungen, die er während des AkT mit seinen abstinenten Tagen gemacht
habe und an denen er sich als wesentlich leistungsfähiger und
aufgeschlossener erlebt habe, gelangt. Ganz sicher sei er sich allerdings
nicht, ob er auf Dauer wirklich komplett ohne Alkohol auskommen wolle und
könne. Aus diesem Grund wird im folgenden Beratungsgespräch vor dem
Hintergrund seiner Erfahrungen aus dem AkT Bilanz der Vor- und Nachteile seines
Alkoholkonsums bzw. der Abstinenz gezogen („4-Felder-Matrix”
[1]). Nach anschließendem Austausch mit seiner
Ehefrau und einem weiteren zielabklärenden Beratungsgespräch
entschließt er sich dann am Ende desselben zur dauerhaften Abstinenz. Um
„einen radikalen Schnitt zu machen”, Abstand vom Alkohol zu
gewinnen und die (leichten) körperlichen Entzugserscheinungen zu
überwinden, entscheidet er sich sodann zu einer stationären
Entgiftungsbehandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Zum vierten und
letzten Gespräch vor Antritt der Entgiftung wird die Ehefrau des Klienten
hinzugezogen und die weiterhin vorhandenen gegenseitigen Vorwürfe und
atmosphärischen Spannungen kommen zur Sprache. Beide sind nach diesem
Gespräch „geschafft”, haben aber die Zuversicht
zurückgewonnen, dass ein von alten Hypotheken befreiter Neuanfang
möglich sei.
Kurz nach diesem Paargespräch - 8 Monate nach Ende des
AkT - tritt Herr A. die stationäre Entgiftung an und kehrt nicht
zuletzt durch die Wirkung, die sehr alkoholgeschädigte
Entgiftungspatienten bei ihm hinterlassen haben, geläutert aus der
Behandlung zurück. In den auf den Entzug folgenden 4 Monaten finden
weitere sechs Beratungsgespräche statt, die sich
schwerpunktmäßig mit der Wiederaufnahme alkoholfreier
Freizeitaktivitäten und der Rückfallprophylaxe befassen (z. B.
Vermeidung der permanenten beruflichen Überlastung). Herr A. bleibt
über den gesamten Beratungszeitraum hinweg abstinent, was die eheliche
Beziehung deutlich harmonisiert.
Auch zum Zeitpunkt der 1-Jahres-Katamnese im März 2001 ist Herr
A. noch abstinent. Beim „AkT-Ehemaligenseminar” (Ganztagestreffen
der Teilnehmer aller bisher durchgeführten AkT-Gruppen) 2 Jahre nach
Abschluss seiner AkT-Gruppe macht Herr A. einen zufriedenen Eindruck bei
erhaltener Abstinenz. Er nimmt Anregungen auf, um auch zukünftig in
Belastungssituationen seine Abstinenz zu bewahren. Weitere suchtspezifische
Hilfe (z. B. Teilnahme an Selbsthilfegruppengesprächen) hat er in
der Zwischenzeit nicht in Anspruch genommen und plant diese in naher Zukunft
auch nicht ein.
Diskussion
Diskussion
Der Alkoholkonsum beider Männer hatte vor der AkT-Teilnahme
erhebliche Ausmaße erreicht und war nach therapeutischer
Einschätzung seit längerer Zeit dringend
veränderungsbedürftig. Folgeerscheinungen sozialer und psychischer,
zum Teil auch körperlicher Art waren bereits eingetreten. Trotzdem hatten
beide Personen bislang keinerlei suchtspezifische Hilfe nachgesucht. Der
berichtete Kontakt zur Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle für
Suchtkranke war nur unter der Prämisse einer Reduktionsbehandlung zustande
gekommen. Rein abstinenzorientierte Behandlungsangebote wurden abgelehnt. Bei
beiden Personen ließ sich somit realisieren, was mit dem AkT und anderen
Kontrollprogrammen wie dem „Ambulanten Einzelprogramm zum kontrollierten
Trinken” [2] zuallererst angestrebt wird:
Personen mit Hilfebedarf an das Hilfesystem heranzuführen, um mit ihnen
ein von Ideologien freies, zieladaptives Behandlungsprogramm
durchzuführen.
