Aktuelle Dermatologie 2002; 28(5): 165-169
DOI: 10.1055/s-2002-33480
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Behandlung der Schuppenflechte mit Interferenzstrom Elektromagnetische Therapie auf neuen Wegen

Treatment of Psoriasis with Interferential Current - New Perspectives of Electromagnetic TherapyH.  Dertinger1 , K.-F.  Weibezahn1
  • 1Forschungszentrum Karlsruhe, Institut für Medizintechnik und Biophysik (Direktor: Prof. Dr. rer. nat. H. Dertinger)
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Prof. Dr. H. Dertinger

Forschungszentrum Karlsruhe · Institut für Medizintechnik und Biophysik

Postfach 3640 · 76021 Karlsruhe

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Publication Date:
22 August 2002 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Wir berichten zunächst über die klinisch erfolgreiche Therapie der Psoriasis mit Interferenzstrom, einer Stromform, die traditionell in der Physiotherapie Anwendung findet. Zielmolekül der Behandlung ist das zyklische AMP. Auf der Grundlage von Ergebnissen mit Zellen, die in vitro behandelt wurden, wird gezeigt, dass die Menge dieses zellulären Botenstoffes bei bestimmten Modulationsfrequenzen des Interferenzstroms hoch reguliert werden kann. Interessante Perspektiven für eine Ausdehnung elektromagnetischer Therapien auf andere Krankheitsbilder ergeben sich aus neueren Publikationen. Wir geben einen kurzen Überblick über Ergebnisse von Untersuchungen in vitro und an Tiermodellen, die zeigen, dass insbesondere magnetische Wechsel- oder Pulsfelder Prozesse wie Angiogenese, Chaperon-Induktion oder neuronale Differenzierung stimulieren können.

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Abstract

We report on the clinically successful therapy of psoriasis with Interferential Current, a wave form traditionally applied in physiotherapy. The therapeutic strategy focusses on cyclic AMP as target molecule. Based on results with cells exposed in vitro it is shown that the amount of this cellular messenger can be upregulated at specific modulation frequencies of Interferential Current. Interesting perspectives for extending electromagnetic therapy to other diseases emerge from recent publications. We provide a short review of results from investigations in vitro and on animal models which show that, in particular alternating or pulsed magnetic fields, may stimulate processes like angiogenesis, chaperon induction and neuronal differentiation.

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Einleitung

Weltweite Untersuchungen der letzten Jahre belegen, dass elektromagnetische Felder in wichtige zellbiologische Vorgänge eingreifen können wie Differenzierung, Immunmodulation und andere zentrale Prozesse. Dieser Beitrag will am Beispiel der Behandlung der Schuppenflechte mit Interferenzstrom zunächst aufzeigen, wie sich aus diesen Kenntnissen bereits ein neuer therapeutischer Ansatz ableiten ließ, und am Ende einen Ausblick geben auf weitere viel versprechende elektromagnetische Therapiemöglichkeiten, deren Grundlagen derzeit erarbeitet werden.

Im Vordergrund des Interesses stehen dabei schwache, niederfrequente, elektromagnetische Felder (Frequenzobergrenze bei 10 kHz). Sie bewirken im Gegensatz zu Hochfrequenzfeldern keine Erwärmung des Gewebes, sondern entfalten sog. athermische Wirkungen, welche die Grundlage der hier besprochenen Therapieansätze bilden. Speziell können elektrische Niederfrequenzfelder, zu denen auch der Interferenzstrom zählt, praktisch nicht in die Zelle eindringen. Stattdessen kommt es zur Wechselwirkung mit Oberflächenstrukturen der Zellmembran (Rezeptoren) mit nachfolgender Änderung der Konzentration intrazellulärer Botenstoffe, was im weiteren Verlauf der Signalkette zur Aktivierung von Proteinkinasen und schließlich zu einer Zellantwort führt [10].

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Warum Interferenzstrom (IFS)?

Der IFS ist eine in der Physiotherapie weit verbreitete Stromform. Er stellt den einfachsten Typus eines amplitudenmodulierten Stromes dar, nämlich eine Schwebung. Sie kommt durch Überlagerung zweier frequenzmäßig nahe beieinander liegender Wechselströme zustande, die sich durch Interferenz periodisch verstärken bzw. auslöschen (Abb. [1]). Die Modulationsfrequenz des IFS ist dabei gegeben durch den Frequenzunterschied der Ströme. Um eine gute Hautdurchdringung ohne Reizung zu erreichen, einen der besonderen Vorzüge des IFS, liegen die beiden Frequenzen im kHz-Bereich (meist bei 4 kHz). Damit eignet sich der IFS in besonderem Maße auch für die Behandlung der Haut.

