Aktuelle Dermatologie 2002; 28(5): 173-175
DOI: 10.1055/s-2002-33479
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Dermatologie in Indien

Kongressbericht von der 30. National Conference of Indian Association of Dermatologists, Venereologists & LeprologistsDermatology in IndiaReport from the 30. National Conference of Indian Association of Dermatologists, Venereologists & LeprologistsU.  Wollina 1 , S.  Verma 2
  • 1Hautklinik am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt
  • 2Hautarztpraxis, Vadodara/Indien
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Prof. Dr. U. Wollina

Hautklinik am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt

Friedrichstraße 41 · 01067 Dresden

Email: Wollina-Uw@khdf.de

Publication History

Publication Date:
22 August 2002 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die 30. Nationale Konferenz der Indischen Dermatologen, Venereologen und Leprologen fand in Cochin statt. Die Schwerpunktthemen HIV/AIDS, Lepra, STD und Onkologie werden dargestellt. Die indische Dermatologie steht klinisch auf hohem Niveau.

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Abstract

The 30. National Conference of Indian Dermatologists, Venereologists and Leprologists was held in Cochin. The major topics HIV/AIDS, lepra, STD, and oncology are discussed. The indian dermatology has reached a remarkable clinical level.

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Einleitung

In der alten Hafenstadt Cochin im südindischen Staat Kerala fand die 30. Nationale Konferenz der IADLV unter Beteiligung von mehr als 3000 Teilnehmern statt. Sie bot einen ausgezeichneten Überblick über aktuelle Aspekte und Entwicklungen der Dermatologie auf dem indischen Subkontinent.

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HIV und AIDS

Indien hat eine Population von 1 Mrd. Menschen und die zweitgrößte Zahl von HIV-Infizierten in der Welt. Geschätzt werden ca. 10 Mio. HIV-Infizierte mit einem Inzidenz-Peak in der Altersgruppe der 25 - 35-Jährigen. Hauptinfektionswege sind sexuelle Kontakte (88,5 %) und Transfusionen (5,5 %). Unter den HIV-Serotypen dominiert HIV-1 (86 %) vor HIV-1/HIV-2-Mischinfektionen (10 %). Die klinische Symptomatik wird durch Fieber unklarer Ursache (95 %), Gewichtsverlust (89 %), Dermatosen (72 %), Anämie (68 %), HSV-Infektionen (65 %), Husten (62 %), ZNS-Symptome (55 %) und orale Candidosen (54 %) bestimmt. Ein Herpes zoster wird noch bei 38 % der Patienten beobachtet, Ulcera cruris sind mit 0,5 % selten. An der Spitze der opportunistischen Infektionen stehen Tuberkulose (92 %), Candidosen (70 %), Herpes simplex (49 %), Varizella-Zoster (42 %), orale Haarzell-Leukoplakie (31 %), Dermatophytosen (15 %) und Pyodermien (13 %) (J. K. Manibar). In einer Studie bei 121 Patienten in Trivandrum waren 77 % der HIV-Infizierten verheiratet. Zwei Drittel sind Männer (S. P. Nair et al.). Wichtigster Übertragungsweg ist der heterosexuelle Kontakt mit Prostituierten.

Das HIV-assoziierte Kaposi-Sarkom ist Dank der neuen antiretroviralen Therapeutika (HAART-Regime) deutlich seltener geworden. Für seine Pathogenese sind 3 tumorigene Faktoren verantwortlich: a) die HIV-Infektion, häufiger auch mit Virämie, b) die Immundefizienz und c) die Herpesvirus-8-Infektion. In den Entwicklungsländern ist die antiretrovirale Therapie jedoch ein finanzielles Problem, so dass mit einer raschen Eradikation des Kaposi-Sarkoms nicht zu rechnen ist (C. E. Orfanos).

Die Verwirklichung präventiver Strategien ist nicht einfach. Überbevölkerung, Bildungsstand und Infrastruktur lassen eine rasche Lösung des HIV/AIDS-Problems nicht erwarten. Die Behandlung stellt auch ein finanzielles Problem dar. Weniger als 3 % der HIV-Infizierten erhalten eine retrovirale Therapie. Andererseits ist die Altersgruppe der 25 - 35-Jährigen für die sozio-ökonomische Entwicklung des Landes von besonderer Bedeutung. Da in Indien LKW-Fahrer als wichtige Gruppe der Übertragung von HIV und anderen STD gelten, sind Aufklärungsmaßnahmen hier besonders dringlich.

Weniger als 40 % wussten über den Gebrauch von Kondomen Bescheid und gerade 13 % gaben an, Kondome regelmäßig zu verwenden (J. V. Manjunath et al.). Männer, die regelmäßig Prostituierte aufsuchten, weisen in 73 % STD auf. Nur etwa 10 % dieser Männer verwendeten Kondome (S. Chaitanya). Sie stellen somit eine Risikogruppe für die Übertragung von STD einschließlich HIV dar. Eine Umfrage unter 200 Medizinstudenten im Alter von 18-23 Jahren ergab einen Kondomgebrauch in 10 % der sexuell Erfahrenen. Die meisten vertraten die Auffassung, dass AIDS lediglich ein Problem der „Risikogruppen” darstelle. Nur 17 % waren der Auffassung, dass AIDS auch sie selbst betreffen könnte und unter 30 % gaben an, dass die AIDS-Aufklärung - soweit verfügbar - ihr Sexualverhalten beeinflusst habe (K. J. P. S. Puri & B. Gulati). Die Untersuchung zeigt, dass selbst in medizinisch vorgebildeten Kreisen AIDS-Aufklärung dringend erforderlich ist.

