Pneumologie 2002; 56(5): 279-280
DOI: 10.1055/s-2002-30703
Brennpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Idiopathische interstitielle Pneumonien - wozu schon wieder eine Konsensusklassifikation?

Idiopathic Interstitial Pneumonia - Why Again a New Consensus Classification?U.  Costabel
  • 1Abteilung Pneumologie/Allergologie, Ruhrlandklinik, Essen
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Prof. Dr. U. Costabel

Ruhrlandklinik. Abteilung Pneumologie/Allergologie

Tüschener Weg 40

45239 Essen

Email: erj.costabel@t-online.de

Publication History

Publication Date:
21 May 2002 (online)

Table of Contents

In den letzten Jahren boomte das Interesse an den interstitiellen Lungenerkrankungen. Zur Sarkoidose wurde erstmals 1999 ein internationales Statement der drei wichtigsten Fachgesellschaften (ATS, ERS, WASOG) publiziert [1]. Ein Jahr später folgte das internationale Konsensus Statement zur idiopathischen Lungenfibrose (IPF) [2]. In diesem Statement wurde die IPF neu definiert und klar gegen die anderen Entitäten der idiopathischen interstitiellen Pneumonien abgegrenzt, die bis dato mit der IPF gemeinsam in einen Sammeltopf aller Fibrosen unbekannter Ätiologie geworfen wurden. Als drittes bedeutsames internationales Konsensus Paper wurde im Januar dieses Jahres die Konsensusklassifikation der idiopathischen interstitiellen Pneumonien publiziert [3], auf die bereits früher in einem Übersichtsartikel dieser Zeitschrift von mir hingewiesen wurde [4].

Wodurch unterscheidet sich nun dieses neue Konsensus Paper 2002 von dem IPF Statement 2000? Das IPF Statement beschränkt sich im Wesentlichen auf Diagnose und Therapie der idiopathischen Lungenfibrose und erwähnt die anderen Entitäten nur in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung. Die neue Konsensusklassifikation geht ausführlich auf jede einzelne der insgesamt 7 Subentitäten ein, beschreibt detailliert die histologischen, radiologischen und klinischen Charakteristika, macht Anmerkungen zur Prognose und vergleicht die zum Einsatz kommenden verschiedenen diagnostischen Verfahren. Die Arbeit stellt sicher einen Meilenstein auf dem Gebiet der interstitiellen Lungenerkrankungen dar. Sie umfasst immerhin 27 Druckseiten, der erste Entwurf wurde von einem sogenannten Core Panel aus 20 Experten (Kliniker, Radiologen, Pathologen) geschrieben und danach einem größeren Kreis, dem sogenannten Reviewer Panel, zur kritischen Durchsicht, Korrektur und Ergänzungen vorgelegt. Dieser erweiterte Kreis umfasst sogar 64 Personen, so dass fast alles, was Rang und Namen auf diesem Gebiet hat, vertreten ist. Dies dürfte dazu beitragen, dass sich diese internationale Klassifikation nun wohl auch weltweit durchsetzen wird. Es ist sicher sehr zu begrüßen, wenn eine einheitliche Terminologie auf diesem schwierigen Gebiet verwandt wird, so dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Die Bedeutung der neuen ATS/ERS Konsensusklassifikation lässt sich wie folgt zusammenfassen. Erstens wird hiermit eine integrierte klinische, radiologische und pathologische Definition und Klassifikation der Gruppe der idiopathischen interstitiellen Pneumonien vorgenommen. Diese Krankheitsgruppe kann nicht durch Klinik, Radiologie oder Pathologie allein definiert werden. Zum Zweiten werden Empfehlungen und einheitliche Kriterien für die Diagnostik der verschiedenen Formen ausgesprochen. Drittens wird eindeutig dargestellt, dass ein histopathologisches Muster von der klinischen Diagnose, die auf klinischen/radiologischen und histopathologischen Befunden beruht, abgegrenzt werden muss (Tab. [1]). Die Krankheitsbezeichnung lautet also idiopathische Lungenfibrose (nicht UIP!), aber das histologische UIP-Muster ist (wenn denn eine offene Lungenbiopsie erfolgt) eine conditio sine qua non für diese Entität. Andererseits können histologische UIP-Muster auch bei anderen Entitäten, beispielsweise bei Asbestose, Strahlen- oder Arzneimittel-induzierter Pneumonie, Kollagenosen oder Spätstadien der exogen allergischen Alveolitis auftreten.

Tab. 1 Histologische und klinische Klassifikation der idiopathischen interstitiellen Pneumonien (nach 3)
histologisches Musterklinisch/radiologisch/pathologische Diagnose
usual interstitial pneumonia(USP)idiopathische Lungenfibrose
(In UK: kryptogen fibrosierende Alveolitis)
non-specific interstitial pneumonia(NSIP)non-specific interstitial pneumonia (vorläufig)
organisierende Pneumoniekryptogen organisierende Pneumonie
(Synonym: idiopathische BOOP)
diffuser Alveolarschadenakute interstitielle Pneumonie
respiratorische Bronchiolitisrespiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenerkrankung (RB-ILD)
desquamative interstitielle Pneumoniedesquamative interstitielle Pneumonie
lymphozytäre interstitielle Pneumonielymphozytäre interstitielle Pneumonie

Der Evidenzgrad dieses Statements ist niedrig, weil große Kohortenstudien oder randomisierte, kontrollierte Therapiestudien an großen Fallzahlen fehlen, es basiert lediglich auf Expertenmeinung. Allerdings sind in naher Zukunft die Ergebnisse ausreichend großer randomisierter Therapiestudien zur idiopathischen Lungenfibrose zu erwarten (N-Acetylcystein als Antioxidans, Interfern-γ als antifibrotisches Zytokin, in der Planung auch Interleukin-10, TNF-Antagonisten und weitere interessante Moleküle).