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Abb. 1 Interferenzstrom als Schwebung durch additive Überlagerung zweier frequenzmäßig leicht unterschiedlicher Wechselströme. Die Modulationsfrequenz (Anzahl der Strombäuche pro Sekunde) ist durch deren Frequenzunterschied gegeben. Um eine gute Hautpermeation zu erzielen, liegen die Frequenzen der überlagerten Ströme meist bei 4000 Hz.

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Interferenzstrom wirkt gegen Psoriasis

Dies war die klare Aussage einer klinischen Studie zum Handbefall, die an der Hautklinik Mannheim der Fakultät für Klinische Medizin der Universität Heidelberg, unter Leitung von Professor E. G. Jung, durchgeführt und im Jahre 2000 veröffentlicht wurde [13]. Der Behandlungserfolg bei dieser als therapieresistent geltenden Form der Psoriasis war so deutlich, dass ein hoch signifikantes Ergebnis (90 % Ansprechrate im Sinne einer vollständigen Abheilung oder deutlichen Besserung) bereits mit 12 Patienten erreicht wurde (Abb. [2]). Sie führten die Behandlungen mit einem kommerziell erhältlichen IFS-Gerät zu Hause durch (2 × täglich für je 6 min über 3 Monate) und hatten zuvor auf andere Therapien nicht angesprochen. Die Behandlung ist außerdem frei von Nebenwirkungen und Unannehmlichkeiten. Man verspürt lediglich ein leichtes Kribbeln der behandelten Hautpartien.

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Abb. 2 Beispiel für die anti-psoriatische Wirkung des Interferenzstromes. Hände vor und nach einer dreimonatigen Behandlung [13].

Der IFS eignet sich vor allem für resistente Fälle, bei denen die Stromapplikation über Elektroden leicht möglich ist. Besonders einfach lassen sich Hände, Füße und Ellbogen behandeln. Sie tauchen jeweils in Plastikwännchen mit Leitungswasser ein. Bei zu großflächigem oder der Elektrodenfixierung schwer zugänglichem Befall stößt die IFS-Behandlung an anwendungstechnische Grenzen. Obwohl ihre hohe Wirksamkeit außer Frage steht, nicht zuletzt auch durch zwischenzeitlich erzielte neuere Ergebnisse, könnte eine zusätzliche multizentrische Studie mit kontrolliertem und verblindetem Design den Weg zur Erstattung der Behandlungskosten durch die Kassen ebnen.

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Psoriasis und cAMP (zyklisches Adenosin Monophosphat)

Dieser zelluläre Botenstoff, auf den sich die weiter unten dargestellten Untersuchungen beziehen, spielt bei einer Reihe von Zelldifferenzierungs-Prozessen eine Schlüsselrolle und ist auch für die Psoriasis von zentraler Bedeutung. So ist in psoriatischen Hautzellen das cAMP wie auch das Verhältnis von cAMP zu cGMP (zyklisches Guanosin Monophosphat) gegenüber normaler Haut erniedrigt [17] [21], häufig ein Startsignal für die Zellproliferation. Demnach könnte eine therapeutische Strategie darin bestehen, das cAMP zu erhöhen. Tatsächlich haben sich Behandlungen mit dem membrangängigen cAMP-Analog dibutyryl-cAMP als anti-psoriatisch wirksam herausgestellt [21]. Auch über den Beta-Agonisten Isoprenalinsulfat lässt sich das cAMP erhöhen, was die beobachtete anti-psoriatische Wirkung einer Salbenbehandlung mit diesem Wirkstoff erklären dürfte [4]. Die Schlüsselrolle des cAMP bei der Psoriasis offenbart sich auch darin, dass Medikamente auf der Basis von Beta-Blockern, die eine cAMP-Absenkung bewirken, Krankheitsschübe auslösen können.

Des Weiteren greift cAMP auch in immunologische Prozesse ein. So stimulieren cAMP-erhöhende Wirkstoffe die Bildung des anti-entzündlichen Zytokins IL-10 [5] [15], dessen anti-psoriatische Wirkung inzwischen auch direkt nachgewiesen wurde [2]. Von einer Strategie der cAMP-Erhöhung wäre damit nicht nur eine Normalisierung der Hyperproliferation im Sinne einer Redifferenzierung der psoriatischen Keratinozyten zu erwarten, sondern auch eine Dämpfung des Psoriasis-spezifischen Entzündungsgeschehens. Allerdings besitzen sowohl das cAMP als auch Wirkstoffe, welche seine Bildung stimulieren, unerwünschte Nebenwirkungen (z. B. Pulsbeschleunigung). Da die Elektrobehandlung den Körper nicht durch eingebrachte Stoffe belastet und außerdem lokal angewendet wird, hat sie solche Nachteile nicht. Im Folgenden wird nun gezeigt, dass der IFS unter bestimmten Bedingungen das zelluläre cAMP signifikant erhöhen kann.