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Lepra

In Indien ist die Lepra häufig. Nach Schätzungen der WHO sind 60 - 70 % der weltweit auftretenden Leprafälle in Indien beheimatet (S. K. Nordeen). In der Vergangenheit hat die WHO in diversen Programmen Strategien zur Diagnostik, Therapie und Prävention der Lepra entwickelt. Sie scheinen trotz guter Erfolge in anderen Teilen der Welt für Indien eine begrenzte Übertragbarkeit zu besitzen. Noch immer sind hohe Inzidenzraten zu beobachten, auch in den Regionen, in denen Eradikationsprogramme durchgeführt wurden.

Für die paucibazilläre Lepra wird eine 6-monatige Therapie mit Dapson 100 mg/d empfohlen. Mit dieser Monotherapie entwickeln bis zu 21 % der Patienten Spätreaktionen. Durch Verlängerung der Therapie über mehr als 6 Monate und Zugabe von Clofazimin für 6 Monate kann die Rezidivrate innerhalb von 5 Jahren auf nahe Null reduziert werden.

Bei Einzelläsionen hatte die WHO eine Einzeldosis ROM (Rifampizin, Ofloxazin, Minozyklin) empfohlen. Nach 18 Monaten Follow-up sind jedoch mehr als 50 % der Patienten nicht als geheilt anzusehen. Deshalb empfiehlt sich zumindest für Indien die Dapson/Clofazimin-Kombination. Bei multibazillärer Lepra wird eine Dreierkombination für mindestens 2 Jahre mit Rifampizin, Dapson und Clofazimin empfohlen. Obwohl viele Patienten ausheilen, benötigen jene mit sehr hohen Bakterienzahlen bis zu 6 Jahre Therapie (V. M. Katoch; K. Katoch). Unter den neueren Medikamenten sind die Chinolone, Ansamyzine, Makrolide, Minozyklin und Dapsonanaloga zu nennen. Zusätzlich laufen Studien zur kombinierten Antibiose plus Immuntherapie. Interleukin-2 und Gamma-Interferon scheinen erfolgversprechend zu sein.

Die sensorische Polyneuropathie geht bei allen Lepraformen der Paralyse voran. Deshalb ist ihre frühzeitige Diagnose von erheblicher praktischer Relevanz. Eine rein neuritische Form der Lepra ist in 5 % der Fälle zu beobachten. Sie tritt dann meist als Mononeuritis oder Mononeuritis multiplex auf. Der Ulnarnerv ist am häufigsten betroffen (M. Madhusudanan).

Bei Kindern und Jugendlichen mit einer Lepra ist an Infektionen durch Familienmitglieder zu denken. In einer Studie aus Orissa fanden sich bei ⅔ aller infizierten Kinder weitere Personen innerhalb des Haushaltes (Eltern und Geschwister zumeist), die an einer Lepra erkrankt waren (S. Mishra et al.).

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STD

Ein häufiges Alltagsproblem stellen Patienten mit einer persistenten VDRL-Reaktivität dar. Eine latente Syphilis ist zu vermuten, wenn sich zusätzlich ein reaktiver TPHA/FTA-ABS-Test, jedoch keine klinisch manifeste Syphilis in der Anamnese findet. Bei positiver Syphilis-Anamnese ist ein vierfacher Titeranstieg des VDRL indikativ für eine latente Infektion.

Bei Schwangeren wird die Gabe von 2,4 Mega Benzathinpenizillin empfohlen. Problematisch ist die Diagnose bei HIV-Infizierten. Hier können sowohl abnorm hohe Titer als auch falsch negative Reaktionen auftreten. Eine klinisch inapperente ZNS-Manifestation ist möglich. Hierbei ist die Liquoranalyse erforderlich. Nach Behandlung sollten VDRL-Titerkontrollen nach 3, 6 und 12 Monaten erfolgen. Es wird eine Abnahme der Reaktivität um mind. 4 Titerstufen erwartet (L. V. Nair). STD stellen die häufigste Schwangerschaftskomplikation dar. In der Behandlung sind Risiken und Erfolgsaussichten besonders kritisch zu bedenken. In der Therapie der Frühsyphilis stellt Penizillin das Medikament der ersten Wahl dar. In einer Studie bei 33 Graviden entwickelten alle Patientinnen mit einer primären Infektion, 60 % mit einer sekundären Syphilis, jedoch keine mit Lues latens eine Herxheimer-Reaktion. Die Syphilisserologie spricht bei Schwangeren langsamer an, was für die Nachbeobachtung wichtig ist.