Bei Herrn B. (Fall 1) erwies sich das AkT als hilfreich, um
über den ganzen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren nach dem AkT hinweg
eine stabile und deutliche Reduzierung des Alkoholkonsums von letztlich etwa
60 % zu erzielen - eine Größenordnung, die bei
Kontrollprogrammen auch international des Öfteren berichtet wird
(z. B. [3]
[4]). Wie
bei vielen unserer AkT-Klienten, so wurde auch bei Herrn B. die Stabilisierung
der Erfolge und die positive Gegenregulierung nach Ausrutschern durch
unterstützendes Partnerverhalten erheblich begünstigt. Soziale
Integration im Allgemeinen und Partnerunterstützung im Besonderen ist
somit eine gute Voraussetzung für gelingende Veränderungsprozesse
- auch beim kontrollierten Trinken [5].
Andererseits zeigt sich bei Herrn B., dass manche Problemfelder wie die
fehlende Kompetenz, konsistent „nein” bei Trinkaufforderungen zu
sagen, weitergehender - ggf. psychotherapeutischer - Bearbeitung
bedürften und nicht an 10 Gruppenabenden „abzuarbeiten”
sind.
Festzustellen bleibt schließlich, dass Herr B. seinen Konsum
nicht gänzlich bzw. nicht immer auf das von der WHO bzw. der Britischen
Ärztevereinigung für Männer empfohlene Niveau von maximal
30 - 40 g Alkohol/Tag (= 2 SE) bei
1 - 2 abstinenten Tagen pro Woche absenkte - was er
allerdings auch nicht anstrebte. Bedenkt man seinen erheblichen
Reduktionserfolg von 60 % mit einhergehender gesundheitlicher
Schadensminimierung und die Tatsache, dass er auf diesem Wege eine
Normalisierung der vor der Behandlung beeinträchtigten Lebensbereiche
(Partnerschaft, Arbeitsverhalten) erzielte und sich insgesamt mit den
Veränderungen sehr zufrieden zeigt, kann seine Programmteilnahme als
Erfolg gewertet werden. All dies schließt nicht aus, dass sich durch die
zukünftige AkT-Selbsthilfegruppenteilnahme neue Impulse in Richtung
weiterer Konsumreduktion respektive dauerhafter Abstinenz ergeben.
Herr A. (Fall 2) konnte seinen Alkoholkonsum während des AkT um
71 % senken und sich ein halbes Jahr nach AkT-Ende eine Reduktion
von 44 % gegenüber dem Ausgangsniveau bewahren. Trotz dieser
auch nach einem Jahr noch beachtlichen Konsumminderung waren wesentliche
Lebensbereiche (Partnerschaft, Arbeit) weiterhin durch den Alkoholkonsum
tangiert. Diese Tatsache wie auch die während des Gruppenprogramms
gesammelten positiven Erfahrungen mit alkoholfrei verbrachten Tagen
begünstigten Herrn A.’s Interesse am Abstinenzziel und der
Absolvierung einer Entgiftungsbehandlung als weiterem Schritt zu diesem Ziel.
Die Mehrzahl unserer AkT-Teilnehmer, die sich letztlich für Abstinenz
entschieden, haben an die Entgiftungsbehandlung eine stationäre
Entwöhnungsbehandlung angeschlossen - bei Herrn A. erwies sich eine
Entgiftungsbehandlung mit anschließenden Beratungsgesprächen als
ausreichend. Herrn A.’s Fall demonstriert stellvertretend für viele
andere, wie zwanglos und unspektakulär ein Übergang vom AkT zu
abstinenzorientierten Hilfeangeboten und letztlich eine erfolgreiche Behandlung
vonstatten gehen können, wenn keine Zieldogmatisierung erfolgt und auch in
Kontrollprogrammen das Abstinenzziel als wertvolle Ergänzung bzw.
Alternative zum Ziel des kontrollierten Trinkens im Gespräch gehalten
wird. Wie von uns mehrfach betont (z. B. [6]),
erweisen sich Angebote zum kontrolliertes Trinken und zur Abstinenz somit nicht
als Widerspruch, sondern als sinnvolle Ergänzung in einem ethisch
legitimierten und auf die breite Masse problematischer Alkoholkonsumenten
ausgerichteten Suchthilfesystem.