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Grundlage der Psoriasis-Therapie: Interferenzstrom kann das zelluläre cAMP erhöhen

Hier wird auf Untersuchungen an Zellkulturen in vitro Bezug genommen, die in geeigneten Expositionssystemen mit Innenelektroden unter physiologisch streng kontrollierten Bedingungen dem IFS ausgesetzt wurden [10] [19]. Die Anordnungen erlauben die genaue Bestimmung der Stromdichte (Stromstärke/Elektrodenfläche) im Nährmedium bzw. der ihr proportionalen elektrischen Feldstärke. Die bei unseren Untersuchungen verwendeten Stromdichten verursachten dabei weder eine Zellschädigung noch eine messbare Erwärmung und lagen sogar meist unterhalb der sensorischen Schwelle. Bei den nachfolgend kurz dargestellten Experimenten wurde der Einfluss von Modulationsfrequenz und Stromdichte des IFS auf das cAMP an verschiedenen Zelltypen untersucht, u. a. an Fibroblasten (SV40-3T3 Zellen) und Granulozyten (HL-60g Zellen).

In Abhängigkeit von der Modulationsfrequenz, die in einem engen Raster zwischen 0 und 150 Hz variiert wurde, ergaben sich nur bei 0, 10, 50 und 100 Hz statistisch signifikante Änderungen relativ zu den scheinexponierten Kontrollen, nämlich Absenkungen bei den „Frequenzfenstern” 0 und 50 Hz bzw. Erhöhungen bei 10 und 100 Hz (Abb. [3]). Alle anderen Frequenzen, wie z. B. 20 Hz, sind ohne signifikante Wirkung. Die Lage der Frequenzfenster scheint nach unseren bisherigen Untersuchungen unabhängig vom Zelltyp zu sein (Abb. [3]), sofern keine Mutationen auf Rezeptor- oder Signalwegebene vorliegen. Zur Psoriasis-Behandlung werden nur die cAMP-erhöhenden Modulationen von 10 und 100 Hz eingesetzt. Des Weiteren konnten wir zeigen, dass die cAMP-Änderung schon nach etwa 5 min ihr Maximum erreicht und sich danach, oder auch bei längerer Exposition, wieder normalisiert [10].

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Abb. 3 Intrazelluläre cAMP-Konzentration in 2 verschiedenen Zelltypen relativ zu scheinexponierten Kontrollen (100 %) nach 5-minütiger IFS-Behandlung bei unterschiedlicher Modulation. Die Messwerte sind den Publikationen [10] und [19] entnommen. Die Signifikanzprüfung erfolgte mit dem t-Test für gepaarte Stichproben.

Die Abhängigkeit der cAMP-Antwort von der Stromdichte ist in Abb. [4] für die Modulation 0 Hz (reine 4000 Hz-Frequenz) dargestellt. Im Bereich sehr kleiner Stromdichten (0,75 und 2,5 µA/cm²) werden zunächst nur geringe und statistisch nicht signifikante cAMP-Abnahmen beobachtet. Bei ca. 7 µA/cm² stellt sich sprunghaft der Maximaleffekt ein, d. h. eine statistisch signifikante Abnahme des cAMP auf 71 % der Kontrollen. Eine weitere Erhöhung der Stromdichte bis auf das Maximalniveau (7,5 mA/cm²) steigert den Effekt nicht; eher tendiert die cAMP-Menge wieder zum Kontrollwert hin. Ein ähnliches Verhalten zeigt sich auch bei verschiedenen Modulationsfrequenzen des IFS [19].

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Abb. 4 Intrazelluläre cAMP-Konzentration in Mausfibroblasten relativ zu scheinexponierten Kontrollen (100 %) nach 5-minütiger Behandlung mit unmoduliertem 4000-Hz-Strom unterschiedlicher Stromdichte [10]. Die Signifikanzprüfung erfolgte mit dem t-Test für gepaarte Stichproben.