Bei der Donovaniose besteht ein Übertragungsrisiko auf das Neugeborene. Eine prophylaktische Erythromycinbehandlung ist möglich. Die Donovaniose der Mutter wird post partum mit Cotrimoxazol, Doxyzyklin oder Gentamyzin behandelt. Diese Medikamente sind während der Gravidität kontraindiziert.

Schwangere mit einem Chancroid sollten mit einer täglichen Dosis von 1 g Erythromoyzin über 7 Tage oder einer Einmaldosis von Ceftriazon 250 mg i. m. behandelt werden. Nachteilige Folgen für den Fetus sind durch diese Infektion nicht beobachtet worden.

Die Prävalenz einer Gonorrhö bei Schwangeren liegt bei 0,5 - 7 %. In 40 % der Fälle liegt gleichzeitig eine Chlamydieninfektion vor. Ceftriaxon 250 mg i. m. oder Cefotaxim 500 mg i. m. als Einzeldosis werden empfohlen (A. C. Inamadar).

Bei HIV-Infizierten entwickelt sich eine Syphilisinfektion innerhalb der ersten zwei Jahre häufiger direkt zur Neurosyphilis. Auch die okuläre Syphilis sowie die syphilitische Aortitis sind vermehrt zu beobachten (D. M. Thappa).

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Dermato-Onkologie

Kutane T-Zell-Lymphome (CTCL) sind die häufigsten kutanen Lymphome. Ihre Behandlung hat stadienabhängig zu erfolgen, um eine Überbehandlung zu vermeiden. In den Stadien I und IIa sind Kombinationen lokaler Steroide mit UVB oder PUVA sehr erfolgreich. Die extrakorporale Photopherese erzielt besonders bei den erythrodermatischen CTCL und beim Sezary-Syndrom Ansprechraten von 50 bis zu 88 %. Neuere Entwicklungen stellen die Kombination der Photopherese mit Interferon-α (Stadium II) und der Einsatz liposomal verkapselter Anthrazykline (Stadium II - IV) dar. Hierbei können teilweise erstaunlich lange rezidivfreie Intervalle bei Komplettremission erzielt werden (U. Wollina). P. Kanthilath et al. stellten den ungewöhnlichen Fall eines Non-Hodgkin-Lymphoms vor, das sich bei einem 26-jährigen Mann in Form multipler subkutaner Knoten entwickelte, die an Lipome denken ließen. Über ungewöhnliche Dermatitis-Fälle mit positiver HTLV-1-Serologie wurde aus Zentral-Kerala berichtet (K. Ajithkumar et al.). Ob es sich dabei um indische Fälle des HTLV-1-Lymphoms handelt, konnte bisher nicht abgeklärt werden.

Melanome sind in Indien ausgesprochen selten, so dass deren Auftreten immer eine Kasuistik wert ist. J. P. Swain berichtete über das Auftreten eines okulären Melanoms mit Lebermetastasen bei einem 17-jährigen Jungen mit Xeroderma pigmentosum. Hingegen sind die epithelialen Hauttumoren etwas häufiger anzutreffen. Basalzellkarzinome weisen eine deutliche Prädominanz des weiblichen Geschlechts auf (5 : 3). Das Auftreten bei Kindern ist meist mit einem Xeroderma pigmentosum vergesellschaftet. Etwa 12 % der Patienten mit einem Basalzellkarzinom sind jünger als 40 Jahre (K. G. Mamatha et al.). Lupuskarzinome werden aufgrund der extremen UV-Exposition sowohl bei Patienten mit Lupus vulgaris (A. A. Parikh et al.) als auch bei denen mit einem chronisch-diskoiden Lupus erythematodes beobachtet (R. R. Gupta et al.).

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Sonstige Themen

Einen breiten Raum nahm die Behandlung der Pigmentstörungen (Melasma, Vitiligo) ein. Weitere wichtige Themenkreise umfassten Psoriasis und atopisches Ekzem, Autoimmundermatosen, Phakomatosen, Allergologie, Alopezie, Mykosen und die Dermatotherapie einschließlich Laser und Dermatokosmetik.

Die 30. Nationale Konferenz der Indischen Gesellschaft für Dermatologie, Venereologie und Leprologie zeigte einen hohen Standard der klinischen Dermatologie und Venerologie. Im Vergleich zu Deutschland sind einige Besonderheiten offensichtlich. Eine grundlagenorientierte Forschung fehlt. Klinische Studien sind in der Regel unkontrolliert monozentrisch angelegt. Phlebologie, Andrologie und Dermatochirurgie spielen entweder keine oder nur eine sehr geringe Rolle. Dennoch können wir von unseren indischen Kollegen und Kolleginnen lernen, denn sie verfügen über einen sehr reichen klinischen Erfahrungsschatz. Ihre Gastfreundschaft ist überwältigend (Abb. [1]).

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Abb. 1 Kongresszentrum in Cochin, Kerala.

Prof. Dr. U. Wollina

Hautklinik am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt

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Email: Wollina-Uw@khdf.de

Prof. Dr. U. Wollina

Hautklinik am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt

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Abb. 1 Kongresszentrum in Cochin, Kerala.