Einige Probleme ergeben sich allerdings mit der neuen Klassifikation. Gibt es klinisch/radiologische oder histologische Befunde, die nicht in eine der 7 Entitäten eingeordnet werden können? Gibt es also immer noch eine Gruppe von „nicht klassifizierbaren” idiopathischen interstitiellen Pneumonien, oder sollten diese alle in die NSIP-Entität eingeschlossen werden, welche dann einen neuen Abfalleimer darstellen würde? In diesem Zusammenhang wurde vom Panel akzeptiert, dass es eine Minderheit von Fällen gibt, die weiterhin unklassifizierbar bleibt, selbst nach ausgiebiger klinischer, radiologischer und/oder pathologischer Prüfung. Die Bezeichnung „unklassifizierbare interstitielle Pneumonie” sollte für diese Fälle gewählt werden, und sie sollten nicht mit der fibrotischen NSIP zusammengeworfen werden.

Was sollte der Kliniker tun, wenn der Pathologe in den zwei bis drei unterschiedlichen Entnahmestellen einer chirurgischen Lungenbiopsie unterschiedliche Muster beschreibt, beispielsweise UIP, NSIP und BOOP in ein und derselben Lunge, jedoch in verschiedenen Lappen? Dieser Frage wurde in einer Arbeit von Flaherty et al. kürzlich nachgegangen [5]. Sie konnten zeigen, dass 35 % der Patienten mit einem histologischen UIP-Muster in einem Lappen eine NSIP in anderen Lappen aufwiesen, und dass die Prognose dieser Patienten mit UIP/IPF gleichzusetzen war, so dass UIP im Hinblick auf Prognose und Therapie die anderen Entitäten aussticht. Andererseits bedeutet dies auch, dass bei Biopsieentnahme aus nur einem Lappen eine 35 %ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass das NSIP-Muster zufallsmäßig gefunden wird, und sich die echte histologische Entität an anderen Stellen bzw. in anderen Lappen verbirgt. In Zweifelsfällen ist ein IPF-charakteristisches HRCT-Muster einer anders lautenden Histologie im Hinblick auf den zu erwartenden Verlauf überlegen, da selbst die chirurgische Lungenbiopsie nur wenige Prozent der gesamten Lunge sondieren kann, während das HRCT die Gelegenheit der morphologischen Detailanalyse der Gesamtlunge bietet.

Am Ende soll klargestellt werden, dass nun nicht die Messer gewetzt und alle Patienten unabdingbar und unabhängig von Alter, Begleitkrankheiten, Risiken, auf den Operationstisch gelegt und einer chirurgischen Lungenbiopsie unterzogen werden sollten. Auch wenn es klar ist, dass diese histologischen Entitäten nur durch chirurgische Biopsie und nicht durch transbronchiale Biopsie verlässlich diagnostiziert werden können, ist in gut zwei Drittel der Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose die klinische und HRCT-Diagnostik ausreichend für eine zuverlässige Diagnose auch ohne Biopsie, wenn die publizierten Haupt- und Nebenkriterien [2] erfüllt sind.

Im Konsensus Statement sind auch für jede Entität Unsicherheiten und offene Fragen gelistet, so dass genügend Anregungen für künftige Studien gegeben werden. Nach Publikation dieses Statements müssen die Textbücher der Pneumologie (und Pathologie) umgeschrieben werden. Künftige Therapiestudien werden die Einschlusskriterien für die Patientenkollektive an den vorgelegten Definitionen der 7 Entitäten ausrichten müssen.

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Literatur

  • 1 Hunninghake G W, Costabel U, Ando M. et al . ATS/ERS/WASOG Statement on Sarcodosis.  Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis. 1999;  16 149-173
  • 2 King T E, Costabel U, Cordier J F. et al . International Consensus Statement. Idiopathic pulmonary fibrosis: diagnosis and treatment. Am J.  Respir Crit Care Med. 2000;  161 646 - 664
  • 3 Travis W D, King T E, Bateman E D. et al . ATS/ERS international muldisciplinary consensus classification of idiopathic interstitial pneumonias. General principles and recommendations.  Am J Respir Crit Care Med. 2002;  165 277 - 304
  • 4 Costabel U. Die neue Klassifikation der idiopathischen interstitiellen Pneumonien.  Pneumologie. 2000;  54 447 - 453
  • 5 Flaherty K R, Travis W D, Colby T V. et al . Histopathologic variability in usual and nonspecific interstitial pneumonias.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  164 1722 - 1727

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Tüschener Weg 40

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Literatur

  • 1 Hunninghake G W, Costabel U, Ando M. et al . ATS/ERS/WASOG Statement on Sarcodosis.  Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis. 1999;  16 149-173
  • 2 King T E, Costabel U, Cordier J F. et al . International Consensus Statement. Idiopathic pulmonary fibrosis: diagnosis and treatment. Am J.  Respir Crit Care Med. 2000;  161 646 - 664
  • 3 Travis W D, King T E, Bateman E D. et al . ATS/ERS international muldisciplinary consensus classification of idiopathic interstitial pneumonias. General principles and recommendations.  Am J Respir Crit Care Med. 2002;  165 277 - 304
  • 4 Costabel U. Die neue Klassifikation der idiopathischen interstitiellen Pneumonien.  Pneumologie. 2000;  54 447 - 453
  • 5 Flaherty K R, Travis W D, Colby T V. et al . Histopathologic variability in usual and nonspecific interstitial pneumonias.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  164 1722 - 1727

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