Aus Abb. [4] muss gefolgert werden, dass die Feld-Zelle-Wechselwirkung nicht von der elektrischen Energie des Feldes (Dosis) abhängt. Träfe dies zu, so müsste die Auftragung des cAMP-Effektes über dem Logarithmus der Stromdichte einen monoton zunehmenden oder abnehmenden Verlauf ergeben, was keineswegs der Fall ist. Abb. [4] weist vielmehr auf eine nicht-energetische, d. h. entropische Wechselwirkung des Feldes mit der Zelle hin. Dies bedeutet, dass Ausmaß und Richtung des biologischen Effektes nicht durch die Signalstärke fest gelegt wird, sobald diese einen Mindestbetrag überschritten hat, sondern durch den Informationsgehalt des Signals, d. h. durch seine Frequenz und/oder sein Amplitudenmuster (Modulation).

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Folgerungen für die Anwendung

Nach diesen Ergebnissen ist die Therapie der Psoriasis im Sinne einer „Informationstherapie” aufzufassen. Der IFS vermittelt über die Modulationsfrequenz spezifische Signale an die zellulären Zielstrukturen (Rezeptoren), wodurch therapeutisch wirksame zelluläre Signalwege aktiviert werden. Bei den Frequenzen 10 und 100 Hz trifft dies für den cAMP-Signalweg zu. Da der Informationsgehalt eines Signals nicht mit seiner Stärke zunimmt, ist die Dosierung des IFS unkritisch. Der Therapieeffekt würde, wie gezeigt, durch eine Strategie des „viel hilft viel” sogar verringert. An ihre Stelle tritt deshalb das Konzept kurzzeitiger Behandlungen (ca. 5 min) bei kleiner Stromdichte (≈ 50 µA/cm²), die nach Abklingen der durch das transiente cAMP-Signal vermittelten biologischen Prozesse genügend oft wiederholt werden. Dass erst wiederholte IFS-Expositionen Differenzierungsprozesse induzieren, konnten wir an einem murinen Stammzellmodell zeigen [7]. In der Praxis wird die Therapie regelmäßig morgens und abends unter Wechsel zwischen den Frequenzen 10 und 100 Hz durchgeführt. Die Dauer einer Behandlungsserie bis zur Abheilung oder deutlichen Besserung des Befalls beträgt erfahrungsgemäß ca. 3 Monate.

Zweifellos bestehen noch gewisse Kenntnislücken bei einigen Details der IFS-Wirkung, die das Karlsruher Labor noch schließen möchte. So z. B. ist noch unklar, welche der Rezeptoren, die auf das cAMP wirken, vom IFS „angesprochen” werden. Auch wurde bisher nicht untersucht, welchen Einfluss die „Mittenfrequenz” des IFS hat, die bei unseren Untersuchungen durchweg 4000 Hz betrug. Wünschenswert wären außerdem Forschungen zur oben angesprochenen Entzündungsdämpfung des IFS (Induktion von IL-10). Auch wenn hieraus kaum praktischer Nutzen im Sinne einer Verbesserung des therapeutischen Resultates erwachsen dürfte, tragen diese Untersuchungen zur Vervollständigung des Wirkungsbilds des IFS bei.

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Ausblick: Magnetische Puls- und Wechselfelder als viel versprechende Therapiemodalität

Im Prinzip können über die transdermale Stromapplikation alle Gewebe und Organe im Körper erreicht werden. Dies gilt jedoch nicht mehr, wenn durch Knochen abgeschirmte Bereiche behandelt werden sollen wie das Gehirn oder Gelenke. Hier bieten sich magnetische Wechselfelder als Alternative an, die beim Durchgang durch Knochen keine Abschwächung erfahren und deshalb im Zielgewebe nach dem Faraday'schen Gesetz eine elektrische Stromdichte induzieren können. Darüber hinaus sind sie auch bei der Behandlung der Herzregion einer direkten Stromapplikation vorzuziehen. Die Flussdichten niederfrequenter Magnetfelder, die eine der direkten Stromapplikation vergleichbare Wirkung zeigen, liegen in der Größenordnung von etwa 1 bis 10 mTesla. Nach neueren Publikationen entfalten solche Magnetfelder Wirkungen auf folgende Prozesse:

  • Induktion von Hitzeschock-Proteinen und Schutzmechanismen,

  • neuronale Differenzierung und Protektion,

  • Angiogenese.

Hitzeschock-Proteine, d. h. durch Überwärmung induzierbare Stressproteine (Chaperone) besitzen ausgeprägte Zell- und Gewebe-protektive Eigenschaften. Interessanterweise können sie in verschiedenen Zellen auch durch schwache niederfrequente elektromagnetische Felder induziert werden, also auf nicht-thermische Weise [3] [11] [14]. Hierdurch dürfte sich auch die Schutzwirkung einer magnetischen Stimulation auf Ischämie-bedingte Gewebsschäden erklären lassen. So konnte an einem Myokardinfarkt-Modell der Ratte eine erhebliche Reduktion der Gewebsnekrose nachgewiesen werden, wenn die Tiere einem pulsierenden Magnetfeld ausgesetzt waren [1]. Diese Behandlung limitierte auch Ödeme und fokale zerebrale Ischämie bei Kaninchen [8].

