Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(23): 1243-1244
DOI: 10.1055/s-2002-32353
Serie ... Prävention
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Mammakarzinom: Mammographie-Screening

Breast cancer, Mammography screeningK. W. Lauterbach, E. Plamper
  • 1Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln
Further Information
#

Korrespondenz

Dr. med. Evelyn Plamper, MPH 

Institut für Gesundheitsökonomie der Universität zu Köln

Lindenthalgürtel 22

50935 Köln

Phone: 0221/478-64 60

Fax: 0221/478-66 75

Email: Evelyn.Plamper@medizin.uni-koeln.de

Publication History

Publication Date:
07 June 2002 (online)

Table of Contents

Summary:Breast cancer is still the leading cause of cancer-related deaths among women in Germany. Screening with mammography is the strategy of choice. Since mortality rates are suitable to measure effectiveness only in the long run, high quality monitoring systems are needed to assess surrogate outcome measures. To enable women to make informed decisions will help to improve the quality of breast cancer care.

#

Brustkrebs - eine gesundheitspolitisch relevante Krankheit

Die in Deutschland bis 1996 stetig gestiegene Neuerkrankungsrate an Brustkrebs scheint sich zu stabilisieren (RKI, 2001) und wurde für 1998 auf 46295 Fälle geschätzt. Kaum geändert hat sich in Deutschland in den letzten Jahren die Mortalität. Brustkrebs ist bei Frauen weiterhin die häufigste Krebstodesursache. 1999 starben 17616 Frauen (ca. 38% der erkrankten Frauen) an Brustkrebs (Gesundheitsbericht für Deutschland 1999).

#

Mammographie in Deutschland

Ein Weg zur Verbesserung der Brustkrebssterblichkeit ist die Früherkennung durch Mammographien. Da es aber trotz der Durchführung von jährlich mehr als 4 Millionen Mammographien in Deutschland bisher zu keiner deutlichen Senkung der Brustkrebssterblichkeit gekommen ist, liegt es nahe, die Qualität der durchgeführten Mammographien zu verbessern. Der sicherste Weg dazu ist die Einführung eines qualitätsgesicherten Mammographie-Screeningprogramms.

Der medizinische Nutzen eines Screenings mit Mammographien selbst der höchsten Qualitätsstufe ist nicht unumstritten. Unumstritten ist jedoch, dass ein Screening unterhalb dieser Qualitätsnormen mehr schadet als es nutzt. Es bestehen daher Europäische Leitlinien zur Einführung nationaler Screening-Programme (European Commission 1996) höchster Qualität, die in Deutschland bisher nicht berücksichtigt worden sind.

Frauen müssen über den persönlichen Nutzen der Teilnahme am Screening realistisch und umfassend aufgeklärt werden. Der Screening-Nutzen für die einzelne Frau bei Anwendung der Europäischen Leitlinien kann ungefähr wie folgt zusammengefasst werden:

  • Eine von 250 Frauen, die 20 Jahre lang (10 Runden) am Screening teilnehmen, verdankt dem Screening ihr Leben.

Diesem aufgrund des niedrigen absoluten Erkrankungsrisikos relativ geringen Nutzen steht ein auf Populationsebene großer Nutzen für ca. 2000-4000 vor dem Brustkrebstod geretteten Frauen gegenüber, wenn eine hohe Teilnahmequote am Screening erreicht wird.

In Deutschland verursacht das derzeit etablierte graue Mammographie-Screening wahrscheinlich mehr Schaden als Nutzen:

  • weil bei mehr als 100 000 Frauen pro Jahr operative Biopsien durchgeführt werden, welche die mammographisch erhobene Verdachtsdiagnose nicht bestätigen, und die bei besserer Mammographiequalität z. T. vermeidbar gewesen wären (SVR KAG 2000/2001),

  • weil ein hoher Anteil Frauen unter 50 Jahren mammographiert wird, für welche die europäischen Leitlinien keine Früherkennungsmammographie empfehlen, denn die diagnostische Treffsicherheit ist aufgrund höherer Brustdichte zu gering (hohe Zahl falsch positiver Befunde), die Strahlenbelastung höher als bei älteren Frauen und die Brustkrebsprävalenz niedrig.

Europäische Leitlinien zum Mammographie-Screening: Eckpunkte

  • Screeningbeginn im Alter von 50 Jahren

  • Screeninghäufigkeit alle 2-3 Jahre

  • Teilnahmequote von mindestens 70% nach gezielter Einladung

  • Auswertung von mindestens 5000 Mammographien pro Jahr pro Zentrum

  • Doppelbefundung der Mammographien

  • Datenmanagement im Brustkrebsregister

  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Qualitätssicherung auf allen Prozessebenen

  • Informed consent der Frauen auf allen Versorgungsebenen

#

Kontroverse um die Wirksamkeit des Mammographie Screenings

Der Cochrane-Review internationaler randomisierter Studien der dänischen Forscher Olsen und GØtzsche (Cochrane Database Syst Rev 2001; (4)) hat darauf hingewiesen, dass der Nutzen eines Mammographie-Screenings bisher anhand nur eingeschränkt vergleichbarer Daten, welche Studien unterschiedlicher Qualität entstammten (besonders den schwedischen Studien wurden Randomisierungs- und andere technische Mängel unterstellt), hergeleitet würde.