Magnetfeld-induzierte Differenzierungsprozesse wurden an verschiedenen Vorläufer- und Stammzellmodellen nachgewiesen [18]. Bei humanen Promyelozyten (HL-60) bewirkten 60 Hz-Magnetfelder eine Differenzierung zu adhärierenden Spezies mit ausgeprägter phagozytotischer Aktivität [20]. Auch neuronale Differenzierungsprozesse konnten nachgewiesen werden. Feld-exponierte chromaffine Zellen entwickelten histologische und ultrastrukturelle Merkmale ähnlich denen nach NGF-Behandlung [6]. An Dorsalganglion-Explantaten von Rattenembryonen konnte gezeigt werden, dass pulsierende Magnetfelder das Auswachsen von Neuriten stimulieren [12], jedoch nur in Gegenwart von NGF. Auch neuroprotektive Wirkungen wurden nach magnetischer Stimulation beobachtet. So erhöhte sich die Vitalität von hippokampalen Zellen der Maus in vitro sowie deren Widerstandsfähigkeit gegen oxidativen Stress [16].

Die Induktion von Angiogenese durch elektromagnetische Stimulation kann ebenfalls als gesichert gelten. So wurde an Endothelzell-Monolayern eine signifikante Zunahme der Proliferation und eine charakteristische Musterbildung (sprouting) beobachtet [22]. Von besonderer Bedeutung sind die Arbeiten einer japanischen Gruppe [9]. Hier wurden kultivierte Skelettmuskelzellen befeldet, was zur Erhöhung der VEGF mRNA Menge und zur Freisetzung von VEGF Protein führte. Das auf diese Weise konditionierte Medium stimulierte die Vermehrung von Endothelzellen. Schließlich wurde die Wirkung der elektromagnetischen Stimulation an einem ischämischen Hinterbeinmodell der Ratte untersucht. Nach 5 Tagen ergab sich dabei eine signifikante Erhöhung der VEGF-Synthese, der Kapillardichte und der Muskeldurchblutung. Ob diese experimentelle Angiogenese auch unter nicht-ischämischen Bedingungen funktioniert, ist noch offen.

Diese sehr interessanten Feldwirkungen eröffnen die Perspektive für neuartige und zugleich schonende Therapieansätze, die von der Behandlung bzw. Prophylaxe ischämischer Erkrankungen bis hin zu neurodegenerativen und (psycho-) neurologischen Krankheitsbildern reichen. Am Karlsruher Labor werden, in Zusammenarbeit mit klinischen Partnern, hierzu bereits Forschungsarbeiten durchgeführt. Ziel ist es dabei, noch fehlende Wirkungsdetails aufzuklären und klinische Tests durchzuführen.

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Literatur

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Prof. Dr. H. Dertinger

Forschungszentrum Karlsruhe · Institut für Medizintechnik und Biophysik

Postfach 3640 · 76021 Karlsruhe

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Literatur

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Abb. 1 Interferenzstrom als Schwebung durch additive Überlagerung zweier frequenzmäßig leicht unterschiedlicher Wechselströme. Die Modulationsfrequenz (Anzahl der Strombäuche pro Sekunde) ist durch deren Frequenzunterschied gegeben. Um eine gute Hautpermeation zu erzielen, liegen die Frequenzen der überlagerten Ströme meist bei 4000 Hz.

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Abb. 2 Beispiel für die anti-psoriatische Wirkung des Interferenzstromes. Hände vor und nach einer dreimonatigen Behandlung [13].

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Abb. 3 Intrazelluläre cAMP-Konzentration in 2 verschiedenen Zelltypen relativ zu scheinexponierten Kontrollen (100 %) nach 5-minütiger IFS-Behandlung bei unterschiedlicher Modulation. Die Messwerte sind den Publikationen [10] und [19] entnommen. Die Signifikanzprüfung erfolgte mit dem t-Test für gepaarte Stichproben.

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Abb. 4 Intrazelluläre cAMP-Konzentration in Mausfibroblasten relativ zu scheinexponierten Kontrollen (100 %) nach 5-minütiger Behandlung mit unmoduliertem 4000-Hz-Strom unterschiedlicher Stromdichte [10]. Die Signifikanzprüfung erfolgte mit dem t-Test für gepaarte Stichproben.