Die neueste Update-Analyse gerade der schwedischen randomisierten Studien durch Nystrom et al. (Lancet 2002; 359(9310): 909-19) weist dagegen eine Reduktion der Brustkrebs-Mortalitätsrate um 21% nach bei einer Verringerungstendenz der Gesamt-Mortalitätsrate in den Screening-Regionen um 2-3%.

Weitere Bewertungen der Studiensituation z.B. durch die WHO und die IARC -International Agency for Research on Cancer (www.medpoint.ch vom 27.3.2002) nähren die Ansicht, dass die Aussagekraft dieser Studien wahrscheinlich nie endgültig geklärt werden kann. Es wird schwierig bleiben, die Wirkungen von Screening, Therapiefortschritten und Änderungen von Risikofaktoren auseinander zu halten. Nach Expertenansicht ist in den nächsten Jahren keine wesentliche Mortalitätssenkung durch Therapieverbesserungen aufgrund neuer Behandlungsverfahren zu erwarten (Manual I zur S3-Leitlinien-Konferenz 2002:3) und in naher Zukunft auch keine Zunahme der prognostischen Aussagekraft genetischer Tumormarker.

Die Senkung der Brustkrebssterblichkeit wird sich daher in den eingeführten Screeningprogrammen nach europäischen Leitlinien erweisen müssen. Ergebnisse aus den Niederlanden und Großbritannien, die ein bevölkerungsweites Screening eingeführt haben, nähren die Hoffnung, durch frühzeitige Tumordiagnostik eine Zunahme minimalinvasiver und auch brusterhaltender Therapien und eine Mortalitätssenkung zu erreichen, die zu unterschiedlichen Anteilen sowohl durch therapeutische Verbesserungen als auch das Screening selbst bedingt ist.

Aus ethischen Gründen ist beim heutigen Wissensstand die Bildung randomisierter Kontrollgruppen zur erneuten Untersuchung des Nutzens von Screeningprogrammen unmöglich und eine freiwillige Teilnahme von Frauen an solchen Studien wäre aufgrund der hohen Akzeptanz der Mammographie bei Frauen inzwischen auch unwahrscheinlich.

Definitionen

Mammographie-Screening:

nicht gefilterte (frei zugängliche) Untersuchung altersdefinierter Kohorten

Diagnostische Mammographie:

Leitlinien-gerechter Einsatz der Methode bei der diagnostischen Abklärung eines Verdachtes

¿Graues Mammographie-Screening¿:

Ausweitung der abrechenbaren diagnostischen Mammographie auf beschwerdefreie und symptomlose Frauen

#

Ausblick

Trotz unsicherer Nachweise einer Senkung der Gesamtsterblichkeit können Frauen sich rational für die Teilnahme an einem Mammographie-Screening mit hoher Qualität entscheiden. Die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu sterben, wird gesenkt. Die Wahrscheinlichkeit, an einer sehr stark fortgeschrittenen Form von Brustkrebs zu erkranken, sinkt ebenfalls. Falls ein Brustkrebs im Screening entdeckt wird, ist es wahrscheinlicher, dass die Brust nicht amputiert werden muss. Und schließlich sinkt im Vergleich zur nicht qualitätsgesicherten Mammographie die Wahrscheinlichkeit, bei einem positiven Befund der Mammographie überflüssigerweise einer operativen Biopsie zugeführt zu werden.

Hingegen spricht die Teilnahme am grauen Screening gegen jede Vernunft. Sie ist ohne medizinisch belegten Nutzen, birgt gesundheitliche Risiken und verschwendet Ressourcen. Andere Maßnahmen zur Früherkennung wie z.B. die Tastuntersuchung haben keinen Früherkennungswert und sollten auch nicht innerhalb eines Mammographie-Screenings nach Europäischen Leitlinien angeboten werden, da kein zusätzlicher Nutzen wissenschaftlich belegt ist.

Die vorliegende Analyse unterstützt daher die Einführung eines Screenings nach Europäischen Leitlinien, wenn es damit gleichzeitig gelingt, das graue Mammographie-Screening zu beenden.

Fachliche Betreuung der Serie:

Prof. Dr. Dr. h. c. Peter C. Scriba, München

Prof. Dr. Friedrich W. Schwartz, Hannover

#

Korrespondenz

Dr. med. Evelyn Plamper, MPH 

Institut für Gesundheitsökonomie der Universität zu Köln

Lindenthalgürtel 22

50935 Köln

Phone: 0221/478-64 60

Fax: 0221/478-66 75

Email: Evelyn.Plamper@medizin.uni-koeln.de

#

Korrespondenz

Dr. med. Evelyn Plamper, MPH 

Institut für Gesundheitsökonomie der Universität zu Köln

Lindenthalgürtel 22

50935 Köln

Phone: 0221/478-64 60

Fax: 0221/478-66 75

Email: Evelyn.Plamper@medizin.uni-koeln.de